1555/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 24.02.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Judith Schwentner, Eva Glawischnig Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein einheitliches und existenzsicherndes Pensionssystem für alle

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die österreichischen Systeme der Alterssicherung sind im internationalen Vergleich besonders sicher, aber auch sehr kompliziert. Dies hat zur Folge, dass oftmals nur Menschen mit sehr hohem Spezialwissen in der Lage sind, zielgerichtete Debatten zu führen. Die öffentliche Debatte ist daher vielfach von Schlagworten geprägt, die für MedienkonsumentInnen vielfach unverständlich sind und Unsicherheit auslösen.

Gespeist wird diese Unsicherheit etwa durch die Tatsache, dass Pensionsreformen immer erst in der Zukunft wirken. Daher reduzieren Pensionsreformen auch immer nur die Kosten der Zukunft. Es ist also nicht so, dass Pensionsreformen mit Kostenreduktionen im Fokus etwa die heutigen BeitragszahlerInnen entlasten. In Wahrheit kürzen sie ausschließlich die Pensionserwartungen der heutigen BeitragszahlerInnen.

Die öffentlichen Debatte um Pensionsreformen der letzten Jahrzehnte war folglich geprägt von der Darstellung zukünftiger Pensionshöhen auf Basis von Erwerbskarrieren derzeitiger PensionistInnen: Es wurde stets so gerechnet (und dargestellt), als ob aktuelle BeitragszahlerInnen ebenso wie ihre Eltern in den 1950ern bis 1980ern sich darauf verlassen können, jahrzehntelang in dauerhafter Vollzeitbeschäftigung mit kontinuierlich steigenden Löhnen zu bleiben. Diese Darstellung ist nicht zielführend: Lag die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, im Jahr 1970 unter einem Prozent, so gibt es heute Berufsgruppen, die mit einer 40%igen Wahrscheinlichkeit der Arbeitslosigkeit rechnen müssen. War Teilzeitbeschäftigung in den frühen 1970ern eine fast vernachlässigbare Erscheinung, so sind heute mehr als 70% aller Frauen in Teilzeitbeschäftigung.

Die Änderung der Erwerbsverläufe wird jedoch bei der Darstellung der Wirkung von Pensionsreformen regelmäßig ausgeblendet. So wurde etwa im Zuge der Pensionskürzungsreformen 2003/04 Pensionsberechnungen für Personen mit 45 Jahren durchgängiger Vollzeiterwerbstätigkeit präsentiert und mit einander verglichen, um darzustellen, dass die zu erwartenden Pensionskürzungen gering sind. Tatsächlich werden im Jahr 2050 aber keine Menschen in Pension gehen können, die 45 Jahre lang ohne Unterbrechung erwerbstätig waren, weil dies schlicht und einfach nicht mehr der Realität des Erwerbslebens entspricht (und zwar ohne, dass der oder die Einzelne die Möglichkeit hat, darauf mit Verhaltensänderungen zu reagieren). Dies und die Ausweitung einerseits der Ausbildungszeiten und andererseits der Teilzeitbeschäftigung wird für die betroffene Einzelperson jedoch verheerende Folgen auf die zu erwartenden Pensionshöhen haben.

 

Das österreichische System der Alterssicherung ist jedoch auch geprägt von anderen Verzerrungen:

·        Es ist aufgeteilt in eine Vielzahl von inhomogenen Teilsystemen (unselbständig Erwerbstätige im ASVG, selbständig Erwerbstätige im GSVG, BäuerInnen im BSVG, BeamtInnen des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie verschiedene Sondersysteme wie etwa jenes der Nationalbank oder anderer Betriebe);

·        Es verteilt die eingesetzten Steuermittel extrem ungerecht.

