1211/A XXV. GP

Eingebracht am 17.06.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANTRAG

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Eva Glawischnig Piesczek; Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Bundesgesetz mit dem das Gentechnikgesetz geändert wird

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz - GTG) geändert wird

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz, mit dem Arbeiten mit gentechnisch veränderten Organismen, das Freisetzen und Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen und die Anwendung von Genanalyse und Gentherapie am Menschen geregelt werden (Gentechnikgesetz - GTG), BGBl. Nr. 510/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 35/2015, wird wie folgt geändert:

 

 

1. Nach § 63 werden folgende §§ 63a. bis 63e. samt Überschrift eingefügt:

 

„Einschränkung der Zulassung von GVO

 

§ 63a. Sofern vorübergehende Verbote für die Inverkehrbringung von GVOs gemäß § 60 auf Basis des Artikel 23 der RL 2001/18/EG von der EU-Kommission aufgehoben oder keine Maßnahmen gemäß § 60 ergriffen wurden, hat die Bundesministerin für Gesundheit auf Basis einer Empfehlung des Gentechnik-Vorsorge-Beirates (§63e) die Maßnahmen gem. § 63b oder § 63c zu ergreifen.

 

 


 

§ 63b. (1) Die Bundesministerin für Gesundheit kann während des Verfahrens der Zulassung eines bestimmten GVO gemäß der Richtlinie 2001/18/EG oder während der Erneuerung einer Zustimmung bzw. Zulassung den Anmelder/Antragsteller im Wege der Europäischen Kommission dazu auffordern, dass der geographische Geltungsbereich der schriftlichen Zustimmung bzw. Zulassung so geändert wird, dass das Bundesgebiet insgesamt oder teilweise vom Anbau ausgeschlossen ist.

 

(2) Die Bundesministerin für Gesundheit hat eine Aufforderung gemäß Abs. 1 spätestens 45 Tage nach Weiterleitung des Bewertungsberichtes gemäß Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2001/18/EG bzw. nach Erhalt der Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit gemäß Art. 6 Abs. 6 und Art. 18 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 der Europäischen Kommission zur Weiterleitung an den Anmelder oder Antragsteller sowie die anderen Mitgliedstaaten zu übermitteln.

 

(3) Erfolgt binnen 30 Tagen nach Übermittlung der Aufforderung keine Bestätigung des geografischen Geltungsbereiches der ursprünglichen Anmeldung oder des ursprünglichen Antrages, so wird die Anpassung des geografischen Geltungsbereiches der Anmeldung bzw. des Antrages in der aufgrund der Richtlinie 2001/18/EG erteilten schriftlichen Zustimmung und, falls angezeigt, durch eine Entscheidung gemäß Art. 19 der Richtlinie 2001/18/EG und durch eine Entscheidung über die Zulassung gemäß den Artikeln 7 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 umgesetzt.

(4) Sollen das gesamte Bundesgebiet oder Teile davon wieder in den geografischen Geltungsbereich der Zustimmung/Zulassung, von dem es vorher gemäß Abs. 3 ausgeschlossen wurde, aufgenommen werden, so hat die Bundesministerin für Gesundheit ein entsprechendes Ansuchen an die zuständige Behörde, die die schriftliche Zustimmung gemäß dieser Richtlinie erteilt hat, oder an die Europäische Kommission, wenn der GVO nach der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zugelassen wurde, zu richten.

 

(5) Nach dieser Bestimmung erlassene Maßnahmen berühren nicht den freien Verkehr von GVO als Erzeugnis oder in Erzeugnissen.

 

 

§ 63c. (Verfassungsbestimmung)

(1) Wird keine Aufforderung gem. § 63b gestellt oder hat der Anmelder/Antragsteller den geografischen Geltungsbereich nicht im Sinne des § 63b Abs. 1 abgeändert, so hat die Bundesministerin für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Bund-Länder-Komitees zur Koordinierung der Gentechnikvorsorge in Österreich (§63d) über eine Beschränkung oder Untersagung des Anbaus eines zugelassenen genetisch veränderten Organismus oder einer Gruppe von GVOs gemäß der RL 2001/18/EG oder gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl. L 206/1 vom 18.10.2003) im gesamten Bundesgebiet oder in Teilen davon zu entscheiden.

 


 

(2) Die Maßnahmen nach Abs. 1 dürfen nicht unverhältnismäßig oder diskriminierend sein oder einer Risikobewertung gemäß der Richtlinie 2001/18/EG oder der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 zuwiderlaufen; sie haben sich insbesondere auf zwingende Gründe zu stützen, die beispielsweise folgende betreffen:

 

1. umweltpolitische Ziele,

2. die Stadt- und Raumordnung,

3. die Bodennutzung,

4. sozioökonomische Auswirkungen,

5. die Verhinderung des Vorhandenseins von GVO in  anderen Erzeugnissen unbeschadet des Art. 26a der Richtlinie 2001/18/EG;

6. agrarpolitische Ziele,

7. die öffentliche Ordnung.

