Parlament Österreich

 

 

 

V-36 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Dienstag, 19. Februar 2013

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode     Dienstag, 19. Februar 2013

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

 

1.    COM(2012) 629 final

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen

Arbeitsprogramm der Kommission für 2013 - Anhang

(95787/EU XXIV.GP)

 

 

2.    COM(2012) 750 final

Mitteilung der Kommission

Jahreswachstumsbericht 2013

(99652/EU XXIV.GP)

 

 

3.    COM(2012) 751 final

Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, die Europäische Zentralbank, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen und die Europäische Investitionsbank

Warnmechanismus-Bericht - 2013 gemäß Artikel 3 und 4 der Verordnung über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte

(99684/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Arbeit der Kommission, insbesondere deren Funktion im Zusammenhang mit dem "Europäischen Semester" und dem Konsolidierungskurs zur Bewältigung der Krise, stand  im Mittelpunkt des EU-Unterausschusses des Nationalrats am 19. Februar 2013. Dementsprechend war auch der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Richard Kühnel, eingeladen, um mit den Abgeordneten das Arbeitsprogramm der Kommission für 2013 sowie den Jahreswachstums-Bericht 2013 und den Warnmechanismus-Bericht 2013 zu diskutieren.

 

 

Tagesordnungspunkt 2 und 3 wurden unter einem verhandelt.

 

 

Die Ausschussmitglieder fassten den einstimmigen Beschluss, den Wachstums-Bericht 2013 auch im Plenum des Nationalrats zu behandeln.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Arbeitsprogramm der EU-Kommission

 

 

Das Jahr 2013 sei ein Schlüsseljahr für die europäische Wirtschaft und die europäische Politik. Man erhoffe sich einen nachhaltigen Fortschritt auf dem Weg aus der Krise heraus, sagte Kühnel in seinem Einleitungsstatement. Im Arbeitsprogramm, das ihm zufolge ambitioniert, gleichzeitig aber auch realistisch ist, lege man daher auch den Fokus auf Krisenbewältigung, Wettbewerbsfähigkeit und Reformen. Es zeige auf EU-Ebene Richtungen und Wege auf, könne aber nur als eine Ergänzung zu den Anstrengungen auf nationaler Ebene verstanden werden. Kühnel bezeichnete das Arbeitsprogramm als eine Art "Leistungsvereinbarung" der Kommission mit dem Rat und dem Europäischen Parlament sowie mit den nationalen Parlamenten und den BürgerInnen.

 

Der Vertreter der Kommission machte gleichzeitig klar, das sich die Kommission auch mit wesentlichen Themen, die über das Arbeitsprogramm hinaus gehen, beschäftigt. So seien etwa das Paket zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, zur Finanztransaktionssteuer, zur gemeinsamen Bankenaufsicht, zum Schienenverkehr, zur Produktsicherheit und zu den Steueroasen nicht Teil des Programms, nachdem dazu bereits Vorschläge vorgelegt worden sind. Das Arbeitsprogramm selbst führt über 50 neue Initiativen an, weise aber auch auf 14 Initiativen hin, die zurückgezogen werden sollen, da die Kommission es vermeiden möchte, neue Regelungen um jeden Preis einzuführen. 18 Initiativen zielen auf die Entbürokratisierung ab.

 

Als besonders relevant für Österreich sei die Zielsetzung einer echten Wirtschafts- und Währungsunion hervorzuheben, da Europas Stärke auf der engen Vernetzung seiner Volkswirtschaften fuße, merkte Kühnel an. Notwendig sei jedoch ein umfassendes Konzept gegen die Überschuldung und die Schwäche des Bankensektors. Daher werde die Kommission voraussichtlich noch vor dem Sommer im Rahmen der angestrebten Bankenunion einen Vorschlag für die Bankenabwicklung  sowie für die Strukturreform des Bankensektors vorlegen.

