1195/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 08.06.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Niko Alm, Kollegin und Kollegen

betreffend eine Überwachungsgesamtrechnung

 

Die Wirkung von anlassloser Massenüberwachung wird leider allzu oft unterschätzt, wie die Diskussion über die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung und auch der Gesetzentwurf zum Polizeilichen Staatsschutzgesetz zeigen. Dabei gibt es zahlreiche Studien, die schon länger "Chilling Effects", die "Schere im Kopf" und auch eine Deindividualisierungsthese belegen: Menschen, die sich überwacht fühlen – unabhängig davon, ob dies tatsächlich geschieht – versuchen, ihr Verhalten an das der Masse anzupassen. Massenüberwachung führt zur Selbstzensur und kann damit als psychologische Verletzung der Meinungsfreiheit gewertet werden. Diese Freiheit ist aber ein wichtiges Fundament unserer Gesellschaft. Sie ist für uns Bürgerinnen und Bürger elementar, denn um uns zu entfalten, brauchen wir Privatsphäre. Daher sind unsere Grundrechte und Freiheiten auch in unserer Verfassung und der Grundrechtecharta verbrieft.

Freiheit steht naturgemäß in einem konstanten Spannungsverhältnis zur Sicherheit. Auch diese ist wichtig, damit Bürgerinnen und Bürger ein erfülltes Leben führen können. Unsere Sicherheitsbehörden leisten dazu tagtäglich einen wichtigen Beitrag unter Nutzung eines sehr vielfältigen Bündels an Befugnissen zur Prävention, Ermittlung und Aufklärung von Verbrechen. Durch die fortschreitende technologische Entwicklung werden sich überdies auch im Bereich der Überwachung immer mehr neue Möglichkeiten auftun. Aber: Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch sinnvoll, zwingend notwendig oder mit unseren Grundrechten vereinbar. Sonst könnte man schon jetzt nahezu alle Aktivitäten der gesamten Bevölkerung umfassend und vollständig überwachen. Bei Maßnahmen, die die Freiheit der Menschen beschränken, sollte aber immer vorher geprüft werden, ob diese zur Problemlösung überhaupt notwendig und geeignet sind und auch, ob sie als Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen verhältnismäßig zu real existierenden Problemen stehen. Diese Abwägung hat in jedem Einzelfall und immer wieder auch nachträglich zu geschehen, um ihre Verhältnismäßigkeit zu überprüfen und so insbesondere systematische Beschränkungen zu verhindern.

Wie weit wir in Österreich konkret sind, was Überwachung und die pauschale Einschränkung von Freiheitsrechten Menschen betrifft, weiß allerdings niemand so genau. Gesetze und Diskussionen über neue Ermittlungsmaßnahmen und Befugnisse finden statt, ohne dass vorher eine Gesamtübersicht des Ist-Zustandes erstellt wird, geschweige denn eine Evalulierung der bestehenden Maßnahmen und Befugnisse durchgeführt wird.

Diese "Überwachungsgesamtrechnung" ist aber elementar. Wo jede einzelne Maßnahme für sich allein noch ausgewogen scheinen mag, kann eine Kombination aus mehreren schon zur Totalüberwachung und damit dazu führen, ein komplettes Persönlichkeitsprofil erstellen zu können und tiefer in die Privatsphäre der Person einzudringen, als es der Bedrohungslage angemessen ist.

Über 100.000 Menschen haben 2012 die Bürgerinitiative des AK Vorrat unterstützt, bei der es neben der Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung noch um einen weiteren Punkt ging: "die bestehenden Terrorgesetze [...] zu evaluieren und falls diese entweder nicht notwendig oder nicht verhältnismäßig sind zurückzunehmen und das in der Verfassung verankerte Menschenrecht auf Privatsphäre wieder herzustellen." (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/BI/BI_00037/fname_239249.pdf)

Zu einer solchen systematischen Gesamtschau ist es aber bis heute nicht gekommen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG




Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat binnen eines Jahres eine systematische Analyse und Evaluierung sämtlicher Ermittlungsmethoden und -befugnisse vorzulegen, durch die Menschen überwacht werden. Im Anschluss daran muss eine intensive Überprüfung der Ergebnisse erfolgen und Maßnahmen, die nicht notwendig oder nicht verhältnismäßig sind, aufgehoben werden. Ebenso müssen alle zukünftigen Gesetze, welche in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger eingreifen, jährlich auf ihre Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit überprüft und im Zweifel wieder aufgehoben werden."



In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.