828/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 10.12.2014
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Parlamentarische Materialien

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Gabriela Moser, Daniela Musiol, Freundinnen und Freunde

 

betreffend nachhaltiger und leistbarer Wohnbau

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Leistbarer Wohnbau fußt vor allem auch auf erschwinglichen Grundkosten. Trotz regional unterschiedlicher Verknappung des Baulandes bestehen in Österreich beträchtliche Baulandreserven (d.h. gewidmetes, aber nicht bebautes Bauland). Der Baulandüberhang beträgt laut 10. Umweltkontrollbericht österreichweit (ohne Tirol) mehr als 25% der gesamten gewidmeten Baulandfläche (300.000 ha). Bauland ist somit häufig in ausreichendem Ausmaß gewidmet, wird aber nicht genutzt und/oder ist preislich für den sozialen Wohnbau zu hoch angesiedelt. Durch Maßnahmen zur Baulandmobilisierung könnten Baulandüberhänge abgebaut und neue Baulandwidmungen verhindert werden. Seit Jahren verfolgt z.B. Südtirol eine Widmungspolitik, die in Erweiterungszonen für den Wohnbau 60% bzw. 55% der Baumasse dem geförderten Wohnbau widmet. Bei Enteignungen von jenen Flächen, die im Bereich von Erweiterungszonen dem geförderten Wohnbau und den entsprechenden Erschließungsanlagen vorbehaltenen sind, beträgt die Vergütung 50% des Verkehrswertes der Baugrundstücke.

Die Salzburger Vertragsraumordnung, nach der  Bauland nur neu ausgewiesen werden durfte, wenn mit den betreffenden Grundeigentümern eine privatrechtliche Vereinbarung über die Nutzung der Grundstücke abgeschlossen wurde, und die regelte, dass im Falle der Weigerung eines Grundstückseigentümers, über eine im alten Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesene Fläche eine Vereinbarung abzuschließen, eine Rückwidmung dieser Baulandfläche in Grünland zwingend vorzunehmen war, wurde jedoch 1999 vom VfGH aufgehoben, und zwar wegen Verstoß gegen das Rechtstaatsprinzip und  das Grundrecht auf Eigentum, vereinfacht gesagt wegen des fehlenden Rechtsschutzes des Grundeigentümers gegen die getroffene Vereinbarung. Auf die im Prüfungsbeschluss noch erwähnten kompetenzrechtlichen Bedenken wurde in der Entscheidung gar nicht mehr näher eingegangen (VfSlg 15.625 vom 13. 10. 1999).

In den meisten Bundesländern bestehen gesetzliche  Grundlagen,  sodass  die  Gemeinden  mit  Grundstückseigentümern  privatrechtliche Vereinbarungen treffen, die der Zielsetzung der Baulandmobilisierung dienen. Diese Regelungen sind im Einzelnen recht unterschiedlich ausgestaltet und gehen auch hinsichtlich der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen unterschiedliche Wege, wie Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek in seinem Gutachten aus 2009[1] darlegt. Günstiges Bauland für den sozialen Wohnbau steht meist auf rechtlich unsicheren Beinen und ist nur schwer sicherzustellen.

Deshalb kommt Holoubek aus verfassungsrechtlicher Sicht zu dem Vorschlag, eine Ergänzung der Kompetenzregelung des Art 11 Abs 1 Z 3 B-VG um einen weiteren Ausnahmetatbestand vorzunehmen, der deutlich macht, dass Regelungen einer „Vertragsraumordnung“ nicht insbesondere qua Zivilrechtskompetenztatbestand  Bundessache  sondern  als  Planungsmaßnahme  Gesetzgebungszuständigkeit  der Länder sind. „Eine derartige Regelung könnte dann auch damit verknüpft werden, einzelne Instrumente als Regelungsgegenstand des Landesgesetzgebers auszuweisen.“ Dabei könnten die dem Landesgesetzgeber zur Regelung zugewiesenen Maßnahmen durch Begriffe wie  „Vertragsraumordnung“ und Widmungsabgabe“ konkretisiert werden.

In Bezug auf den fehlenden Rechtsschutz ist zwischenzeitlich auf die Einrichtung der Verwaltungsgerichte zu verweisen, insbesondere auf Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG, wonach diese auch wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde angerufen werden können, wenn der Materiengesetzgeber dies vorsieht. In der Literatur wird nun die Auffassung vertreten, dass dieses Instrument auch für den sogenannten verwaltungsrechtlichen Vertrag nutzbar gemacht werden könnte.[2] Das heißt, dass der Raumordnungsgesetzgeber einen diesbezüglichen Rechtsschutz gegen den rechtswidrigen Abschluss von Vereinbarungen und daraus folgendes rechtswidriges Verhalten der Behörde (soweit nicht dafür schon bestehende Instrumente zum Zug kommen) vorsehen kann und nach Auffassung der AntragstellerInnen auch müsste.

