663/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.09.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen

 

betreffend Einführung der „Mittleren Reife“

 

Die Diagnose: Der Pflichtschulbereich endet in Österreich mit dem „Absitzen“ der Pflichtschulzeit (neun Jahre) ohne echtes Abschlusszeugnis, wie dies in fast allen europäischen Staaten Standard ist.

Jahr für Jahr schicken wir zigtausende Schulabbrecher_innen und Schulabgänger_innen ohne ausreichende Kenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen auf ihren weiteren Lebensweg. Derzeit haben 8,5 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 24 Jahren weder einen Job noch stehen sie in einer Ausbildung. 78.000 "Neets" (Not in Education, Employment, Training) weist der Sozialforscher Johann Bacher in seiner Studie „Neet – Jugendliche in Österreich“ aus (vgl. http://www.isw-linz.at/themen/dbdocs/PPP_Bacher_Lankmayer.pdf).

Die Therapie: Schulautonomie = gemeinsamer, einheitlicher Qualitätsrahmen (Mittlere Reife für alle mit 15) verbunden mit Freiheit und Eigenverantwortung der Schulen.

Wir wollen die Bildungsstillstanddebatte aufbrechen und ideologische Grabenkämpfe überwinden. Unser Vorschlag der „Schulautonomie“ bietet die Chance einer gemeinsamen Lösung durch die Kombination folgender Ansätze:

·        Stärken wir die dynamischen und konstruktiven Kräfte im Schulsystem und fördern wir pädagogische Vielfalt durch mehr Eigenverantwortung für die Schulen.

·        Definieren wir Bildungsziele und Standards für eine „Mittlere Reife für alle Schüler_innen mit 15 Jahren“.

·        Überlassen wir den Schulen in Abstimmung mit den Schulpartnern, wie sie diese Ziele erreichen.

Einheitliches Ziel – vielfältige Wege: Innerhalb eines von der Politik fixierten Rahmens haben Schulen aufgrund schulspezifischer, standortspezifischer bzw. (human-)ressourcenbedingter Entscheidungen die Möglichkeit, Gestaltungsfreiräume in Verbindung mit hoher Eigenverantwortung zu nutzen.

Unsere Jugendlichen sollen mit der Mittleren Reife auch und insbesondere eine individuelle Orientierung für ihre Zukunft mitnehmen. Sie sollen damit am Ende der Pflichtschulzeit wissen, wo ihre Stärken und Fähigkeiten liegen und was noch ausbaufähig und verbesserbar ist. Im Fokus stehen hier damit auch Sozial- und Selbstkompetenzen. Eine Abschlussarbeit in Form einer Präsentation und schriftlichen Abhandlung über die eigenen Fähigkeiten soll genauso zur Mittleren Reife gehören wie die Fremdbeurteilung durch die Lehrenden. Die Stärkenorientierung als Instrument der Wertschätzung und Anerkennung soll eine besondere Beziehung zwischen Lehrenden und Schüler_innen herstellen.

Zum Umfang der Mittleren Reife gehören (Vorschlag):

·        Sinnerfassendes Lesen und Schreiben (in mind. zwei lebenden Sprachen)

·        Sprachliches Ausdrucksvermögen (in mind. zwei lebenden Sprachen)

·        Grundrechnungsarten, Schlussrechnungen, Textaufgaben lösen, Berechnen von Flächen und Volumina und Kopfrechnen

·        Gefühl für (mathematisch ausdrückbare) Größenordnungen und Zahlenverhältnisse inkl. Kopfrechnen

·        Lernkompetenz (die Fähigkeit und Bereitschaft, Informationen über Sachverhalte und Zusammenhänge selbständig und gemeinsam mit anderen zu verstehen, auszuwerten und in gedankliche Strukturen einzuordnen)

·        Fähigkeit, sich in sozialen Situationen zu orientieren

·        Fähigkeit, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und zu stabilisieren

·        Basiskenntnisse in Recht, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft (zumindest Grundprinzipien der Demokratie, des Rechtsstaats und des Wirtschaftssystems)

·        Medienkompetenz (inkl. Verantwortungsvoller Umgang mit sozialen Netzwerken)

·        Entscheidungsfähigkeit in Hinblick auf die eigene Lebensgestaltung und –führung

·        Berufsorientierung und Berufsvorbereitung

Die Mittlere Reife als „Prüfung“ kann sich auch in mehreren Teilschritten (individuelle Zusammensetzung) abgelegt werden. Sie soll Berufs- und Lebenschancen schaffen, deren Fokus das Aufzeigen von Stärken und das Hinführen zu Grundkompetenzen ist. Wichtig ist, dass der Prüfungsstandard österreichweit auf dem gleichen Niveau gehalten wird. Der positive Abschluss der Mittleren Reife ist der Schlüssel und Voraussetzung für eine Lehre und/oder den Übertritt in die Sekundarstufe II.


Deshalb stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, so rasch wie möglich Modelle für die Mittlere Reife am Ende der Pflichtschulzeit zu entwickeln und diese dem Nationalrat zuzuleiten.“

 

In formeller Hinsicht wir die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.

 

In formeller Hinsicht wir die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.