 

(3) Über die Vollziehung des Abs. 1 ist dem Bund-Länder-Komitee zur Koordinierung der Gentechnikvorsorge in Österreich und dem Gentechnik-Vorsorge-Beirat zu berichten.

 

(4) Den Ländern bleibt es unbenommen, weitergehende Regelungen bezüglich der Sicherstellung eines gentechnikfreien Anbaus im eigenen Wirkungsbereich zu erlassen.

 

 

Koordinierung der Gentechnik-Vorsorge

 

§ 63d. (1) Beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird ein aus Vertretern des Bundes und der Länder bestehendes Komitee eingerichtet.

 

(2) Das Komitee setzt sich aus je einem hochrangigen Vertreter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und des Bundesministeriums für Gesundheit, sowie je einem Vertreter jeder Landesregierung zusammen.

 

(3) Aufgabe des Komitees ist insbesondere die Erörterung von mittel- und langfristigen Grundsatzfragen zu agrar-, umwelt- und gesundheitspolitisch relevanten Belangen zur weiteren Sicherstellung der Gentechnikfreiheit in Österreich. Für die Erarbeitung von Empfehlungen an die Bundesministerin für Gesundheit zur konkreten Umsetzung geplanter Schutzmaßnahmen für den gentechnikfreien Anbau in Österreich nach § 63b oder § 63c bedient sich das Komitee des Gentechnik-Vorsorge-Beirates.

 

(4) Den Vorsitz des Komitees führt der Vertreter des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, den stellvertretenden Vorsitz führt der Vertreter des Bundesministeriums für Gesundheit.

 


 

Gentechnik-Vorsorge-Beirat

 

§ 63e. (1) Zur Beratung des Komitees wird ein Fachbeirat eingerichtet, der aus Vertretern des Bundes, der Länder, Umweltorganisationen und der ARGE Gentechnik-frei, sowie Experten der Risikoforschung besteht. Dem Beirat haben überdies hinaus jeweils ein Vertreter der Landwirtschaftskammer Österreich, der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, des Umweltbundeamtes und der Agentur für Ernährungssicherheit anzugehören.

(2) Dem Beirat obliegen insbesondere folgende Aufgaben:

1. der wechselseitige Informationsaustausch über europäische und regionale Entwicklungen bei der Zulassung, dem Monitoring und der Anwendung von genetisch veränderten Organismen für den Anbau;

 

2. die Koordinierung der Position hinsichtlich der Beschränkung oder dem Verbot von genetisch veränderten Organismen gemäß Art. 26b Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt (ABl. L 106/1 vom 17.04.2001), die als Saat- oder Pflanzgut in die Umwelt ausgebracht werden;

 

3. die Koordinierung der Koexistenzmaßnahmen zum Erhalt der gentechnikfreien Bewirtschaftung und Produktionskette;

 

4. der wechselseitige Informationsaustausch über soziale, wirtschaftliche und umweltrelevante Auswirkungen in den Regionen und ländlichen Räumen in Bezug auf traditionelle, regionale oder nachhaltige Wirtschaftsweisen.

 

(3) Die Mitglieder des Bundes und der Länder werden auf Vorschlag der im Komitee vertretenen Stellen durch die Bundesministerin für Gesundheit bestellt, die Vertreter der Umweltorganisationen werden auf Vorschlag des Ökobüros und des Umweltdachverbandes durch die Bundesministerin für Gesundheit bestellt, die Experten der Risikoforschung werden durch die Bundesministerin für Gesundheit nominiert und bestellt. Zur fachlichen Beratung einzelner spezifischer Themen können weitere Experten beigezogen werden. Die näheren Bestimmungen über die Arbeitsweise werden in einer Geschäftsordnung im Einvernehmen mit den vertretenen Bundesministerien festgelegt. §63d Abs.4 gilt sinngemäß.“

 

 

 

2. Nach § 108 wird folgender § 108a samt Überschrift eingefügt:

 

Einschränkung der Zulassung von GVO – Übergangsbestimmungen

 

§108a. (1) Ab dem 2. April 2015 bis zum 3. Oktober 2015 kann die Bundesministerin für Gesundheit den Anmelder/Antragsteller im Wege der Europäischen Kommission dazu auffordern, dass der geografische Geltungsbereich einer Anmeldung oder eines Antrages bzw. einer Zulassung, die gemäß der RL 2001/18/EG oder der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 vor dem 2. April 2015 vorgelegt bzw. erteilt wurde, angepasst wird.

 


 

(2) Wurde über die Anmeldung bzw. den Antrag noch nicht entschieden und hat der Anmelder/Antragsteller binnen 30 Tagen ab Übermittlung der Aufforderung gemäß Abs. 1 die Anpassung des geografischen Geltungsbereiches seiner ursprünglichen Anmeldung bzw. seines ursprünglichen Antrags nicht bestätigt, so ist der geografische Geltungsbereich der Anmeldung bzw. des  Antrages entsprechend  anzupassen. Die gemäß der RL 2001/18/EG erteilte schriftliche Zustimmung und, falls angezeigt, die Entscheidung gemäß Artikel 19 der RL 2001/18/EG und die Entscheidung über die Zulassung gemäß den Artikeln 7 und 19 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 erfolgen dann auf der Grundlage des vom Anmelder/Antragsteller angepassten geografischen Geltungsbereichs der Anmeldung bzw. des Antrages.

