400/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 29.04.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Franz

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Vertrauliche Geburt - Unterstützung für Frauen in ungewollter Schwangerschaft“

 

In Österreich liegt die statistische Geburtenrate derzeit bei 1,4 Kinder pro Frau. Um eine positive Bevölkerungsentwicklung aufrechterhalten zu können, ist jedoch eine Geburtenrate von 2,1 Kinder pro Frau notwendig. Auch die Zuwanderung bringt langfristig keine positive Geburtenbilanz.[1] Eine ausreichend hohe Geburtenrate ist für eine positive wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft von vitaler Bedeutung. Mittel- und langfristig stellen zu niedrige Geburtenraten und die Überalterung der Bevölkerung in diesem Zusammenhang die größten Herausforderungen für die Sozialpolitik dar.[2]

Ein Umstand, der einer positiven Geburtenbilanz entgegensteht, ist die hohe Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen. In Österreich werden im Gegensatz zu Deutschland[3] dazu keine Statistiken geführt, Experten schätzen die Zahl der Abtreibungen für Österreich zwischen 30.000 bis 60.000 pro Jahr[4]. 2012 wurden in Österreich 78.952 Lebendgeborene statistisch erfasst. Die Abtreibungsquote liegt in Österreich daher bei rund 27% bis 43% (der gesamt möglich Lebendgeborenen), in Deutschland bei rund 23%.

In Deutschland wird die Beratung im Vorfeld zu einem Schwangerschaftsabbruch mit dem „Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten“ geregelt. Konkret normiert dieses Gesetz u.a. „…eine notwendige Beratung ist ergebnisoffen zu führen. Sie geht von der Verantwortung der Frau aus. Die Beratung soll ermutigen und Verständnis wecken, nicht belehren oder bevormunden. Die Schwangerschaftskonfliktberatung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens.“[5] Deutsche Frauen müssen mindestens drei Tage vor einem Schwangerschaftsabbruch ein Beratungsgespräch durchführen. Die Schwangere benötigt eine Bescheinigung einer zugelassenen Beratungsstelle. Anschließend darf ein Arzt, der nicht an der Beratung teilgenommen hat, die Schwangerschaft bis zur zwölften Woche nach der Empfängnis abbrechen.

 

In Österreich gibt es keine vorgeschriebene Wartezeit, keine vorgeschriebene Beratung in einer Beratungsstelle, keine inhaltlichen Vorgaben für die ärztliche Beratung und die Frau muss ihre Gründe für den Abbruch nicht angeben. Persönliche Daten werden nicht weitergegeben, da es keine Meldung an die Krankenkassen oder irgendeine andere Institution gibt, da der Abbruch in Österreich nicht, wie in fast allen anderen westeuropäischen Ländern von der Krankenkasse bezahlt wird. Ausnahme ist eine medizinische Indikation, die einen Schwangerschaftsabbruch notwendig macht.


 

Das österreichische Negativszenario erfordert ein Umdenken bei den Regierungsverantwortlichen. Es muss über begleitende Geburtshilfe diskutiert werden anstatt über Sterbehilfe. Österreich braucht eine fundierte Debatte zum Thema Abtreibung und die Schaffung neuer Optionen für das Leben. Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, dürfen nicht diskreditiert werden. Insbesondere wirtschaftliche Faktoren dürfen kein Grund mehr für eine Abtreibung sein.

Neben standardisierten Beratungszentren in allen Bundesländern müssen ab dem Zeitpunkt der Geburt Hilfen wie etwa subventionierte „Leihomas“, Babysitter-Zuschüsse und besondere Unterstützung von arbeitslosen Jungvätern und Jungmüttern durch das AMS, etwa mit Sonderaktionen für Unternehmer, die Jungväter bzw. Jungmütter beschäftigen, realisiert werden.

In Österreich hat sich leider eine gesellschaftliche Haltung entwickelt, die Kinder eher als ein Hindernis denn als eine Bereicherung ansieht. Gerade in einer überdurchschnittlich alten Gesellschaft, mit zu geringer Geburtenrate, zu wenig Kindern und zu wenig Kinderbetreuungsmöglichkeiten und nicht zuletzt angesichts der gerade begonnenen Sterbehilfe-Diskussion, dürfen zentrale gesellschaftspolitischen Fragen wie die Abtreibung nicht ausgeklammert werden.