 

Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit und eines beschäftigungswirksamen Wachstums stelle der Bereich Klima und Energie ein Kernthema dar. Essentiell sei der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, wobei sich Österreich mit seinem Knowhow aktiv einbringen könne. Kühnel berichtete weiters, dass Forschungspartnerschaften zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor stark forciert werden, woraus sich für Österreich große Chancen ergeben.

 

Große Hoffnungen setzt man in der EU auf den Abschluss einer neuen Generation von Handelsabkommen, wobei das Projekt einer Freihandelszone mit den USA besonders hervorzuheben sei. Man erwartet sich davon ein enormes Potential zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze sowie hinsichtlich der Steigerung des BIP.

 

 

 

Das Arbeitsprogramm der EU-Kommission, das die für den Zeitraum 2013 bis 2014 anstehenden Initiativen umfasst, spiegelt einmal mehr das breite Spektrum dessen wider, was man auf EU-Ebene als notwendig erachtet, um den Binnenmarkt zu vollenden, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln sowie Qualifizierung der ArbeitnehmerInnen zu fördern. Besonderes Augenmerk wird auch der Klimapolitik geschenkt. Priorität hat weiterhin der Kampf gegen Geldwäsche und Steuerbetrug.

 

Aus der Vielzahl der vorgesehenen Initiativen zu erwähnen ist unter anderem der Plan, systembedingte Risiken des Schattenbankwesens – also Firmen, die mit großen Geldmengen Finanzgeschäfte ausüben, ohne ein Kreditinstitut zu sein – zu beseitigen und das Europäische System der Finanzaufsicht einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen. Hinzu kommen Vorhaben wie etwa, die Qualität und Wirksamkeit der Binnenmarktvorschriften für Industrieerzeugnisse zu steigern und verbliebene Handelsschranken abzubauen, die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Beschaffungswesen sowie die Interoperabilität zu optimieren, Partnerschaften im Forschungs- und Innovationsbereich im Rahmen des Programms "Horizont 2020" zu forcieren und Vereinfachungen für Unternehmen durch eine standardisierte Mehrwertsteuer-Erklärung herbeizuführen.

 

Im Interesse des Konsumentenschutzes sollen Transparenz und Vergleichbarkeit von Kontogebühren verbessert und der Wechsel des Bankkontos vereinfacht werden. Große Hoffnungen setzt man in der EU auch auf den Ausbau drahtloser Breitbandnetze – Stichwort "Digitale Agenda" -, auf die Förderung der gemeinsamen Nutzung von Funkfrequenzen und die Nutzung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen auf dem Gebiet der Drahtloskommunikation und der Frequenzharmonisierung. Außerdem wird es ein Follow-up zum Grünbuch "Ein integrierter Markt für Karten-, Internet- und mobile Zahlungen" geben. Dichtere Vernetzung im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit will die EU zudem durch ein modernes Schienen- und Güterverkehrssystem ihrer Mitgliedsländer sowie einen einheitlichen Luftraum erreichen.

 

Zur zielführenden Bekämpfung der Schwarzarbeit ist für Aufsichtsbehörden eine entsprechende Plattform auf EU-Ebene vorgesehen.

 

Immer wichtiger werden Umweltmaßnahmen, weshalb die Kommission den rechtlichen Rahmen der EU für die ökologische Herstellung überprüfen, eine EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel sowie einen neuen Klima- und Energierahmen bis 2030 entwickeln möchte. Auch die Abfallpolitik und die diesbezüglichen rechtlichen Vorschriften sollen einer Evaluierung unterzogen werden. Außerdem denkt man daran, die Opferentschädigung bei nuklearen Unfällen zu verbessern und einheitliche Rahmenbedingungen für Investoren zu schaffen.

 

Im Hinblick auf die Terrorismusbekämpfung hat die Kommission vor, ein Bündel von Maßnahmen zum Einfrieren von Geldern, finanziellem Vermögen und wirtschaftlichen Erträgen von Personen und Organisationen zu setzen, die terroristischer Handlungen in der EU verdächtigt werden. Die EU beabsichtigt darüber hinaus, eine Europäische Staatsanwaltschaft zum Schutz der finanziellen Interessen der EU zu schaffen und Maßnahmen zu ergreifen, um den Zigarettenschmuggel weiter einzudämmen.

