1389/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 15.10.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

n!

der Abgeordneten Georg Willi, Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Abgasskandal: Zum Schutz der VerbraucherInnen, der Gesundheit und der Umwelt den Betrug beim Schadstoffausstoß von Kfz wirksam beenden und bestrafen!

 

 

 

Der VW-Konzern musste nach entsprechenden Auseinandersetzungen mit Umweltbehörden in den USA systematischen Betrug eingestehen: Eigens entwickelte Software ermöglichte es, die Grenzwerte für den Ausstoß von Stickoxiden (NOx) bei der Typenprüfung bestimmter Dieselmotoren auf illegale Weise zu erreichen – im Gegensatz zum realen Fahrbetrieb.

 

Es sind auch in Österreich hunderttausende derartige Fahrzeuge zugelassen, obwohl solche Manipulations- bzw. Abschalteinrichtungen auch in Österreich durch eine EU-Verordnung aus 2007 samt Umsetzung im Kraftfahrgesetz klar und eindeutig verboten sind.

 

Auffällig und aufklärungsbedürftig ist, dass trotz der seit spätestens 2013 auch hierzulande öffentlich bekannten Indizien[1] und der nunmehrigen Beweise von den Zuständigen in Österreich, namentlich dem BMVIT, keine konkreten Aktivitäten in Richtung Aufklärung, Abstellen der Missstände oder gar Bestrafung der Verursacher bekannt wurden – allen vorliegenden Informationen zufolge bis heute.

 

Stickoxide und ihre Bedeutung für Gesundheit und Umwelt

 

Luftverschmutzung ist Europas größtes gesundheitsrelevantes Umweltproblem. Rund 400.000 Menschen sterben jedes Jahr vorzeitig aufgrund von Luftschadstoffen wie Stickstoffoxide (NOx), Ozon oder Feinstaub. Die Zahl der Todesopfer aufgrund der schlechten Luftqualität übersteigt in der EU die Zahl der Straßen-Unfalltoten bei weitem!

 

Stickstoffoxid-Emissionen (NOx) sind in Österreich für die schwerwiegendsten Schadstoffe (NO2, Ozon, Feinstaub) direkt oder als Vorläufersubstanz verantwortlich. Die NOx-Emissionen lagen im Jahr 2013 mit 136.000 Tonnen weit über der von der EU festgelegten Höchstmenge von maximal 103.000 Tonnen - fast ein Drittel mehr als gemäß Emissionshöchstmengen-Richtlinie (2001/81/EG) erlaubt. In der EU ist nur Luxemburg noch weiter von seinen NOX-Emissionszielen entfernt als Österreich. Von den 27 verpflichteten EU-Mitgliedsstaaten überschritten im Jahr 2013 nur sechs ihre NOX-Emissionsgrenzwerte.

 

Hauptverursacher von NOx-Emissionen in Österreich ist mit 60 Prozent der Straßenverkehr und hier vor allem Diesel-Kfz.

 

Um den Schadstoffausstoß der Kraftfahrzeuge stufenweise zu verringern, sind Autohersteller in der EU zur Einhaltung spezifischer Grenzwerte bei neu zu typisierenden Kfz verpflichtet.

 

Der Betrug

 

Der VW-Konzern bediente sich einer speziellen Software, die bei bestimmten Dieselmotoren dafür sorgte, dass die Emissionen am Prüfstand stark vermindert wurden, um so die US-amerikanischen Genehmigungsvorschriften (die etwas strenger sind als in der EU) zu erfüllen. Vereinfacht gesagt wurde am Prüfstand in einen „Spar- und Sauber-Modus“ geschaltet, während im Normalbetrieb ein leistungs-optimierter Modus wirkt, in dem die Stickstoffoxid-Emissionen dieser Autos laut der US-Umweltbehörde EPA um das 10- bis 40fache höher als am Prüfstand sind.

