1217/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 17.06.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Wolfgang Pirklhuber; Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Lebensmittelverschwendung stoppen

 

 

BEGRÜNDUNG

 

 

Jedes Jahr landen in Österreich hunderttausende Tonnen wertvolle Lebensmittel im Müll. Alleine in österreichischen Haushalten werden rund 157.000 Tonnen Lebensmittel und Speisereste im Restmüll entsorgt. Rein rechnerisch entspricht dies einer Menge an Lebensmittel, die ausreicht, um eine halbe Million Menschen bzw. alle Einwohner der Städte Salzburg, Graz und St. Pölten ein Jahr lang zu ernähren. Noch einmal die gleiche Menge an Lebensmittelabfällen wird Schätzungen zur Folge von Haushalten zusätzlich in Biotonne, Kompost oder Kanalisation entsorgt. Jeder Haushalt wirft einer Studie im Auftrag der Oberösterreichischen Landesregierung zu Folge jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 277 Euro in den Restmüll (Universität für Bodenkultur (2009) Untersuchung der Lebensmittel im Restmüll in einer oberösterreichischen Region).

 

Vom Lebensmitteleinzelhandel werden jedes Jahr etwa 74.000 Tonnen nicht verkaufte Lebensmittel entsorgt, 36.000 Tonnen werden zusätzlich an die Lieferanten zurückgegeben. Rund 6.600 Tonnen, also sechs Prozent der unverkauften Lebensmittel im Wert von 29 Millionen Euro, werden vom Lebensmittelhandel an soziale Einrichtungen weitergegeben (Lebersorger, S / Schneider, F (2014) Aufkommen an Lebensmittelverderb im österreichischen Lebensmittelhandel).

 

Für die Landwirtschaft und die lebensmittelverarbeitende Industrie liegen in Österreich derzeit keine Daten vor. Bei den Großküchen, Beherbergungen und Gastrobetrieben fallen aktuellen Untersuchungen zur Folge pro Jahr rund

200.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle an (Untersuchung von Global 2000 im Rahmen im Rahmen der Brancheninitiative „United Against Waste“). Daten über Anteile an Lebensmittelabfällen aus den einzelnen Bereichen der Wertschöpfungskette sowie über die Gesamtmenge der jährlich anfallenden Lebensmittelabfälle gibt es in Österreich nicht. Der Österreichische Bundesabfallwirtschaftsplan (BAWP) von 2011, enthält keinerlei Daten über die jährlichen anfallenden Lebensmittelabfälle und somit auch keine quantifizierbaren Reduktionsziele.

 

Weltweit sind 795 Millionen Menschen von Unterernährung betroffen. Hunger ist das größte Gesundheitsrisiko weltweit. Mehr Menschen sterben jährlich an Hunger, als an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen. Unterernährung trägt jährlich zum Tod von 2,9 Millionen Kindern unter fünf Jahren bei – alle 10 Sekunden stirbt ein Kind unter fünf Jahren, weil es zu wenig zu essen hat! Gleichzeitig werden laut FAO weltweit 30 Prozent aller produzierten Lebensmittel weggeworfen. Das entspricht der vierfachen Menge die nötig wäre, um jeden an Hunger leidenden Menschen mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Auch wenn Menschen in Österreich nicht von akuter Unterernährung betroffen sind, so wächst die Anzahl der Menschen, die von Armut betroffen sind. Derzeit sind 13% der österreichischen Bevölkerung arm oder armutsgefährdet. Die Vernichtung hunderttausender Tonnen Lebensmittel in Österreich ist ein moralisches Desaster.

Darüber hinaus hat das Wegwerfen von Lebensmitteln in Österreich auch soziale und ökologische Auswirkungen, die sich nicht nur auf Österreich beschränken. Lebensmittel zählen zu den ressourcenintensivsten Produktgruppen. Nahrung die in Österreich weggeworfen wird, hat meistens bereits in vorgelagerten Produktions- und Transportprozessen in anderen Regionen Ressourcen verbraucht und Emissionen freigesetzt. Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen muss daher aus sozialer, ökologischer und ökonomischer Perspektive oberstes Gebot sein!

 

Maßnahmen zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen müssen bei den verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungskette ansetzen. Frankreich und die belgische Region Wallonien nehmen mit neuen gesetzlichen Maßnahmen vor allem den Lebensmitteleinzelhandel sowie die lebensmittelproduzierende Industrie in die Pflicht. Betriebe (über 400 m2 in Frankreich und über 1000 m2 in Wallonien) werden dazu verpflichtet, nicht verkaufte Nahrungsmittel an karitative Einrichtungen weiterzugeben. Darüber hinaus wurde den Händlern im Lebensmittelbereich verboten, unverkaufte Ware absichtlich ungenießbar zu machen. Zudem sieht das in Frankreich beschlossene Maßnahmenbündel eine Reform der Lehrpläne vor, um das Thema Lebensmittelverschwendung im Schulunterricht zu behandeln.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, wird aufgefordert

 

-       ein Maßnahmenpaket gegen Lebensmittelverschwendung, mit dem Ziel einer Halbierung der österreichischen Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2020 entlang der gesamten Wertschöpfungskette, zu erarbeiten;

 

-       die Datenlage in Bezug auf die Lebensmittelabfälle entlang der gesamten Wertschöpfungskette in Österreich zu verbessern und bis Ende 2015 dem Nationalrat einen Bericht über den Status-Quo der Lebensmittelabfälle sowie deren Vermeidungspotentiale in Österreich vorzulegen;

 

-       die Möglichkeit von gesetzlichen Verpflichtungen für den Lebensmitteleinzelhandel sowie die Lebensmittel verarbeitende Industrie in Bezug auf die verpflichtende Weitergabe von unverkauften Lebensmitteln an karitative Einrichtungen nach Wallonischem und Französischem Vorbild zu prüfen;

-       sich dafür einzusetzen, dass Lebensmittel, bei denen ein Mindesthaltbarkeitsdatum nicht notwendig ist, ein Herstellungsdatum erhalten;

 

-       sich für eine Offenlegung der Daten aller abgeschriebenen Lebensmittel der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, nach Art der Lebensmittel und pro Unternehmen, einzusetzen.

 

Weiters wird die Bundesministerin für Bildung und Frauen aufzufordern, die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung bzw. die Wertschätzung von Lebensmittel in die Schulbildung sowie in die Ausbildung von ernährungsbezogenen Berufen zu integrieren, zum Beispiel durch den Aufbau von Koch- und Ernährungskompetenzen, die Ausbildung der Geschmacks- und Genussfähigkeit, die Vermittlung von Kenntnissen über Lebensmittelherstellung sowie den praktischen Umgang mit Lebensmitteln (z.B. Lagerung, Konservierung, etc.).

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Umweltausschuss  vorgeschlagen.