641/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.09.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Martina Schenk,

Kolleginnen und Kollegen

betreffend „Österreich braucht ein Anti-Mobbing-Gesetz“

 

Wenn man in Google das Wort „Mobbing“ eingibt, so erhält man nach 0,16 Sekunden 12.400.000 Seiten. Der Großteil der Fachliteratur, Laienliteratur, Diplomarbeiten, Studien, Untersuchungsergebnisse etc. sind sich einig, dass Mobbing ein weitrechendes sozialpolitisches, medizinisch-therapeutisches, gesellschaftliches, rechtliches und wirtschaftliches Problem darstellt. Für den einzelnen Mobbing- Betroffenen führt die seelische Gewalterfahrung oft in den gesundheitlichen (zB. Berufsunfähigkeitspension) oder wirtschaftlichen Ruin sowie zur sozialen Isolation.

Mobbing bedeutet, dass eine Person oder eine Gruppe am Arbeitsplatz von gleichgestellten, vorgesetzten oder untergebenen Mitarbeitenden schikaniert, belästigt, beleidigt, ausgegrenzt oder mit kränkenden Arbeitsaufgaben bedacht wird.

Die gemobbten Personen geraten durch die Gruppendynamik (oder durch das Machtgefälle) in eine unterlegene Position, aus der sie alleine nicht mehr herausfinden können. Sie werden durch das System in dieser Rolle fixiert, was zu entsprechenden Opfer-Gefühlen und Opfer-Haltungen führt.

Bei allgemeiner Unzufriedenheit der Mitarbeitenden, wenn Konflikte nicht gelöst werden, bei Fusionen und Umstrukturierungen und immer dann, wenn am Arbeitsplatz der Druck zunimmt, tritt Mobbing häufiger auf. Mobbing existiert jedoch nicht nur in der Arbeitswelt, sondern geschieht auch im Bildungsbereich, in Freizeit-Institutionen (z. B. Vereinen), in der Nachbarschaft oder als Cyber-Mobbing, was nicht selten zum Freitod der Gemobbten führt. Die Folgen sind mitunter schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Depressionen, Alkohol, Drogen- oder Medikamentensucht bis hin zum Selbstmord.

Faktum ist, dass die zunehmend tolerierte Methode der seelischen Gewalt im Sinne massiver Menschenrechtsverletzungen als Spiegelbild der Verrohung unserer Gesellschaft mit einem bedenklichen Werteverfall einhergeht.

Der Zeitfaktor spielt insofern eine Rolle, als man per Definition nur dann von Mobbing spricht, wenn Mobbinghandlungen systematisch, häufig und wiederholt auftreten und sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Der wirtschaftliche Schaden ist schwer abzuschätzen, kann aber in enormer Höhe angenommen werden. Die Abwehr von Mobbing und Diskriminierung ist daher sowohl aus menschlichen als auch ökonomischen Gründen geboten.

Uneinigkeit herrscht bei den mobbinginvolvierten Berufsgruppen, wie mit diesem Phänomen der massenhaft auftretenden Menschenrechtsverletzungen in unserem Rechtsstaat begegnet werden soll.


Eine Möglichkeit einer rechtspolitischen Gesellschaft wäre, Mobbinghandlungen als Tatbestand in das Strafrecht aufzunehmen und damit allen MobberInnen ein klares deutliches „Stopp dem Mobbing – Stopp der Menschenrechtsverletzungen“ zu vermitteln.

Viele europäischen Staaten, namentlich, Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Belgien, Niederlande, Frankreich, Schweiz und auch Serbien haben sich für die Implementierung eines Anti-Mobbing-Gesetzes entschieden und damit ein klares politisches Zeichen gesetzt.

Es erscheint angesichts der vielen alarmierenden Fakten zum Thema Mobbing unerklärlich und unverständlich, dass die österreichische Regierung die Bürgerinitiative von Herrn Walter Plutsch „Anti-Mobbing-Gesetz“ „untergehen“ ließ.

Laut Aussage der Bundesregierung (Parlamentskorrespondenz Nr. 766 vom 04.08.2011) bestehe derzeit kein Bedarf an einem eigenständigen „Anti-Mobbing- Gesetz“ in Österreich. Aus Sicht des BMASK ergibt sich aus der bestehenden Rechtslage bereits ein breites Spektrum an Anknüpfungspunkten. Damit besteht derzeit kein Bedarf an zusätzlichen, das Mobbing betreffenden Regelungen, insbesondere auch nicht an einem eigenständigen sogenannten „Anti-Mobbing-Gesetz“ (Stellungnahme des BMASK zur gleichlautenden Petition 1/SPET XXV. GP vom 31.03.2014).

