901/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 25.02.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Herbert Kickl, Dr. Dagmar-Belakowitsch-Jenewein, Werner Neubauer, Peter Wurm

und weiterer Abgeordneter

betreffend Gerechte Pendlerverordnung für unsere Arbeitnehmer

 

 

Die Arbeiterkammer Salzburg hat die einzelnen Parlamentsklubs über folgenden Sachverhalt informiert:

 

Die Arbeiterkammer Salzburg nimmt die laufende Diskussion zur Steuerreform zum Anlass die Abgeordneten des Nationalrates aufzufordern die Arbeitswegekosten im Einkommensteuergesetz vollkommen neu zu regeln. Grundsätzlich sollte mit der Pendlerverordnung sowie dem Pendlerrechner mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Dies war leider nicht der Fall und führte zu teils erheblichem Mehraufwand bzw. äußerst kuriosen Ergebnissen des Rechners selbst. Ein untragbarer Zustand für rund 2,2 Millionen Österreicher, welche täglich zur Arbeit pendeln müssen.

 

Wir möchten die Abgeordneten auch darauf hinweisen, dass die Universität Salzburg im Auftrag der AK Salzburg die geltenden Pendlerregelungen geprüft hat und zum Ergebnis kommt, dass diese nicht dem Legalitätsprinzip und dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen.

 

„Damit ein Gesetz durch Verordnung überhaupt durchführbar sei, muss es im Sinne der Bundesverfassung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, müssen schon aus dem Gesetz allein – und ohne dass es der Heranziehung der Durchführungsverordnung bedarf – alle wesentlichen Momente der beabsichtigten Regelung ersehen werden.“ Hans Kelsen – einer der Gründerväter der österreichischen Bundesverfassung – hat bereits 1923 erkannt, dass die gesamte staatliche Vollziehung nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf und es dazu einer verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Gesetzgebers bedarf, das Handeln der Verwaltung inhaltlich hinreichend zu determinieren. Als Legaliätsprinzip wurde dieses Grundsatz als das zentrale Element des Rechtsstaatsprinzip in Art 18 B-VG festgelegt.

Ein Gesetz muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, sodass es ohne Heranziehung einer Verordnung angewendet werden kann. Verordnungen dürfen nur „auf Grund der Gesetze“ – also in Durchführung gesetzlicher Regelungen ergehen. Verordnungen dürfen nur präzisieren, was im Gesetz bereits grundgelegt ist, sie dürfen jedoch selbst kein neues Recht schaffen. 

Damit wird deutlich, dass die derzeit geltende Pendlerregelung mit dem österreichischen Verfassungsrecht nicht vereinbar ist.

Aus § 16 Abs 1 Z 6 EStG geht nicht hervor, was unter Zumutbarkeit bzw Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu verstehen ist, auch ist nicht ersichtlich nach welchen Kriterien die überwiegende Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu berechnen ist, bzw die verpflichtende Anwedung des Pendlerrechners. Weder die seit dem EStG 1988 zur Auslegung herangezogenen Gesetzesmaterialien, noch die Zeitstaffelmethode der Finanzverwaltung können diesen verfassungsrechtlichen Mangel beheben.

„Lässt sich aus dem Gesetz jede beliebige Lösung herauslesen, dann ist das Gesetz offenkundig nicht hinreichend bestimmt.“ (Doralt, RdW1988, 460). Prof. Doralt – einer der führenden Finanzrechtsexperten in Österreich hat bereits 1988 (als das Pendlerpauschale und der Verkehrsabsetzbetrag eingeführt wurden) erkannt, dass die Pendlerregelung nicht verfassungskonform ist. Und daran hat sich auch ein Vierteljahrhundert später und trotz umfassender Reform nichts geändert.

 

Darüber hinaus geht die Arbeiterkammer Salzburg davon aus, dass die Pendlerverordnung vom 19.9.2013 inklusive der Änderung der Pendlerverordnung vom 24.6.2014 nicht durch das Gesetz gedeckt ist. Insbesondere findet der in der Verordnung eingeführte Pendlerrechner durch das Gesetz keine Deckung und ist ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip gegeben.

 

Der Inhalt der Verordnung ist derart kompliziert, umfangreich und spezifisch, dass von einer Deckung durch das Gesetz nicht mehr gesprochen werden kann. Darüber hinaus sieht die Verordnung die verpflichtende Verwendung des Pendlerrechners vor, welcher im Gesetz nicht einmal erwähnt wird. Die derzeit geltende Pendlerregelung ist darüber hinaus so komplex, dass es dem Rechtsanwender nicht möglich ist, die Berechnungsergebnisse des Pendlerrechners zu überprüfen. Dem Rechtsanwender ist es mangels Kenntnis aller relevanten Informationen nicht möglich die Vorgaben der Verordnung tatsächlich anzuwenden, um selber ein der Verordnung entsprechendes Ergebnis berechnen zu können (wozu er laut Pendlerverordnung jedoch in bestimmten Fällen verpflichtet ist). Nach anfänglicher Kritik am Pendlerrechner, wurde nicht nur dieser einer Überarbeitung unterzogen, sondern auch die Verordnung entsprechend adaptiert um sie mit dem Pendlerrechner und damit mit den Vorstellungen des Gesetzgebers in Einklang zu bringen.