Nach derzeitigem Wissensstand sind die betreffenden Motoren inklusive illegaler Abschalt-Software in weltweit 11 Mio Pkw und leichte Nutzfahrzeuge der Marken VW, Audi, Skoda und Seat eingebaut. In Österreich sind nach Herstellerangaben 363.400 Kfz, das sind gut 7% der entsprechenden Gesamtflotte, damit ausgerüstet.

 

Der konkret erwiesene Betrugsfall ist jedoch „nur“ die Spitze eines Eisbergs von systematisch geschönten Abgas- und Verbrauchswerten. Dass vor allem NOx-Grenzwerte nur auf dem Papier eingehalten werden und nicht auf der Straße, ist auch den zuständigen Behörden Österreichs nachweislich schon lange bekannt. So versucht die Bundesregierung in einem Schreiben an die EU-Kommission von Jänner 2015[2] die viel zu hohen Stickstoffoxid-Emissionen Österreichs – deretwegen ein EU-Pilotverfahren gegen Österreich läuft - mit Verweis auf diesen Umstand zu rechtfertigen:

 „Nach dem Jahr 2000 wurde bekannt, dass die NOx -Emissionen dieselbetriebener Kfz im realen Betrieb auf der Straße nicht abgenommen hatten, obwohl die Grenzwerte für die Typprüfung eingehalten wurden. Mittlerweile wurde durch Messungen festgestellt, dass die Realemissionen bei Diesel-Pkw bis zur Stufe EURO V annähernd gleich hoch sind wie die von Pkw vor der Einführung der Emissionsvorschriften (prä-EURO I).“

 

Aktuelle Testergebnisse lassen auf fortgesetzten systematischen Abgasbetrug schließen, der bei weitem nicht nur auf einen Autokonzern beschränkt ist.

So testete der ADAC zwischen 2012 und 2014 insgesamt 32 Diesel-PKW von 10 Herstellern auf Stickstoffabgase (NOx). Alle Autos waren laut Herstellerangaben mit der neuesten Filtertechnologie ausgestattet und erfüllten am Papier die strenge Europäische "EURO 6" Abgasnorm von 80mg/km NOx, die ab September 2014 für sämtliche Neutypisierungen und ab September 2015 für alle Neuwagen-Zulassungen gelten. Für die offizielle Typenprüfung wurde das aktuell noch geltende Testverfahren (sog. „Neuer Europäischer Fahrzyklus“ – NEFZ/NEDC) angewandt. Der ADAC testete die Autos hingegen mit einem neuen Testverfahren (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Cycle - WLTC), dessen Ergebnisse näher am realen Fahrbetrieb liegen sollen und über dessen verpflichtende Einführung ab etwa 2017 derzeit auf EU-Ebene verhandelt wird.

Das erschreckende Ergebnis der ADAC-Tests: Nur ein einziges der getesteten Autos hielt die Grenzwerte (nahezu) ein! Und das, obwohl der ADAC die Motoren vorher warm laufen ließ, womit sich die Werte deutlich verbesserten. Die allergrößten Umweltsünder waren überraschenderweise keine Autos des Volkswagen-Konzerns. Der einzige getestete Volvo hatte mit 1167 mg/km einen 14,6-fach zu hohen NOx-Wert. Nicht viel besser war ein Renault mit 708 mg/km gefolgt von einem Hyundai mit 553 mg/km.

 

Ob auch andere Autohersteller als der VW-Konzern verbotene Abschalteinrichtungen zum Test-Betrug verwendet haben oder nur die legalen „Schlupflöcher“ der genormten Testzyklen ausnützten, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Denn es blieb bei Tests privater Organisationen wie dem deutschen Autoclub ADAC (deren Ergebnissen zudem interessanterweise vom ÖAMTC widersprochen wurde) und bei Analysen renommierter Stellen wie der IIASA auf Basis ausländischer (in diesem Fall: schweizerischer) Messungen.

