1353/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 06.10.2015
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen

betreffend Umsetzung von Bildungsreform-Maßnahmen, die breiteste Unterstützung aus der Zivilgesellschaft haben

 

Aufgrund ihrer interessens- und parteipolitischen Verstrickungen ist die Bundesregierung außer Stande oder nicht willens, einen transparenten und partizipativen Reformprozess im Bildungsbereich aufzusetzen. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Oppositionsfraktionen im Parlament werden – trotz teils gegenteiliger Ankündigungen – systematisch aus den Diskussionen der Bildungsreformkommission und den Beratungen des Bildungsministeriums ausgeschlossen. Daher ist es notwendig, den Druck auf die Regierung aus der Zivilgesellschaft und auch aus dem Parlament heraus zu erhöhen.

Für eine gelingende Bildungsreform brauchen wir eine breite Allianz der konstruktiven Kräfte, abseits von machtpolitischem Kalkül und parteipolitischer Taktik. Bildung ist ein Themenfeld, das jede Bürgerin und jeden Bürger umfassend betrifft – weit über die mindestens zehn Jahre, die er oder sie im Kindergarten und in der Schule verbringt. Für eine echte Bildungswende gilt es daher, Betroffene zu Beteiligten zu machen.

Die Zivilgesellschaft ist DIE erfolgskritische Verbündete für jede Bildungsreform, sollte sie grundlegend und erfolgreich sein wollen. Und die Zivilgesellschaft zeigt sich für diese Form der Einbindung und Verantwortung auch bereit. Ein erfreulicher und herausragender Beleg dafür war der „Bildungssummit der Zivilgesellschaft“ am 14. und 15. September 2015, der von der Bildungsinitiative „Neustart Schule“ organisiert wurde. Hier ein Auszug[1] der dort formulierten Forderungen:

Zentrale Ziele einer Neuorganisation

Schulorganisation ist nicht Selbstzweck, sondern hat zu gewährleisten, dass schulische Bildung in hoher Qualität für alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von sozialem Status und Herkunft möglich wird. Nach internationalen Studien und Beispielen gelingt dies dort besonders gut, wo kompetente PädagogInnen in autonomen Schulen eigenverantwortlich an der Erfüllung vorgegebener Bildungsziele arbeiten. Statt Steuerung bis ins Detail ist deutlich mehr schulische Autonomie sinnvoll und erfolgsversprechend. Dazu gehört auch das Vertrauen in die PädagogInnen, diese Verantwortung gut wahrnehmen zu können. Autonome Schulen sind lebendige Organisationen, wo PädagogInnen und andere ExpertInnen gemeinsam mit den Eltern Verantwortung für die Bildungslaufbahn der SchülerInnen übernehmen. Es braucht einen Paradigmenwechsel von der „Schulverwaltung“ zu einer modernen Organisation von Bildung. Dazu gehören unter anderem: klare Zuständigkeiten ohne Doppelgleisigkeiten, Effizienz und Transparenz der Mittelzuweisung, die Entpolitisierung der Schulorganisation.

 

Hohe Autonomie der Schulen   

1.    Personal: Verantwortung der Schulleitung für die Auswahl und den Einsatz des Personals, für schulbezogene Weiterbildung und Personalentwicklung. Einbindung der Schulpartnerschaft in die Bestellung der Schulleitung.

2.    Finanzen: Freiräume beim Mitteleinsatz je nach Bedarf und Erfordernissen des jeweiligen Standorts, eigene Schulbudgets für Schulentwicklung, Weiterbildung, Lehrbeauftragte und Leistungsprämien.

3.    Pädagogik: Entwicklung eines Schulprofils und schulautonome Schwerpunktsetzungen, abgestimmt auf den Bedarf der jeweiligen SchülerInnenpopulation und unter Berücksichtigung eines bundesweit einheitlichen inhaltlichen Rahmens und Kompetenzniveaus.

