1349/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.09.2015
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Lausch, Kumpitsch,

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend Entfall einer disziplinären Verfolgung von Beamten trotz voller Sanktionierung unter Diversion

 

Nachstehender Sachverhalt wurde durch Univ.Prof.DDr. Karlheinz Probst i.R. auf den Seiten 39 – 41, Akademische Blütenlese für Otto Fraydenegg-Monzello, Grazer hochschul- und wissenschaftspolitische Schriften, hrsg von Legat/ Löschnig ; Verlag Leykam Graz 2014 formuliert:

 

Diversion und Disziplinarrecht

Univ.Prof..DDr. Karlheinz Probst  i.R.

Ausgangsfall:

 

Ein höherer Beamter einer Landesregierung beleidigte in stark alkoholisiertem Zustand zwei amtshandelnde Beamte einer Bundesbehörde durch deren Verhalten er sich provoziert gefühlt hatte und drohte ihnen zum Abschluss noch mit dienstlichen Nachteilen. Die am nächsten Tag erfolgte Entschuldigung wurde nicht angenommen. Es erfolgte eine Anzeige mit gleichzeitiger Ermächtigung zur Strafverfolgung, die in einem Strafantrag vor dem Einzelrichter mündete. Der Strafantrag umfasste die Delikte der „Gefährlichen Drohung“ (§ 107 Abs.1  StGB ) sowie die „Beleidigung eines Beamten in Ausübung seines Amtes“ ( § 115 Abs. 1 i.V.m.  § 117 Abs.2 StGB ). Der Einzelrichter erkannte, nach Eröffnung der Hauptverhandlung, dass die Voraussetzungen einer Diversion nach § 198 Abs.1 Z 1 StPO vorlagen und bot dem Beschuldigten die Anwendung dieses Rechtsinstitutes an. Der Beschuldigte war reuevoll damit einverstanden und nach Zahlung eines Geldbetrages der 180 Tagessätzen und den Verfahrenskosten gemäß § 200 Abs. 2 StPO entsprach , wurde das Strafverfahren nach § 199 StPO mit Beschluss eingestellt. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf die ihr zustehende Beschwerde an den GH II.

 

 Nach der alten Rechtslage ( vor dem 1.1.2000 ) gab es aus Gründen der Verfahrensökonomie für Bagatelldelikte die Strafverfügung und für weitere geringere Deliktsbegehungen von Delikten  bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe gepaart mit geringer Schuld die Zuerkennung der mangelnden Strafwürdigkeit der Tat und damit die Einstellung des Verfahrens nach § 90 StPO i.V. m. § 42 StGB durch die Staatsanwaltschaft. Beide Rechtsinstitute entfalteten keine Bindungswirkung im Sinne des § 95 Abs.2 BDG bzw. des konkreten Disziplinarrecht des Landes. Das Rechtsinstitut der Diversion (90c StPO) hat mit 1.1.2000 die Strafverfügung abgelöst. Der zu zahlende Geldbetrag wurde von 90 Tagessätzen auf 180 verdoppelt und das Institut wurde um drei Anwendungsmodalitäten bereichert. Die Strafprozessreform 2008 brachte schließlich die Neuordnung der Diversion im 11 Hauptstück mit den §§ 198 ff .StPO  und einer wesentlichen Erweiterung auf Delikte mit einer Strafdrohung bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe . Davon sind jedoch einige Delikte ausgenommen.

 

 Im gegenständlichen Falle hat das Gericht für  die Höhe des zu zahlenden Geldbetrages eine Strafzumessungsschuld nach § 32 StGB ( wie bei einem Urteil ) zugrunde gelegt. Bei der Schuldbewertung im Falle einer Diversion „ ist im Wesentlichen die Strafzumessungsschuld, also jener Schuldbegriff maßgebend, der in § 32 StGB als Grundlage für die Bemessung der Strafe vorausgesetzt wird“ „ Die Determinierung diversioneller Erledigungsentscheidungen ergibt sich aus dem Auftrag zur Wahrung der präventiven Erfordernisse.“ Von den zwei im Strafantrag zur Last gelegten Delikten war für die Bemessung des zu zahlenden Geldbetrages der Strafrahmen des § 107 Abs.1 StGB heran zu ziehen. Unter den gegebenen Umständen wäre auch in einem Strafverfahren das urteilsmäßig erledigt worden wäre, ebenfalls nur mit einer Geldstrafe vorzugehen gewesen. Dieses hätte jedoch für das folgende Disziplinarverfahren eine vorteilhaftere Wirkung entfaltet; allerdings hätte der Täter dann den Makel einer gerichtlichen Verurteilung gehabt, der aber wegen der beschränkten Auskunftspflicht nach § 6 Abs. 2 TilgG gemildert ist. Dass die strafrechtliche Schuld mit der Annahme der Diversion und der Zahlung des Geldbetrages voll sanktioniert war, zeigt sich dadurch, dass die Staatsanwaltschaft von ihrem Recht, gegen den Beschluss des Gerichtes Beschwerde zu erheben (§ 209 Abs. 2 StPO), Abstand genommen hat.