Von Seiten der österreichischen Behörden gab es hingegen trotz der gravierenden Abweichungen keine unabhängigen Nachtests, um zu überprüfen, ob die zugelassenen Fahrzeuge auch nur annähernd den Angaben gemäß Typenschein entsprechen. Auch wenn Österreich womöglich wegen der europäischen Arbeitsteilung in diesem Bereich nicht über (ausreichende) Kapazitäten für solche Nachtests verfügen sollte, wären durch Beauftragung ausländischer Fachstellen Beiträge zur Klärung möglich und sinnvoll gewesen.

 

Wie konnte es soweit kommen: Mangelnde Distanz von Regierung und Verwaltung zur Autolobby

 

Dass der Betrug mit geschönten Abgas- und Verbrauchswerten so möglich ist und in Österreich bisher folgenlos blieb, ist Ergebnis einer forciert autokonzern-freundlichen Politik und Administration, auf EU-Ebene wie in Österreich. Die aus Gesundheits- wie Umweltsicht dringend nötigen Grenzwertverschärfungen wurden bei jedem Beschluss über die jeweils nächste, auf den ersten Blick strengere Kfz-Emissionsklasse mit großzügigen Übergangsfristen und Prüfzyklus-Regelungen voll Schlupflöchern zugunsten der Hersteller entschärft.

Österreich ist dabei bis zuletzt in einer Gruppe von Mitgliedstaaten u.a. mit Deutschland aufgetreten, die sich im Einklang mit den Lobbyisten der Autobranche (ACEA usw.) für lange und großzügige Abweichungsfaktoren, Übergangsfristen u dgl einsetzt. Damit nicht genug, wurden dann in Österreich auch noch die nationalen Gesetzestexte (KFG!) vom BMVIT ausgehend extrem herstellerfreundlich formuliert, und schließlich wurde auch noch in der Praxis weggeschaut.

Lieber haben also die Verantwortlichen - namentlich auch im BMVIT - akzeptiert, dass den Autofahrerinnen und Autofahrern wegen der in weiten Teilen Österreichs viel zu hohen NOx-Emissionen und -Immissionen Tempolimits u.dgl. auferlegt werden müssen, als dass sie bei den Herstellern für mehr Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein gesorgt hätten.

 

Damit haben diese Verantwortlichen - namentlich auch im BMVIT- zugleich aber auch den Erfolg fortschrittlicherer Antriebstechnologien wie der E-Mobilität hintertrieben: Sie haben es Herstellern wie dem VW-Konzern durch so rücksichtsvolle wie lückenhafte Vorgaben sowie laxe bis völlig fehlende Kontrollen erleichtert, ihre trotz „Spritspartechnologie“ im realen Fahrbetrieb gesundheits-, umwelt- und klimabelastenden, also insgesamt nicht mehr zeitgemäßen Produkte weiterhin zu verkaufen. Sie haben damit auch unterstützt, dass zB der VW-Konzern die KonsumentInnen übervorteilen konnte, indem als besonders umweltfreundlich beworbene Modelle zu deutlich höheren Preisen als ansonsten vergleichbare Modelle verkauft wurden, womit umweltbewusste KonsumentInnen auch materiell geschädigt wurden. Auch dies, ohne dass es bisher zu wirksamen Aktivitäten beispielsweise des Konsumentenschutz- oder des Verkehrsministers geführt hätte.

 

Es ist bezeichnend, dass der Betrug des VW-Konzerns von US-amerikanischen Behörden aufgedeckt werden musste und nicht von einem Mitgliedsland der EU, obwohl die den US-amerikanischen Ermittlungen zugrundliegenden Tests des ICCT in Europa stattfanden und publiziert wurden.

