1550/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.02.2016
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Birgit Schatz, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Lehren aus dem Insolvenzfall Zielpunkt für die Zukunft ziehen – Lücken schließen – Existenz sichern

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Generell sind die Firmeninsolvenzen in den letzten Jahren in ihrer Anzahl und Passiva-Volumen leicht am Sinken. In Österreich gab es 2014 insgesamt 5.423 Firmenpleiten. In 38 Fällen waren es Großinsolvenzen von über zehn Millionen Euro, in 209 Fällen waren es Großinsolvenzen zwischen zwei und zehn Millionen an geschätzte Verbindlichkeiten. Die Unternehmensform GesmbH (1.421 Fälle) ist neben den Einzelunternehmen (1.295 Fälle) die mit Abstand häufigste Unternehmensform in der eine Insolvenz eröffnet wird. 2014 waren insgesamt 21.000 ArbeitnehmerInnen von der Insolvenz ihres Betriebs betroffen. Die Bauwirtschaft, unternehmensbezogene Dienstleistungen (im Finanz- und Versicherungswesen) und auch der Handel sind, wie die großen Firmenpleiten der letzten Jahre zeigen, stark von Insolvenzen betroffen. Und gerade Großbetriebe können die Insolvenzentwicklung stark beeinflussen: so machte die Unternehmenspleite Alpine mit 2,6 Milliarden Verbindlichkeiten 2013 mehr als Drittel der 6,3 Mrd. der gesamten geschätzte Insolvenzverbindlichkeiten aus (KSV 1870, Unternehmensinsolvenzen 2014).

Im Jahr 2015 wurden 5.126 insolvente Firmen verzeichnet, 21.200 Beschäftigte waren betroffen (Hochrechnung KSV 1870, Pressemeldung, 15.12.2015).

 

Ende Oktober 2015 wurde beim Arbeitsmarktgipfel der Bundesregierung im Paket zur Senkung der Lohnnebenkosten die Senkung des IESG-Beitrags um 0,1% ab Jänner 2016 beschlossen. Somit wird die Beitragshöhe von 0,45% auf 0,35% der Bruttolohnsumme abgesenkt. Begründet wurde dies, dass Konkurse von Betrieben so gut wie nicht mehr vorkommen. Dagegen sprechen allerdings die Konkurse von großen Firmen 2015 wie Ditech, Baumax, Daily und Zielpunkt. Erst im Februar 2016 ist eine neue große Firmeninsolvenz bekannt geworden. Der Garnhersteller Borckenstein in der Steiermark lässt 286 MitarbeiterInnen in ungewisser beruflicher Zukunft (der Standard, 10. 2.2016).

 

Die Insolvenz des Unternehmens Zielpunkt hat seit November 2015 erhebliche Aufregung verursacht: Es ist schwer nachvollziehbar, dass ein Unternehmen, dessen Geschäftsführung noch Mitte November bekannt gibt, auf Erfolgskurs zu sein, plötzlich Ende November vor der Insolvenz steht. Ebenso wirft der Umstand, dass die Konzernmutter kurz vor der Insolvenz umfangreiche Geschäftstätigkeit mit vom insolventen Unternehmen genutzten Immobilien entwickelt hat, kein gutes Licht auf die Ereignisse. Im Mittelpunkt der Aufregung steht jedoch, dass mehrere tausend MitarbeiterInnen in einer Branche, die von niedrigen Löhnen und Gehältern (der Kollektivvertrag sieht selbst für langjährige MitarbeiterInnen nur € 1.500,- brutto für Vollzeiterwerbstätigkeit vor) geprägt ist, kurz vor der Auszahlung des Weihnachtsgeldes MitarbeiterInnen im Regen stehen lässt und die Ansprüche der MitarbeiterInnen auf die Allgemeinheit überwälzt.

 

Das Zielpunkt-Krisenmanagement des Sozialministeriums unter dem damaligen Minister Hundstorfer hat zur Lösung der akut auftauchenden existenziellen Probleme der Betroffenen gut funktioniert, sodass alle MitarbeiterInnen noch vor Weihnachten das ihnen zustehende Einkommen nicht nur als Überziehungsrahmen, sondern als reales Geld verfügbar hatten. Die Lehrlinge haben alle ein Angebot von anderen Lebensmittelhändlern bekommen und können mit großer Wahrscheinlichkeit ihre Lehre auf einem neuen Ausbildungsplatz fortsetzen. Das politische Engagement wird in der Plenarrede von Minister Hundstorfer am 10. Dezember 2015 deutlich in der er zu Beginn Vorschläge der FPÖ als nicht zielführend einstuft: „Wir haben einen anderen Weg gewählt. Das mit allen Banken […] das ausgemacht wurde. […] Demzufolge haben wir mit allen Bankinstituten vereinbart, wenn MitarbeiterInnen vom Zielpunkt kommen, es etwas gibt. Das hat auch zu 99,9% funktioniert. Ich selber habe am dritten Tag der Aktion sogar eine Bankdirektion angerufen und gesagt „bitte machts was.“ Wir haben folgendes Problem – weil Sie das angeschnitten haben – Privatkonkurs. Per Privatkonkurs darf die Bank dem gar nicht mehr etwas auszahlen. Wenn er im Abschöpfungsverfahren ist oder im Zahlungsplan ist es wurscht, die Bank darf ihn nicht überziehen lassen. Was haben wir gemacht? Der Betriebsratsfonds ist mit einer Vorlage eingetreten. Die Menschen haben sich an den Betriebsratsfonds gewendet, alles vereinbart und haben dort eine gewisse Vorlage bekommen, ohne ihre Privatkonkursvereinbarungen zu konterkarieren. […] Und auch da darf das Lohnbüro den vollen Betrag nicht auszahlen, weil es die Vormerkung gibt. […] Und um all das zu umgehen haben wir das so gewählt – die Banken zahlen aus. Das hat auch zu 99,9% funktioniert. Und selbstverständlich das was bezogen wird, ist ohne eine Zinsbelastung. Und was wir noch tun ist Gas geben.“

