283/A(E) XXV. GP
Eingebracht am 25.02.2014
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Entschließungsantrag
der Abgeordneten KO Strache, Vilimsky, Dr. Rosenkranz, Mag. Darmann
und weiterer Abgeordneter
betreffend Evaluierung der bestehenden Befugnisrechte der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes
In immer kürzeren Abständen kommt es mit der Begründung „Terrorismusprävention“ zur Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten. Nach dem Terrorismuspräventionsgesetz, welches im Herbst 2011 beschlossen wurde, folgte eine entsprechende Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz.
Dem Regierungsprogramm „Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018“ konnte im Bereich Inneres entnommen werden:
„Ziel:
Ausbau der präventiven und repressiven Mechanismen um eine effektive und effiziente Abwehr der Spionage und der Folgen von Extremismus und Terrorismus zu ermöglichen.
Maßnahmen:
(…)
· Schaffung besonderer bundesgesetzlicher Regelungen für den Staatsschutz!
Dies lässt neue Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten erwarten.
Der österreichische Anwaltstag wies auf das Problem schon öfter hin, wie hier in einer Aussendung vom 17.September 2010:
„(…) Als unübersehbaren Angriff auf den Rechtsstaat bezeichnete der ÖRAK-Präsident die immer stärker werdenden Tendenzen, unsere persönlichen Freiheiten gegen eine nur scheinbare Sicherheit zu tauschen. Nach jedem Anlassfall wird immer tiefer in Grundrechte eingegriffen um immer neuere Überwachungsmaßnahmen nach dem Motto "wer nichts zu verbergen hat, braucht keine Angst zu haben" durchzusetzen. (…)“
Ein zur Novelle des Sicherheitspolizeigesetzes durchgeführtes Expertenhearing im Innenausschuss blieb ungehört.
Der Parlamentskorrespondenz Nr. 1170 vom 01.12.2011 ist zu entnehmen:
„(…)Heinz
Patzelt (Amnesty International) bekannte sich zum Recht der BürgerInnen
auf Schutz vor Gefahren und hielt es daher auch für zulässig, in
Grundrechte einzugreifen. Für nicht zulässig hielt es der Experte
jedoch, Grundrechtseingriffe nicht präzise genug zu determinieren, wie
dies beim vorliegenden Entwurf der Fall sei. Patzelt kritisierte schwammige
Formulierungen, die viel zu weite Handlungsspielräume zuließen. Zu
den Kritikpunkten Patzelts zählte auch das Fehlen einer unabhängigen
richterlichen Kontrolle, wie sie die Menschenrechtskonvention bei
Grundrechtseingriffen vorschreibt. Der Rechtsschutzbeauftragte im
Innenministerium reiche dafür nicht aus gab Patzelt zu bedenken und
problematisierte auch die massive Erhöhung der
Verwaltungsstraftatbestände.
Die Vizepräsidentin der Rechtsanwaltskammer Wien Elisabeth Rech sprach
sich namens der österreichischen Rechtsanwälte grundsätzlich
dagegen aus, Bürgerrechte unter dem Titel "Kampf gegen den
Terror" immer weiter einzuschränken und dabei von der Idee der
Freiheit immer weiter in Richtung einer nebulosen Sicherheit zu gehen. Rech
zeigte sich besorgt über die rasche Folge von Gesetzesänderungen
während der letzten 10 Jahre und registrierte eine Tendenz, den Begriff
"Terror" immer weiter abzuflachen und Antiterrormaßnahmen auch
gegen mittlere und kleine Kriminalität einzusetzen. Wer für
Datenschutz eintritt, schütze nicht die Täter, hielt die
Rechtsanwältin fest, drängte auf eine Evaluierung der bisher beschlossenen
Gesetzes und schlug auch vor, den vorliegenden Entwurf zu evaluieren. Rech
problematisierte die Handy-Ortung und stellte die Frage, warum auch Begleiter
überwacht werden sollen, wobei sie die Begründung zurückwies, es
gehe darum, jugendliche Selbstmörder zu schützen. Der Rechtsschutzbeauftragte
sollte der Behörde nicht als Einzelperson gegenüberstehen, sondern
gemeinsam mit anderen Rechtsschutzbeauftragten zu einem Team
zusammengeführt werden, um seine Unabhängigkeit zu stärken.
Außerdem müsse der von den erweiterten Ermittlungsmethoden
Betroffene über die Überwachung informiert werden, schlug die
Expertin vor.
Rechtsanwalt Alexander Scheer (Wien) wandte sich gegen die Absicht der Polizei,
einen totalen Sicherheitsstaat auf Kosten der Grundrechte zu schaffen. Der
Rechtsschutzbeauftragte sei nicht geeignet, jenes unabhängige Tribunal
darzustellen, das die Menschenrechtskonvention bei Grundrechtseingriffen vorsieht.
