893/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 25.02.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger und Kollegen

betreffend die rasche Umsetzung der Expertenvorschläge für den Maßnahmenvollzug

Der Maßnahmenvollzug ist in den vergangenen Monaten, nicht zuletzt durch mediale Berichte über unhaltbare Zustände der Verwahrlosung von Insassen, zu Recht in Kritik geraten. Seit der großen Strafrechtsreform und der damit einhergehenden Einführung des Maßnahmenvollzugs in den 70er Jahren, hat sich vieles geändert. Während die rechtlichen Grundlagen dieselben sind, ist die Praxis eine gänzliche andere. Das zeigen nicht zuletzt die stark steigenden Zahlen der Insassen im Maßnahmenvollzug sowie die steigende Anhaltedauer. Auch die Fallzahlen, der der Maßnahme zugrundeliegenden Deliktstypen haben sich stark verändert. So gibt es verstärkt Fälle gefährlicher Drohung, die zu einer Einweisung in die Maßnahme führen. Zudem werden verstärkt Ersttäter länger als früher in der Maßnahme untergebracht und in den Fällen des § 21/2 StGB bleiben geistig abnorme Rechtsbrecher für längere Zeit als früher nach Verbüßen der Haftstrafe in der Maßnahme.

Allgemein gilt es zu sagen, dass insbesondere der Maßnahmenvollzug als Schnittstelle zwischen Justiz-, Gesundheits- und Sozialagenden einmal mehr Beispiel dafür ist, wie in Österreich aufgrund zersplitterter Kompetenzlage zwischen Bund und Ländern systemübergreifende Arbeit nur schlecht gelingt. Gesundheit, Soziales und Justiz sind dabei kommunizierende Gefäße. Innerhalb dieser Systeme muss ein Ausgleich gelingen zwischen der Sicherheit der Bevölkerung und einem menschenrechtskonformen, therapeutischen, auf Resozialisierung fokussiertem Umgang mit so genannten geistig abnormen Rechtsbrechern.

NEOS hat aus Anlass dieser Vorfälle und der auch weiter bekannt gewordenen Missstände  im Oktober 2014 eine Enquete zur Reform des Maßnahmenvollzugs veranstaltet. Auf Basis der Stellungnahme der renommierten Experten konnten wir einen weitreichenden Forderungskatalog entwickeln:

1.    Nachschärfen der Anlasstat des §21 StGB: Anheben des Strafandrohungsausmaß oder durch Reduktion auf so genannte „Hands-on“ Delikte

2.    Schaffung eines eigenen sprachlich modernisierten Gesetzes für den Maßnahmenvollzug mit der Zielsetzung der Resozialisierung inklusive Ausbau der Rechtsschutzmöglichkeiten während des Vollzugs (Öffentlichkeit der Anhörung, Protokolle, etc.); Flexibilisierung der Entlassungs-, Aussetzungs- und Widerrufsmöglichkeiten sowie Transparenz bei sämtlichen Vollzugsentscheidungen, um Anreize für die Häftlinge zur Kooperation zu schaffen; kontinuierliche Erhöhung der Voraussetzungen für eine Anhaltung, je länger diese schon andauert

3.    Abgehen von der strengen Trennung der Täter nach § 21 Abs 1 und Abs 2 StGB, die sich durch die Durchlässigkeit bei der Betreuung äußert

4.    Enge Kooperation der Ressorts Justiz, Soziales und Gesundheit zur Strategieplanung, Infrastrukturbereitstellung und Budgetierung für den Maßnahmenvollzug: Ausbau der Nachbetreuungseinrichtung unter Verpflichtung der Länder (für Maßnahmenvollzug und Untergebrachte) durch Errichtung von Spezialeinrichtungen und Erhöhung der Dichte

5.    Verbindliche Qualitätsstandards für Gutachten im Maßnahmenvollzug und Einbeziehung einer externen Kontrollinstanz (zB Prüfung der Gutachten in Deutschland)

6.    Prüfung einer eigenen Zuständigkeit für den Maßnahmenvollzug bei Staatsanwaltschaft und Gerichten sowie einer erweiterten Berichtspflicht zur zentralen Steuerung und Strategieumsetzung im Maßnahmenvollzug

7.    Erstellung und verpflichtende Einhaltung eines Qualitätshandbuchs für Mitarbeiter im Maßnahmenvollzug, um eine einheitliche Betreuung auf hohem Niveau zu gewährleisten; Betreuung und Supervision aller im Maßnahmenvollzug tätigen Mitarbeiter in Hinblick auf die besonderen Umstände ihrer Tätigkeit

8.    Umsetzung einer Ausbildungsreform für Justizwachebeamte, deren Fokus vor allem auf der Einhaltung der Menschenrechte liegt sowie eine verpflichtende Spezialausbildung für Führungskräfte im Maßnahmenvollzug, um die Organisationsentwicklung analysieren und steuern zu können

9.    Hauptsächliche Betreuung der Untergebrachten durch Therapeuten, Pädagogen, Psychologen etc mit gleichzeitiger Zurückdrängung der Justizwache in reine Sicherungsfunktionen. Strenge Einhaltung des Abstandsgebots (Trennung von Vollzug der Haft und des Maßnahmenvollzugs)

10. Aufklärungskampagne innerhalb der Justizwache und bei der Bevölkerung in Hinblick darauf, dass die Behandlung und Betreuung der Täter der beste Opferschutz ist sowie ein gesellschaftliches Eingeständnis und Verständnis, dass wir niemals vollkommene Sicherheit herstellen können

11. Schaffung eines Beauftragten für den Maßnahmenvollzug in der Generaldirektion und Einführung eines „Patientenanwaltes“ für im Maßnahmenvollzug Untergebrachte mit regelmäßiger Berichtspflicht an den Nationalrat

12. Niederschwellige Ansprech- und Beratungsangebote für potentielle Täter, um die Straffälligkeit aufgrund psychischer Beeinträchtigungen zu verhindern (vgl Charite-Projekt für Pädophile)

Am 30. Jänner 2015 wurde auch der Expertenbericht der Kommission zur Reform des Maßnahmenvollzugs vom BMJ veröffentlicht. Der Bericht enthält sehr vielfältige und konkrete Vorschläge für Reformen im Maßnahmenvollzug. Die Vorschläge der Kommission müssen allerdings an ihrer raschen und hochwertigen Umsetzung gemessen werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere der Justizminister, wird aufgefordert, dem Nationalrat so rasch wie möglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, durch den die Vorschläge der Expertenkommission für eine Reform des Maßnahmenvollzugs qualitätsvoll umgesetzt werden. Bei der Umsetzung soll vor allem die Schaffung eines eigenen Gesetzes für den Maßnahmenvollzug und die Einbindung des Gesundheitsressort berücksichtigt werden."

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Justizausschuss vorgeschlagen.