Gerade Österreich hat in diesem Bereich eine beispiellos laxe und autokonzernfreundliche Gesetzeslage gezimmert, auf deren Basis sich Autokonzerne jahrelang in Sicherheit wiegen konnten. Zwar sind die VW-Betrügereien wie erwähnt auch in Europa durch die EU-Verordnung 715/2007 klipp und klar untersagt. Diese verbietet konkret die "Verwendung von Abschalteinrichtungen bei Emissionskontrollsystemen", die „Abgabe falscher Erklärungen während der Genehmigungsverfahren“, die „Vorenthaltung von Daten“ und die „Verweigerung des Zugangs zu Informationen“ und schreibt dazu den Mitgliedsstaaten auch die Einführung "wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender" Strafen vor.

Die Umsetzung dessen in Österreich ist jedoch geradezu eine Einladung an die Konzerne, die Vorgaben zu ignorieren: Wer nicht entsprechend nach einschlägigen Daten und Informationen fragt, dem können diese auch nicht verweigert oder vorenthalten werden – Nicht-Fragen führt also zu Nicht-Strafen-Können, höchst praktisch für Hersteller und Importeure.

Lachhaft und kaum EU-konform ist auch die Straf“drohung“: Das Kraftfahrgesetz (KFG) sieht in seinem 2009 auf SPÖ-ÖVP-Regierungsinitiative so ergänzten § 134 dazu eine Höchst(!)strafe je Hersteller von gerade einmal 5.000 Euro vor! Bei 363.400 betroffenen Fahrzeugen des VW-Konzerns macht dies somit - je nachdem ob man den Konzern oder die vier Konzernmarken als Hersteller adressiert - maximal wenige Cent pro manipuliertem Fahrzeug aus. In den USA droht dem VW-Konzern hingegen eine Strafe von bis zu 7,4 Milliarden (!) Dollar für eine weit geringere Zahl von Fahrzeugen, also weit über 10.000 Dollar pro Fahrzeug!

 

Hinzu kommt, dass auch an anderer Stelle im KFG Vorsorge zugunsten der Konzerne getroffen wurde. So böten § 30 a und die Verordnung auf Basis von § 30a Abs 11 KFG durchaus Grundlagen für aktives Handeln gegen die nationale Zulassung von Fahrzeugen, die nicht den europäischen Typgenehmigungsangaben entsprechen, und für intensive Nachkontrollen. Prüfungen und Kontrollen finden jedoch wenn überhaupt in viel zu geringer Zahl und in viel zu gutgläubiger, große Hersteller durch ungerechtfertigte Vertrauensvorschüsse gezielt bevorzugender Form statt ("Bei den Herstellern mit bekannt guter Qualität der EG-Übereinstimmungsbescheinigungen wird weniger kontrolliert", Zitat Tätigkeitsbericht 2011 der Bundesanstalt für Verkehr.)

Die Berichtspflichten an den Nationalrat betreffend derartige Überprüfungen wurde übrigens mit Wirkung von 2012 aus dem KFG gestrichen, seither bleibt die Prüftätigkeit im Dunkeln.

 

Generell arbeitet somit das BMVIT im Kraftfahrwesen Herstellern, Importeuren und deren Interessenvertretungen in IV und WKÖ in die Hand. Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz und das Wohl der KonsumentInnen haben systematisch das Nachsehen.

 

Zur Einseitigkeit kommen dann noch nicht nachvollziehbare Einschätzungen des zuständigen Verkehrsministers. So

·         die im „Kurier“ zitierte Aussage, dass solche Stickoxid-Abweichungen wie in den USA in Österreich bei den 'Pickerl-Untersuchungen' auffliegen würden – bei diesen wird jedoch unter anderem hinsichtlich NOx bei weitem nicht so detailliert getestet wie es dafür nötig wäre, und bei Neu-PKW zudem erst nach drei Jahren erstmals, wie dem zuständigen Minister bekannt sein müsste,

·         oder Stögers Behauptung, dass "in Österreich die Werte eingehalten werden", obwohl die Regierung in offiziellen Stellungnahmen zum Thema NOx Richtung Brüssel – siehe oben - längst das Gegenteil beklagt.

