18/A XXV. GP

Eingebracht am 29.10.2013
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ANTRAG

 

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend Aufhebung des Amtsgeheimnisses und Schaffung eines Grundrechts auf Information

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 164/2013, wird wie folgt geändert:

 

1.    Nach Artikel 9a wird folgender Artikel 9b eingefügt:

 

„(1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zur umfassenden Transparenz des staatlichen Handelns und zur Informationsfreiheit seiner Bürger.

(2) Umfassende Transparenz erfordert die möglichst weitgehende öffentliche Zurverfügungstellung aller Informationen betreffend staatliches Handeln. Sie ist insbesondere durch umfassende amtliche Zugänglichmachung der Ergebnisse staatlichen Handelns – auch in maschinenlesbarer Form -, rasche und kostenlose Hilfeleistung bei Auskunftsbegehren sowie durch Maßnahmen zur Erleichterung und Gewährleistung der Akteneinsicht herzustellen.“

 

2.    Artikel 20 Abs 3 bis 7 lauten wie folgt:

 

„(3) Jede Person hat ohne Darlegung eines berechtigten Interesses an der Kenntnis des jeweiligen Vorgangs das Recht auf unverzügliche und kostenlose Information über alle Angelegenheiten des Wirkungskreises von Organen,


-          die mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betraut sind,

-          Organen anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts,

-          Organen der Gerichtsbarkeit

-          Organen der Gesetzgebung

-          der Rechnungshöfe,

-          der Volksanwaltschaft,

-          und sämtlicher Einrichtungen, die der Kontrolle des Rechnungshofes oder vergleichbarer Kontrollinstitutionen der Länder unterliegen sowie Gemeindeverbände, Stiftungen, Fonds und Anstalten.

Dieses Recht umfasst den Zugang zu Akten, Dokumenten und allen sonstigen Informationen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, über die diese Organe verfügen.

 

(4) Beschränkungen dieses Rechts sind nur zulässig, wenn sie ausdrücklich gesetzlich vorgesehen sind. Eine Beschränkung muss im konkreten Einzelfall zwingend erforderlich sein,

-          weil überwiegende berechtigte Geheimhaltungsinteressen Dritter im Sinne des Datenschutzgesetzes (DSG2000) bestehen,

-          eine unmittelbare und schwerwiegende Gefahr besteht

-          für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit,

-          für die militärische Landesverteidigung,

-          für die außenpolitischen Interessen der Republik Österreich,

-          für die wirtschaftliche Existenz einer Körperschaft des öffentlichen Rechts,

oder sie unmittelbar der Vorbereitung einer Entscheidung dienen.

Juristische Personen des Privatrechts, die im Wettbewerb stehen, dürfen die Auskunft beschränken, soweit dies zwingend erforderlich ist, um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren. Bei Beschränkungen ist stets das gelindeste Mittel zu wählen.

 

(5) Akten, Dokumente und Informationen, die sich unmittelbar auf die Verwendung öffentlicher Mittel beziehen, sind jedenfalls zugänglich zu machen. Akten, Dokumente und Informationen, die nicht zugänglich gemacht worden sind, weil sie der Vorbereitung einer Entscheidung dienen, sind jedenfalls zugänglich zu machen, sobald die Entscheidung getroffen worden ist.

 

(6) Die Beschränkungen dieses Rechts gemäß Absatz 4 bestehen nicht im Verhältnis zwischen einem von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionär und diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Informationen verlangt. Sinngemäß gilt dies auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und dem Bundesrat sowie für vom Volk gewählte Bürgermeister gegenüber dem Gemeinderat.

 

(7) Angelegenheiten der Informationsfreiheit, einschließlich der Beschränkungen dieses Rechts, sind Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung.“


3.    Art 151 wird folgender Abs 57 angefügt:

 

In der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. 164/2013 treten Art 9a und Art 20 Abs 3 bis 7 mit 31. Dezember 2014 in Kraft“

 

 

 

Begründung:

 

 

Allgemeiner Teil:

 

Es gibt in Österreich kaum Transparenz in Gesetzgebung und Vollziehung. Zwar regelt ein Auskunftspflichtgesetz, wann Behörden auf Ansuchen der BürgerInnen Informationen bekannt geben müssen, aber die Ausnahmebestimmungen des Gesetzes sind so breit gefasst, dass eine Verweigerung der Auskunft beinahe immer argumentiert werden kann. Dazu gibt es für Auskunftssuchende kaum Rechtsschutzmöglichkeiten. Antwortet eine Behörde nicht, kann zwar ein Negativbescheid begehrt werden, wird aber selbst dieser nicht ausgestellt, ist laut VwGH-Judikatur keine Säumnisbeschwerde mehr zulässig (B vom 11. November 1997, Zl. 97/01/0845, B vom 28. November 2006, Zl. 06/06/0115). Die/der Auskunftssuchende bleibt auf der Strecke.