 

Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Qualität der Ergebnisse institutioneller Bemühungen einerseits vom Engagement handelnder Personen abhängt. Durch den vollzogenen Wechsel von Rudolf Hundstorfer zu Alois Stöger als Sozialminister, stellt sich die Frage, inwieweit zukünftige große Firmeninsolvenzen in ähnlicher Vorgehensweise abgewickelt werden können. Andererseits ist das Ergebnis aber auch vom Entgegenkommen anderer Einrichtungen wie etwa von Banken als auch den ehemaligen Mitbewerbern Lehrlinge aufzunehmen abhängig. Im Falle von Beschäftigten, die von Privatkonkurs betroffen sind, sind allerdings keine einfachen Möglichkeiten gegeben. In der Zielpunkt-Pleite wurde dies über den Betriebsratsfonds abgewickelt. In Fällen wo es keine betriebsratsähnlichen Strukturen gibt, ist es daher schwierig, dass Betroffene in ihrer Existenz abgesichert werden. Und gerade in diesen Konstellationen ist die Existenzgefährdung schnell gegeben.

Diese beiden Einflüsse (informelles und engagiertes Vorgehen des Sozialministeriums, Entgegenkommen von Banken und Mitbewerb) können von Insolvenzfall zu Insolvenzfall anders aussehen und stellen kein einheitlich gesichertes Procedere dar.

 

Die Erfahrungen mit der Akuthilfe für die Zielpunkt-MitarbeiterInnen, aber auch die Akuthilfe für die MitarbeiterInnen der insolventen Unternehmen Dayli, Alpine und nun Borckenstein zeigen aber, dass es auch noch Bedarf an gesetzlichen Bestimmungen zur Absicherung der Ansprüche von MitarbeiterInnen im Fall der Insolvenz gibt. So etwa hat sich gezeigt, dass im Zuge von Insolvenzverfahren eine zeitliche Lücke gibt, in dem die betroffenen MitarbeiterInnen nicht sicher damit rechnen können, ein Einkommen zu haben, weil es kein Gehalt mehr gibt, aber auch noch keine Zahlung des Insolvenzentgeltfonds (IEF) und auch noch kein Arbeitslosengeld. Gerade in Berufsfeldern mit vergleichsweise niedrigen Einkommen wie im Handel kann dies existenzbedrohend sein. Es bedarf also zusätzlicher gesetzlicher Regelungen, um diese bedrohliche Situation für Betroffene auch in Fällen entschärft werden kann, in denen das Engagement der Institutionen – aus welchen Gründen auch immer – weniger erfolgreich und schnell ist.

 

Darüber hinaus ist festzustellen, dass auch trotz gelungener Akuthilfe auf die Beschäftigten des insolventen Zielpunkts Probleme zukommen, für die sie nichts können und die sie nicht einfach durch ihr Verhalten abwenden können.

Noch immer hat Österreich eine im europäischen Vergleich unterdurchschnittliche Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung. Die Familieneinkommen der betroffenen MitarbeiterInnen sinken also erheblich, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen können.

Noch immer wirken die Einkommen von PartnerInnen bei der Berechnung der Notstandshilfe leistungsreduzierend und verringern Familieneinkommen um 40%. Besondere Bedeutung hat dies, weil die Anrechnung des Partnereinkommens zu mehr als 80% Frauen trifft und die Zielpunkt-Belegschaft zu mehr als 80% aus Frauen besteht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird ersucht, dem Nationalrat binnen fünf Monaten einen Bericht über den Verlauf der institutionellen Bemühungen zur akuten Unterstützung von MitarbeiterInnen von Zielpunkt, Dayli, Alpine, Borckenstein bei der Sicherung und Durchsetzung ihrer Ansprüche zukommen zu lassen. Dieser Bericht hat neben einer Darstellung der Aktivitäten und ihrer Ergebnisse auch Vorschläge zu beinhalten, welche gesetzlichen Rahmenbedingungen auf Grund der Erfahrungen aus den Insolvenzfällen Dayli, Baumax, Alpine, und Zielpunkt im Sinne der Betroffenen klarer oder neu zu fassen sind.

 

Darüber hinaus wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ersucht, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, mit der

 

              die Schaffung einer Ermächtigung zur Durchsetzung des Anspruchs auf zinsenfreie Überziehungsrahmen für MitarbeiterInnen insolventer Betriebe bis zur Auszahlung ihrer Ansprüche durch den IEF,

              Regelungen bei Sonderkonstellationen wie Pfändung und Privatkonkurs

              die Anhebung der Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung auf den EU-Durchschnitt von 70%,

              eine jährliche Valorisierung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sowie

              die Abschaffung der Anrechnung des PartnerIneinkommens in der Notstandshilfe

 

gesetzlich umgesetzt werden.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.