 

Wenn man den gegenständlichen Fall jedoch genauer betrachtet, so wäre der im Strafantrag enthaltene Vorwurf der „Gefährlichen Drohung“ (§ 107 Abs.1 StGB) näher ins Auge zu fassen. Der Tatbestand verlangt „die Absicht des Täters, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen“.  „Rspr. und Lehre verstehen unter Furcht und Unruhe nahezu übereinstimmend einen durch nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustand,… ausgelöst durch eine massive Erwartungsangst vor dem herannahenden Übel wegen der Ungewissheit über das weitere Schicksal.“ Drohungen die der Täter im Zorn ausstößt (womöglich noch unter Alkoholisierung) fallen im Allgemeinen nicht unter § 107 StGB.  Sowohl den Opfern, als auch dem Täter musste bewusst gewesen sein, dass die Drohung mit den zu erwartenden dienstlichen Nachteilen wohl nicht umsetzbar ist. Rechtlicher Schutz und noch dazu ein völlig anderer Dienstgeber auf dessen Kompetenz der Täter keinen Einfluss hat, lassen einen derart peinvollen Seelenzustand nicht erwarten. D.h. der Beschuldigte hätte bei Fortsetzung des Strafverfahrens bezüglich dieses Faktums gar mit einen Freispruch rechnen können.

 

Übriggeblieben wäre nur das Delikt nach §§ 115 i.V.m.117 Abs.2 StGB: Womit im nachfolgenden Disziplinarverfahren eine Besserstellung vorhanden gewesen wäre. So gesehen ist die Gefahr, “dass unklare Fälle aus verfahrensökonomischen Gründen der Einfachheit halber mit ´ Zustimmung des Beschuldigten´ auf diversionelle Weise erledigt werden“ , nicht zu unterschätzen. Im Falle einer vom Gericht in der Hauptverhandlung angebotenen Diversion muss der eingebrachte Strafantrag vom Beschuldigten vollinhaltlich akzeptiert werden.

 

Im Disziplinarrecht regelt § 95 BDG die sogenannte „ Bindungswirkung “ strafrechtlicher Urteile von Gerichten oder Verwaltungsbehörden; so ferne diese rechtskräftig sind. Das betrifft  die dem Urteil zugrunde liegende Tatsachenfeststellungen. „Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des gerichtlich strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen.“ Ist dies nicht der Fall, so besteht ein disziplinärer Überhang der ein Vorgehen nach § 93 BDG bedingt. Die Strafe ist nach dieser Bestimmung nach der Schwere der Dienstpflichtverletzung unter Beachtung der Spezial- und Generalprävention nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches zu bemessen.  Dienstpflichtverletzungen sind in den §§ 43 bis 60 BDG festgelegt.  Für die Diversion gilt diese Bindungswirkung nicht; das hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgelegt. Dem entsprechend fiel auch die Entscheidung im gegenständlichen Falle aus. Der Beamte erhielt als  Disziplinarstrafe eine Geldbuße, die der gerichtlichen ziemlich nahe kam. Bei einer gerichtlichen Verurteilung wegen der Delikte nach §§ 107 und 115 i.V.m. 117 Abs. 2 StGB (oder gar nur wegen des letzteren Deliktes) wäre eventuell nur ein disziplinäre Überhang nach § 43 Abs. 2 BDG ( Trunkenheit im öffentlichen Bereich ) zu beurteilen gewesen.

 

Schlußfolgerungen.

Beamte müssen sich genau beraten lassen, bevor sie sich für eine Diversion entscheiden. Denn obwohl das Delikt durch die Diversion voll sanktioniert wird, kann das begangene Unrecht im Disziplinarverfahren noch einmal nachteilig zum Tragen kommen. Es entsteht sogar eine besondere Problematik bei echten Beamtendelikten. Bei urteilsmäßiger Erledigung z.B. des Deliktes nach § 310 StGB gilt die Bindungswirkung und der Beamte kann nicht mehr  wegen Verletzung der Dienstpflicht nach § 46 BDG disziplinär belangt werden. Das Interesse an einer Diversion wird daher eher mäßig sein.

Die Diversion ist, schon von ihrer Anwendungsbreite und –häufigkeit, mit der alten Strafverfügung nicht mehr vergleichbar. Es scheint, dass der Staat bzw. der Gesetzgeber im Sinne seiner Beamten gefordert ist.

 

Betrachtet man den Umstand, dass der Staat nicht nur im Sinne seiner Beamten gefordert ist, sondern die Rechtslage einer verfahrensökonomischen Abwicklung entgegen steht, zeigt dies die dringende Handlungserfordernis um diese Missstände zu beseitigen.

 

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

 

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und er Bundesminister für Justiz werden aufgefordert, schnellstmöglich gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um künftig eine disziplinäre Verfolgung von Beamten unter Diversion zu unterbinden."

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.