807/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 20.11.2014
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demokratische, transparente und nicht diskriminierende Erstellung des Dreiervorschlags für ein EGMR-

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Daniela Musiol, Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend demokratische, transparente und nicht diskriminierende Erstellung des Dreiervorschlags für ein EGMR-Mitglied

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Anders als bei den Mitgliedern des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) sieht das Bundes-Verfassungsgesetz keine Mitwirkung des Nationalrats bei der Erstellung des Vorschlags für ein österreichisches Mitglied am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) vor. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat sich hingegen intensiv mit den Verfahren und Kriterien zur Richterbestellung auseinandergesetzt und entsprechende Vorgaben formuliert. So bekräftigt die Resolution 1646 (2009), dass der „Prozess der Nominierung von Kandidaten für den Gerichtshof den Grundsätzen demokratischer Verfahren, Transparenz und Nichtdiskriminierung entsprechen muss“. Sofern dies nicht erfüllt ist, behält sich die Versammlung vor, den übermittelten Dreiervorschlag des Mitgliedsstaats zurückzuweisen. Weiter sollen die Staaten auf eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen – sowohl am Vorschlag als auch im Auswahlgremium achten. Artikel 21 § 1 EMRK definiert die Voraussetzungen der KandidatInnen wie folgt: „Die Richter müssen hohes sittliches Ansehen genießen und entweder die für die Ausübung hoher richterlicher Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen oder Rechtsgelehrte von anerkanntem Ruf sein.“

 

Die Funktionsperiode für das aktuelle österreichische Mitglied läuft am 31. 10. 2015 aus. Die Bundesregierung hat diese Funktion im Sommer dieses Jahres in der Wiener Zeitung ausgeschrieben. Es haben sich drei Männer und drei Frauen beworben. Laut der Tageszeitung Die Presse vom 2. 11. 2014 soll die Auswahl der drei Personen für den Dreiervorschlag an die Parlamentarische Versammlung des Europarats durch „vier Spitzenbeamte aus dem Bundeskanzleramt und dem Außenministerium“ erfolgen. Nach Beschlussfassung im Ministerrat soll der Dreiervorschlag bis Mitte Dezember übermittelt werden.

 

Diese Vorgangsweise ist aus der Perspektive des Demokratie- und des Transparenzprinzips sowie der Nichtdiskriminierung äußerst problematisch und entspricht nicht den Vorgaben der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. Eine Mitwirkung des österreichischen Parlaments ist nicht vorgesehen. Das Auswahlgremium ist - soweit bekannt - ausschließlich männlich besetzt. Zur Hälfte besteht es aus Prozessvertretern der Republik Österreichs vor dem EGMR. Eine sachliche Begründung des Dreiervorschlags gegenüber der Öffentlichkeit ist nicht vorgesehen.

 

Mit dem 11. Zusatzprotokoll, das am 1.11. 1998 in Kraft trat, wurde der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner jetzigen Form eingerichtet. Er ist ein Gericht, das ganzjährig tagt und mit hauptberuflich tätigen RichterInnen besetzt ist. Alle BürgerInnen aller Mitgliedsstaaten können sich direkt mit Individualbeschwerde an ihn richten. In Anwendung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) entscheidet er in vielen Rechtsbereichen, auch zu brisanten gesellschaftspolitischen Fragen. Gerade in Österreich sind die Wirkungen seiner Rechtsprechung besonders ausgeprägt, da die EMRK in Verfassungsrang steht und der Verfassungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung weitgehend der Rechtsauffassung des EGMR folgt. Er ist eine „wirkmächtige Institution“ geworden und bedarf daher auch der demokratischen Legitimation.[1] Mit dem Beitritt der Europäischen Union zur EMRK wird der EGMR noch stärker für das Unionsrecht und dessen Anwendung maßgeblich werden. Er wird dann auch unmittelbar das Handeln der Unionsorgane am Maßstab der EMRK überprüfen.

 

Mit der verfassungsmäßigen Verankerung der Mitwirkungsrechte des Parlaments an der Erstellung des Dreiervorschlags für das EGMR-Mitglied sollte gleichzeitig auch das Procedere für die Erstellung der Vorschläge der österreichischen Mitglieder am Gerichtshof der Europäischen Union reformiert werden.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher in einem ersten Schritt folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres, werden aufgefordert,

a)    die Auswahl der BewerberInnen für den aktuellen Dreiervorschlag für das österreichische EGMR-Mitglied an die Parlamentarische Versammlung des Europarats unter Mitwirkung einer Vertreterin/eines Vertreters eines Höchstgerichts, einer Rechtswissenschaftlichen Fakultät, einer Menschenrechtsorganisation und der parlamentarischen Klubs vorzunehmen, wobei auf eine ausgewogene Vertretung von Männern und Frauen zu achten ist und

b)    die Zusammensetzung des „Auswahlgremiums“  und den Dreiervorschlag samt Begründung bekanntzugeben.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss  vorgeschlagen.



[1] Armin von Bogdandy und Christoph Krenn, Zur demokratischen Legitimation von Europas Richtern, JZ 11/2014, Seiten 529 – 537.