In Deutschland können ab 1. Mai 2014 werdende Mütter „vertraulich“ entbinden. D.h. bei der vertraulichen Geburt muss die Mutter, anders als bei der anonymen Geburt, ihre Daten für das Kind hinterlassen. Das Kind kann ab dem 16. Lebensjahr diese Informationen abfragen, es sei denn, die Mutter widerspricht. Tritt dieser Fall ein, dann wird in Deutschland eine richterliche Entscheidung gefällt.

 

In Österreich wurden zwar in der Vergangenheit mit Einrichtungen wie der „Babyklappe“ bzw. dem „Babynest“ an Krankenhäusern Möglichkeiten für eine anonyme Geburt geschaffen, allerdings greift diese Maßnahme erst nach der Geburt und dient in erster Linie der sicheren medizinischen Versorgung des Neugeborenen. Für die „Babyklappe“ gibt es keine Rechtsgrundlage. Information und Betreuung während der (ungewollten) Schwangerschaft bis hin zum Entschluss zur Geburt sind damit nicht systematisch erfassbar, sichere Daten zu positiven oder negative Entwicklungen sind damit nicht zu generieren. In Österreich fehlen standardisierte Vorgehensweisen, die Frauen eine möglichst breite Palette von Optionen zugunsten einer Geburt anstelle eines Schwangerschaftsabbruchs anbieten.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Gesundheit wird ersucht, im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für Arbeit, soziales und Konsumentenschutz und mit der Bundesministerin für Familie und Jugend dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zu übermitteln, der Frauen in ungewollter Schwangerschaft eine so genannte „vertrauliche Geburt“ ermöglicht. Der Gesetzesvorschlag beinhaltet insbesondere nachstehende Punkte:

·           Frauen in ungewollter Schwangerschaft können kostenlos Beratungsgespräche in Anspruch nehmen, deren explizites Ziel die Verhinderung des Schwangerschaftsabbruchs ist (ausgenommen medizinische Indikationen).

·           Die Beratungsstellen sind bundesweit und flächendeckend vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz einzurichten.

·           Frauen in ungewollter Schwangerschaft, die sich dennoch für die Geburt entschieden haben, werden nach der Beratung auf Wunsch an eine geburtshilfliche Einrichtung oder eine zur Leistung von Geburtshilfe berechtigte Person ihrer Wahl zur Durchführung der vertraulichen Geburt unter ihrem Pseudonym vermittelt. Die Kosten für die vertrauliche Geburt werden den hierfür vorgesehenen Einrichtungen von der öffentlichen Hand refundiert.


 

·           Die geburtshilfliche Einrichtung oder die zur Leistung von Geburtshilfe berechtigte Person meldet die Geburt als vertraulich und nennt die ihr bekannten Daten (Vornamen des Kindes, Pseudonym der Mutter, Geburtsdatum, den Geburtsort und Geschlecht) an die zuständigen Stellen. Nach der Bestimmung von Vor- und Familiennamen durch die zuständige Behörde wird die Geburt amtlich beurkundet. Diese Geburtsurkunde ist zur Identifikation des Kindes in einem Adoptionsverfahren geeignet.

·           Bis zum Adoptionsbeschluss kann die Mutter ihr Kind zurückerhalten, wenn sie die für den Geburtseintrag ihres Kindes erforderlichen Angaben macht und das Kindeswohl nicht gefährdet wird.“

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.



[1] Prognosen der Statistik Austria weisen bei hoher Wanderung, mittlerer Fertilität und mittlerer Lebenserwartung für 2030 eine Fertilitätsrate von 1,49 und für 2060 von 1,55 aus. Selbst bei der Annahme einer hohen Fertilität (Wachstumsszenario) steigt die Fertilitätsrate nur auf 2,05.

[2] Der Bevölkerungszuwachs des Jahres 2012 ist ausschließlich auf den positiven Wanderungssaldo von +43.797 Personen zurückzuführen, da die Gebur­tenbilanz mit -484 Personen leicht negativ ausfiel. (Statistik Austria)

[3] Das Statistische Bundesamt in Deutschland verzeichnet für 2011 108.867 Abtreibungen, bei 662.685 Lebendgeborenen.

[4] Ärztekammer Niederösterreich, Der Standard, 11. Juli 2013; wobei manche Experten die Zahlen noch weit höher ansetzen;

[5] Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG)