1327/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 23.09.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Daniela Musiol, Dieter Brosz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend dreistufige Volksgesetzgebung

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die derzeit in Österreich bestehenden direktdemokratischen Instrumente sind nicht mehr zeitgemäß. Die Bevölkerung kann dem Nationalrat zwar Anliegen in Form von Volksbegehren, parlamentarischen Bürgerinitiativen oder Petitionen unterbreiten, die Instrumente sind aber völlig unverbindlich. Gesetze können nicht aus der Bevölkerung heraus entstehen. Seit Jahren wird bereits über den Ausbau der direkten Demokratie in Österreich diskutiert. Mit Ende der Enquete-Kommission „Zur Stärkung der Demokratie“ ist es nun höchste Zeit, eine Umsetzung in Angriff zu nehmen. Nationale und internationale ExpertInnen haben in der Enquete-Kommission die direkte Demokratie von allen Seiten beleuchtet. Sie haben zahlreiche Möglichkeiten für einen Ausbau der direkten Demokratie präsentiert und aufgezeigt, welcher Rahmenbedingungen es bedarf, damit eine sachliche Auseinandersetzung gewährleistet ist. Die BürgerInnen müssen nun endlich die Möglichkeit erhalten, auch zwischen den Wahlen an politischen Sachentscheidungen mitzuwirken. Die Menschen wollen sich in die staatliche Willensbildung einbringen, wie dies etwa eine Umfrage aus dem Jahre 2012 beweist, wonach sich 80 % der Befragten für einen Ausbau der direkten Demokratie in Österreich aussprechen (Studiengruppe „International Vergleichende Sozialforschung“, Universität Graz/ Institut für Empirische Sozialforschung, Wien, Direkte Demokratie in Österreich. Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage, Graz/Wien Oktober 2012). Auch in der Enquete-Kommission begrüßte die überwiegende Mehrheit der BürgerInnen und ExpertInnen eine Stärkung der direkten Demokratie in Österreich (siehe die Stellungnahmen der an der Enquete-Kommission teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger und die Auszugsweise Darstellungen der öffentlichen Beratungen im Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich (791 d. B.) zu den Meinungen der ExpertInnen siehe auch Kapitel 1 des Minderheitenberichts zum Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission betreffend Stärkung der Demokratie in Österreich (791 d. B., Anlage B). Es zeigte sich außerdem, dass die direkte Demokratie bereits seit vielen Jahren in mittel- und osteuropäischen Staaten sowie in den USA etabliert ist.


Dreistufige Volksgesetzgebung auf Bundes- und Landesebene

 

Das mehrstufige Verfahren zur Volksgesetzgebung fördert den Dialog zwischen dem Parlament und der Initiative, welcher den ExpertInnen zufolge als wesentlicher Faktor für den Erfolg direktdemokratischer Initiativen gilt (siehe ausführlich Minderheitenbericht, Kapitel 1.3.6.). Durch die Verankerung der Volksgesetzgebung im Bundes-Verfassungsgesetz werden auch die Länder automatisch ermächtigt, eine Volksgesetzgebung auf Landesebene einzuführen. Sie sind in der näheren Ausgestaltung dieses Instruments frei. Ein Vetoreferendum auf Landesebene ist schon aufgrund des geltenden Bundes-Verfassungsgesetzes möglich, ebenso wie dies für verbindliche Volksabstimmungen auf Gemeindeebene der Fall ist. Jedoch ist eine Verfassungsermächtigung für die Ausweitung der Abstimmungsberechtigten bei Volksabstimmungen auf Landes- und Gemeindeebene notwendig. In Österreich wohnhafte EU-BürgerInnen haben derzeit nur bei Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen auf Gemeindeebene mit der Ausnahme von Wien ein Stimmrecht (Univ.-Prof. Dr. Franz Merli, Gutachten zu den verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen einer Ausweitung der Unterstützungsberechtigten bei direktdemokratischen Instrumenten auf UnionsbürgerInnen und Drittstaatsangehörige, September 2015). UnionsbürgerInnen sollen aber auch durch Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes an Volksabstimmungen auf Landesebene und in Wien auf Gemeindeebene teilnehmen können. Ebenso sollen alle sonstigen nichtösterreichischen Staatsangehörigen abhängig von der Wohnsitzdauer auf Gemeinde- und Landesebene bei Volksabstimmungen abstimmungsberechtigt sein. (Siehe im Übrigen Antrag der Abg. Daniela Musiol, Alev Korun, Freundinnen und Freunde betreffend Wahlrecht für in Österreich lebende Wohn- und UnionsbürgerInnen 568/A(E) vom 9.7.2014)

 

Erste Stufe der Volksgesetzgebung: Parlamentarische Bürgerinitiative

 

Indem das bestehende System der parlamentarischen Bürgerinitiative aufgewertet wird, kann eine erste Initiative bereits ab einer relativen niedrigen Hürde zu einer intensiven parlamentarischen Behandlung führen (siehe Antrag der Abg. Daniela Musiol, Wolfgang Pirklhuber, Freundinnen und Freunde betreffend Aufwertung der parlamentarischen Bürgerinitiative und der Petition im Rahmen des Demokratiepakets 240/A(E) vom 24.2.2014). Wünschenswert wäre im Detail folgende Regelung: Bereits ab 3.000 Unterstützungen soll eine Anhörung des Erstunterzeichners/der Erstunterzeichnerin (bzw StellvertreterIn) stattfinden. Ab 10.000 Unterstützungen ist ein öffentliches Hearing mit Sachverständigen und Interessensvertretungen durchzuführen. Über das Hearing ist ein Wortprotokoll anzufertigen. Ab 30.000 Unterstützungen ist die Initiative direkt an den Fachausschuss zuzuweisen. Hat im BI- und Pet-Ausschuss noch kein Hearing stattgefunden, ist es im Fachausschuss durchzuführen. Eine Einzelberichterstattung an das Plenum binnen sechs Monaten ist zwingend. Enthält der Bericht keinen Entschließungs- oder Gesetzesantrag, ist zu begründen, warum das Anliegen der Bürgerinitiative oder Petition nicht umgesetzt wird. Bei der Behandlung im Plenum besteht Anwesenheitspflicht des/der zuständigen Regierungsmitglieds/-glieder. Dem/der ErstunterzeichnerIn (bzw. StellvertreterIn) steht ein fünfminütiges Rederecht zur Begründung des Anliegens und ein fünfminütiges Rederecht am Ende der Debatte zu.


Der Nationalrat kann den Vorschlag der Initiative übernehmen und ein entsprechendes Gesetz bzw. Verfassungsgesetz beschließen – damit endet die Initiative. Wird der Vorschlag der parlamentarischen Bürgerinitiative oder Petition nicht übernommen, können die InitiatorInnen in die zweite Stufe übergehen und ein Volksbegehren initiieren. Da die erste Stufe der Volksgesetzgebung optional ist, können die InitiatorInnen aber auch gleich in der zweiten Stufe beginnen. Der Vorteil der ersten Stufe liegt in der erheblich niedrigeren Unterstützungsschwelle, so dass die InitiatorInnen bereits frühzeitig in Dialog mit der Politik treten können, um dem Nationalrat ihre Anliegen zu unterbreiten. Entscheiden sich die InitiatorInnen anschließend zu einem Volksbegehren, können sie aufgrund der erfolgten Diskussion ihr Anliegen noch einmal nachbessern oder abändern.

 

Zweite Stufe der Volksgesetzgebung: Volksbegehren

 

Das Volksbegehren muss in Form eines Gesetzesentwurfs vorgelegt werden. Ein Staatsvertrag kann nur indirekt zum Gegenstand einer Volksabstimmung gemacht werden, nämlich indem das Volksbegehren ein Gesetz zum Inhalt hat, das der Regierung aufträgt, einen Staatsvertrag neu zu verhandeln oder nicht zu unterzeichnen. Im Einleitungsantrag für das Volksbegehren sind bereits nach geltender Rechtslage ein/e Bevollmächtigte/r und vier Stellvertreter/innen zu benennen, die nunmehr das Proponentenkomitee bilden (zur Rückzugsmöglichkeit des Proponentenkomitees siehe weiter unten).

 

Unterstützungsschwelle von 4% und längere Eintragungsfristen

 

Die erforderliche Unterstützungsanzahl für ein qualifiziertes Volksbegehren soll bei 4 % der Wahlberechtigten der letzten Nationalratswahl liegen, bei Verfassungsmaterien bei 8 %. Diese Schwelle hat sich als angemessen erwiesen, nachdem in der Enquete-Kommission berichtet wurde, dass 5 % bis 8 % im weltweiten Vergleich der mittlere Durchschnitt sind (Andreas Gross, lic.es.sc.pol., Kommuniqué der dritten Sitzung der Enquete-Kommission „Zur Stärkung der Demokratie“, 29). Wie sich in der Enquete-Kommission jedoch herausstellte, sind die Eintragungsfristen in anderen Staaten erheblich länger als in Österreich, wo derzeit nur acht Tage vorgesehen sind. Lange Eintragungsfristen sind nach Ansicht der Expertinnen und Experten jedoch von besonderer Bedeutung für die Diskussionsintensität und Kompromissfindung (siehe ausführlich Minderheitenbericht Kapitel 1.3.4.). Der Eintragungszeitraum ist daher so zu wählen, dass ausreichend Zeit für Information, Diskussion und Inanspruchnahme des demokratischen Rechtes zur Verfügung steht.

 

Onlineunterstützung, freie Sammlung, und Briefunterstützung von Volksbegehren

 

Um die Unterstützung von Volksbegehren zu erleichtern, ist die Onlineunterstützung von Volksbegehren zu ermöglichen, wofür die Einrichtung eines Zentralen Wählerregisters mit sicherer Verschlüsselung notwendig sind. Neben der Unterstützungsmöglichkeit am Gemeindeamt bzw. Magistrat ist die „freie Sammlung“ zu ermöglichen, so dass Unterschriften auch außerhalb des Gemeindeamtes, auf der Straße, durch Private gesammelt werden können. Die freie Sammlung ist bereits in der Schweiz, in Liechtenstein, in der Hälfte der deutschen Bundesländer, in Vorarlberg und auf Gemeindeebene in zahlreichen Bundesländern etabliert. Weiters ist die Eröffnung der Briefunterstützung geboten, nachdem diese bei den letzten beiden regulären Volksbefragungen in Wien so großen Zuspruch fand

(siehe ausführlich Minderheitenbericht, Kapitel 1.3.5.).


Stärkere Einbindung der InitiatorInnen im Parlament

 

Das Parlament muss sich unter Einbindung des Proponentenkomitees mit der Vorlage befassen. Unverzüglich nach Einlangen des Volksbegehrens ist eine Erste Lesung durchzuführen. Die Zuweisung des Volksbegehrens hat entweder an einen bestehenden Ausschuss zu erfolgen oder an einen zu wählenden besonderen Ausschuss. Die Ausschussberatungen sind unverzüglich aufzunehmen und öffentlich. Über den Gesetzesentwurf ist eine Begutachtung zu beschließen. Vier Monate nach Aufnahme der Beratungen hat der Ausschuss einen Bericht an den Nationalrat zu erstatten. Folgt der Ausschuss dem Volksbegehren nicht, so hat der Ausschussbericht die Gründe dafür anzuführen. Die bestehenden Mitwirkungsrechte werden dahingehend erweitert, dass das fünfköpfige Proponentenkomitee im Ausschuss ein Rederecht hat. Im Plenum (erste Lesung und zweite Lesung) haben der/die Bevollmächtigte und eine/e Stellvertreter/in ein Rederecht, wobei die Gesamtredezeit jeweils 20 Minuten betragen darf. Darüber hinaus kann das Proponentenkomitee eine Abweichende Stellungnahme zum Ausschussbericht abgeben.

 

Dritte Stufe der Volksgesetzgebung: Volksabstimmung

 

Übernimmt der Nationalrat die Gesetzesvorlage nicht, können die InitiatorInnen - sofern die Vier-Prozent-Hürde bzw bei Verfassungsmaterien die Acht-Prozent-Hürde erreicht wurde - eine Volksabstimmung verlangen.

 

Alternativvorlage des Parlaments und Rückzugsmöglichkeit des Proponentenkomitees

 

Will der Nationalrat dem Gesetzesentwurf des Volksbegehrens nicht oder nicht vollständig zustimmen, hat er die Möglichkeit einen Gegenvorschlag zu formulieren, welcher ebenfalls zur Abstimmung gelangt. Ein entsprechender Beschluss ist im Hauptausschuss zu fassen. Die Alternativvorlage durch den Nationalrat ist nach ExpertInnenmeinungen ein dialogförderndes Element, das die Kompromissfindung erleichtert. Das Proponentenkomitee erhält so, wie in der Schweiz, die Möglichkeit im parlamentarischen Verfahren mitzuwirken und darauf hinzuwirken, dass ein in ihrem Sinne möglichst guter, konsensfähiger Gegenvorschlag des Nationalrats verabschiedet wird. Sollte eine bessere Lösung des erkannten Problems geboren werden, so kann das Proponentenkomitee von der Volksabstimmung Abstand nehmen (Rückzugsmöglichkeit). Das Proponentenkomitee kann somit auf die Durchführung einer Volksabstimmung verzichten, obwohl der Nationalrat keine 1:1-Umsetzung des Gesetzesvorschlages vornimmt. Um diese Entscheidungsmacht besser zu legitimieren, soll dieser Verzicht nur vom fünfköpfigen Proponentenkomitee einstimmig ausgesprochen werden können. Da der Einleitungsantrag während der Eintragungs- und Unterstützungszeit aufliegt, können die Namen dieser fünf Personen auch eingesehen werden.  (Em. Prof. Dr. Theo Schiller, Kommuniqué der dritten Sitzung, 13, 64; Dr.in Nadja Braun Binder, MBA, 18f, 62; siehe ausführlich Minderheitenbericht, Kapitel 1.3.6.).

 

Darüber darf nicht abgestimmt werden

 

Ausgeschlossen sind Volksabstimmungen über Gesetzesentwürfe, die gegen die Grund- und Menschenrechte, gegen das Recht der Europäischen Union und gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich verstoßen oder eine Verschlechterung der Rechtsstellung von Minderheiten bewirken. Bei Gesetzesentwürfen, die Auswirkungen auf das Budget haben, besteht das Erfordernis einer besonderen Begründung durch das Proponentenkomitee (Abschätzung der finanziellen Kosten samt möglicher Quelle). Im Zuge der parlamentarischen Behandlung erfolgt die Einholung einer Stellungnahme der Bundesregierung über die Kostenabschätzung, welche in den Dialog zwischen den ProponentInnen und Parlament Eingang findet. Sofern Gegenstände der Initiative sich nicht im vorgegebenen (Defizit-)Rahmen bewegen, hat das Proponentenkomitee einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung vorzulegen. Erst wenn eine positive Abstimmung über eine Gegenfinanzierung durch den Nationalrat oder durch die Volksabstimmung erfolgt ist, ist die positive Abstimmung über den Hauptgegenstand gültig.

 

Mittels einfachem Volksbegehren (ohne Volksabstimmungsmechanismus) haben die BürgerInnen die Möglichkeit, eine Weiterentwicklung der Grund- und Menschenrechte zu fordern oder österreichische Regierungsmitglieder dazu aufzufordern für Änderungen von EU-Recht und Staatsverträgen einzutreten.

Das Bundeskanzleramt hat den Einleitungsantrag zu überprüfen und in Rücksprache mit dem BMI  festzustellen, ob das Volksbegehren volksabstimmungsfähig ist. Die Entscheidung ist amtlich zu verlautbaren. Gegen die Entscheidung über die Nichtzulassung eines Volksbegehrens kann das Proponentenkomitee gemeinsam Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erheben. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Beschwerde, soweit die Beschwerdeführer behaupten, dass keine Unzulässigkeit einer Volksabstimmung vorliegt. Ein stattgebendes Erkenntnis beseitigt den Bescheid des Bundeskanzleramtes und ist unverzüglich amtlich zu verlautbaren. Nach der Volksabstimmung unterliegt das angenommene Gesetz der nachprüfenden Gesetzeskontrolle durch den Verfassungsgerichtshof. 

 

Abstimmungsbuch

 

Um den BürgerInnen sachliche Informationen zur Verfügung zu stellen, ist – ähnlich wie in der Schweiz, Liechtenstein und Kalifornien - vor der Volksabstimmung von dem/der PräsidentIn des Nationalrats ein Abstimmungsbuch herauszugeben, in welchem alle Pro- und Kontra-Argumente ausgewogen und objektiv darzustellen und die verschiedenen Sponsoren aufzulisten sind (siehe ausführlich Minderheitenbericht, Kapitel 1.3.7.).

 

Begleitmaßnahmen zur direkten Demokratie

 

Damit direkte Demokratie einerseits allen BürgerInnen gleichermaßen zur Verfügung steht und andererseits nicht dem Missbrauchsvorwurf ausgesetzt ist, sind insbesondere folgende Begleitmaßnahmen vorzusehen (siehe ausführlich Minderheitenbericht, Kapitel 1.3.7.):

 

Staatliche Unterstützung der Initiativen

 

Damit die BürgerInnen direktdemokratische Instrumente auch tatsächlich nutzen können, benötigen sie finanzielle Unterstützung von staatlicher Seite. Der Unterstützungsbetrag bemisst sich nach der Höhe der Unterstützung des Volksbegehrens. Weiters soll den BürgerInnen kostenlose Beratung über die Voraussetzungen und das Verfahren direktdemokratischer Instrumente zur Verfügung gestellt werden, wie dies bereits in Oberösterreich üblich ist.


Kostentransparenz

 

Die Bedeutung von Transparenzvorgaben wurde von den ExpertInnen in der Enquete-Kommission mehrmals betont. Nur so kann sichergestellt werden, dass die direktdemokratischen Instrumente weder von Parteien, noch von finanzstarken Einzelakteuren vereinnahmt werden. Das Gesamtbudget von Initiativen muss daher limitiert werden. Spenden sind, wie in einigen deutschen Bundesländern, ab einem bestimmten Betrag meldepflichtig. Spenden von öffentlichen Trägern, wie Parteien und Unternehmen mit öffentlichen Beteiligungen, sind ab einem bestimmten Prozentsatz gänzlich untersagt. Wie in Kalifornien üblich, sind die Sponsoren und Geldgeber im Abstimmungsbuch auszuweisen.

 

Förderung einer sachlichen und ausgewogenen öffentlichen Debatte

 

Die Bedeutung von Transparenz und Information als wesentliche Voraussetzungen für sachliche Entscheidungen und Debatten wurde in der Enquete-Kommission besonders hervorgehoben. Gemäß den MedienvertreterInnen ist Transparenz und Information auch die Grundlage für eine ausgewogene und qualitative Berichterstattung. Um die sachliche Information über Volksbegehren und Volksabstimmungen zu gewährleisten ist bei der dringend notwendigen Reform der antiquierten Presseförderung eine ausgewogene Berichterstattung über direktdemokratische Instrumente sicherzustellen. Im ORF-Gesetz ist festzulegen, dass unentgeltlich gesendete Informationen im öffentlichen Interesse auch direktdemokratische Instrumente umfassen und eine entsprechende Berichterstattung im Programmauftrag des ORF zu verankern. Um die Qualität der Medien zu fördern ist die Presseförderung auf Qualitätsförderung umzustellen.

 

Der vorliegende Entschließungsantrag enthält auch Forderungen, die im Wege einer Geschäftsordnungsreform umzusetzen wären. Um das Thema gesamthaft darzustellen, wurden diese Forderungen aber trotzdem in den Entschließungsantrag aufgenommen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefordert

 

1.    Zum Ausbau der direkten Demokratie auf Bundesebene dem Nationalrat einen Entwurf zur Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes vorzulegen,

a)    damit auf Bundesebene eine Volksabstimmung stattzufinden hat, wenn ein Volksbegehren, das in Form eines Gesetzesentwurfs gestellt und von mindestens vier Prozent (acht Prozent bei Verfassungsmaterien) der Stimmberechtigten zur letzten Wahl zum Nationalrat  unterstützt wurde, nicht 1:1 als Bundesgesetz beschlossen wird und das Proponentenkomitee bestehend aus dem/der Bevollmächtigten sowie seinen/ihren vier StellvertreterInnen, nicht einvernehmlich auf eine Volksabstimmung verzichten,


b)    wobei sicherzustellen ist, dass eine Volkabstimmung unzulässig ist, wenn das Gesetz einen Verstoß gegen die Grund- und Menschenrechte, gegen das Recht der Europäischen Union und gegen völkerrechtliche Verpflichtungen der Republik Österreich, sowie eine Verschlechterung der Rechtsstellung von Minderheiten bewirken würde,

c)    indem das Bundeskanzleramt in Rücksprache mit dem BMI zu entscheiden hat, ob das Volksbegehren volksabstimmungsfähig ist und gegen die Nichtzulassung des Volksbegehrens das Proponentenkomitee Beschwerde an den VfGH erheben kann,

d)    dass bei Gesetzesentwürfen die Auswirkungen auf das Budget haben, eine Kostenabschätzung durch das Proponentenkomitee vorgelegt wird, worüber eine Stellungnahme der Bundesregierung einzuholen ist und sofern sich Gegenstände der Initiative nicht im vorgegebenen  (Defizit-)Rahmen bewegen vom Proponentenkomitee ein Vorschlag zur Gegenfinanzierung vorgelegt wird. Erst wenn eine positive Abstimmung über eine Gegenfinanzierung durch den Nationalrat oder durch die Volksabstimmung erfolgt ist, ist die positive Abstimmung über den Hauptgegenstand gültig,

e)    so dass eine Volksabstimmung entweder aus einer mit „ja“ oder „nein“ zu beantwortenden Frage betreffend den Gesetzesantrag des Volksbegehrens zu bestehen hat, wenn der Nationalrat einen eigenen Gesetzesvorschlag als Alternative vorlegt hat, aus zwei alternativen Lösungsvorschlägen sowie der Möglichkeit beide Alternativen abzulehnen,

f)     worin die Onlineunterstützung von Volksbegehren zu ermöglichen ist,

g)    und bei Volksabstimmungen auf Gemeinde- und Landesebene auch EU-BürgerInnen mit Wohnsitz in Österreich  und alle sonstigen nichtösterreichischen Staatsangehörigen abhängig von der Wohnsitzdauer abstimmungsberechtigt sind.

 

2.    Zur Umsetzung der unter Punkt 1 umrissenen Verfassungsnovelle sowie zur erleichterten Inanspruchnahme direktdemokratischer Instrumente und zur Förderung einer sachlichen Auseinandersetzung auf einfachgesetzlicher Ebene entsprechende Novellenentwürfe vorzulegen,

 

a)    um die Auflagefrist für Volksbegehren von derzeit acht Tagen dahingehend zu verlängern, dass ausreichend Zeit für Information, Diskussion und Inanspruchnahme des demokratischen Rechtes zur Verfügung steht,

b)    damit Volksbegehren und Volksbefragungen auch durch freie Sammlung und per Brief unterstützt werden können,

c)    damit das bestehende System der parlamentarischen Bürgerinitiative aufgewertet wird, so dass insbesondere bereits ab 3.000 Unterstützungen eine Anhörung stattfindet, ab 10.000 Unterstützungen ein öffentliches Hearing mit Sachverständigen und Interessensvertretungen durchgeführt wird und ab 30.000 Unterstützungen die Initiative direkt an einen Fachausschuss zugewiesen wird, welcher binnen sechs Monaten eine Einzelberichterstattung an das Plenum zu erstatten hat, wobei gegebenenfalls zu begründen ist, warum das Anliegen der Bürgerinitiative oder Petition nicht umgesetzt wurde, im Plenum Anwesenheitspflicht des/der zuständigen Regierungsmitglieds/-glieder besteht und den InitiatorInnen ein Rederecht zukommt,

d)    um die Behandlung von Volksbegehren im Parlament aufzuwerten, indem insbesondere unverzüglich eine Erste Lesung durchzuführen ist, allen ProponentInnen in den öffentlichen Ausschussberatungen ein Rederecht zukommt, eine Begutachtung beschlossen wird, ein (ggf. begründeter) Ausschussbericht an den Nationalrat erstattet wird, wozu das Proponentenkomitee eine Abweichende Stellungnahme abgeben kann und den InitiatorInnen im Plenum eine Gesamtredezeit von jeweils 20 Minuten zur Verfügung steht,

e)    damit vor der Volksabstimmung von der Präsidentin des Nationalrats ein Abstimmungsbuch herausgegeben wird, in welchem alle Pro- und Kontra-Argumente ausgewogen und objektiv darzustellen und die verschiedenen Sponsoren aufzulisten sind,

f)     den InitiatorInnen abhängig von der Unterstützungshöhe von staatlicher Seite finanzielle Unterstützung für und kostenlose Beratung über direktdemokratische Instrumente zur Verfügung gestellt wird,

g)    damit im Sinne der Kostentransparenz das Gesamtbudget von Initiativen limitiert, Spenden ab einem bestimmten Betrag meldepflichtig und Spenden von öffentlichen Trägern, wie Parteien und Unternehmen mit öffentlichen Beteiligungen ab einem bestimmten Prozentsatz untersagt sind,

h)    zur Förderung einer fairen und ausreichenden Berichterstattung über direktdemokratische Instrumente in den Medien bei der dringend notwendigen Reform der antiquierten Presseförderung eine ausgewogene Berichterstattung über direktdemokratische Instrumente sicherzustellen,

i)     um im ORF-Gesetz festzulegen, dass unentgeltlich gesendete Informationen im öffentlichen Interesse auch direktdemokratische Instrumente umfassen und eine entsprechende Berichterstattung im Programmauftrag des ORF zu verankern.

j)       die Medienvielfalt zu fördern und die Presseförderung auf Qualitätsförderung umzustellen.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss  vorgeschlagen.