1032/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 25.03.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Mag. Darmann, Mag. Stefan

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Erstellung einer Studie betreffend Rückfallquoten und Resozialisierung von Sexualstraftätern

 

In mehreren Staaten werden Studien betreffend Rückfallsquoten im Bereich des Kindesmissbrauchs und Sexualstraftäter erstellt. In Österreich ist von einer wissenschaftlichen Behandlung dieses Themenkreises nichts zu bemerken.

 

Einige internationale Beispiele:

 

1. Der Leiter der Berliner Charité Prof. Klaus Michael Beier hat Zahlen einer von ihm durchgeführten Studien veröffentlicht. Demnach liegt die Rückfallquote bei Sexualstraftätern bei 80%. Er kommt zu dem Schluss, dass die Begutachtung von Sexualstraftätern in Deutschland vollkommen unzureichend sei.

"Das Rückfallrisiko für Sexualstraftäter ist extrem hoch. Ich habe hierzu eine große Studie durchgeführt und ehemals verurteilte Sexualstraftäter sehr lange nach der ersten Verurteilung noch einmal untersucht - im Durchschnitt 25 Jahre später", sagte Beier in einem Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Dies beträfe hauptsächlich Männer mit einer "pädophilen Hauptströmung" - mit anderen Worten: Männer, deren sexuelles Verlangen sich gegen Kinder richtet.

Daneben hält Beier die Begutachtung von justizbekannten Sexualstraftätern in Deutschland für absolut unzureichend. Nur 10-15 % aller Fälle werden überhaupt begutachtet und dann auch noch nach uneinheitlichen, nichtssagenden Kriterien. Es sei den Richtern überlassen, ob sie überhaupt ein Gutachten erstellen lassen. Sexualstraftäter müssten flächendeckend und insgesamt diagnostisch erfasst werden um feststellen zu können, wer gefährlich ist und wer nicht. Diese Begutachtung müsse nach einheitlichen und überprüfbaren Kriterien erfolgen. Diese Kriterien gäbe es bereits, sie müssten nur angewendet werden.

 

2. Der Psychiatrisch-Psychologische Dienst des Zürcher Amtes für Justizvollzug hat über einen Zeitraum von fünf Jahre eine umfassende Studie über Herkunft, Behandlung und deliktische Laufbahn von 469 erwachsenen verurteilten Gewalt- und Sexualstraftätern ausgearbeitet. Die Studienresultate untergraben einige Vorurteile und  werfen auch viele neue Fragen auf. Auf der Internet.seite des bundesdeutschen Vereins „Child Care“ wird die Studie wie folgt wiedergegeben:

 

„Zürich (cc) - Gewalt- und Sexualstraftäter stammen automatisch aus zerrütteten Familien und schwierigen Lebensumständen und hatten eine schwere Kindheit. Dieser, oft von Gerichten als Anlass für mildernde Umstände genutzte, Mythos ist nun, dank einer grossangelegten Kriminalstudie ,erwiesener Unsinn.

Sie haben hunderte von Mördern, Psychopathen, Gewalt und Sexualverbrecher untersucht. Nach den vorliegenden Zahlen gibt es laut Jérôme Endrass keinen Zweifel, dass alle bisherigen Vorstellungen von Schuldzusammenhang mit einer "schweren Kindheit" nichts als blanker Unsinn sind. "Kriminelle sind nicht Opfer schwieriger Lebensumstände", so Jérôme Endrass, Leiter des psychatrisch-psychologischen Dienstes des Justizvollzugs Zürich und Spezialist für Risk-Assessment, der Gefährlichkeitsbeurteilung von Gewalt- und Sexualstrattätern und Kriminalprognosen.

Keine Resozialisierung möglich

"Wenn man einen Psychopathen eine Schreinerlehre machen lässt, hat man nachher nicht einen Psychopathen weniger, sondern einen Psychopathen mit Schreinerlehre", so Endrass weiter. Ausserdem verneint er die Wirksamkeit der Resozialisierung krimineller Jugendlicher. "Programme, die kriminelle Jugendliche etwa mit einer Ausbildung auf den Weg der Tugend zurückführen sollen, sind zwar sicherlich gut gemeint, aber vollkommen wirklungslos. Die Idee, dass die Täter resozialisiert werden müssen, ist grundlegend falsch. Sie sind ja schon sozialisiert. Was sie brauchen, ist eine massgeschneiderte Therapie, die nur eines zum Ziel hat: Rückfälligkeit verhindern."

Studienergebnis: Das Ende strafmildernder Umstände

Die von dem Psychater Frank Urbaniok und einem Team von Wissenschaftlern durchgeführte Studie räumt mit diversen Vorurteilen auf. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass

·        die Täter nicht schlechter gebildet sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Dies gilt sowohl für Schweizer, als auch bei Ausländern.

·        Ein Drittel aller Gewalt und Sexualstraftäter waren einschlägig vorbestraft.

·        Drei Viertel der Täter stammten aus intakten Mutter-Vater-Kind-Familien.

·        Gewalt und Sexualstraftäter hatten Mühe feste Bindungen einzugehen.