 

Das Evaluierungsteam der Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GET) hat schon 2008 in seinem Österreichbericht zur Transparenz der staatlichen Behörden folgendermaßen Stellung genommen: „Diese Situation ist vom Standpunkt der Transparenz der staatlichen Behörden betrachtet nicht befriedigend und erschwert es Bürgern und den Medien, Kontrolle über die Verwaltung auszuüben, was zu einer Verhinderung der Korruption beitragen würde. Das GET empfiehlt daher im Hinblick auf einen erleichterten Zugang zu Informationen, für eine festgelegte Zahl von Fällen, in denen die Auskunftserteilung verweigert werden kann, präzise Kriterien zu entwickeln und sicherzustellen, dass eine solche Weigerung von der betroffenen Person bekämpft werden kann.“ Die Empfehlung wurde bis heute ignoriert.

 

Im Juni 2013 hat eine Expertengruppe für die Bürgerplattform „transparenzgesetz.at“ einen Verfassungsentwurf zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses vorgelegt. Dieser Entwurf soll nun im Rahmen dieses Gesetzesantrags im Nationalrat eingebracht werden. Der Entwurf sieht neben der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Rechts auf Information auch eine eigenständige Staatszielbestimmung zur Informationsfreiheit vor. Zudem sollen die Angelegenheiten der Informationsfreiheit zukünftig ausschließlichen in die Kompetenz des Bundes in Gesetzgebung und Vollziehung fallen. Ziel ist es, das Amtsgeheimnis in Zukunft durch ein Informationsfreiheitsgesetz zu ersetzen. Behörden, aber auch staatseigene Betriebe sowie Organisationen, die im überwiegenden Maß von der öffentlichen Hand finanziert werden, sollen Informationen zukünftig unverzüglich veröffentlichen (Open Data). Darüber hinaus sollen Behörden aber auch ausgegliederte und beliehene Rechtsträger weiterhin auf Antrag Auskunft erteilen. In jedem Fall soll die oder der Informations- oder Auskunftssuchende Zugriff auf die jeweiligen Primärdokumente haben. Eine bloß auszugsweise Darstellung der Information genügt nicht. Das Amtsgeheimnis wird abgeschafft. Ausnahmen von der Informations-/oder


Auskunftspflicht sind nur in gesetzlich engen Grenzen zulässig. Hier werden dem einfachen Gesetzgeber verfassungsrechtliche Schranken gesetzt. Einfachgesetzliche Ausnahmen von der Informationsfreiheit sind nur zulässig, wenn Sie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen. Dem Verfassungsgerichtshof kommt gemäß Artikel 140 B-VG hier die Gesetzesprüfkompetenz zu.

 

 

Besonderer Teil:

 

Ziffer 1 – Staatszielbestimmung

Das Bekenntnis zur Informationsfreiheit erfordert ein Umdenken in allen staatlichen Institutionen. Die Informationsfreiheit soll deshalb als Staatszielbestimmung in die Bundesverfassung aufgenommen werden. Damit wird einerseits der Stellenwert der Informationsfreiheit und der Transparenz für den Staatsaufbau verdeutlicht, andererseits wird dadurch ein Verfassungsauftrag für den jeweiligen Gesetzgeber formuliert. Konkret soll sichergestellt werden, dass die rechtlichen und institutionellen Voraussetzungen für die Informationsfreiheit in Österreich sukzessive geschaffen werden. Insbesondere die Einrichtung einer öffentlichen Open-Data-Plattform, die Schaffung eines/einer Beauftragten für Informationsfreiheit sowie die jährliche Vorlage eines Fortschrittsberichts zur Informationsfreiheit können als Handlungspflichten des Staates in diesem Zusammenhang identifiziert werden.

 

Ziffer 2 - Grundrecht:

Das verfassungsrechtlich gewährleistete Recht auf Information stellt ein subjektives Recht auf unverzügliche und kostenlose Information dar. Dieses Recht umfasst den Zugang zu Akten, Dokumenten und allen sonstigen Informationen der auskunftspflichtigen Stellen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung.

 

Im Zusammenspiel mit der ebenfalls in diesem Bundesverfassungsgesetz vorgesehenen Staatszielbestimmung treffen den Staat grundrechtliche Gewährleistungspflichten. So hat der Staat für die umfassende und unverzügliche amtliche Zugänglichmachung der Ergebnisse staatlichen Handelns Sorge zu tragen und dadurch den Schutz der Ausübbarkeit des Grundrechts auf Informationsfreiheit zu gewährleisten. Dazu bedarf es insbesondere der Errichtung einer öffentlichen Open-Data-Plattform. Die Möglichkeit zur freien Nutzung des Registers sowie die Möglichkeit zur freien Weiterverwendung und Verarbeitung von Informationen aus dem Register muss einfachgesetzlich abgesichert werden. Zusätzlich muss gewährleistet sein, dass Auskunftsersuchen innerhalb einer angemessenen Beantwortungsfrist von den informationspflichtigen Stellen erledigt werden. Um die Achtung des Grundrechts auf Information der Überprüfung durch das staatliche Rechtsschutzsystem zugänglich zu machen, wird die Erledigung eines Auskunftsersuchens stets bescheidmäßig zu erfolgen haben. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass ein effektiver Rechtsschutz eines verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf Information jedenfalls auch einer Beschwerdemöglichkeit wegen Säumnis bedingt, welche derzeit vom Verwaltungsgerichtshof unter Gesichtspunkten des Auskunftspflichtgesetzes nicht anerkannt wird.