Die Vertragsraumordnung ist bemüht, Baulandhortungen innerhalb des Siedlungsgebiets aus Spekulationsgründen entgegen zu wirken und ist so gesehen auch dem Ziel der Grünlandschonung verpflichtet. Allerdings ist eine Kompetenznorm neutral. Die Vertragsraumordnung kann insbesondere was die zusätzliche Ausweisung von Bauland anbelangt auch zu einer Flächenverschwendung führen. Aus diesem Grunde sind begleitend zwei weitere Maßnahmen in der Verfassung zu setzen: Zum einem soll die kleinräumige Flächenwidmung von der Gemeindeebene auf die Landesebene transferiert werden (Einschränkung des eigenen Wirkungsbereichs der Gemeinden). Die Nähe zum Wähler/zur Wählerin liefert den/die zuständige/n Bürgermeister/in bzw den Gemeinderat zu sehr den Einzelinteressen aus. Die objektiven Vorgaben in den Raumordnungsgesetzen bzw die Landesaufsicht können dieser Tendenz nicht ausreichend begegnen. Ein Beispiel: „Erkenntnis ehemaliger Gemeindemandatare: ‚Bei der Beschlussfassung durch den Gemeinderat werden überwiegend existenzielle Aspekte berücksichtigt‘, bspw. Zur Rettung von Nebenlandwirten in peripheren Lagen. Die daraus resultierenden Infrastrukturkosten müssen in der Folge von der breiten Öffentlichkeit aufgefangen werden.“[3] Zum anderen muss ein Gebot zur Schonung der Ressource Boden bzw von Grünland in der Verfassung verankert werden, um Bundes- als auch Landesgesetzgeber zu binden und zu weiteren gesetzlichen Maßnahmen zu veranlassen. Dem derzeitigen Staatsziel Umweltschutz fehlt in dieser Hinsicht jegliche konkrete Zielvorgabe. Die in der Österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie 2002 lediglich im Ministerrat beschlossene Drosselung des Flächenverbrauchs muss als erster Schritt rechtsverbindlich gemacht werden. Denn: Der tägliche Flächenverbrauch in Österreich beträgt 22,4 ha, das ist ca. das Neunfache des in der Nachhaltigkeitsstrategie festgelegten Limits. Alleine die Bau- und Verkehrsflächen haben zwischen 2009 und 2012 um knapp 10 Prozent zugenommen, während die Bevölkerungszahl im gleichen Zeitraum um lediglich 1,1 Prozent gestiegen ist[4]. Als Instrument auf Raumordnungsebene wäre daher unter anderem eine verpflichtende Alternativenprüfung vor Ausweisung von Bauland angemessen.

Darüber hinaus sollten bestehende Anreizsysteme, welche die Siedlungsstrukturen dauerhaft beeinflussen, wesentlich stärker auf den Klimaschutz und die Flächenschonung ausgerichtet werden. So ist gemäß der bestehenden 15a – Vereinbarung betreffend Maßnahmen im Gebäudesektor zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen (BGBl. II Nr. 251/2009) die Berücksichtigung einer „verkehrs- und flächenverbrauchsminimierenden Bebauung im Sinne einer Minimierung des motorisierten Individualverkehrs unter Berücksichtigung übergeordneter raumordnungspolitischer Zielsetzungen“ kein zwingendes Kriterium bei der Fördervergabe gemäß Art 3 (Mindestanforderungen für Zwecke der Förderung im Wohnungsneubau),  sondern ist darauf nur unter Art 4 (Förderungsanreize für zusätzliche Maßnahmen beim Wohnungsneubau) „Bedacht zu nehmen“. Die Förderung des Neubaus „auf der Grünen Wiese“ ohne Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr ist sowohl aus klima- und raumordnungspolitischen Gesichtspunkten in Frage zu stellen.

 

Darüber hinaus gilt es aber auch die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ zu ermöglichen bzw. abzusichern und durch günstigere Grundpreise Wohnen leistbar zu machen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden


ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

1.    Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, wird ersucht, zur Gewährleistung eines nachhaltigen und leistbaren Wohnbaus dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, womit auf Verfassungsebene

 

a)    die Drosselung des Flächenverbrauchs im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie 2002 als Staatsziel samt Instrumenten festgeschrieben,

b)    beim  Kompetenztatbestand „Volkswohnungswesen“ klargestellt wird, dass verpflichtende Instrumente der Vertragsraumordnung zur Mobilisierung bestehender Baulandausweisungen und zur Schaffung neuen nachhaltigen  und sozial leistbaren Baulands zur Raumordnungskompetenz der Länder zählen und

c)    kleinräumige Flächenwidmungen von der Gemeinde auf die Landesebene verlagert werden.

 

 

2.    Darüber hinaus wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft,  aufgefordert, mit den Ländern Verhandlungen über die Anpassung der bestehenden 15a Vereinbarung betreffend Maßnahmen im Gebäudesektor zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen (BGBl. II Nr. 251/2009)  aufzunehmen. Ziel der Verhandlungen soll insbesondere die verpflichtende Berücksichtigung des Flächenverbrauchs sowie des Anschlusses an den öffentlichen Nahverkehr als Mindestanforderung für Förderungen im Wohnungsneubau sein. Auf jeden Fall soll keine Wohnbauförderung an Projekte ohne öffentlichen Verkehrsanschluss vergeben werden.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss  vorgeschlagen.

 



[1] Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek, Überlegungen zu Fragen der „Vertragsraumordnung“ und einer „verfassungsrechtlichen Absicherung“ neuer Instrumente zur Mobilisierung von Bauland für sozialen Wohnbau.

[2] Siehe dazu zuletzt Michael Holoubek, Die Verhaltensbeschwerde – Das Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit sonstigen Verhaltens einer Verwaltungsbehörde, in Holoubek/Land (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht (2014), S 113 (122).

[3] Kärnten heute besser bauen, Positionspapier der Kärntner Baukulturinitiativen, Architekturhaus Kärnten (Mai 2014).

[4] Umweltkontrollbericht des Umweltbundesamtes 2013, S 246 f.