1552/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.02.2016
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Matthias Köchl, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Freigabe der Teilgewerbe im Bereich "Mode"

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die österreichische Gewerbeordnung kennt neben den klassischen "reglementierten Gewerben" und den "Zuverlässigkeitsgewerben" auch den Begriff der „Teilgewerbe“. Dies sind „kleinere“ Gewerbe, welche eine geringere Qualifikation benötigen als die „reglementierten Gewerbe“, aber dennoch häufig Lehrabschlüsse oder Berufserfahrung erfordern, um das entsprechende Gewerbe ausüben zu dürfen. 

 

Neben den in der Gewerbeordnung geregelten 82 Gewerben (§94) existiert also noch eine vom BMWFW begebene "Teilgewerbeverordnung", die weitere 21 Gewerbe mit geringerer Qualifikationserfordernis beinhaltet. Darin verstecken sich die Qualifikations- und Erfahrungserfordernisse für Tätigkeiten wie Wäschebügeln, Änderungsschneiderei oder Schuhreparaturen.

 

Im Wirtschaftsausschuss vom 2.12.2015 wurde ein Grüner Antrag zur Deregulierung von ungefährlichen Teilgewerben diskutiert, welcher von den Regierungsparteien unter Berufung auf die Gefährdung der österreichischen Bürger durch die freie Gewerbeausübung auf unbestimmte Zeit vertagt wurde. So hieß es am 2.12.15 bei der Vertagung des grünen Antrages zur Teilgewerbeentrümpelung: „Christoph Matznetter (S) erwiderte, dass es sehr wohl für die Einschränkungen in vielen Fällen gute Gründe gebe und man sich daher alle Fälle im Einzelnen ansehen müsse. Grundsätzlich sei er aber gesprächsbereit, sagte er und plädierte für die Vertagung des Antrags, was mehrheitliche Zustimmung fand.“[1]

 

Die von Regierungsseite ins Feld geführten angeblichen „guten Gründe“ sollten – sofern sie der Realität entsprechen und nicht vorgeschoben sind – auch nachweisbar sein. Wenn sie wirklich den Tatsachen entsprechen, sind auch wir der Meinung, dass Gewerbe dort mit Qualifikationserfordernissen versehen werden, wo durch ihre Ausübung eine Gefährdung von MitarbeiterInnen, KundInnen, Umwelt oder Vermögen entsteht. Allerdings: Wo nicht von einer solchen Gefährdung auszugehen ist, sollten auch keine Einschränkungen zur Gewerbeausübung für Entrepreneure bestehen.

Daher haben wir jene Institution zum Gefährdungspotential von 11 Teilgewerben befragt, die es aufgrund ihrer Zuständigkeit wissen muss: Das Sozialministerium, da es mit Arbeitssicherheit und KonsumentInnenschutz befasst ist und sich somit für Sicherheit und Vermögen von KundInnen sowie der MitarbeiterInnen verantwortlich zeichnet.

 

Die Antworten des BMASK lassen sich wie folgt zusammenfassen:

 

Zum Risiko für KonsumentInnnen

Zur Verletzungsgefährdung für KonsumentInnen hält das Sozialministerium fest[2]:

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Unfälle zu Produkten oder zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit diesen Teilgewerben meinem Ministerium aus oben genannten Quellen bisher nicht bekannt wurden.“

 

Zum finanziellen Schaden für die KonsumentInnen aus fehlerhaften Dienstleistungen und Produkten der abgefragten Teilgewerbe heißt es:

„Es sind meinem Ministerium keine Fälle bekannt geworden. Der Detaillierungsgrad der Auswertung von Anfragen (Auskunftsersuchen und Beschwerden) von Konsument/inn/en an das Sozialministerium geht auch generell nicht so weit, dass eine Beantwortung dieser Fragen möglich wäre.“

 

Zu entsprechenden Schadenersatzprozessen hinsichtlich entstandener Nachteile aus unzureichenden Dienstleistungen / Produkten:

„Es gibt keine mir bekannte Übersicht über diesbezügliche Gerichtsverfahren. Das Sozialministerium hat im Rahmen seines Werkvertrages mit dem VKI keine diesbezüglichen Schadenersatzprozesse beauftragt.“

 

Zum Risiko für MitarbeiterInnnen / Gewerbetreibende:

Es wurden die passendsten ÖNACE Klassen der Statistik Austria abgefragt, welche auf der europäischen NACE Klassifikation basiert und die Grundstruktur der österreichischen und europäischen Wirtschafts- und Sozialstatistik abbildet. Das 308 Seiten starke Alphabetikum der Statistik Austria gibt daher z.B. darüber Aufschluss, dass sowohl das Teilgewerbe der Änderungsschneiderei als auch das Anfertigen von Schlüsseln mit Kopierfräsmaschinen der gleichen Statistikklasse (95.29-0) zugeordnet sind. [3] Zu einigen Teilgewerben fehlen somit genaue statistische Daten, es sind keine spezifischen Aussagen genau zu diesem Teilgewerbe vorhanden. Sprich die oft gegen Null tendierenden Unfallraten stellen mitunter deutlich größere „statistische“ Gruppen als das eigentliche Teilgewerbe dar.


Vom Sozialministerium wurde eine umfangreiche Statistik der AUVA übermittelt, wobei hier vor allem die „meldepflichtigen“ Unfälle relevant sind (mehr als 3 Tage ganz oder teilwiese arbeitsunfähig[4]).