·        Es wird aus einer Vielzahl für die Einzelperson kaum überschaubarer Töpfe finanziert und ist somit sehr bürokratisch

·        Es sichert nicht gegen Altersarmut (so gibt es Gruppen von Menschen im Pensionsalter wie etwa alleinlebende Frauen, die zu knapp 25% armutsgefährdet sind)

 

Die Summe der derzeit geltenden Regelungen des Systems der Alterssicherung in Österreich sind also geprägt von

·        Veralteten und ineffektiven Differenzierungen zwischen Berufsgruppen und Versicherungsträgern

·        Einer Ungleichheit fördernden Verteilung der Steuermittel

·        Unzureichendem Schutz vor Armut im Alter und

·        hohem bürokratischem Aufwand

·        Erhebliche Mittel aus Steuern werden direkt oder indirekt zur Finanzierung des Kapitalmarkts eingesetzt, ohne dass eine Alterssicherung damit erreicht oder gar garantiert werden kann.

 

Diese Tatsachen muss eine moderne, demokratische Gesellschaft zum Anlass einer Überprüfung des Rechtsbestands und zur Suche nach Verbesserungsmöglichkeit nutzen. Dabei haben aber nicht primär Kostenfragen im Brennpunkt zu stehen, sondern die Frage:

 

Was soll ein Pensionssystem eigentlich leisten können? welche Ziele wollen wir damit erreichen?

 

Die AntragsstellerInnen haben sich diese Fragen gestellt und Parameter entwickelt, an denen sich ein zukunftsfähiges Pensionssystem messen lassen muss. Es soll…

·        Existenz im Alter sichern

·        Altersarmut verhindern

·        Lebensstandard sichern

·        geschlechtergerechte sein

·        Ausgleich für Zeiten ohne Einkommen bieten

·        für die Menschen verständlich und nachvollziehbar sein sowie

·        für die Politik prognostizierbar

Der vorliegende Antrag schlägt ein Modell der Alterssicherung vor, das die genannten Kriterien erfüllt und im Vergleich zur Summe der Kosten der derzeitigen Alterssicherungssysteme in Österreich neutral ist. Es zielt darauf ab, die derzeit in den verschiedenen Systemelementen eingesetzten (und bisweilen versteckten) Mittel aus Steuern zusammengefasst und als Grundpension an alle Menschen ab Erreichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters in jeweils gleicher Höhe auszubezahlen. Mit dieser Grundpension in der Höhe der derzeitigen Ausgleichszulage sind alle Menschen ab Erreichung des Pensionsantrittsalters jedenfalls individuell vor Altersarmut geschützt.

Als zweite Komponente im vorgeschlagenen Modell dient eine Erwerbspension, die aus Versicherungsbeiträgen auf Grund von Erwerbstätigkeit gespeist wird. Dieser Pensionsteil kommt nach versicherungsmathematischen Kriterien zu Stande, sodass er regelmäßig keiner zusätzlichen Mittel aus Steuern bedarf.

Beide Pensionsteile zusammen sind mit einer Höchstpension begrenzt (vorgeschlagen sind € 3.100,- im Monat, 14 Mal im Jahr).

Mit der Grundpension sind alle Kosten für im gegenwärtigen Recht vorgesehenen (ehemaligen) „Ersatzzeiten“ abgedeckt. In der Erwerbspension werden ausschließlich tatsächliche Versicherungsbeiträge aus Erwerbstätigkeit berücksichtigt.

 

Die vorgeschlagene Systematik erlaubt wesentliche Veränderungen zur Herstellung größerer Gerechtigkeit im System der Alterssicherung:

·        Die einheitliche Grundpension gleicht gesellschaftliche Ungleichheit im Erwerbsleben insbesondere für Frauen, für Menschen mit sehr niedrigen Einkommen oder auch Menschen mit Behinderung (von denen viele derzeit zwar arbeiten, aber nie eine Pension erhalten werden) aus.

·        Das vorgeschlagene Splitting von in Partnerschaften erworbenen Pensionsansprüchen auf Basis der existenzsichernden Grundpension erhöht für Männer den Anreiz, sich stärker an Betreuungsarbeit zu beteiligen, ohne erhebliche Nachteile in der Alterssicherung befürchten zu müssen.