Es scheint, als wäre dem Gesetzgeber gar nicht daran gelegen die gesetzliche Bestimmung (§ 16 Abs 1 Z 6 EStG) inhaltlich hinreichend zu determinieren. Denn so bleibt es – und dies hat die jüngste Vergangenheit gezeigt - dem Gesetzgeber offen, durch entsprechende Novellen und Adaptierungen der Verordnung, jedes beliebige Ergebnis in das Gesetz hineinzuinterpretieren.

Durch sein Handeln hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass dieses Gesetz inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist, sondern durch das entsprechende Anpassen einer Verordnung jede beliebige Lösung herausgelesen werden kann. Ein Widerspruch zum verfassungsrechtlich verankerten Legalitätsprinzip wird damit offenkundig.

Ein Gesetz selber muss das Handeln der Verwaltung bestimmen und nicht umgekehrt. Die Verwaltungsbehörden sind nicht dazu ermächtigt, durch Verordnungen – bzw durch die Adaptierung von Verordnungen – dem eigenen Handeln einen derart weiten Spielraum zu geben, den das Gesetz nicht vorsieht und von diesem auch nicht gedeckt ist.

 

Die aktuelle Pendlerregelung verstößt nach Ansicht der Arbeiterkammer Salzburg auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht Regnung getragen wird.

 

Die aktuelle Pendlerregelung widerspricht allerdings nicht nur dem Legalitätsprinzip, sondern dem in Art 7 B-VG geregelten Gleichheitsgrundsatz, aus dem sich das  Leistungsfähigkeitsprinzip -  ein Wesensprinzip im Einkommensteuerrecht – ableiten lässt.

Schon der Verfassungsgerichtshof hat das Leistungsfähigkeitsprinzip als grundlegendes Ordnungsprinzip der Einkommensteuer anerkannt. Sinn und Zweck dahinter ist eine möglichst gerechte Steuerlastverteilung.

Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedeutet aber auch, dass Aufwendungen zur Einkünfteerzielung abzugsfähig sind. Aufwendungen, welche durch die Erzielung des Einkommens verursacht werden, dürfen in der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer nicht enthalten sein, da sie für die Steuerzahlung nicht zur Verfügung stehen.

Fahrten zur Arbeitsstätte gehören nicht zur Privatsphäre des Arbeitnehmers; eine Tatsache, die auch der VwGH bereits erkannt hat (VwGH 28.10.2008, 2006/15/0145). Allerdings können die dadurch entstandenen Aufwendungen nicht abgezogen werden, sondern unterliegen einer Zwangspauschalierung.  Ob und in welcher Höhe einem Arbeitnehmer eine Pendlerpauschale zusteht, bestimmt sich nicht nach den tatsächlichen Verhältnissen, sondern danach, ob man in eine der gem § 16 Abs 1 Z 6 EStG völlig willkürlich festgelegten Gruppen fällt.

Nach dem Gleichheitsgrundsatz dürfen grundsätzlich nur solche Arbeitnehmer zu einer einheitlichen Gruppe mit denselben Rechtsfolgen zusammengefasst werden, deren Verhältnisse in etwa gleich und vor allem in Bezug auf die ihnen entstandenen Kosten auch tatsächlich vergleichbar sind.

Ein gleiches oder vergleichbares Sachverhaltsmerkmal im Zusammenhang mit der Pendlerpauschale ist lediglich die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer zur Arbeit fährt. Die Dauer der Fahrt, die Entfernung, das verwendete und das vorhandene Verkehrsmittel, die Tageszeit, die Zumutbarkeit der Benutzung eines bestimmten (öffentlichen) Verkehrsmittels, die Verfügbarkeit eines eigenen PKW, etc sind jedoch von Fall zu Fall verschieden, von typischen Sachverhaltsmerkmalen, die eine Zwangspauschalierung rechtfertigen würden, kann daher in diesem Zusammenhang nicht mehr gesprochen werden.

Sind also die einem Arbeitnehmer tatsächlich entstandenen Kosten höher als die Pendlerpauschale und der Verkehrsabsetzbetrag, führt dies dazu, dass ein Einkommen besteuert wird, welches in dieser Form nicht mehr vorhanden ist, da es bereits für die Arbeitswegekosten ausgegeben wurde. Die abzuführende Steuer ist also überhöht und entspricht einer finanziellen Leistungsfähigkeit, die in dieser Form gar nicht mehr gegeben ist.