Die Aussagen des BMASK in der Stellungnahme vom 31.03.2014 (1/SPET XXV. GP)  - „Damit besteht derzeit kein Bedarf an zusätzlichen, das Mobbing betreffenden Regelungen, insbesondere auch nicht an einem eigenständigen sogenannten Anti-Mobbing-Gesetz“ (siehe oben) sind im Lichte anderer Normierungen nicht nachvollziehbar.

Der Nationalrat hat Ende April 2014 ein neues Gesetz (Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz – FAGG) beschlossen, welches aus dem Konsumentenschutzgesetz herausgelöst wurde. Der Gesetzgeber hat wegen der Vereinfachung den Weg zu einem eigenen Gesetz gewählt.

Diesbezüglich wird in den Erläuterungen zum FAGG folgendes ausgeführt:

…wäre es nicht zweckmäßig, das zusammengefasste neue Regime in das ohnehin bereits komprimierte Konsumentenschutzgesetz einzufügen. Die legistisch elegantere Lösung liegt darin, für dieses vereinheitlichte und umfangreichere Regime ein eigenes Gesetz zu schaffen.. (Erläuterungen zu 89. der Beilagen XXV. GP)

Als Problem stellt sich daher für die Rechtsanwender die Zersplitterung der einzelnen Schutznormen dar, weil Mobbing eine Querschnittsmaterie darstellt, welche rechtsunkundige Betroffene vor massive Probleme stellt.  

Die Arbeiterkammer schreibt in diesem Zusammenhang:[1] .. Im Jahr 2011 bestätigte der Oberste Gerichtshof, dass durch Mobbing hervorgerufene gesundheitliche Beeinträchtigungen als Körperverletzung zu werten sind.

Einige Zahlen im Vergleich:

·         Nach den Ergebnissen des European Working Condition Survey (EWCS) von 2010 liegt die Mobbingrate in Österreich (7,2 %) drastisch über jener der EU-27 (4,1 %) und jener der EU-15 (4,7 %). Während sowohl in den EU-27 als auch in den EU-15 Mobbing zwischen 2005 und 2010 um rund 1 % rückläufig war, stieg Mobbing in Österreich von 5 % (2005) auf 7,2 % (2010) an.

·         Am stärksten zugenommen hat das Mobbinggeschehen in der Altersgruppe „50 Plus“: von 3,8 % (2005) auf 8,6 % (2010).


·         Bezogen auf die Geschlechterverteilung lässt sich feststellen, dass bei den Frauen zwischen 2005 und 2010 Mobbing weit stärker angestiegen ist (von 5,1 % auf 7,9 %) als bei den Männern (von 4,9 % auf 6,6 %).

Diese Zahlen zeigen einerseits, dass Mobbing kein österreichspezifisches, sondern ein europaweites Phänomen ist, andererseits aber auch, dass die Zahl der von Mobbing Betroffenen in Österreich über dem EU-Durchschnitt liegt und kontinuierlich steigt.

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger schreibt diesbezüglich - Auszug:[2]

„Jeder kann Opfer von Mobbing und Diskriminierung werden. Für die Unternehmen, das Gesundheitswesen sind damit schwere finanzielle Nachteile verbunden. Der wirtschaftliche Schaden ist schwer abzuschätzen, kann aber in enormer Höhe angenommen werden. Die Abwehr von Mobbing und Diskriminierung ist daher sowohl aus menschlichen als auch ökonomischen Gründen geboten.

Das Problem und die hohen volkswirtschaftlichen Kosten von Mobbing und Diskriminierung werden zunehmend erkannt. Laut Statistik Austria fühlen sich rund 93.000 Personen, das sind 2,4 % der Erwerbstätigen, von Mobbing betroffen.

In den Frauenförderungsplänen des Bundes werden mittlerweile Bestimmungen normiert, die   die Abwehr von Mobbing und Diskriminierung bezwecken. So hat z.B. das Bundesministerium  für Finanzen im Frauenförderungsplan unter dem Titel „Schutz der Menschenwürde am Arbeitsplatz“ festgeschrieben: Wenngleich noch nicht alle Frauenförderungspläne solche Bestimmungen enthalten, ist doch eine Weiterentwicklung zur Abwehr von Mobbing und Diskriminierung zu erkennen.

In Österreich formieren sich bereits Selbsthilfegruppen, die sich für Betroffene einsetzen. Eine Bürgerinitiative zur Schaffung eines Anti-Mobbing-Gesetzes hat am 18. Juni 2009 einen      Antrag für ein solches Gesetz an NR-Präsidentin Barbara Prammer übergeben, der von 1.520 Unterzeichnern, darunter auch Politiker, unterstützt wurde. Nach den Unterzeichnern sollen     u.a. Beweiserleichterungen für Opfer, hohe, von der Intensität des Mobbings abhängige, Strafrahmen für Täter und eine Mindestverjährungsfrist von fünf Jahren verankert werden. Ebenso werden Entschädigungen für Mobbing-Betroffene, der Widerruf ehrverletzender Äußerungen und Handlungen sowie verstärkte Präventionsmaßnahmen gefordert.