·        Das vorgeschlagene Modell macht es aber auch attraktiv, in der Erwerbsphase in Bildung zu investieren, berufliche Auszeiten zu nehmen oder sich beruflich neu zu orientieren.

·        Es beendet die unhaltbare Situation, dass meist Frauen im Alter von ihren Partnern sozial und existenziell abhängig sind, da dieses Modell jedem Menschen eine existenzsichernde Grundpension garantiert.

 

Die Kosten des Modells entsprechend jenen aller derzeitigen Elemente der Alterssicherung zusammen, sind transparent und nachhaltig prognostizierbar. Es muss nicht mehr auf Basis fiktiver zukünftiger Erwerbskarrieren gerechnet werden. Im vorgeschlagenen Modell können ein einheitlicher Betrag mit der Zahl der in Österreich lebenden Menschen im Pensionsalter verknüpft werden.

Zur Finanzierung der Grundpension sind nicht allein die derzeitigen Bundesmittel im gesetzlichen Pensionssystem, sondern auch die (um fiktive DG-Beiträge reduzierten) Mittel für BeamtInnen des Bundes, der Länder und Gemeinden. In den einheitlichen Topf zur Finanzierung der Grundpension fließen aber etwa auch jene Mittel, die derzeit aus dem FLAF oder dem AMS und anderen Quellen für Beitragszeiten eingesetzt werden sowie die indirekten und direkten Mittel zur Förderung unsicherer kapitalgedeckter Anlageformen oder auch Mittel für die Mindestsicherung von Menschen im Pensionsalter.

 

Derzeitige Debatten um Pensionen sind geprägt vom Aufbau von Gegensätzen: Jung gegen Alt, Frauen gegen Männer, Paare mit Kindern gegen Paare ohne Kinder, Menschen mit höheren Einkommen gegen Menschen mit niedrigen, beruflich mobile Menschen gegen weniger mobile, in Österreich geborene gegen nicht in Österreich geborene Menschen, kranke Menschen gegen gesunde Menschen, BeamtInnen gegen NichtbeamtInnen, um nur einige dieser konstruierten Gegensätze zu nennen.

Die AntragsstellerInnen schlagen ein Modell vor mit dem Ziel, Menschen Vertrauen in ihre Zukunft zu vermitteln.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird ersucht, dem Nationalrat einen in einem öffentlichen und transparenten Diskussionsprozess erarbeiteten Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem ein einheitliches Pensionsrecht mit einem Pensionsversicherungsträger, einem einheitlichen Beitragssatz und einheitlichen Berechnungsregelungen für alle in Österreich lebenden Menschen geschaffen wird.

Dieses Pensionsrecht besteht aus einer armutsverhindernden und existenzsichernden Grundpension in der Höhe der Ausgleichszulage sowie einer Erwerbspension. Beide Pensionsteile können gemeinsam die Höchstpension von € 3.100,- nicht überschreiten.

Dabei sind folgende Parameter zu beachten:

 

Betreffend den Träger der Pensionsversicherung

·        Die Aufgaben aller Träger, Institutionen und Einrichtungen in Zusammenhang mit der Alterssicherung werden an die Pensionsversicherungversicherungsanstalt übertragen. Dies umfasst auch derzeit nach dem § 308 Abs. 2 ASVG oder anderen Regelungen pensionsversicherungsfreie Dienstverhältnisse, die Aufgaben der Sozialhilfeträger, sofern sie Menschen betreffen, die das gesetzliche Pensionsalter erreicht oder überschritten haben, sowie die Pensionsrechte der Bundes-, Landes- und der Gemeindebediensteten bzw. der PolitikerInnen.

·        Der Pensionsversicherungsanstalt obliegt die Verwaltung und Auszahlung der Grundpension und der Erwerbspension sowie alle damit in Verbindung stehenden Tätigkeiten wie etwa Beitragseinnahme, Verwaltung der Beitragsdaten und Pensionskonten etc..