·        Bei Jugendlichen Tätern wurden 9 von 10 Tätern rückfällig, bei denen als Jugendlicher bereits eine Erziehungsmaßnahme angeordnet wurde. 38% davon sogar mit einem Gewalt- oder Sexualdelikt.

·        Täter, die während ihres Gefängnisaufenthalts eine Ausbildung absolviert haben werden nicht weniger rückfällig als andere, die keine Ausbildung absolvieren. “

 

Diese Studie wurde am 8. November 2007 umfangreich von der renommierten „Neuen Zürcher Zeitung“ behandelt:

 

„Immerhin räumt die Studie mit einigen gängigen Vorurteilen auf und bietet Ansätze für weitere, gezielte Forschungsarbeiten. Ziel all dieser Bemühungen ist es, präventiv eingreifen zu können, also Gewalt- und Sexualstraftaten überhaupt zu verhindern, Verurteilte im Strafvollzug oder in der therapeutischen Behandlung richtig anzupacken und – ganz wichtig – das Rückfallrisiko zu senken. Die «Zürcher Forensik-Studie» ist ein Schritt von vielen auf diesem Weg, die Ziele sind ambitiös, und Frank Urbaniok weist zu Recht darauf hin, dass es ein Nullrisiko im Umgang mit Gewalttätern nie geben wird. Einmalig an seiner neusten wissenschaftlichen Untersuchung ist die gezielte Eingrenzung des Personenkreises. Es wurden nicht, wie sonst üblich, sämtliche Gefängnisinsassen oder eine gewisse Anzahl von gerichtspsychiatrischen Gutachten beleuchtet, sondern 469 Erwachsene, inner- oder außerhalb von Anstalten, die im August 2000 beim Amt für Justizvollzug in irgendeiner Form registriert waren. … Zu den überraschenden Studienergebnissen gehört ein Befund in Bezug auf die Ausbildung der Gewalt- und Sexualtäter: Die Autorinnen und Autoren stellen fest, das Ausbildungsniveau der Untersuchten entspreche ziemlich exakt jenem der durchschnittlichen Bevölkerung in der Schweiz; eine schlechte Ausbildung müsse demzufolge nicht als besonderer Risikofaktor gewürdigt werden…“

 

3. Amerikanische Psychologen untersuchten 155 Strafgefangene, die wegen verschiedener Kinderpornographie-Delikte einsitzen. Die noch unveröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Männer, die Kinderpornographie konsumieren, zu 85% auch tatsächlich Kinder sexuell missbrauchen.

Die Studie wurde an 155 Strafgefangenen durchgeführt. Alle sitzen wegen Kinderpornographie ein und alle nehmen freiwillig an einer Therapie teil. Alle haben freiwillig und vollständig anonymisiert Fragebögen ausgefüllt, in denen unter anderem danach gefragt wurde, ob sie schon einmal ein Kind sexuell missbraucht haben und in welcher Form.

Die Ergebnisse sind so erschreckend, dass das Bureau of Prison (die für das Gefängnis zuständige Behörde) versucht die vollständige Veröffentlichung der Ergebnisse zu verhindern. Demnach haben 85% aller Befragten zugegeben, bereits ein Kind tatsächlich missbraucht zu haben, angefangen von unangebrachten Berührungen bis hin zur Vergewaltigung. Vor dieser Befragung waren Missbrauchshandlungen nur von 26% der Gefangenen bekannt.

Aus den bislang bekannten 75 Opfern kamen durch die Fragebögen 1.777 Opfer ans Tageslicht.

Bisherige Studien gingen davon aus, dass "nur" ca. 30% der Kinderpornographie- Konsumenten auch tatsächlich Kinder missbrauchen.

Die Forscher dieser Studie, Michael Bourke und Andres Hernandez, sind der Auffassung, dass die ermittelten Zahlen Abweichungen aufweisen können zwischen Tätern, die Hilfe suchen, und Tätern, die keine Therapieangebote annehmen.

Auch wenn die Studie und das vorhandene Zahlenmaterial Spielraum für Interpretationen lässt, stellt sie zumindest ganz klar den Zusammenhang zwischen dem Konsum von Kinderpornographie und dem sexuellen Missbrauch von Kindern durch ebendiese Konsumenten her.

 

Ähnliche Studien gibt es in Österreich noch nicht. Auf Grund der hohen Rückfallquoten und der Gefahr, die von Sexualstraftätern ausgeht, ist es unerlässlich, dass auch in Österreich wissenschaftlich fundiertes Datenmaterial gesammelt und ausgewertet wird.

 

 

Diese neuen Erkenntnisse müssen umgehend auch in die gutachterliche Tätigkeit von Sachverständigen einfließen. Es müssen diesbezüglich Vorkehrungen getroffen werden, die in Fällen von eklatanten Fehlbeurteilungen des Rückfallrisikos das Streichen des Gutachters von der Gerichtssachverständigenliste vorsehen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Der Bundesminister für Justiz wird aufgefordert, schnellst möglich eine umfassende wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben, welche eine aussagekräftige Erkenntnis betreffend Rückfallsquoten und Rückfallswahrscheinlichkeiten im Bereich der Sexualdelikte, insbesondere in Bezug auf Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung und Kinderpornographie, erbringen soll.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird um die Zuweisung an den Justizausschuss ersucht.