Das Leistungsfähigkeitsprinzip lässt sich aus der Bundesverfassung ableiten. Demzufolge bedarf es einer sachlichen Rechtfertigung dafür, dass einerseits sonstige Werbungskosten unabhängig von der Notwendigkeit des Aufwandes abzugsfähig sind, die Kosten, die einem Arbeitnehmer für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstehen, jedoch einer (Zwangs)Pauschalierung unterliegen. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung, die auf objektiven Gründen beruht, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis liegt daher eine im Lichte des Gleichheitssatzes sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung vor.

 

 

Die AK Salzburg gibt in rund 12.000 Fällen pro Jahr Hilfestellung bei der Arbeitnehmer-veranlagung.  Wir haben drei Beispiele aus dem Beratungsalltag ausgewählt, die wir Ihnen hier präsentieren:

 

Beim ersten Beispiel wird etwa einem Fleischer, der in Salzburg wohnt, zugemutet um 5 Uhr früh mit dem Auto zum Hauptbahnhof zu fahren, um dort in einer kostenpflichtigen Garage sein KFZ abzustellen. Darüber hinaus wird diesem hart arbeitenden Menschen auch noch eine Fahrzeit für eine Strecke von 119 Minuten zugemutet. Auf ein Jahr mit 220 Arbeitstagen und 4 Stunden Fahrzeit gerechnet ist dieser Arbeiter 36 Tage nur mit dem Pendeln beschäftigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im zweiten Beispiel wird ein am Attersee wohnender OP-Gehilfe zu einer Haltestelle nach Oberhofen am Irrsee geschickt, um dann mit dem Bus in die Stadt zu fahren. Er ist somit 65 km unterwegs, alleine die erste Strecke mit dem PKW von der Wohnung zur ersten Haltestelle in Oberhofen am Irrsee beträgt über 30 km. Die direkte Strecke über die Autobahn wäre 49 km lang.

 

Nach  § 16 Abs. 1 Zi 6d gebührt das große Pendlerpauschale, wenn hinsichtlich der halben Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte die Benützung eines Massenbeförderungsmittels nicht zumutbar ist.

§ 1 Abs. 1 der Pendlerverordnung normiert die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz als die gesamte Wegstrecke, die unter Verwendung eines Massenbeförderungsmittels (ausgenommen Schiffe und Luftfahrzeuge), unter Verwendung eines privaten Personenkraftwagens oder auf Gehwegen zurückgelegt werden muss, um in der kürzest möglichen Zeitdauer die Arbeitsstätte von der Wohnung aus zu erreichen.

 

Mit dieser Bestimmung in der Pendlerverordnung  wird das Kriterium der Unzumutbarkeit der Benützung des Massenbeförderungsmittels gegenüber dem Gesetz unzulässig abgeändert! 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im dritten Beispiel sieht man wie absurd die Kilometerstaffel und die Unterscheidung zwischen dem großen und kleinen Pauschale ist. Fährt ein Versicherungsangestellter von Tarsdorf in Kombination PKW und Lokalbahn zu seiner Arbeit in die Stadt Salzburg, ergibt das eine Strecke von 44 km und ein kleines Pendlerpauschale von 1.356 Euro/Jahr. Unterstellt man fiktiv, dass der Arbeitnehmer direkt an der Bahnstation in Oberndorf  arbeitet, so fährt er mit dem PKW 20,1 km und erhielte eine Pendlerpauschale von 1.476 Euro/Jahr.

 

 

 

 

 

Wir schlagen vor für die Arbeitswegekosten pro Entfernungskilometer von der Wohnung zur Arbeitsstätte 30 Cent zu gewähren. Mindestens sind die effektiven Kosten für das öffentliche Verkehrsmittel über die Werbungskosten abzugelten. 

Wir sprechen von einem Absetzbetrag, der unabhängig vom Einkommen allen gleichmäßig zukommt und für Niedrigverdiener negativ ausbezahlt werden soll. Der Nachweis der Kosten gegenüber dem Finanzamt für das öffentliche Verkehrsmittel, bezogen auf einen monatlichen oder jährlichen Zeitraum, ist durch die Vorlage der Fahrkarte problemlos möglich und leicht prüfbar.

 

Sollte es im Zuge der Debatte zur Steuerreform zu keiner Neuregelung der Arbeitswegekosten kommen, behält sich die Arbeiterkammer Salzburg vor die geltenden Regelungen vom Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen.

 

Wir ersuchen daher die Abgeordneten der Parlamentsparteien, die aktuelle Diskussion über eine Steuerreform zum Anlass zu nehmen, um die Arbeitswegekosten modern, fair und verständlich im Sinne einer gerechten Steuerreform zu regeln.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die Regelungen für eine gerechte und verfassungskonformen Pendlerverordnung enthält, um die Arbeitswegekosten modern, fair und verständlich nach den Vorschlägen der Arbeiterkammer Salzburg zu regeln.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung dieses Antrages an den Ausschuss für Konsumentenschutz beantragt.