Der vorliegende Entwurf verstoße damit auch gegen die Gewaltenteilung,
weil die Kontrolle in der Hand des Exekutive liege. An dieser Stelle zog der
Experte Vergleiche mit dem System Metternich. Es sei nicht einzusehen, dass
ganze Familien überwacht werden, nur weil jemand am Stammtisch sagt:
"Der Bundeskanzler muss weg", oder ein Schüler in einem
Gymnasium mit chemischem Schwerpunkt sich Kenntnisse darüber erworben hat,
wie man eine gefährliche Menge Sprengstoff zur Explosion bringt, sagte
Alexander Scheer pointiert.
Er wandte sich gegen die Überwachung von Begleitpersonen und kritisierte
die Handyortung als einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre der
Menschen. Der Appell des Rechtsanwalts an die Abgeordneten lautete, dafür
zu sorgen, dass die vorliegenden viel zu weit gehenden Eingriffe in die
Grundrechte nicht umgesetzt werden. (…)“
Die „Kleine Zeitung" vom 18.06.2011 berichtete:
„(…) Die Freiheiten der Bürger sind unter der Fahne der Terrorbekämpfung in den letzten Jahren stark eingeschränkt worden. Verfolgt wird auch der, der nichts getan hat und sich jetzt plötzlich auf den prekären Standpunkt zurückziehen muss, dass er nichts zu verbergen habe. (…)“
Dem „Standard" vom 10.09.2011war zu entnehmen:
„(…) Bei der Terrorismusprävention gibt es Maßnahmen, die beklemmend deutlich den Weg Richtung Polizeistaat weisen. (…)“
Dr. Andreas Unterberger formulierte es so: „Das Parlament beschließt das Ende der Meinungsfreiheit“.
Selbst die Journalistengewerkschaft meldet in der Zeitung "Der Standard" vom 27.01.2012 ihre Bedenken an:
„(…) "Wir werden versuchen, auf alle im Nationalrat befindlichen Gewerkschafter aufklärend einzuwirken", sagt Journalistengewerkschaftsvorsitzender Franz C. Bauer zum Standard: "Die ins Auge gefassten Änderungen treffen unseren Berufsstand ins Mark."
Denn die Neuerungen in dem Gesetz, das die Kompetenzen der Polizei zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung regelt, seien extrem "schwammig formuliert". So sehr, dass die diskutierte Ausweitung der "Gefahrenerforschung", auf deren Grundlage der Verfassungsschutz Beobachtungen im gewaltbereiten und terrorverdächtigen Milieu durchführt, von - bisher - nur Gruppen auf - künftig - auch Einzelne eine kritische Berichterstattung verunmöglichen könne.
Bauer: "Es liegt in der Natur der Journalistenberufs, sich beim Recherchieren, etwa über politisch radikale Gruppen, gegebenenfalls auch über Strafbares in Kenntnis zu setzen. Das tut man man als Einzelperson - und könnte laut SPG-Novelle ins Fadenkreuz des Verfassungsschutzes geraten." - mit Observierungsmaßnahmen wie Lauschangriff und Einsatz verdeckter Ermittler als Folge.
Die Gefahr der Einschränkung journalistischer Freiheit wäre selbst durch eine Ausnahmebestimmung nicht beseitigt, meint Bauer: "Journalismus lebt von Informanten, die als Einzelpersonen künftig gleichfalls gefährdet wären. Diese Novelle schürt ein Klima der Furcht."
Rubina Möhring (Reporter ohne Grenzen) und Fred Thurnheim (Österreichischen Journalistenclub) teilen die Vorbehalte des Journalistengewerkschaftschefs. Diese fußen vor allem auf der geplanten Änderung von Paragraf 21, Absatz 3 des Sicherheitspolizeigesetzes. (…)“
Zuletzt wandte sich Dr. Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), im Zusammenhang mit der Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz in einem Brief sogar direkt an die Mitglieder des Ausschusses für innere Angelegenheiten:
„(…) Vor der beabsichtigten Novellierung des SPG ist aus Sicht der Rechtsanwaltschaft eine Evaluierung der bestehenden Bestimmungen des SPG dringend erforderlich. Seit mittlerweile zehn Jahren werden den Sicherheitsbehörden in immer kürzeren Abständen immer mehr Überwachungsmöglichkeiten eingeräumt, ohne jemals Sinnhaftigkeit und Mehrwert für die tatsächliche Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger hinterfragt zu haben. (…)
Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag regt daher an, zunächst eine Evaluierung der bestehenden Bestimmungen vorzunehmen, bevor eine neuerliche Erweiterung der polizeilichen Befugnisse im Gesetz verankert und damit immer tiefer in Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen wird.
Darüber hinaus ist die nach wie vor fehlende Verpflichtung der Behörde, Betroffene einer Standortdaten-Ermittlung im Nachhinein zu informieren, ein schweres rechtsstaatliches Defizit, das zu Recht auch schon in der geltenden Gesetzeslage kritisiert wurde und nunmehr prolongiert werden soll. (…)“
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
Entschließungsantrag
Der Nationalrat wolle beschließen:
„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, eine Evaluierung der gesetzlich normierten Befugnisrechte der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes auf ihre Effektivität und Rechtsschutzdefizite durchzuführen, anstatt die Grund- und Freiheitsrechte weiter einzuschränken.“
In formeller Hinsicht wird um Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten ersucht.