·         Zugleich spricht der Verkehrsminister jedoch – vgl. Medienberichte vom 8.10.2015 - offen aus, dass „wohl auch in Österreich Gesetze verletzt wurden“ - "es ist sicher so, dass der VW-Konzern Dinge getan hat, die nicht in Einklang mit der Rechtsordnung sind. Es ist sicher so, dass hier vom Konzern Maßnahmen zu setzen sind."

– umso mehr erstaunt es, dass dieser Gesetzesbruch bislang zu keinen konkreten Schritten gegen die Täter, also den bzw die Hersteller und ihre „Bevollmächtigten“ in Österreich, geführt hat!

Ganz im Gegenteil wurden von der Bundesregierung Stöger zufolge „Einladungen“ zu „Gesprächen“ ausgesprochen. An diejenigen, die für die Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung und die Irreführung der KonsumentInnen dringend auch (verwaltungs)strafrechtlich in die Pflicht zu nehmen wären, immerhin steht der strafrechtlich relevante Verdacht auf vorsätzliche Gemeingefährdung und vorsätzliche Gefährdung der Umwelt im Raum, neben den klaren Verstößen gegen EU-VO 715/2007 und gegen das Kraftfahrgesetz, deren amtswegige Ahndung mehrere Wochen nach Auffliegen des Skandals längst überfällig ist.

 

Klares und entschlossenes Handeln der Bundesregierung und namentlich des Verkehrsministers und seiner Verantwortlichen im BMVIT ist umso vordringlicher,

·         weil der bisher betroffene Hersteller(konzern) und insbesondere seine Bevollmächtigten in Österreich sowie die entsprechenden Interessenvertreter in Österreich trotz der klaren Fakten keinerlei Schuldbewusstsein oder gar Bereitschaft zu einer Abkehr vom bisherigen Weg erkennen lassen. Siehe zB Kurier 5.10.2015 „Durch VW ist niemand zu Schaden gekommen“ behauptet Burkhard Ernst, Gremialvorsteher Fahrzeughandel der WKÖ; siehe auch APA 29.9.2015 „Die Automobilimporteure gehen davon aus, dass das absolute Niveau des Schadstoffausstoßes von Autos für die Kunden nicht so wichtig ist. (…) Auf Hinweise, dass Messergebnisse vielleicht nicht die Realität widerspiegeln, sagte Clary, er könne nur "übernehmen, was offiziell niedergeschrieben wird". Nur dass sich ein einziger Autokonzern "anscheinend in den USA nicht daran gehalten hat" heiße nicht, dass die Zahlen der Autoindustrie allgemein falsch sind.“ – so Dr. Felix Clary und Aldringen, Vorsitzender Arbeitskreis der Automobilimporteure in der IV. 
Ja es wird von Clary sogar – vgl. APAs 29.9. und 30.9.2015 dieser IV-Autolobby - 
* der erwiesene Betrug verharmlost („Die Kritik, dass die Testergebnisse nicht die realen Verbrauchswerte widerspiegeln, ist ein Ergebnis der Testverfahren, die von der Behörde an die Fahrzeughersteller vorgegeben werden und hat nichts mit Trickserei oder Betrug zu tun“), 
* den Medien gedroht („Die Automobilimporteure warnen auch einmal mehr vor einer Generalverdächtigung in Bezug auf Abgasmessungen bei Diesel-Pkw und fordern zu einer faktenbasierten Debatte und Berichterstattung auf.“), 
* und in aller Dreistigkeit jetzt die Verantwortung den Behörden und der Politik weitergereicht („Autoindustrie nimmt Politik in die Pflicht“ … „Deshalb sei es jetzt die Aufgabe der Politik, für realitätsnähere Messverfahren zu sorgen. "Die österreichischen Automobilimporteure (…) fordern die Minister Rupprechter und Stöger auf, sich für eine rasche Einführung (des neuen Prüfzyklus WLTP) einzusetzen."“) – ganz so, als gäbe es kein Lobbyieren der Branche im BMVIT und in Brüssel für das genaue Gegenteil – möglichst späte Einführung und möglichst großzügige Abweichungsfaktoren!
Zu solch undankbaren „Partnern“ und „Wegbegleitern“ sollten Behörden und Regierungspolitik dringend in die ohnedies gebotene größere Distanz gehen und zB über saftige Strafen für betrügerische Hersteller ohne Aufschub wieder für korrektere Verhältnisse zwischen Politik und Verwaltung einerseits und Konzernen und Lobbyisten andererseits sorgen, wie es eigentlich auch der Programmatik des Sozialdemokratischen Partei Österreichs entspräche.

