218/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 29.01.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend Modellregion zur gemeinsamen Schule unter besonderer Berücksichtigung der Schulautonomie

 

 

Im Bildungsbereich gibt es aktuell viele „Baustellen“, eine davon ist das so genannte „Lehrerdienstrecht NEU“ – hiergegen haben alle Gewerkschaften eine Bürgerinitiative eingebracht. Dieses Thema wird uns also auch nach dem Beschluss im Nationalrat noch weiter beschäftigen; ein weiteres akutes Thema im Bereich Bildung ist die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-jährigen.

 

Führende Politikerinnen und Politiker mehrerer Parlamentsfraktionen haben in den letzten Wochen die Einführung von Modellregionen für eine gemeinsame Schule aller Zehn- bis 14-Jährigen gefordert. Innerhalb solcher Modellregionen soll die gemeinsame Schule evaluiert und weiterentwickelt werden. Dabei sollen Erkenntnisse für eine allfällige bundesweite Einführung gewonnen werden.

 

Im Regierungsprogramm für die aktuelle Gesetzgebungsperiode ist das Ziel einer gestärkten Autonomie im Schulbereich festgehalten. Informelle Gespräche mit sämtlichen Parlamentsfraktionen zeigen, dass es einen breiten Konsens darüber gibt, dass die Stärkung der Schulautonomie eine strategische Stoßrichtung darstellt, der sich die Bildungspolitik der nächsten Jahre widmen soll. Weitestgehend offen ist, mit welchen bildungspolitischen Maßnahmen diese Strategie umzusetzen ist.

 

Aktuell ist die Schulautonomie im österreichischen Bildungssystem gering ausgeprägt. Wie die OECD-Studie "Bildung auf einen Blick 2012" zeigt, fallen 55% der Schulentscheidungen in Österreich auf Bundesebene. Nur 31% der Entscheidungen im Schulwesen werden in Österreich auf Schulebene getroffen – im OECD-Vergleich sind es 41% und in der EU 46%. Spitzenreiter in Sachen Schulautonomie sind die Niederlande (86 % der Entscheidungen auf Schulebene), gefolgt von England (81%), Estland (76%), dem flämischen Teil Belgiens (71%) und Tschechien (68%). Besonders stark auf Entscheidungen auf lokaler Ebene setzt Finnland mit fast 100%.

 

Unter dem Eindruck der internationalen Benchmarks empfiehlt es sich für Österreich, für mehr Emanzipation im Bildungswesen zu sorgen. Die Verantwortung und der Gestaltungsspielraum der Schulen soll durch mehr Autonomie gestärkt werden.


Modellregionen zur gemeinsamen Schule bieten die Chance, neue Maßstäbe bei der Schulautonomie zu setzen. Die Schulen sollen finanzielle, personelle und pädagogische Autonomie erhalten. Um einen gemeinsamen Zielkorridor und somit einen gemeinsamen Gestaltungsrahmen zu gewährleisten, sind seitens der Politik entsprechende Kompetenzstandards als verpflichtende Referenzpunkte zu setzen. Diesen haben sich alle Mittelschulen in der Modellregion zu verpflichten. Die Wege zur Erreichung dieser Referenzpunkte/Ziele liegen in der jeweiligen Gestaltungsverantwortung der Schulen selbst. So gibt es innerhalb der Vielzahl möglicher Ausprägungen der gemeinsamen Mittelschule verbindliche Bildungsziele, auf die alle hinarbeiten.

 

Die Schule trägt die Verantwortung für das Lernen sowie für die Leistungs- und Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. Sie soll autonom sowohl über Budget und Personal als auch über die Auswahl und Organisation der pädagogischen Konzepte sowie der Unterrichts- und Freizeit bestimmen dürfen, sodass Schülerinnen und Schüler optimal ihren Begabungen und Fähigkeiten entsprechend gefordert und gefördert werden können. Insbesondere soll über eine gestärkte Schulautonomie die Chancengerechtigkeit für die Schülerinnen und Schüler sowie der Wettbewerb zwischen und die Zusammenarbeit von Schulen stimuliert werden. Auf diese Weise gewährleisten wir eine ständige, zeitgemäße Weiterentwicklung. Denn Schule verträgt keinen Stillstand – darin sind sich Bildungsexpert_innen einig.

 

Ad Chancengerechtigkeit – abschließend zwei Gesichtspunkte im Kontext der aktuellen Debatte, die bei der Ausgestaltung von Modellversuchen zu berücksichtigen sind:

 

a) Die „Gemeinsame Schule“ birgt die Gefahr, dass wir auf ein angloamerikanisches System zusteuern mit einer öffentlichen Gesamtschule für sozial Schwächere und einem großem Privatschul-Sektor für Wohlhabendere. Die "Freie gemeinsame Schule" beugt dem vor, indem sie auch den Privatschul-Sektor hereinholt und für alle öffnet. Nach dem Prinzip "freie Schulwahl ohne Schulgeld" erhalten Privatschulen für jeden schulgeldfreien Platz dieselbe Finanzierung wie öffentliche Schulen, unabhängig vom Träger.

 

b) Die autonome Schule birgt die Gefahr, dass sich das Niveau der Schulen stark auseinander entwickelt: Gute Schulen ziehen gute Lehrer_innen und gute Schüler_innen an, schlechte Schulen rutschen weiter ab. Die finanziell autonome "Freie gemeinsame Schule" bekommt daher für unterschiedliche Herausforderungen auch unterschiedliche Mittelausstattungen: Finanziert wird pro Kopf, aber für Schüler_innen mit nichtdeutscher Muttersprache und für Schüler_innen aus bildungsfernen Schichten (Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss) bekommt die Schule höhere Beträge. Höhere Mittel pro Kopf erhalten auch Schulen in periphären Gebieten. So können auch diese Schulen gute Lehrer_innen an sich binden.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur werden aufgefordert, dem Nationalrat so rasch wie möglich entsprechende Gesetzesentwürfe vorzulegen, die es ermöglichen, Modellregionen für die Gemeinsame Schule aller 10- bis Vierzehnjährigen zu führen, die unter besonderer Berücksichtigung der Schulautonomie mit mehr lokaler Verantwortung und einem umfassenden Gestaltungsfreiraum für Schulen ausgestattet werden. Weiters müssen entsprechende Ausbildungsmodule für Lehrer_innen und Schulleiter_innen bereitgestellt werden, um die professionelle Selbstorganisation der Schulen, den binnendifferenzierten Unterricht und die individuelle Förderung der Schüler_innen zu gewährleisten.

 

Um eine effiziente und effektive Leistungserbringung in den autonomen gemeinsamen Mittelschulen der Modellregion zu gewährleisten, sollen unter anderem folgende Punkte berücksichtigt werden: Die Schulen werden auf gemeinsame Kompetenzstandards als Bildungsziele verpflichtet. Den Schulen wird die Ergebnisverantwortung übertragen. Sie erhalten dafür organisatorische, pädagogische, personelle und finanzielle Autonomie. Gleichzeitig sind konkrete Anreize zu verankern, welche die Vernetzung und Zusammenarbeit der freien gemeinsamen Mittelschulen fördern.“

 

Zuweisungsvorschlag Unterrichtsausschuss