4.    Support: Administratives Unterstützungspersonal und mittleres Management ab einer gewissen Schulgröße. Auf die Herausforderungen der Schulgemeinschaft vor Ort abgestimmte Ressourcen für non-formale Bildungsarbeit und Schulsozialarbeit.

5.    Organisation: Eigenverantwortliche Anordnung der Unterrichtszeit und Gestaltung des Tagesablaufs, Ganztagsschulen mit Unterscheidung von Unterrichts- und Öffnungszeiten, Öffnung der Schulen in Ferienzeiten.

6.    Qualität: Selbstevaluation und Qualitätsentwicklung verknüpft mit externer Qualitätskontrolle und Teilnahme an systemischen Outcome-Überprüfungen (Bildungsstandards).

 

Wirkungsorientierte Steuerung durch das Bildungsressort

1.    Rahmenbedingungen: Gesetzgebungskompetenz beim Bund und Entfall der Ausführungsgesetzgebung, neues und verschlanktes Schulgesetz, einheitliches Dienstrecht.

2.    Inhaltliche Steuerung: Definition von Bildungszielen und Festlegung der Lehrpläne in allen Schulstufen und -arten, Festlegung der Bildungsstandards und der zu erreichenden Kompetenzniveaus.

3.    Qualitätssicherung: Verbindlicher Qualitätsrahmen für alle Schulen sowie neue, weisungsunabhängige Qualitätssicherungsstelle für die externe Evaluierung der Schulen.

4.    Aus- und Weiterbildung: Verantwortung für die Ausbildung aller PädagogInnen, Qualifizierung für Führungsfunktionen im Schulwesen, Sicherstellung des Fort- und Weiterbildungsangebots.

5.    Finanzierung: Anhand einer formelbasierten (Pro-Kopf-)Finanzierung für die einzelnen Schulstandorte außerhalb des Finanzausgleichs. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Mittel für sozialindizierte Schwerpunkte.

 

Schlankes Unterstützungssystem für Bildungseinrichtungen

1.    Unterstützung: Wenn Schulen hohe Autonomie mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten haben und eine wirkungsvolle Steuerung durch den Bund existiert, ist der Bedarf an „Schulverwaltung“ gering. Die mittlere Ebene der Schulorganisation wird zu einer schlanken „Supporteinheit“, die nahe bei den Schulen arbeitet.

2.    Ansprechpartner: Diese mittlere Ebene ist zentraler Ansprechpartner für die Schulen und den Bund. Sie unterstützt die Schulen in Fragen der pädagogischen Entwicklung, des Personalmanagements und bei finanziellen Angelegenheiten wie der Ressourcenzuteilung und dem Controlling des Mitteleinsatzes.

3.    Schulträger: In Ländern wie Südtirol oder den Niederlanden haben sich solche Modelle bewährt: Jede Schule hat einen Schulträger, er kann und soll mehrere Schulen betreiben. Bund, Länder und Gemeinden, Gemeindeverbünde, Organisationen und Einzelpersonen können (einzeln oder in Zusammenarbeit) Schulträger sein. Schulträger öffentlicher Bildungseinrichtungen sind gemeinnützig und agieren nicht hoheitlich. Schulträger werden vom Bundesministerium nach zu definierenden Standards akkreditiert.

4.    Koordination: „Educational Boards“ unterstützen den Bund bei regionalen Standortkonzepten und Schwerpunktsetzungen sowie der Initiierung eines ausreichenden schulischen Angebots. Ihre Verantwortungsgebiete orientieren sich organisch (auch über Bezirks- und Landesgrenzen hinweg) an den Erfordernissen regionaler Bildungseinzugsgebiete.

 

Folgende Proponent_innen betonen ihren Willen und ihre Entschlossenheit zur Mitarbeit bei einer umfassenden Bildungsreform. Sie alle haben ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit klar gemacht und tragen diese Forderungen auch mit:

·        Hannes Androsch, Volksbegehren Bildungsinitiative, Initiator

·        Georg Kapsch, Industriellenvereinigung, Präsident

·        Othmar Karas, Hilfswerk Österreich, Präsident

·        Michael Chalupka, Diakonie Österreich, Direktor

·        Karl Dwulit, Jedes K!nd, Vorstandsmitglied

·        Erwin Greiner, Bildung Grenzenlos, Stv. Vorsitzender

·        Raphaela Keller, ÖDKH, Vorsitzende

·        Christa Koenne, Universität Wien

·        Veronika Kotzab, Wissensfabrik – Unternehmen für Österreich, Geschäftsführerin

·        Georg Kraft-Kinz, Verein Wirtschaft für Integration, Obmann

·        Michael Landertshammer, Wirtschaftskammer Österreich, Leitung Abt. Bildungspolitik

·        Heidemarie Lex-Nalis, Plattform EduCare, Sprecherin

·        Anja Linhart, Wiener Kindertheater, Projektleitung

·        Elisabeth Menasse-Wiesbauer, ZOOM Kindermuseum, Direktorin

·        Christian Morawek, Österr. Verband d. Elternvereine öffentl. Pflichtschulen, Vorsitzender

·        Therese Niss, Junge Industrie, Vorsitzende

·        Martina Piok, COOL - cooperatives offenes lernen, Koordination LehrerInneninitiative

·        Christina Planitzer, Teach for Austria, Vorstand TFA Alumniverein

·        Josef Pumberger, Katholische Aktion Österreich, Generalsekretär

·        Gerald Schöpfer, Österreichisches Rotes Kreuz, Präsident

·        Christiane Spiel, Univ. Wien, Institut für Angewandte Psychologie: Arbeit, Bildung, Wirtschaft

·        Johanna Tradinik, Bundesjugendvertretung, Vorsitzende

·        Irene Varga, Köck Stiftung, Projektleitung „Initiative Neues Lernen“

·        Bernd Wachter, Caritas Österreich, Generalsekretär

 

Die überparteiliche Initiative Talente blühen! (www.talentebluehen.at) ist im Rahmen eines einjährigen, österreichweiten Dialoprozesses zu fast identen Vorschlägen für eine Schulreform gekommen. Das Konzept für eine umfassende Schulautonomie wurde unter anderem im Buch „Die mündige Schule: Buntbuch Schulautonomie“ im Frühjahr 2015 präsentiert und an 7.500 Meinungsbildner im ganzen Land verschickt. Auf http://www.strolz.eu/publikationen/ findet sich das Buch bzw. Konzept auch zum kostenfreien Download.

Die inhaltlich-strategische Stoßrichtung für eine umfassende Schulreform scheint klar und von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen: Rigorose Verschlankung und Vereinfachung der Schulverwaltung sowie umfassende Autonomie in pädagogischer, finanzieller und personeller Hinsicht.

Eine Reform kann jedoch nur gelingen, wenn sämtliche macht-, partei- und interessenpolitischen Verstrickungen in den Hintergrund treten. Wo sich in den letzten Jahrzehnten tiefe ideologische Gräben aufgetan oder interessenspolitische Blockaden verhärtet haben, ist es wichtig, über die Parteigrenzen hinweg und unter Einbindung der Zivilgesellschaft sowie der betroffenen Menschen neue Wege zu gehen.

[1] Quelle: https://mitmachen.neustart-schule.at/page/-/PK%20Schule%20neu%20Starten/Erwartungen%20an%20die%20Bildungsreform_SchuleNeuStarten_20150915.pdf)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden


 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Bildung und Frauen, werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die Forderungen des Bildungssummit der Zivilgesellschaft im Rahmen der Bildungsreformkommission Berücksichtigung finden. Die von der Zivilgesellschaft formulierten Reformvorschläge sollen mit in die Umsetzungsplanung genommen werden.In einem ersten Schritt sind sowohl Vertreter_innen der Zivilgesellschaft als auch der Oppositionsfraktionen des Nationalrats in die Beratungen zur Bildungsreform aufzunehmen – mit dem Ziel, dem Parlament bis Dezember 2015 eine Umsetzungsstrategie für eine umfassende Bildungsreform vorzulegen."


In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.