1398/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 11.11.2015
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend  Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

Die seit Jahren gefährliche Lage in den Krisen- und Kriegsländern des Nahen und Mittleren Ostens führt seit geraumer Zeit zu verstärkten Flüchtlingsbewegungen bis nach Österreich. Zudem hat sich die Situation in den Flüchtlingslagern der Region etwa durch Lebensmittelrationsreduktionen weiter verschlechtert. Auch Österreich hat in diesem Zusammenhang lange keine rühmliche Rolle gespielt und ist seiner finanziellen Verantwortung nicht nachgekommen. Besonders besorgniserregend ist auch die Tatsache, dass es für Generationen keine Zukunftsperspektiven in diesen Lagern gibt, Kinder und Jugendliche erhalten seit Jahren dort keine schulische Bildung.

Seit Sommer 2015 kommen also nun durch die Länder des Balkans immer mehr vor allem durchreisende Flüchtlinge nach Österreich. Im September 2015 passierten 200.000 Flüchtlinge Österreich, ein vergleichsweise kleiner Teil stellte einen Asylantrag (9.031 Anträge im September, insgesamt 55.200 von Jänner bis September 2015). Obwohl in dieser Situation Prognosen schwierig sind, ist von einem weiteren Anstieg der Zahl der Asylverfahren und mit einer steigenden Anerkennungsrate zu rechnen. Es geht Schätzungen zufolge um 80.000-85.000 Asylwerbende und 25.000-30.000 Asylberechtigte am Arbeitsmarkt im Jahr 2015.

Diese komplexe Krisensituation braucht umfassende politische Lösungen. Zentral ist eine politische Konfliktlösung für die Region und eine massive Verbesserung der Situation in den Flüchtlingslagern. Parallel dazu ist das Engagement für die humanitäre Hilfe gemäß der UN-Flüchtlingskonvention hier in Österreich unabdingbar. Die Reduktion des Problems auf eine europäische Quoten-Diskussion ist unmittelbar für die prekäre Lage hunderttausender Flüchtlinge in vielen europäischen Ländern wenig hilfreich. Es geht um eine professionelle Krisenbewältigung, Betreuung und Versorgung der betroffenen Menschen und Unterstützung bei der Entwicklung neuer Lebensperspektiven.

Ein wichtiger Teil der Perspektivenentwicklung betrifft den Arbeitsmarkt. Es braucht dafür effektive integrative Maßnahmen im Rahmen der Arbeitsmarktpolitik. Der erste Zugang und dessen Ausgestaltung zum Arbeitsmarkt spielt dabei eine wesentliche Rolle. EU-Kommissionspräsident Juncker hat in seiner vielbeachteten Rede im September 2015 neben der Schaffung eines gemeinsamen europäischen Asylverfahrens u.a. gefordert, AsylwerberInnen so schnell wie möglich Zugang zum Arbeitsmarkt zu geben.

Basierend auf der EU-Richtlinie (2013/33/EU) werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, AsylwerberInnen spätestens nach neun Monaten einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Die Umsetzungsfrist war im Juli 2015. Ob Österreich mit seiner restriktiven Linie á la Bartenstein-Erlass tatsächlich entsprechend dieser Richtlinie agiert, ist strittig. Derzeit ist nur eine kurzfristige Beschäftigung in der Erntearbeit und im Tourismus als auch freie selbstständige Arbeit z.B. in der Prostitution oder Zeitungszustellung möglich. Asylberechtigte sind hingegen ÖsterreicherInnen am Arbeitsmarkt rechtlich gleichgestellt. Fehlende Sprachkenntnisse, keine Anerkennung formeller oder informeller Kompetenzen und mangelnde Berufsorientierung verunmöglichen bzw. erschweren eine stabile Arbeitsmarktintegration und damit die Chance auf materielle Selbsterhaltungsfähigkeit. Die Gefahr ist groß, dass bei einem missglückten Arbeitsmarkteinstieg auf Dauer eine Unterstützung durch die Mindestsicherung notwendig bleiben wird. Dem gilt es entgegen zu wirken.

Der Fokus dieses Antrags liegt auf der Gruppe der anerkannten Flüchtlinge, also der Asylberechtigten. Es geht darum, dieser Gruppe berufliche Perspektiven zu bieten und sie durch gezielt entwickelte und angewandte Einstiegsmodule des AMS-Maßnahmenbereichs nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Das vorgeschlagene Maßnahmenpaket dauert sieben Monate und umfasst eine Sprachaufbau- und Berufsorientierungsphase. Eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt sind Sprachkenntnisse, auch berufs- bzw. branchenspezifische. Dieser Sprachkursphase folgt, um eine erfolgreiche berufliche Integration zu gewährleisten, eine berufliche Orientierungsphase. Deren Ziel ist es auch, die mitgebrachten formellen und informellen Qualifikationen und Kompetenzen zu erheben und verwertbar zu machen. Um dieser Zielsetzung nachzukommen, gehört die Anerkennung international erworbener beruflicher Qualifikationen erleichtert und durch ein one-stop-shop Verfahren abgewickelt. Denn die systematische Nicht-Anerkennung und Vernachlässigung von international erworbenen Berufsqualifikationen und Arbeitspraxis kommen einer Dequalifizierung gleich und können als eine Sonderform des Lohndumpings betrachtet werden.

In der Phase der konkreten Arbeitssuche braucht es in Folge Unterstützung und Vermittlung für Unternehmen, die Beschäftigte suchen, als auch begleitende Betreuung für Arbeitssuchende. Eine geglückte Arbeitsmarktintegration soll so kein Zufall bleiben. Die folgende Abbildung verdeutlicht die zeitliche und inhaltliche Struktur des vorgeschlagenen Maßnahmenpakets:

Derzeit gibt es vereinzelt Pilotprojekte (wie der im Herbst 2015 gestartete „Kompetenzcheck“ des AMS Wien), die vermehrt experimentell organisiert sind. Zu einem einheitlichen flächendeckenden garantierten Angebot durch die Arbeitsmarktpolitik ist es aber offenbar noch ein weiter Weg. Klar zu stellen ist noch, dass im Anschluss an das beschriebene gezielte Maßnahmenpaket für anerkannte Flüchtlinge dieselben AMS-Angebote wie für alle anderen Arbeitssuchenden bzw. Arbeitslose zur Verfügung stehen sollen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestens, jedoch spätestens bis Jänner 2016, einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der folgende Maßnahmen vorsieht:

·        ein AMS-Maßnahmenpaket, das flächendeckend qualitätsgesicherte und standardisierte Angebote für die Gruppe der anerkannten Flüchtlinge garantiert und folgende Eckpfeiler beinhaltet:

o   Spracherwerb im Rahmen von Basiswissen bis hin zu berufsspezifischen Sprachfähigkeiten,

o   Kompetenzerhebung,

o   Berufsorientierung und Perspektivenentwicklung,

o   Möglichkeit von Nachschulungen und Teilqualifizierungen, sowie

·        die Verbesserung der Anerkennung von formellen und informellen Kompetenzen und Qualifikationen um Lohndumping zu verhindern, Vereinfachung der Berufszugänge, erleichterte Möglichkeiten des Nachholens von Ausbildungsabschlüssen (z.B. außerordentliche Lehrabschlussprüfungen),

·        eine „Deutsch als Zweitsprache“- Ausbildungsinitiative für Lehrkräfte damit langfristig der Bedarf an qualifizierten DeutschlehrerInnen gesichert ist,

·        und eine Bündelung und wissenschaftliche Aufbereitung der Erkenntnisse aus den experimentellen Pilotprojekten.“

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.