713/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 22.10.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

betreffend Schaffung eines einheitlichen Arbeitnehmer_innen-Rechts

 

Obgleich in einigen Bereichen (z.B. in Hinblick auf die Regelung der Entgeltfortzahlung bei Dienstverhinderung) bereits eine Angleichung der Rechtsstellung von Arbeiter_innen und Angestellten erfolgt ist, bestehen immer noch – sachlich nicht zu rechtfertigende – Unterschiede, die letztlich auf den historischen Entstehungskontext dieser Begrifflichkeiten zurückzuführen sind und bis zum heutigen Tage eine Schlechterstellung von Arbeiter_innen in Arbeitsverhältnissen begründen:

 

Problemfeld 1: Schlechterstellung von Arbeiter_innen in Hinblick auf Kündigungsfristen und -termine

 

Während die Kündigungsfristen für Angestellte in § 20 Abs. 2 AngG mit einem Umfang von mindestens 6 Wochen (im ersten und zweiten Jahr der Beschäftigung; danach stufenweiser Anstieg je nach Dauer des Dienstverhältnisses auf maximal 5 Monate) festgelegt werden, bestehen für Arbeiter_innen keine derartigen zentralen Bestimmungen: Kündigungsfristen und -termine ergeben sich in diesem Fall zumeist aus den jeweiligen Kollektivverträgen. Außerhalb des Kollektivvertragsbereichs kommt eine 14-tägige Kündigungsfrist (gem. § 77 GewO 1859) zur Anwendung.

Kündigungstermine bestehen für Arbeiter_innen überdies nur insofern, als diese im Kollektivvertrag vorgesehen sind. Für Angestellte endet das Dienstverhältnis bei Arbeitgeberkündigung hingegen mit Ende des Quartals, bei Arbeitnehmerkündigung mit dem Monatsletzten.

 

Problemfeld 2: Schlechterstellung von Arbeiter_innen in Hinblick auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

 

Arbeiter_innen haben gemäß Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG § 2 Abs. 1) zwar einen Grundanspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Umfang von mindestens 6 Wochen Vollbezug und 4 Wochen Halbbezug bis maximal 12 Wochen Vollbezug und 4 Wochen Halbbezug (dienstzeitabhängige Staffelung), verfügen aber über keinen Folgeanspruch bei neuerlicher unterjähriger Erkrankung innerhalb eines halben Jahres nach Wiederantritt der Arbeit, wie er für Angestellte im Angestelltengesetz (AngG § 8) im Umfang von mindestens  6 Wochen Halbbezug und 4 Wochen Viertelbezug (dienstzeitabhängiger Zuwachs der Anspruchs) vorgesehen ist.

Für die Bemessung der Dauer des Anspruches auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sind bei Arbeiter_innen außerdem Dienstzeiten bei demselben Arbeitgeber, die keine längeren Unterbrechungen als jeweils 60 Tage aufweisen, zusammenzurechnen – eine Regelung, die nicht nur intransparent ist, sondern auch im Rahmen der Lohnverrechnung für einen unverhältnismäßigen Aufwand sorgt.

Problemfeld 3: Unzeitgemäße Entlassungsgründe für Arbeiter_innen

 

Die Entlassungsgründe für Arbeiter_innen werden im Rahmen der Gewerbeordnung 1859 (!) taxativ aufgezählt. Darunter finden sich auch skurrile Gründe, die den historischen Entstehungskontext der Regelung widerspiegeln, wie „abschreckende Krankheit“, „Trunksucht“ oder „sich einer groben Ehrenbeleidigung“ schuldig gemacht haben (§ 82 GewO 1859). Die gesetzliche Grundlage entspricht damit – im Gegensatz zur Regelung der Entlassungsgründe für Angestellte im AngG § 27 – nicht heutigen Standards.

 

Problemfeld 4: Schlechterstellung von Arbeiter_innen in Hinblick auf Sonderzahlungen

 

Angestellten gebühren Sonderzahlungen (= "13. und 14. Monatsgehalt") immer (bzw. jedenfalls aliquot) – selbst im Falle einer Entlassung oder eines ungerechtfertigten Austritts. Die Bestimmungen der Arbeiterkollektivverträge sehen dagegen in der Regel vor, dass im Zusammenhang mit einer gerechtfertigten fristlosen Entlassung weder das "13." noch das "14. Monatsgehalt" gebühren: Ein bereits zur Gänze ausbezahlter Urlaubszuschuss ist vom Arbeitnehmer zumeist aliquot, in seltenen Fällen aber auch zur Gänze rück zu erstatten.

All diese Benachteiligungen könnten durch Kodifizierung eines einheitlichen Arbeitnehmer_innenrechts beendet werden. Dieses hat in jedem Fall die bestehenden Regelungen, die sich im Falle von Arbeiter_innen als besonders komplex und zersplittert (ABGB, Gewerbeordnung, Kollektivverträge, Arbeitsverträge) erweisen, zu ersetzen und auf volle Gleichstellung in allen Belangen abzuzielen.

Da eine solche Gleichstellung auch Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Struktur der Arbeitnehmer_innenvertretung hat (ArbVG), soll auch in diesem Bereich nach einem Übergangszeitraum (gewählte Vertreter_innen sollten dabei so lange in Funktion bleiben, bis ihre Funktionsperiode abgelaufen ist) bei den Organen der Arbeitnehmerschaft keine Differenzierung zwischen "Arbeiter-" und "Angestelltenbetriebsräten" mehr getroffen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Arbeit und Soziales werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage betreffend  ein zeitgemäßes und einheitliches Arbeitnehmer_innenrecht zuzuleiten, welche die Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeiter_innen aufhebt und eine völlige Gleichstellung aller Arbeitnehmer_innen vorsieht und damit einen einheitlichen Arbeitnehmer_innen-Begriff definiert. Dies gilt in weiterer Folge auch für das Arbeitsverfassungs- und Sozialversicherungsrecht. Diese Angleichung hat insbesondere

·        die Festlegung von Kündigungsfristen und -termine auf dem Niveau des bestehenden Angestelltengesetzes (mindestens 6-wöchige Kündigungsfrist und dienstzeitabhängige Steigerung dieses Anspruchs sowie Kündigungstermin zum Ende des Quartals (bei Arbeitgeberkündigung) bzw. zum Monatsletzten (Arbeitnehmerkündigung), wobei kollektivvertragliche Abweichungen weiterhin möglich bleiben,

·        einen Folgeanspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Umfang von mindestens 6 Wochen Halbbezug und 4 Wochen Viertelbezug bei wiederholter Arbeitsverhinderung durch Krankheit innerhalb eines Kalenderjahres,

·        die Geltung der Entlassungsgründe des § 27 AngG für alle Arbeitnehmer_innen,

·        sowie die Festlegung eines (jedenfalls aliquoten) Anspruchs auf Sonderzahlungen im Falle einer Entlassung oder eines ungerechtfertigten Austritts für alle Arbeitnehmer_innen

vorzusehen.“

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.