1144/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 20.05.2015
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Parlamentarische Materialien

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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Missbrauch des Interpol-Systems zur Verfolgung von politischen Gegnern durch autoritäre Staaten

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Interpol wurde als eine internationale Organisation zur Verbesserung der Zusammenarbeit nationaler Polizeibehörden geschaffen. 190 Mitgliedstaaten sind Mitglieder, darunter demokratische Staaten ebenso wie autoritäre Staaten. Die „Verfassung“ von Interpol (Artikel 2 und 3) verweist auf anerkannte Menschenrechtsstandards. Leider scheinen diese nicht immer garantiert.

 

Interpol operiert mit sogenannten „notices“ (Ausschreibungen). Die „Red Notices“ sind von den Mitgliedstaaten ausgestellte Ersuchen um Festnahme einer Person mit dem Ziel der Auslieferung. Nach ihren Rechtsgrundlagen ist Interpol verpflichtet solche Red Notices von Staaten vorab sorgfältig zu prüfen, um festzustellen ob es sich dabei um politisch motivierte Fälle handelt. Interpol hat dabei die zur Last gelegten Straftaten, den Kontext des Falls, den Status des Betroffenen und etwaige Verpflichtungen des internationalen Rechts abzuwägen.

 

Laut der Plattform der Investigative Journalists tauchen Red Notices jedoch regelmäßig in der internationalen Datenbank auf, noch bevor diese von Interpol überprüft und genehmigt wurden. Das Prüfsystem selbst ist nicht öffentlich einsehbar, überlastet und nicht besonders effektiv – viele politische Fälle „rutschen durch“.

 

Diese Mängel führen dazu, dass das Interpol System der Red Notices zunehmend von autoritären und korrupten Staaten benutzt wird, um unter dem Deckmantel der Verfolgung angeblicher „StraftäterInnen“ politische DissidentInnen weltweit aufzuspüren und zu verfolgen.

 

Mittlerweile häufen sich Fälle, in denen autoritäre Länder mit schlechter Menschenrechtslage (wie zB Iran, Bahrain, Libyen, Russland, Aserbaidschan und China) Red Notices benutzen, um politische GegnerInnen, Menschenrechts- oder UmweltaktivistInnen auch außerhalb ihres Staatsgebietes zu verfolgen. Laut einer Studie von Freedom House gehen fast die Hälfte der Red Notices auf jene Länder zurück, die im Korruptionsranking von Transparency International ganz oben liegen[1].

 

Selbst die Anerkennung als politischer Flüchtling in einem der Interpol-Mitgliedstaaten führt nicht zu einer Aufhebung der Red Notice des Landes, aus dem die betreffende Person geflüchtet ist. Das ist sinnwidrig, da die Red Notice meist genau von dem Staat kommt, der den Flüchtling politisch verfolgt hat.

 

Die Auswirkungen einer Red Notice auf das Leben der Betroffenen sind enorm: Bankkonten werden gesperrt, der Ruf der Person geschädigt, bisweilen der Arbeitsplatz gekündigt, Verhaftung und Auslieferungsverfahren drohen. Grenzübertritte können selbst für anerkannte Flüchtlinge zur Verhaftung und Auslieferung an den Verfolgerstaat führen. Die Möglichkeiten, Red Notices anzufechten, selbst als anerkannter Flüchtling, sind gering. Denn der Betroffene ist im Verfahren vor der Kommission, die für die Überprüfung zuständig ist (Commission for the Control of Files) nicht vertreten, die Entscheidung der Kommission wird nicht begründet und diese ist zudem für Interpol nicht bindend. Oft braucht es viel internationalen Druck und mediale Aufmerksamkeit, um überhaupt die Überprüfung eines Falles anzuregen. Aus dem Grund hat auch u.a. bereits der Europarat[2], die UNHCR[3], die Anwaltsplattform Fair Trial[4] und die NGO Open Dialog Foundation[5] eine Reform des Ausschreibungssystems von Interpol gefordert. 

 

Ein Berater der Helsinki U.S Commission fasst die Gefahr wie folgt zusammen "A Red Notice can be even more effective than the judicial system, with none of the safeguards, It doesn't prosecute you. It persecutes you.”[6].

 

Die verheerenden Folgen dieser Rechtslücke sind im Fall des politischen Flüchtlings, Rasoul Mazrae, ersichtlich. Als politischer Aktivist wurde Rasoul Mazrae vom Iran verfolgt und floh nach Syrien, dort wurde er als UN-Flüchtling anerkannt. Der Iran reichte dennoch eine Red Notice bei Interpol ein. Trotz seines offiziellen UN-Flüchtlingsstatus verhafteten ihn daraufhin die syrischen Behörden und lieferten ihn an den Iran aus. Im Iran wurde Mazrae zwei Jahre ohne eine Gerichtsverhandlung inhaftiert. In dieser Zeit wurde er bis zum Eintritt einer vollkommenen Paralyse gefoltert, alle Zähne wurden ihm ausgeschlagen. Letztendlich wurde Mazrae vom iranischen Gericht zu Tode verurteilt. Menschenrechtsorganisationen haben mittlerweile jede Spur zu ihm verloren. Es ist unklar ob er noch lebt oder bereits hingerichtet wurde. [7]

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefordert, sich für eine rasche und effektive Reform des Interpol-Ausschreibungssystems (insbesondere der Red Notices) einzusetzen, um damit den Missbrauch der Red Notices durch autoritäre Staaten zur Verfolgung von politischen GegnerInnen zu verhindern. Diese Reformen sollten jedenfalls umfassen:

 

·        Ausnahme von anerkannten Flüchtlingen von Red Notices, wenn die Red Notice von dem Staat kommt, aus dem die Person geflüchtet ist

 

·        Schaffung eines unabhängigen Tribunals, das auf Antrag der betroffenen Person Red Notices überprüft, seine Stellungnahme einholt und die Entscheidung begründet. Die Entscheidungen des Tribunals sollen für Interpol bindend sein.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Menschenrechte  vorgeschlagen.

 



[1] 11.Juli 2011 CNN http://edition.cnn.com/2011/WORLD/europe/07/18/interpol.red.notices/

[2] Parliamentary Assembly, Council of Europe „Abusive Use of the Interpol system“ Doc. 13566

02 July 2014

[3] UNHCR presentation to the Joint Seminar of the Strategic Committee on Immigration, Frontiers and Asylum (SCIFA), 17.1.2008 “Terrorism as a Global Phenomenon”.

[4] http://www.fairtrials.org/campaigns/interpol-campaign/

[5] http://en.odfoundation.eu/a/5985,open-dialog-foundation-presented-its-report-on-the-need-of-the-interpol-system-reform

[6] 11.Juli 2011 CNN http://edition.cnn.com/2011/WORLD/europe/07/18/interpol.red.notices/

[7] http://www.huffingtonpost.com/the-center-for-public-integrity/international-police-agen_b_901385.html