589/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 02.09.2014
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Alpentransitbörse

BEGRÜNDUNG

 

In Österreich wird derzeit an drei riesigen Bahntunnels gebaut – Brennerbasistunnel, Koralmtunnel und Semmeringbasistunnel.

Die Kosten dafür belaufen sich laut aktuellem ÖBB-Rahmenplan auf folgende Summen:

 

Koralmtunnel:                   5,367,3 Mrd.

Semmeringbasistunnel:      3.310,9 Mrd.

Brennerbasistunnel/Teil Ö: 5.027,9 Mrd.

                                   13.706,1 Mrd.

 

Da dies alles – anders als in der Schweiz – „auf Pump“ finanziert wird, dürften sich die tatsächlichen Kosten samt Finanzierungskosten in Richtung der doppelten Summe entwickeln.

 

Vom 23.-27. Juni 2014 fand in Innsbruck auf Einladung von LHStv.in Felipe und LH Platter eine „Verkehrswoche“ statt, bei der die Probleme und Lösungsvorschläge für den alpenquerenden Güterverkehr diskutiert wurden.

 

Gast war unter anderem Pat Cox, der EU-Koordinator für den Skandinavien-Mittelmeer-Korridor, zu dem auch das Teilstück München-Verona mit dem Brennerbasistunnel gehört. Er mahnte in seiner Grundsatzrede ein, dass es höchste Zeit ist, Strategien für die Güterverlagerung von der Straße auf die Schiene zu entwickeln.

 

Die beste Strategie ist die von der schweizerischen Alpeninitiative entworfene und in der Schweiz sowie im Rahmen des „Zürich-Prozesses“ mittlerweile vielfach untersuchte „Alpentransitbörse“. Sie ist ein marktwirtschaftliches Instrument, um den Straßengüterverkehr über die Alpen zu reduzieren. Sie kann als Feinsteuerungs-instrument zusätzlich zur leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe, einer Maut oder einer Tunnelgebühr angewandt werden, deshalb ist sie in allen betroffenen Ländern realisierbar.

 

So funktioniert die Alpentransitbörse: Die Politik definiert die erwünschte Zahl der alpenquerenden Lkw-Fahrten. Nur wer ein Durchfahrtsrecht vorweisen kann, darf seinen Lkw über die ins System einbezogenen Alpenpässe von Frankreich bis Österreich steuern.

Die Durchfahrtsrechte werden vom Staat an die Meistbietenden versteigert oder tw. gratis (z.B. als Bonus für Schienentransporte) auf den Markt gegeben. Sie sind (frei oder an einer Börse) handelbar. Der sich bildende Preis ist abhängig von der Nachfrage und wird ungefähr der Differenz zwischen den Transportkosten auf Straße und Schiene entsprechen. Sobald der Preis höher steigt, ist es günstiger, die Bahn zu benutzen. Die Alpentransitbörse ist nicht diskriminierend und wahrt die freie Wahl des Verkehrsmittels.

Die „Alpentransitbörse“ ist damit dem Ökopunktesystem sehr ähnlich, das – leider nur auf 10 Jahre beschränkt – in Österreich bis 2004 gegolten hat und von der EU anerkannt war. Die Ökopunkte waren nichts anderes als Durchfahrtsrechte durch die Alpen. Wer keine hatte, musste die Bahn benützen. Im Ergebnis vergleichbar funktioniert auch die Alpentransitbörse.

 

Im Vorfeld der genannten „Verkehrswoche“ hat die Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino ein Gutachten bei Prof. Dr. Astrid Epiney von der Schweizer Universität Freiburg „Zur Vereinbarkeit der Einführung einer Alpentransitbörse mit den Vorgaben des EU-Rechts“ in Auftrag gegeben.

 

Insgesamt konnte die Untersuchung aufzeigen, dass der Einführung einer Alpentransitbörse  keine unüberwindlichen rechtlichen Hindernisse entgegenstehen; lediglich das Landverkehrsabkommen Schweiz – EU müsste wohl angepasst werden. Die entscheidende Frage geht vor diesem Hintergrund daher spätestens nach dieser Klärung dahin, ob der politische Wille vorhanden ist, auch tatsächlich auf dieses Instrument zurückzugreifen. Will man eine effektive Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene und damit eine effektive Verringerung der Umwelt- und Gesundheitsbelastungen in den betroffenen Regionen, so dürfte es wohl kaum Alternativen geben, die ähnlich wirksam wären wie eine Alpentransitbörse. Insbesondere ein Mautsystem allein wäre wohl schon deshalb weniger effektiv als unter aktuellen und absehbaren Rahmenbedingungen nicht erkennbar ist, dass die Höhe der Maut tatsächlich den nötigen spürbaren Verlagerungseffekt auslösen würde.

In diesem Sinn müssen sich wohl in erster Linie die am sog. Zürich-Prozess beteiligten Alpenstaaten fragen, ob sie dieses Instrument einsetzen wollen. Ist bei diesen Staaten erst einmal der politische Wille vorhanden, so sollte sich die Frage nach der rechtstechnischen  Implementierung des Instruments – unionsrechtliche Ebene, mitgliedstaatliche Ebene, völkerrechtliches Abkommen bzw. eine Kombination dieser Ebenen – lösen lassen.

 

Somit ist klar: die Alpentransitbörse ist rechtlich machbar.

 

Ein nach ökologischen Gesichtspunkten entwickelter Verlagerungspfad ist in der „iMonitraf!-Strategie“ 2012 in Lyon vereinbart worden. Für den Brenner wurde zum Beispiel festgelegt:

 

2015: Beschränkung auf 1.765.000 LKW/Jahr (Reduktion von 3% gegenüber 2009 gemäß Programm § 9a IG-L, damit die NO2-Emissionsziele erreicht werden); Nutzung der bestehenden Bahnkapazitäten

 

 

2020: Beschränkung auf 1.668.000 LKW/Jahr (Reduktion von 16% gegenüber 2005, damit die CO2-Ziele der EU für 2020 erreicht werden können); bessere Auslastung der bestehenden Bahnkapazitäten; allmähliche Verlagerung des Ausweichverkehrs von der Strasse auf die Schienenkapazität nach dem Prinzip des kürzesten Weges

2025: Beschränkung auf 1.358.000 LKW/Jahr (mittelfristige Beschränkung, verbesserte Auslastung der bestehenden Bahnkapazitäten; allmähliche Verlagerung des Ausweichverkehrs von der Straße auf die vorhandene Bahnkapazität nach dem Prinzip des kürzesten Weges)

2030: Beschränkung auf 1.000.000 LKW/Jahr (entsprechend dem Protokoll Nr. 9 zum Beitrittsvertrag zwischen Österreich und der EU; Brennerbasistunnel samt Nord- und Südzulaufstrecken ist fertig gestellt)

 

Die Umsetzung dieses Instruments sollte daher – auch in Verfolgung der klaren Festlegungen der derzeitigen und der vorherigen Bundesregierung, dass insbesondere der Brennerbasistunnel nur im Zusammenspiel mit deutlich veränderten Rahmenbedingungen auf der Straße Sinn und Wirkung haben kann – umgehend in Angriff genommen werden.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, die Alpentransitbörse als Kern der österreichischen Position für die Güterverlagerung von der Straße auf die Schiene festzulegen und eine Strategiegruppe einzurichten, die mit der Aufgabe betraut wird, die Alpentransitbörse innerhalb der EU und ihrer betroffenen Mitgliedsstaaten rechtlich durchzusetzen.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.