 

Ferner plant die Kommission, die Visapolitik der EU zwecks Erleichterung legal Reisender zur überarbeiten und globale Handelsbeziehungen der EU weiter zu stärken. Die Mitgliedsländer sind auch gefordert, Maßnahmen zur Integration der Roma zu intensivieren.

 

 

 

In der Diskussion bekräftigte Richard Kühnel einmal mehr, dass für die Kommission das Schlüsselwort "Intelligente Konsolidierung" laute. Deshalb seien Bildung, Forschung, Innovation und nachhaltige Energieversorgung von den Sparmaßnahmen ausgenommen. Auf keinen Fall dürfe man vom Weg der Konsolidierung abkommen, stellte er unmissverständlich klar. Er reagierte damit auf Abgeordneten Bruno Rossmann (G), der einmal mehr die Austeritätspolitik scharf kritisiert hatte.

 

Eurobonds stünden derzeit nicht auf der politischen Agenda des Rats, ergänzte er. In Bezug auf das Problem der Steueroasen kündigte Kühnel einen Vorschlag zur Bekämpfung der Geldwäsche in Europa an. 

 

Ein zentrales Element werde der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit bleiben, bestätigte Kühnel gegenüber Abgeordnetem Wilhelm Haberzettl (S). Österreich nehme hier durchaus Vorreiterfunktion ein. Ein verbindliches Unionsrecht in diesem Bereich zu setzen, sei aber nicht möglich, erklärte er. Ebenso werde es keine europäische Arbeitslosenversicherung geben, man strebe aber den Ausbau der Vernetzung der einzelnen Arbeitsmarktservices an. Es könne auch keine einheitliche europäische Gesundheitspolitik geben, aber im Rahmen des europäischen Semesters werde man sich auf den Gesundheitssektor konzentrieren, kündigte Kühnel an.

 

Abgeordneter Rossmann (G) hatte auch das Konzept der Kommission für eine vertiefte, echte Wirtschafts- und Währungsunion, den sogenannten "Blueprint", sowie den gemeinsamen Bericht der 4 Präsidenten angesprochen, in denen ehrgeizige Pläne für die europäische Zukunft skizziert werden. Dazu bemerkte Kühnel, man überlege, in Form einer ex-ante Diskussion die Reformpläne der einzelnen Mitgliedsländer im Vorhinein mit den europäischen Partnern zu diskutieren. Die Kommission halte auch die Idee eines eigenen Budget-Topfs zur Belohnung für Fortschritte bei der Wettbewerbsfähigkeit aufrecht, auch wenn diese von den Mitgliedsstaaten weniger begrüßt werde. Jedenfalls werde die soziale Dimension der Vorhaben genau untersucht. 

 

Die Einigung auf den mehrjährigen Finanzrahmen sehe eine Steigerung des Forschungsbudgets vor, dennoch sei diese geringer ausgefallen als man erhofft habe, räumte Kühnel ein, nachdem Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) die Bedeutung von Forschungspartnerschaften und Entrepreneurship-Zentren zwischen Hochschulen und Unternehmen angesprochen hatte. Österreich werde von Forschungspartnerschaften überproportional profitieren, zeigte er sich überzeugt, zumal das Land in vielen Bereichen Spitzenreiter beim Ausschöpfen von EU-Förderungen ist.