 

(3) Wurde die Zulassung bereits erteilt und hat der Inhaber der Zulassung binnen 30 Tagen ab Übermittlung der Aufforderung gemäß Abs. 1 den geografischen Geltungsbereich der Zulassung nicht bestätigt, so wird die Zulassung entsprechend geändert. Bei einer schriftlichen Zustimmung gemäß der RL 2001/18 EG ändert die zuständige Behörde, die die ursprüngliche Zulassung erteilt hat, bei einer Zulassung gemäß der VO (EG) Nr. 1829/2003 die Europäische Kommission die Entscheidung über die Zustimmung bzw. Zulassung.

 

(4) Wurde keine Aufforderung gemäß Absatz 1 dieses Artikels übermittelt oder hat der Anmelder/Antragsteller bzw. ein Inhaber einer Zulassung den geografischen Geltungsbereich seiner ursprünglichen Anmeldung oder seines ursprünglichen Antrags bzw. der Zulassung bestätigt, so geht die Bundesministerin für Gesundheit gemäß §63c vor.

 

(5) Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 berühren nicht den Anbau von jeglichem zugelassenen gentechnisch verändertem Saatgut und Pflanzenvermehrungsmaterial, das rechtmäßig angebaut wurde, bevor der Anbau des GVO beschränkt oder untersagt wurde.

 

(6) Nach dieser Bestimmung erlassene Maßnahmen berühren nicht den freien Verkehr von GVO als Erzeugnis oder in Erzeugnissen.“

 

 

 

3. In § 112 wird nach der Wortfolge „in der Fassung der Verordnungen (EG) Nr. 1829/2003 und (EG) Nr. 1830/2003, ABl. Nr. L 268 vom 18. Oktober 2003,“ die Wortfolge „sowie der Richtlinie (EU) 2015/412 zur Änderung der Richtlinie 2001/18/EG zu der den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit, den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) in ihrem Hoheitsgebiet zu beschränken oder zu untersagen, ABl.Nr. L 68 vom 13.03. 2015“ eingefügt.

 

 

Begründung:

 

Der vorliegende Gesetzentwurf dient dazu, Anpassungen an das Unionsrecht hinsichtlich der mit der Richtlinie (EU) 2015/412 eröffneten Möglichkeit des Opt-out beim Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen vorzunehmen.

 

Im Hinblick auf das vorrangige Schutzziel der Gesundheit des Menschen und seiner Nachkommenschaft und unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des Bundesministeriengesetzes 1986 in der Fassung BGBl. I Nr. 11/2014 ist in der Vorbereitung und der Vollziehung die federführende Zuständigkeit des Bundesministeriums für Gesundheit, in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und den zuständigen Stellen der Länder, gegeben.

 

 

Der Vorschlag sieht ein ein- oder zweistufiges Vorgehen vor: In der Option 1 kann der Antragsteller ab dem Zeitpunkt des Vorliegens des Marktzulassungsantrags über die Europäische Kommission aufgefordert werden, Teile oder das gesamte Staatsgebiet vom geografischen Geltungsumfang des Antrags auszunehmen. Hat der Antragsteller innerhalb von 30 Tagen keine Einwände (Schweigen gilt als Zustimmung), ist die Selbstbestimmung erreicht.

 

Sollte aber der Antragsteller den ursprünglichen geografischen Geltungsumfang bestätigen, so kann die Inanspruchnahme der Selbstbestimmung noch – in Option 2 – wie in Art. 26b Abs. 3 und 4 beschrieben, erfolgen: Der Mitgliedstaat kann Maßnahmen erlassen, um den Anbau eines GVO oder einer Gruppe von nach Kulturen oder Merkmalen festgelegten GVO nach dessen/deren Zulassung gemäß Teil C der RL 2001/18/EG oder gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 in seinem gesamten Hoheitsgebiet oder in Teilen davon zu beschränken oder zu untersagen.

 

Die Auswahl der Option obliegt einem Bund-Länder Komitee, welches in Zusammenarbeit mit dem Gentechnik-Vorsorge-Beirat Empfehlungen und Begründungen für die Bundesministerin für Gesundheit erarbeitet. So könnte dieses Komitee zB. auch empfehlen generell alle Bt-Maissorten für den Anbau in allen österreichischen Regionen zu verbieten und dabei ausschließlich gemäß Option 2 vorzugehen.

 

Im Gentechnik-Vorsorge-Beirat sollten neben den VertreterInnen der Länder und des Bundes auch VertreterInnen von anerkannten Umwelt-, Bio- und Imker-Organisationen, FachexpertInnen aus der kritischen Risikoforschung (Umweltbundesamt, Universitäten) und Verbände der gentechnikfreien Lebens- und Futtermittelbranche (ARGE Gentechnikfrei, Donau Soja) eingebunden werden. 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.