 

Informationspflichtige Stellen im Sinne der Bestimmung sind insbesondere die Organe der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung sowie deren ausgegliederte und beliehene Rechtsträger. Weiters fallen Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts, Gemeindeverbände, Stiftungen, Fonds und Anstalten des


öffentlichen Rechts in den Anwendungsbereich der Informationsfreiheit. Darüber hinaus gelten auch jene Einrichtungen als auskunftspflichtige Stellen, die der Kontrolle des Rechnungshofes oder vergleichbarer Kontrollinstitutionen der Länder unterliegen. Das betrifft insbesondere die wirtschaftlichen Unternehmungen der Gebietskörperschaften sowie jene wirtschaftlichen Unternehmen an denen die Gebietskörperschaften mit einer absoluten Mehrheit am Stamm-, Grund- oder Eigenkapital beteiligt sind. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit findet auch auf die Orange der Gerichtsbarkeit und der Gesetzgebung inklusive der Hilfsorgane der Gesetzgebung (Volksanwaltschaften und Rechnungshöfe) Anwendung.

 

Gesetzesvorbehalt

Es werden eine Reihe von materiellen Gesetzesvorbehalten normiert. Eine einfachgesetzliche Einschränkung des Grundrechts auf Information ist zum Schutz der in der Bestimmung abschließend aufgezählten Rechtsgüter zulässig. Dabei bildet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Schranke für den einfachen Gesetzgeber. Demnach muss das beabsichtige Ziel der Einschränkung im öffentlichen Interesse liegen und die Einschränkung geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen. Entgegen der Judikatur des EGMR, soll nicht bloß die Anwendung eines möglichst schonenden (gelinden) Mittels zur Zielerreichung genügen, sondern ist ausdrücklich das gelindeste Mittel verlangt. Schlussendlich muss das öffentliche Interesse an der gesetzlichen Informationsbeschränkung dem Interesse nach Informationsfreiheit überwiegen.

 

Unabhängig von Gesetzesvorbehalten sind Informationen, die sich unmittelbar auf die Verwendung öffentlicher Mittel beziehen, jedenfalls zu erteilen. Sollten die Informationen der Vorbereitung einer Entscheidung dienen, sind die Informationen jedenfalls dann zu geben, sobald die Entscheidung getroffen wurde.

 

Wie bisher soll im Verhältnis zwischen einem von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionär und diesem Vertretungskörper keine Amtsverschwiegenheit und somit keine gesetzliche Einschränkung des Grundrechts auf Information gelten. Da der derzeit gültige Art 20 Abs 3 B-VG mit Wertungswidersprüchen behaftet ist, da die Bundesregierung nicht vom Nationalrat bestellt, sondern vom Bundespräsidenten ernannt wird und seit 1994 darüber hinaus die grundsätzliche Möglichkeit besteht, eine unmittelbare Bürgermeisterwahl durch das Gemeindevolk vorzusehen, soll die Novelle zum Anlass genommen werden, um auch diese Wertungswidersprüche zu beseitigen, indem nun ausdrücklich klargestellt wird, dass die Bestimmung sinngemäß auch für Mitglieder der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat und dem Bundesrat sowie für vom Volk gewählte Bürgermeister gegenüber dem Gemeinderat gilt.

 

Kompetenzbestimmung

Die Zersplitterung der derzeitigen Rechtlage ist den auskunftssuchenden BürgerInnen nicht mehr zumutbar. In derzeit gültigen Art 20 Abs 4 B-VG ist eine komplizierte Kompetenzaufteilung in Gesetzgebung und Vollziehung zwischen Bund und Ländern vorgesehen. Im Ergebnis regeln elf verschiedene Auskunftspflichtgesetze den Zugang zur Information in Österreich. Das Recht auf Information muss zukünftig einheitlich geregelt sein und für Bund, Länder und Gemeinden unter denselben Voraussetzungen anwendbar sein. Angelegenheiten der Informationsfreiheit, einschließlich der Beschränkung dieses Rechts, müssen daher Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung sein.


Ziffer 3 – Inkrafttreten

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz tritt mit 31. Dezember 2014 in Kraft. Die Phase der Legisvakanz soll dem Bundes- und den Landesgesetzgebern einen ausreichenden Zeitraum bieten, um die Ausführungsgesetzgebung zum derzeit gültigen Art 20 Abs 4 B-VG zu beseitigen sowie dem Bundesgesetzgeber einen ausreichenden Zeitraum bieten, um ein bundeseinheitliches ausführendes Informationsfreiheitsgesetz vorzubereiten.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.

 

Gleichzeitig wird die Abhaltung einer ersten Lesung binnen 3 Monaten verlangt.