·         Weil auf EU-Ebene von der Lobby der Kfz-Hersteller und ihren Unterstützern weiterhin vehement versucht wird, auch in Zukunft mit großzügigen Abweichungsfaktoren („Konformitätsfaktor“/KF) zwischen neuem realitätsnäheren Prüfzyklus WLTC und Fahrbetriebstest RDE bequem weiterfahren zu können. Während im EU-Verkehrsministerrat zumindest nach Auffliegen des VW-Betrugs von Österreich eine forciertere Position eingenommen wurde, ist im entscheidenden Komitologie-Gremium „Technical Committee on Motor Vehicles“ (TCMV), dessen Ergebnisse geheim gehalten werden, ein von den Herstellern gewünschter Abweichungsfaktor von 3,3 Diskussionsthema. Das heißt, Neuwagen sollen auch in den nächsten Jahren im Fahrbetrieb 3,3mal so viele Schadstoffe ausstoßen dürfen wie am Prüfstand – eine Fortsetzung des „legalisierten Betrugs“, auf Kosten der Gesundheit der Bevölkerung.

Österreich ist in dieser Gruppe durch zwei Herren aus der Gruppe Straße des BMVIT vertreten und trat dem Vernehmen nach bisher im Gleichschritt mit Deutschland und anderen Staaten im Sinne der Wünsche der Herstellerlobby auf.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, wird aufgefordert, für eine umgehende politische und vollzugsseitige Aufarbeitung des Abgasskandals (VW-Skandal, „Diesel Gate“) zu sorgen und in diesem Sinne ohne weiteren Aufschub

 

A) das wahre Ausmaß des Skandals zu ermitteln

1)    Die Bundesanstalt für Verkehr unverzüglich zu beauftragen, die von den Herstellern übermittelten Emissions- und Verbrauchswerte für EURO-6 konforme Neuwagen sowohl im Labor als auch im realen Straßenverkehr zu überprüfen bzw überprüfen zu lassen. Dabei sollen wie in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht nur Diesel-PKW des Volkswagen-Konzerns untersucht werden, sondern PKW sämtlicher Marken.

2)    Die Bundesanstalt für Verkehr unverzüglich zu beauftragen, die von den Herstellern übermittelten Emissions- und Verbrauchswerte für bereits in Verkehr befindliche EURO-5 konforme PKW stichprobenartig sowohl im Labor als auch im realen Straßenverkehr zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen. Dabei sollen wie in anderen EU-Mitgliedstaaten nicht nur Diesel-PKW des Volkswagen-Konzerns untersucht werden, sondern PKW sämtlicher Marken.