 

Der Kritik von Abgeordnetem Andreas Karlsböck (F) an der Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik begegnete Kühnel mit dem Hinweis, dass es in den letzten zwei Jahren große Fortschritte gegeben habe. So habe man bei Mali rasch reagiert, Erfolge im Kampf gegen die Piraterie in Somalia erzielen können und in Palästina sei man sehr präsent.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jahreswachstums-Bericht 2013 und Warnmechanismus-Bericht 2013

 

 

Österreich ist nach wie vor ein sehr wettbewerbsfähiges Land. Hinsichtlich bestehender makroökonomischer Ungleichgewichte muss kein Warnmechanismus ausgelöst werden, auch wenn das Land drei Schwellenwerte von den Scoreboard-Indikatoren (Instrument, um die frühzeitige Erkennung und Überwachung von Ungleichgewichten zu erleichtern) überschreitet. Die kritischen Punkte betreffen die Verringerung des Exportmarktanteils über die letzten 5 Jahre sowie die öffentliche und die private Verschuldung. Bis auf die Staatsverschuldung ist jedoch der Abstand zu den Soll-Werten im Vergleich zum letzten Jahr zurückgegangen. Das ist die für Österreich zentrale Aussage des Warnmechanismus-Berichts 2013, der  gemeinsam mit dem Jahreswachstums-Bericht 2013, auf der Tagesordnung des EU-Unterausschusses stand.

 

 

 

Der Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Wien, Richard Kühnel, unterstrich auch im Zusammenhang mit diesen beiden Tagesordnungspunkten die Notwendigkeit "intelligent" zu sparen und regte an, die Steuerbelastung auf Arbeit zu reduzieren und budgetneutral auf weniger wachstumshemmende Steuern sowie auf Umweltbelastung zu verlagern.

 

Seitens der Grünen kam einmal mehr harsche Kritik gegen die Sparpolitik der Union, die sich negativ auf das Wirtschaftswachstum und die Beschäftigungspolitik auswirke. Der Kommission gehe es nur um Wettbewerb und Flexibilisierung, hingegen fehle eine klare Prioritätensetzung im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, warf Abgeordneter Bruno Rossmann (G) der Kommission vor. Er hinterfragte auch die ökonomische Sinnhaftigkeit der festgelegten Schwellenwerte.

 

Eine Diskussion gab es auch um das Frauenpensionsalter, nachdem Kühnel gemeint hatte, zwischen der Armut von Frauen und dem frühen Pensionsantritt bestehe ein Zusammenhang. Das rief eine Reaktion von Abgeordneter Gisela Wurm (S) hervor, die meinte, das Problem liege in den niedrigeren Gehältern von Frauen, die Anpassung des Pensionsantrittsalters an jenes der Männer sei ein untauglicher Versuch im Kampf gegen die Frauenarmut.

 

 

 

Warnmechanismus-Bericht 2013

 

Die vorsichtig positive Bewertung im Warnmechanismus-Bericht 2013 und die Feststellung, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt für Österreich keine Tiefenanalyse durchgeführt werden muss, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Reform- und Konsolidierungskurs weiter verfolgt werden muss.

 

Wie der Bericht ausführt, gingen die globalen Exportanteile zwischen 2006-2011 um 11,5% zurück (Schwellenwert minus 6%), wobei sich die Verluste im Jahr 2011 nicht fortgesetzt haben, so die Hinweise der PrüferInnen. Probleme mit der Preis- und Kostenwettbewerbsfähigkeit seien nicht zu erkennen, heißt es weiter, Österreich habe im Hinblick auf die absolute Arbeitsproduktivität (BIP in Kaufkraftstandard je Beschäftigten) sowie bei den Exporten je Beschäftigten eine starke Position beibehalten. Allerdings habe sich der Leistungsbilanzüberschuss in den Jahren 2010-2011 recht abrupt verringert, da Österreichs Exporte noch nicht wieder auf das Vorkrisenniveau gestiegen sind. Daher seien Vorbehalte gegenüber einer allzu positiven Einschätzung geboten, und dieser Umstand könnte als Anzeichen dafür gewertet werden, dass die Innovations- und Diversifizierungskapazitäten der österreichischen Wirtschaft gestärkt werden müssen, zeigt die Kommission auf. Der Überschuss dürfte in Zukunft stabil bleiben, wenn die Nettoausfuhren schrittweise wieder anziehen, lautet die Expertise.

 

Die private Verschuldung (160,7% des BIP) lag 2010 leicht über dem indikativen Schwellenwert (160% des BIP). Das ist auf das gedämpfte Kreditwachstum im Privatsektor im Laufe des Jahres 2011 zurückzuführen - eine Entwicklung die sich 2012 fortgesetzt hat.

 

Was die Haushaltskonsolidierung betrifft, so attestiert die Kommission Österreich, dass das Land planmäßig vorankomme. Nachdem allerdings die Schuldenquote den Prognosen zufolge nicht vor 2014 sinken werde, seien auch weiterhin kontinuierliche finanzpolitische Anstrengungen erforderlich, so die Kommission. Die Umstrukturierung der verstaatlichten Banken halte zwar die Gefahr negativer Rückkoppelungsschleifen in Grenzen, sei aber weiterhin durch Verzögerungen gefährdet.

 

 

Trotz positiver Anzeichen dafür, dass der Abbau der Ungleichgewichte in den EU-Volkswirtschaften erfolgreich verläuft, gibt die Kommission noch keine Entwarnung. Die aktuellen sowie die für nächstes Jahr prognostizierten Wachstumsbedingungen fallen deutlich schlechter aus, als zum Zeitpunkt des letzten Warnmechanismus-Berichts Anfang des Jahres angenommen, gibt man zu bedenken. Die Korrektur der internen und externen Ungleichgewichte werde sich voraussichtlich über einen längeren Zeitraum hinziehen und in den kommenden Jahren die Wirtschaftslandschaft prägen. Man stehe weiterhin vor der gewaltigen Aufgabe, die vor der Krise aufgebauten externen und internen Ungleichgewichte, die die Wirtschaftskrise maßgeblich mitverursacht haben, zu korrigieren. Dazu zählen vor allem große und hartnäckige Zahlungsbilanzdefizite und -überschüsse, nachhaltige Wettbewerbsverluste und anwachsende Schuldenstände.

 

Mehrere Staaten seien gefordert, die Schulden im privaten und öffentlichen Sektor abzubauen, wobei die Kommission einräumt, dass der simultane Schulden- und Kostenabbau das Wachstum hemmt.

 

 

Mit dem Warnmechanismus-Bericht wird das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (Macroeconomic Imbalance Procedure – MIP) eingeleitet. Er stellt die erste Stufe der Überprüfung dar, bei der die Kommission jene EU-Länder ermittelt, die angesichts der dortigen Entwicklungen einer weiterführenden Analyse (IDR) unterzogen werden. Damit soll geklärt werden, ob es sich bei den festgestellten Ungleichgewichten um exzessive Abweichungen handelt. Sollte dies der Fall sein, dann werden weitere Verfahrensschritte zur Korrektur dieser Entwicklung eingeleitet. Für Mitgliedstaaten der Eurozone können auch finanziellen Sanktionen verhängt werden (Zahlung einer jährlichen Strafe von 0,1% des BIP).

 

Die Tiefenanalysen, die die EU-Kommission über die Lage von den nunmehr 14 identifizierten Staaten durchführt – in der Zahl sind die Programmstaaten Griechenland, Portugal, Rumänien und Irland nicht inbegriffen -, werden im März 2013 veröffentlicht. Dem folgen weitere Schritte, um die bestehenden makroökonomischen Ungleichgewichte zu korrigieren bzw. zu vermeiden. Österreich zählt zu den neun Ländern der EU, für die kein Frühwarnverfahren ausgelöst werden muss. Hingegen fallen etwa die Niederlande, Großbritannien und Belgien darunter.