Da – wie zuvor erwähnt – in einigen Branchen zwar von keiner Gefährdung ausgegangen werden kann, aber man die Daten aufgrund der statistischen Ungenauigkeiten[5]  aufbereiten sollte, fokussieren wir in diesem Antrag auf die drei Teilgewerbe aus dem Gebiet „Mode“. Deren Unfallenzahlen zeigen folgendes Bild:  

·        Änderungsschneiderei: ist gemeinsam mit zahlreichen anderen Gewerben (geregelte, freie und teilgewerblich geregelte Gewerbe bunt gemischt) der ÖNACE 95.29-0 zugeordnet: „Reparatur von sonstigen Gebrauchsgütern“. Gemeinsam mit der Reparatur von Fahrrädern, Musikinstrumenten, Sportgeräten, dem Klavierstimmen und dem Gravieren von Namensschildern (und noch einigen Gewerben mehr – siehe Seite 285 der ÖNACE 2008 Erläuterungen). Alle gemeinsam weisen sie 2013 insgesamt vier meldepflichtige Unfälle auf (2014 waren es 11 Stück – davon 5 durch „vertikalen oder horizontalen Aufprall des Opfers“ – sprich Ausrutschen o.ä.).

·        Die Gürtel- und Riemenerzeugung kann sich laut Statistik Austria in 3 Branchen verstecken, zu allen drei Branchen wurden Zahlen übermittelt: von 15 meldepflichtigen Unfällen 2013 passierten 13 im „Großhandel mit Bekleidung“, in dem zahlreiche große Handelsbetriebe enthalten sind (2014: insgesamt 7 meldepflichtige Unfälle).

·        Reparatur von Schuhen: 2 meldepflichtige Unfälle im Jahr 2013, EINER im Jahr 2014[6]

Die oben genannten erhobenen Verletzungsfälle haben wir daher auch in Bezug zu den im jeweiligen Bereich tätigen Mitarbeiter gesetzt (Selbständige und Angestellte)[7]:

Branche

Melde-pflichtige Unfälle 2013

Beschäftigte 2013

Anteil meldepfl. Unfälle zu Beschäftigte 2013

Reparatur v. sonst. Gebrauchsgütern

4

1250

0,32%

Reparatur von Schuh- und Lederwaren

2

426

0,47%

Herstellung von sonstiger Bekleidung und Bekleidungszubehör

2

439

0,46%

 

Zum Vergleich: der Verbund verfügt über eine Quote von 1,3% im Jahr 2013 an meldepflichtigen Unfällen[8], der Rechnungshof geht 2010 österreichweit von einer Quote von meldepflichtigen Unfällen von 1,84% insgesamt aus. Wobei hier besonders positiv Kleinstunternehmen hervorgehoben werden, die aufgrund des Engagements der Entrepreneure in der Regel deutlich geringere Unfallzahlen haben. Bei Unternehmen mit 1-10 MitarbeiterInnen wird von einer Unfallquote (wieder meldepflichtige Unfälle) von 0,88% ausgegangen[9]. Selbst diese niedrige Quote wird von den drei genannten „Mode“ Teilgewerben deutlich unterboten.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, wird aufgefordert, innerhalb von 6 Monaten eine Neuformulierung der den Teilgewerben zu Grunde liegenden Regelungsmaterien (insbesondere der 1. Teilgewerbe-Verordnung) vorzunehmen.

Dabei haben insbesondere folgende „Teilgewerbe“ zukünftig unreglementiert zu sein (sie sollen daher in gänzlich „freie Gewerbe“ umgewandelt werden):

·        "Änderungsschneiderei"

·        "Gürtel- und Riemenerzeugung sowie Reparatur von Lederwaren und Taschen“

·        "Instandsetzen von Schuhen"

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Wirtschaft und Industrie  vorgeschlagen.

 



[1] Parlamentskorrespondenz Nr. 1377 vom 2.12.15: https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2015/PK1377/

[2] https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_07553/index.shtml

[3] http://www.statistik.at/kdb/downloads/pdf/OENACE2008_DE_CAL_20160120_031607.pdf

[4] http://www.auva.at/portal27/portal/auvaportal/content/contentWindow?contentid=10007.670918&action=2

[5] Die Ergebnisse zu anderen Teilgewerben sind teilweise schwer verwertbar – so ist z.B. der Zusammenbau von Möbelbausätzen in der (großen und mit deutlich größeren Gewerken hantierende) Branche der Bautischlerei eingeordnet http://www.statistik.at/kdb/downloads/pdf/OENACE2008_DE_COE_20160120_030314.pdf

[6] Hier können sich laut Alphabetikum z.B. in der „Vermietung von sonstigen Gebrauchsgütern“ ein Teilgewerbe „Instandsetzen von Schuhen“ verstecken. Die Wahrscheinlichkeit ist bei der Existenz der eigenen Branche „Reparatur von Schuhen“, Nr. 95.23-0 aber äußerst gering.

[7] Leistungs- und Strukturstatistik ab 2008, Unternehmensdaten Hauptergebnisse

[8] http://www.verbund.com/cc/de/verantwortung/nachhaltigkeit-soziales/sozialkennzahlen

[9] http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/_jahre/2013/berichte/teilberichte/bund/Bund_2013_08/Bund_2013_08_1.pdf