886/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 25.02.2015
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Parlamentarische Materialien

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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Harald Walser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend verpflichtender gemeinsamer Ethik- und Religionenunterricht

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

 

Aktueller Anlass für die neuerliche Forderung nach einem gemeinsamen „Ethik- und Religionenunterricht“ sind die Terroranschläge von Paris auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ und auf einen koscheren Supermarkt. Die Attentäter fühlten sich durch die Karikaturen in der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Die Gründe für die Radikalisierung junger Menschen sind teilweise hausgemacht, was auch auf die Attentäter von Paris zutreffen dürfte[1]. Die Attentäter wurden in Frankreich geboren und sind dort aufgewachsen und waren französische Staatsbürger. Aber problematische familiäre Bedingungen, Probleme in der Bildungslaufbahn, Arbeitslosigkeit, Haft und machten die jungen Männer empfänglich für Hassbotschaften und Gewalt.

 

Das Gefühl auf der Verliererseite zu stehen und aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, kennen nicht nur MuslimInnen. Auch fundamentalistisch gesinnte ChristInnen fühlen sich durch die Werte einer pluralistischen, weltoffenen und toleranten Gesellschaft bedroht. Christiane Florin wurde in ihrer Funktion als Chefredakteurin von „Christ & Welt“[2] massiv angegriffen, nachdem sie eine Anzeige von „Kirche in Not“ für ihr Blatt nicht angenommen hatte, weil dieses der Demokratie Meinungsdiktatur vorgeworfen hatte. Auf die Frage: „Woher, glauben Sie, kommt die Unzufriedenheit dieser Leute?“ antwortet Christiane Florin: „Das sind Kränkungen, die diese Menschen schon lange mit sich herumtragen. Sie haben das Gefühl, fremd zu sein in dieser Gesellschaft und empfinden vieles als Niederlage. Zum Beispiel die Gleichberechtigung von Frauen und von Homosexuellen. Sie haben keine politische Heimat mehr und können schwer mit Widerspruch umgehen.“[3] 


Angesichts der Pluralität unserer Gesellschaft wird die Auseinandersetzung mit  allgemein verbindlichen Grundwerten immer wichtiger. Eine fundierte Beschäftigung mit den Grundlagen unserer Kultur und Gesellschaft, speziell auch mit den verschiedenen Religionen, ist deshalb unerlässlich.

 

Die im Mai 2011 abgehaltene parlamentarische Enquete „Werteerziehung durch Religions- und Ethikunterricht in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft"[4] hat deutlich gemacht, dass der Ethikunterricht eine notwendige Weiterentwicklung innerhalb des österreichischen Schulsystems darstellt. Der Ethikunterricht muss ein integratives Angebot, das soziale Grundwerte und Weltreligionen gleichermaßen thematisiert, für alle SchülerInnen darstellen. Kinder und Jugendlichen sollen lernen, sich gemeinsam und unter sachkundiger Anleitung möglichst vorurteilsfrei mit diesen Themen auseinandersetzen. Das bedeutet nicht automatisch das Aus für den konfessionellen Religionsunterricht, der weiterhin auf freiwilliger Basis anzubieten wäre.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesministerin für Bildung und Frauen wird aufgefordert, einen verpflichtenden gemeinsamen Ethik- und Religionenunterricht an allen Schulformen und in allen Schulstufen einzuführen. Gleichzeitig soll der konfessionelle Religionsunterricht nicht mehr als Pflichtgegenstand, sondern als Freigegenstand angeboten werden.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss  vorgeschlagen.

 



[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/charlie-hebdo-frankreich-diskutiert-wie-es-so-weit-kommen-konnte-a-1012339.html

[2] Wochenzeitung für Glaube, Geist und Gesellschaft http://www.christundwelt.de/

[3] http://www.sueddeutsche.de/medien/beleidigende-leserbriefe-jetzt-war-es-mir-zu-viel-1.2308823

[4] http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/VER/VER_00006/index.shtml