 

B) regelmäßige unabhängige Nachtests einzuführen

3)    die Bundesanstalt für Verkehr zu beauftragen, wie von den Verordnungen (EG) Nr. 715/2007 und 692/2008 erlaubt, unabhängige stichprobenartige Nachtests für Schadstoff- und CO2 -Emissionen regelmäßig und für Fahrzeuge aller Hersteller durchzuführen bzw. durchführen zu lassen;

4)    zusätzlich zur Überprüfung der Fahrzeuge im Labor dafür auch Abgasmessungen im realen Straßenverkehr durchzuführen bzw. durchführen zu lassen

5)    die Ergebnisse aller oben genannten Tests mit Nennung des Fahrzeugherstellers, des Modells und der Motorisierung auf den Internetseiten der zuständigen Behörden zu veröffentlichen;

C) wirksame und abschreckende Maßnahmen gegen Abgasbetrug umzusetzen

6)    den VW-Konzern beziehungsweise seine „in Österreich Bevollmächtigten“ nicht länger mit kuriosen Rechtsinterpretationen aus dem BMVIT[3] vor der gemäß EU-VO und § 134 Abs 1c KFG zu verhängenden Strafe zu schützen, sondern entsprechend der Schwere des Vergehens und dem Ausmaß der daraus entstandenen Gesundheits- und Umweltbelastung zügig zu handeln und für Ausschöpfung des Strafrahmens zu sorgen;

7)    die Formulierung der Strafbestimmung falls nötig[4] unmissverständlich im Sinne einer Strafe je manipuliertem Fahrzeug zu präzisieren, um die EU-rechtlich verpflichtende „wirksame, verhältnismäßige und abschreckende“ Sanktion sicherzustellen und mögliche langwierige, für die SteuerzahlerInnen kostspielige Rechtsstreitigkeiten darüber auszuschließen;

8)    bei Rückrufen und dergleichen nicht auf freiwilliges Agieren der betroffenen Hersteller zu setzen, sondern konkrete Schritte und zügige Zeitpläne mit Bescheid anzuordnen;

 

D) der Schummelei bei den Abgastests nachhaltig ein Ende setzen

9)    sich gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission dafür einzusetzen, den realistischeren weltweiten Verbrauchszyklus "Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure" (WLTP) bis spätestens Mitte 2016 einzuführen. Der Abweichungsfaktor („conformity factor“) zwischen WLTP und RDE sollte möglichst nahe bei 1 liegen und möglichst befristet sein;

10) sich gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission dafür einzusetzen, die Einführung verbindlicher Straßentests (RDE – „Real Driving Emissions“) für Schadstoffe so auszugestalten, dass daraus ein rascher, deutlicher Beitrag zur Luftreinhaltung in Städten und anderen belasteten Regionen erwächst ;

11) sich gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission dafür einzusetzen, dass zusätzlich zum WLTP weitere Rahmenbedingungen für die Testverfahren unmissverständlich festgelegt werden (z.B. Testtemperatur, Berücksichtigung der Klimaanlage im Testverfahren, …).

12) sich gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU-Kommission nachdrücklich dafür einzusetzen, dass bei der für die CO2-Grenzwerte notwendigen Umrechnung der Ergebnisse des alten Testzyklus NEFZ in den neuen Testzyklus WLTP bisherige Schlupflöcher geschlossen, keine „Umrechnungs-Schlupflöcher“ zugelassen und auch keine sonstigen neuen Schlupflöcher aufgemacht werden;

13) die entsprechenden Positionierungen und Schriftstücke Österreichs, insbesondere auch aus dem entscheidenden Brüsseler Komitologie-Gremium „Technical Committee on Motor Vehicles“ (TCMV), umgehend und vollinhaltlich offenzulegen.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.



[1] Analysen des ICCT (International Council on Clean Transport), ADAC usw. wurden veröffentlicht und es wurde auch von deutschsprachigen Medien wiederholt darüber berichtet

[2] GZ BKA-671.812/0041-V/7/2014 vom 15.1.2015

[3] zB „Das Gesetz habe ohnedies keine Relevanz …“ – vgl. http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/4840909/Sanktionen_Nur-5000-Euro-Strafe-fur-Schummler

[4] Ausjudiziert sei dies aber nicht.“ – vgl. ebenfalls http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/4840909/Sanktionen_Nur-5000-Euro-Strafe-fur-Schummler