126/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 29.01.2014
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Daniela Musiol, Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein zweites verpflichtendes kostenloses Kindergartenjahr für alle Kinder

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Familien leisten Bildungsarbeit und beeinflussen den Bildungsweg ihrer Kinder stärker als Bildungseinrichtungen. Nicht alle Familien sind aber aufgrund ihrer Lebensumstände, ihres Einkommens bzw. ihres eigenen Bildungsgrades in der Lage ihren Kindern optimale Bildungsgelegenheiten zu bieten und sie für den späteren Schuleintritt gut vorzubereiten.

 

Die Weichen für Chancengleichheit werden unmittelbar nach der Geburt gelegt. Die Ergebnisse sämtlicher Bildungsstudien wie PISA machen deutlich, dass große Leistungsunterschiede zwischen SchülerInnen aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und Kindern höherer Bildungsschichten bestehen. Bildungsarmut ist erblich.

Studien zeigen, dass Eltern mit hohen Bildungsabschlüssen und entsprechendem Einkommen ihre Kinder eher in den Kindergarten schicken als Eltern mit niedrigen Bildungsabschlüssen, Migrationshintergrund und geringerem Einkommen (Bildungsbericht 2009, S.17).

 

Der Besuch einer qualitativ hochwertigen elementaren Bildungseinrichtung  kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, unterschiedliche Familienlagen auszugleichen und damit auch potenziell in ihrer Entwicklung gefährdete Kinder einen chancengerechten Einstieg in die Schullaufbahn zu ermöglichen (Bildungsbericht 2009, S.19).

 

Kinder lernen im Kindergarten auf spielerische Art und Weise und vor allem in der Beziehung und Kommunikation mit PädagogInnen und anderen Kindern. Bildung im Kindergarten allein auf den Erwerb von Sprache zu konzentrieren, wäre daher eine Verkürzung. Vor allem der Alltag in einer Gruppe, die Auseinandersetzung mit einem Wertesystem, das sich von dem ihrer Familie unterscheidet, unterstützt Kinder in ihrer Konflikt- und Teamfähigkeit. Auch Bewegung, der Kreative Ausdruck  sowie die Lust am Experimentieren finden Platz im Kindergarten-Alltag. Kinder werden im Kindergarten - durch Impulse von PädagogInnen – dabei unterstützt, ihre Kompetenzen ständig weiter zu entwickeln.

 

Der elementare Bildungsbereich rückte auch nach schlechtem Abschneiden bei PISA  immer mehr ins Zentrum bildungspolitischer Debatten. Die Tatsache, dass Krippen und Kindergärten neben Betreuung- auch zentrale Bildungseinrichtungen sind, wurde zunehmend erkannt.

 

Im Frühjahr 2009 wurde zwischen dem Bund und den Ländern eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen abgeschlossen.

 

Seit September 2009 haben Kinder im Jahr vor dem Schuleintritt die Möglichkeit im Ausmaß von 16-20 Wochenstunden kostenlos eine außerhäusliche Betreuungseinrichtung zu besuchen. Seit September 2010 sind sie dazu auch in ganz Österreich verpflichtet.

 

Der Bund stellt für das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr jährlich 70 Mio Euro zur Verfügung. Die Mittel werden unter den Bundesländern nach dem Anteil der kindergartenpflichtigen 5-Jährigen Kinder je Bundesland im jeweiligen Förder-Jahr aufgeteilt.

 

Anhand von Forschungsergebnissen aus der frühkindlichen Pädagogik sowie den Ergebnissen der Sprachstandsfeststellung im Jahr 2008 in Österreich wird ersichtlich welch wichtige Funktion der Kindergartenbesuch sowohl aus integrations- als auch aus bildungspolitischer Perspektive erfüllt.

 

15 Monate vor der Einschulung haben rund  24% der Kinder sprachlichen Förderbedarf. Kinder, die den Kindergarten nicht besuchen, sowie Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben einen besonderen Bedarf an Unterstützung im sprachlichen Bereich. Die Ergebnisse verdeutlichen weiters, dass auch 10% aller Kinder mit Deutsch als Erstsprache Förderbedarf in der Sprachentwicklung haben. (Frühkindliche Sprachstandsfeststellung, BIFIE/BMUKK,2009, S.49)

 

Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung (BIFIE) kommt aufgrund der Ergebnisse der Sprachstandsfeststellung zu dem Schluss, dass sich der Kindergartenbesuch besonders für die Sprachentwicklung als bildungswirksame Maßnahme erweist und die größten Erfolge hinsichtlich der Sprachkompetenz durch einen mehrjährigen Besuch erreicht werden.

 

Im Lichte dieser Ergebnisse wird im Nationalen Bildungsbericht 2009 (S.31) die Forderung aufgestellt, den verpflichtenden Kindergartenbesuch um ein zweites Jahr zu verlängern, „weil eine mehrjährige institutionelle Förderung deutlich positivere Effekte bringt als eine einjährige.“

 

Die Bundesregierung greift in ihrem Regierungsübereinkommen die Forderung nach einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr auf:

 

„Es soll ein zweites kostenfreies Kindergartenjahr für 4- bis 5-Jährige eingeführt werden; Die Elementarpädagogik in den beiden letzten Kindergartenjahren für 4- bis 6-Jährige sorgt für die frühzeitige gesamtheitliche Erfassung des Entwicklungsstandes – insbesondere auch des Sprachstandes – zum Zweck der gezielten Frühförderung von Kindern. Damit wird das Recht auf Bildung schon in der Elementarpädagogik verankert. Wird festgestellt, dass das Kindergartenangebot inklusive Fördermaßnahmen von Kindern mit Sprach- und Entwicklungsdefiziten nicht genutzt wird, so wird ein zweites Kindergarten Jahr für diese Kinder verpflichtend festgelegt.“ (Regierungsübereinkommen 2013-2018, S.24)

 

Das Regierungsprogramm sieht demnach vor, eine Überprüfung des Sprach- und Entwicklungsstandes für alle Kinder im Alter von vier Jahren vorzunehmen. Zu einem Kindergartenbesuch  sollen nur jene Kinder verpflichtet werden, die Sprach- oder Entwicklungsdefizite haben.

 

BildungsexpertInnen lehnen im Bildungsbericht 2009 einen selektiv verpflichtenden Zugang zum Kindergarten sehr deutlich ab. Nur manche Kinder zu einem Kindergartenbesuch zu verpflichten könne mit Defizitorientierung und Stigmatisierungsprozessen verbunden sein.

 

Im Jahr 2012/2013 besuchten 97,5% der 5-Jährigen (unter Berücksichtigung der vorzeitig eingeschulten Kinder) sowie 94,3% der 4-Jährigen einen Kindergarten. Aufgrund oben angeführter Forschungsergebnisse ist davon auszugehen, dass die fehlenden 3-6 % der Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien stammen und der Besuch einer elementaren Bildungseinrichtung für diese Kinder eine positive Auswirkung auf ihren weiteren Bildungsweg haben wird.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung  wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestens einen Gesetzesentwurf vorzulegen, in dem sichergestellt wird, dass der bereits bestehende verpflichtende halbtägige kostenlose Kindergartenbesuch für alle Kinder um ein zweites Jahr vor der Einschulung erweitert wird.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Familienausschuss  vorgeschlagen.