 

Der Frühwarnmechanismus ist als Reaktion darauf zu verstehen, dass die Entwicklung makroökonomischer Ungleichgewichte die Wirtschafts- und Finanzkrise bzw. Euroschuldenkrise wesentlich mitverursacht hat. Er basiert auf dem so genannten "six-pack", das aus fünf Verordnungen und einer Richtlinie besteht und am 13. Dezember 2011 in Kraft getreten ist. Darin werden der Stabilitäts- und Wachstumspakt durch präventive und korrektive Maßnahmen gestärkt, finanzielle Sanktionen für Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sowie Mindestanforderungen an die nationalen Haushaltsrahmen festgelegt und ein neuer Mechanismus zur frühzeitigen Erkennung, Prävention und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte geschaffen.

 

 

 

Jahreswachstums-Bericht 2013

 

Ähnlich dem Warnmechanismus-Bericht lauten auch die Aussagen des Jahreswachstums-Berichts 2013. Dieser hält zusammenfassend fest, dass trotz bisheriger Anstrengungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und erster Erfolge – etwa sinkende Haushaltsdefizite, nachlassende Spannungen auf den Finanzmärkten und erste Anzeichen für eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit - die Reformanstrengungen aufrechterhalten werden müssen: zum einen, um die Krise zu überwinden, zum anderen, um Wachstum und Beschäftigung zu schaffen und die einzelnen Staaten mittelfristig zu stärken. Notwendige und nach wie vor gültige zentrale Maßnahmen betreffen die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die Wiederherstellung des Finanzsektors, die Vornahme tiefgreifender Strukturreformen, die Verbesserung der Arbeitsmarktsituation und des sozialen Umfeldes, sowie die Sicherstellung effizienter öffentlicher Verwaltungen zwecks Durchsetzung notwendiger Maßnahmen.

 

Der Wirtschaftsausblick bleibt insgesamt fragil, für 2013 ist laut Analyse von einer weiterhin prekären Situation mit teileweise positiven Entwicklungen auszugehen. Letztere umfassen eine Rückführung der makroökonomischen Ungleichgewichte, eine Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit in Teilen von Europa, eine zunehmende Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, und eine schrittweise Stabilisierung der Finanzmärkte. Als wesentliche Maßnahmen, die 2012 ergriffen wurden, nennt der Bericht die erfolgte Einrichtung des ESM, die Annahme des Wachtsums- und Beschäftigungspakts (Maßnahmen von Binnenmarkt bis Kohäsionsmittel) und Vorschläge der Kommission zur Verbesserung der Energiemärkte sowie zu einer Neuausrichtung der Industriepolitik, neue Regeln für Wirtschaftsführung (six-pack und two-pack) und EZB-Finanzstabilisierungsmaßnahmen.

 

Auch der Wirtschaftsausblick der OECD für die Eurozone ist nicht rosig. Die Organisation erwartet eine Schrumpfung im Jahr 2013 und einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Weltwirtschaft werde sich 2013 auch nur zögerlich und ungleichmäßig erholen, meinen die ExpertInnen, die Schuldenkrise in Europa werde auch die stärkere wirtschaftliche Dynamik in den USA und in den Entwicklungsländern bremsen.

 

Für Österreich hat die OECD die Prognose nach unten revidiert und erwartet ein Wirtschaftswachstum für heuer und für 2014 um 0,8% bzw. 1,8%, wobei die Inflation nach derzeitigen Berechnungen 2013 auf 1,9% sinken dürfte. 

 

 

Daher bleiben folgende fünf Prioritäten des vorjährigen Jahreswachstums-Berichts weiterhin im Fokus der Union, was von Österreich auch explizit begrüßt wird: differenzierte, wachstumsfreundliche Haushaltskonsolidierung, Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe an die Wirtschaft, Förderung von Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Bewältigung der sozialen Folgen der Krise sowie Modernisierung der öffentlichen Verwaltung.

 

Kühnel ließ keinen Zweifel daran, dass Österreich seinen Schuldenstand von über 70% zurückführen und sein Defizit unter die Marke von 3% drücken müsse. Seitens der österreichischen Regierung wird in diesem Zusammenhang unterstrichen, dass vor dem Hintergrund der aktuellen Konsolidierungserfordernisse auch Spielräume in den öffentlichen Haushalten durch deutliche Steigerung bei Effizienz und Effektivität erzielt werden müssen. Vor allem sei darauf zu achten, dass die Konsolidierung sowohl wachstumsfreundlich als auch sozial fair ist und die langfristige Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme nicht beeinträchtigt wird.