Politiker zeigen zudem Interesse an einer Verbesserung der gegenwärtigen Situation für Behinderte. So wurde im Parlament eine Evaluierung und Weiterentwicklung der Behindertenanwaltschaft angeregt und dieser Antrag von allen Parteien im Dezember 2009 befürwortet. Am 26. Februar 2010 wurde eine Anfrage betreffend Umsetzung der UN-  Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung an alle Minister und an den Präsidenten des Rechnungshofes gerichtet.

Die aufgezeigten Rechtsschutzmöglichkeiten sind nicht als „Bedienungsanleitung“ für den Einzelfall zu sehen. Die gesetzlichen Regelungen sind hinsichtlich der jeweiligen Ansprüche, Rechtsfolgen, Fristen sowie Zuständigkeitsregeln für das Verfahren so unterschiedlich, dass diese je nach Sachlage gesondert zu ermitteln sind. Nach Meinung des Autors wären die bestehenden Gesetze allenfalls in Zusammenhang mit den Beratungen über ein Anti-Mobbing-Gesetz dringend zu vereinfachen.

Das Aufzeigen und Bekanntmachen von Rechtsschutzmöglichkeiten bei Mobbing und Diskriminierung soll Betroffenen die Wahl zwischen der Ursachenbekämpfung mit Hilfe von


sachkundigen Beratern bzw. Juristen oder der Symptombekämpfung mit Hilfe von    Psychologen, Psychiatern und anderen Ärzten erleichtern. Die Wirksamkeit des    Rechtsschutzes bei Mobbing ist derzeit auch wegen des abschreckenden Prozessrisikos für     die Betroffenen als gering anzusehen. Der Rechtsschutz gegen Diskriminierung ist nach     Ansicht des Autors besser ausgestaltet und wird einen zunehmenden Grad der Wirksamkeit erreichen, wenn mehr Betroffene diesen Rechtsschutz in Anspruch nehmen und Arbeitgeber sowie Mobber und Diskriminierer mit ernsthaften Sanktionen rechnen müssen. Nur wenn diese die Erfahrung machen, dass jede ihrer feindseligen Handlungen bzw. Unterlassungen für sie selbst höchst unangenehme Konsequenzen hat, werden sie ihr Verhalten ändern. Die Kosten    in Höhe von weit über einer Milliarde Euro jährlich im Gesundheits- und Sozialbereich, aber    auch bei (Früh-)Pensionen und in Unternehmen usw. rechtfertigen nach Ansicht des Autors Überlegungen zur Erhöhung der Wirksamkeit des Rechtschutzes, mit dem Ziel von volkwirtschaftlichen Kosteneinsparungen im Milliardenbereich.“

Es scheint daher mehr als zwingend notwendig, ein einheitliches „Anti-Mobbing-Gesetz“ zu erarbeiten, um den Betroffenen Abhilfe zukommen zu lassen. Derzeit sind Schutznormen über den gesamten Rechtsbereich verstreut, sodass nicht nur den Betroffenen keine Hilfen in  Aussicht gestellt werden, sondern auch dem Staat und den Unternehmungen sowie auch den Betroffenen selbst hohe Kosten entstehen. Der volkswirtschaftliche Gesamtschaden wurde    oben schon beleuchtet.

Jedes Opfer, welches sich aufgrund von Mobbing für den Freitod entscheidet, ist ein Opfer zu viel.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, im Speziellen der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, werden aufgefordert, eine umfangreiche Mobbing-Studie mit all ihren Ausgestaltungsformen in Auftrag zu geben, in welcher erhoben wird, wie viele Mobbing-Betroffene es in Österreich gibt und welcher Schaden nicht nur für die österreichische Volkswirtschaft, sondern auch für die Betroffenen entsteht.

Weiters wird die Bundesregierung aufgefordert, ehestmöglich dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf  zuzuleiten, welcher die derzeitige Zersplitterung der Schutznormen in einem „Anti-Mobbing-Gesetz“ zusammenfasst und somit für die Betroffenen einen einheitlichen Rechtsschutzkatalog darstellt.“

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.

 



[1]http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Sozialpolitik_in_Diskussion_14.pdf; Abgerufen am 17.09.2014

[2]http://www.hauptverband.at/portal27/portal/hvbportal/content/contentWindow?action=2&viewmode=content&contentid=10007.695476; Abgerufen am 17.09.2014