 

Insbesondere wird angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa seitens der österreichischen Regierung das klare Bekenntnis zur Einführung einer europaweiten Jugendgarantie begrüßt. Auch Kühnel hob ausdrücklich das gut funktionierende Ausbildungssystem als ein Vorbild für Europa hervor.

 

 

 

Diskussion

 

Zu einer Wiederherstellung einer normalen Kreditvergabe in der Wirtschaft müsse Österreich die Umstrukturierung seiner Banken beschleunigen, meinte er weiter und fügte hinzu, dass Österreich im Bankensektor zu den Top 20 Ländern gehört. Abgeordnetem Werner Amon (V) gegenüber betonte er, Ziel sei es, den Bankensektor wieder zum Dienstleister für die Realwirtschaft werden zu lassen. Die Basel-III Vorschriften kämen von den G-20, die EU habe zur Erleichterung die Frist für die Umsetzung nach hinten verschoben. Darüber hinaus habe die europäische Investitionsbank mehr Kapital zur Verfügung, und über diesen Hebel könne man mehr als 60 Milliarden Euro frei machen. Außerdem gebe es noch einen kleinen Topf für die KMU. Kühnel wies darüber hinaus nochmals auf den Plan der Bankenunion hin. 

 

Der Vertreter der EU-Kommission übte auch leise Kritik an Marktzugangshindernissen in den Bereichen Verkehr und Energie sowie an aus seiner Sicht ungerechtfertigten Beschränkungen zu den freien Berufen.

 

Hinsichtlich der Bewältigung der sozialen Folgen der Krise meinte er, dass Österreich aufgrund des prognostizierten Rückgangs der erwerbsfähigen Bevölkerung sein Erwerbspotential besser ausschöpfen sollte. Die Problembereiche ortete er in der geringen Beschäftigungsquote älterer ArbeitnehmerInnen sowie die verbreitete Inanspruchnahme von Frühpensionsregelungen und Invaliditätspensionen. Auch werde das Potential von Menschen mit Migrationshintergrund unzureichend genützt, hielt er fest.

 

Abgeordnete Christine Muttonen (S) merkte kritisch an, dass im Bericht der Verweis auf das nötige Monitoring der sozialen Auswirkungen von Konsolidierungsmaßnahmen sowie eine angemessene Schwerpunktsetzung fehlen. Darüber hinaus müsste aus heimischer Sicht den Bereichen Forschung und Entwicklung sowie Bildung noch stärkere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie zeigte sich aber erfreut darüber, dass im Rahmen des Europäischen Semesters die europäischen Sozialpartner frühzeitig eingebunden wurden und die soziale Dimension ernst genommen wird. Dem entgegnete Richard Kühnel, dass die Verantwortung für die Überprüfung der sozialen Auswirkungen bei den einzelnen Mitgliedsstaaten liege, mit denen die Kommission in ständigem Dialog stehe. Die Kommission selbst verfüge aber weder über die Kapazitäten noch über die Möglichkeiten, das geforderte Monitoring durchzuführen.

 

Was die Verwaltungsvereinfachung betrifft, so sah Kühnel vor allem im Gesundheits- und Bildungsbereich erhebliche Optimierungschancen, welche das Budget von Bund und Ländern entlasten und gleichzeitig zu einem besseren Service für die BürgerInnen führen könnte.

 

Unzufrieden mit den beiden Berichten, insbesondere hinsichtlich der daraus gezogenen Schlüsse, zeigte sich Abgeordneter Bruno Rossmann (G). Das Bemühen um eine differenzierte wachstumsfreundliche Strategie sei an sich positiv, die reale Austeritätspolitik habe Europa jedoch in die Rezession geführt, und so werde man der Arbeitslosigkeit nicht begegnen können, war er überzeugt. Der Kommission gehe es in der erster Linie um Wettbewerb und Flexibilisierung, Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit hätten keine Priorität, Schritte zur Bekämpfung sozialer Probleme würden im Wachstums-Bericht nicht angesprochen, so seine Vorbehalte. Rossmann forderte auch dringend ein, die Nachfrage zu stärken, und hielt es für völlig verfehlt, die Löhne unter die Produktivitätsentwicklung zu drücken. Diese müssten vielmehr darüber liegen, sagte er.

 

Den Warnmechanismus hielt Rossmann für einen Schritt in die richtige Richtung. Die Festsetzung von Schwellenwerten kritisierte er jedoch als eine reine Willkür. Sie seien teilweise in "haarsträubender Weise" festgelegt worden und ökonomisch nicht zu begründen, konstatierte er. Er halte es daher für unverantwortlich, diese Werte als Entscheidungsfaktoren für ein Verfahren heranzuziehen. Vor allem stieß sich Rossmann an der Festlegung, dass erst ab einer Arbeitslosenrate von 10% ein Ungleichgewicht entsteht und bemängelte zudem die zu starke Konzentration auf die Preisanpassung als kontraproduktiv. In der EU-Krisenpolitik soll offensichtlich die Massenarbeitslosigkeit dafür sorgen, dass die Löhne gedrückt werden, folgerte er.

 

Darauf reagierte Richard Kühnel mit der Feststellung, dass man keineswegs die 2020-Ziele aus den Augen verliere. Aber derzeit gehe ein zu großer Anteil der öffentlichen Haushalte in den Zinsendienst, wodurch die einzelnen Staaten kaum Spielraum hätten, wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen zu setzen. Außerdem seien in manchen Ländern die Löhne zu stark gestiegen, in manchen zu wenig, wie etwa in Deutschland und Österreich.

 

Auf die Kritik von Abgeordnetem Andreas Karlsböck (F), die Kommission gehe an den wahren Problemen vorbei, erwiderte Kühnel, das Gegenteil sei der Fall. Man konzentriere sich auf Haushaltskonsolidierung und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sowie auf die Beschäftigung.

 

 

 

Das Europäische Semester

 

Wie der Warnmechanismus-Bericht ist auch der Jahreswachstums-Bericht Teil des "Europäischen Semesters" - ein Instrument zur finanz- und wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EU, das 2011 erstmals angewandt wurde und einem festen Sechsmonats-Fahrplan folgt. Es ist als vorbeugendes Krisenmanagement konzipiert, das auf eine engere Abstimmung zwischen Mitgliedstaaten und Kommission bei der jeweiligen Haushaltsplanung abzielt, um drohende Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie gegen die vom Europäischen Rat in seiner Frühjahrstagung festgelegten Grundzüge der Wirtschaftspolitik von vornherein zu verhindern und den Zielen der "Strategie Europa 2020" näher zu kommen.

 

Der Jahreswachstums-Bericht bildet den Auftakt zum "Europäischen Semester". Laut Information des Bundeskanzleramts wird der aktuelle Bericht nun in einzelnen Ratsformationen erörtert. Aufgrund dieser Ergebnisse legen die Staats- und RegierungschefInnen beim Europäischen Rat am 14./15. März 2013 die wirtschaftspolitischen Leitlinien für die Mitgliedstaaten fest. Unter Berücksichtigung dieser Leitlinien erstellen daraufhin die Mitgliedstaaten ihre Stabilitäts- bzw. Konvergenzprogramme sowie ihren nationalen Reformprogramme, deren Vorlage bis Ende April 2013 erfolgen soll. Diese werden im Anschluss von der Europäischen Kommission bewertet, bis Ende Mai 2013 erhalten dann die Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen, welche durch den Europäischen Rat bei seiner Tagung am 27./28. Juni 2013 bestätigt und formal im Juli 2013 vom Rat angenommen werden.