·        Die Pensionsversicherungsanstalt führt für jeden Menschen mit Lebensmittelpunkt oder Erwerbstätigkeit in Österreich ein Pensionskonto.

 


 

Betreffend die Grundpension

·        Die verfassungsrechtlich abzusichernde Grundpension in der Höhe der Ausgleichszulage erhalten alle nicht erwerbstätigen Menschen ab Vollendung des 65. Lebensjahres, die nach Vollendung des 15. Lebensjahres bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zumindest 40 Jahre in Österreich ihren Lebensmittelpunkt hatten. Zeiten des Lebensmittelpunktes in Österreich gleichzuhalten sind Zeiten einer Ausbildung oder einer beruflichen Entsendung im Ausland, denen entweder Ausbildungs- oder Beschäftigungszeiten in Österreich vorangehen oder folgen.

·        Menschen, die weniger als die notwendigen 40 Jahre des Aufenthalts in Österreich vorweisen können, erhalten die Grundpension in jenem Ausmaß, das dem Verhältnis ihrer tatsächlichen Aufenthaltsdauer zu 40 Jahren entspricht.

·        Für die Grundpension ist ab Vollendung des 15. Lebensjahres bis zur Inanspruchnahme der Grundpension ein monatlicher Beitrag von € 20 pro Person einzuheben. Kann dieser Beitrag aus gesetzlich vorgesehenen Gründen nicht entrichtet werden, obwohl ein Mensch seinen Lebensmittelpunkt in Österreich hat, so ist dieser Beitrag vom Sozialhilfeträger zu entrichten.

·        Die Grundpension ist jährlich entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex zu erhöhen.

 

Betreffend die Erwerbspension

·        Der Beitragssatz zur Erwerbspension beträgt 22,8% der Bemessungsgrundlage bis zur Höchstbeitragsgrundlage. Beiträge zur Erwerbspension fallen ausschließlichen für Zeiten der Erwerbstätigkeit an.

·        Die Beiträge eines Menschen sowie die ihm oder ihr zuzurechnenden Beiträge von DienstgeberInnen aus Erwerbstätigkeit sind im Pensionskonto in der Höhe und unter Anführung der Beitragsgrundlage anzuführen.

·        Im Pensionskonto angeführte Beiträge sind bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. im Fall längerer Erwerbstätigkeit bis zur Inanspruchnahme der Erwerbspension jährlich zu valorisieren. Hat ein Mensch die Erwerbspension bereits in Anspruch genommen und entrichtet weiterhin Beiträge auf Grund von Erwerbstätigkeit, so wirken diese ab dem der Beitragsentrichtungen folgenden Jahresbeginn entsprechend dieses Antrags pensionserhöhend.

·        Lebt ein Mensch zum Zeitpunkt des Anfalls eines Beitrages zur Erwerbspension in einer Ehe, einer eingetragenen Partnerschaft oder einer gegenüber der Pensionsversicherungsanstalt deklarierten Lebensgemeinschaft, so werden die Beiträge beider PartnerInnen zur Erwerbspension zusammengerechnet und jeweils zur Hälfte den Pensionskonten beider PartnerInnen zugerechnet.

·        Die Höhe der Erwerbspension ergibt sich aus dem bei Antritt der Erwerbspension auf dem Pensionskonto festgeschriebenen Betrag geteilt durch die vierzehnfache Anzahl der zu erwartenden Lebensjahre nach der von der Statistik Austria jährlich publizierten geschlechtsneutralen Sterbetafel.

·        Die Erwerbspension wird jährlich entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindex erhöht.

 

Betreffend sonstige Regelungen

·        Erreichen (anteilige) Grundpension und Erwerbspension sowie etwaige aus anderen Ländern erworbene Pensionsansprüche zusammen nicht die Höhe der Grundpension, so gebührt eine Ausgleichszulage in der Höhe der Grundpension.

·        Steuerliche Begünstigungen privater oder betrieblicher Anlageformen unterbleiben. Die daraus resultierenden Mehreinnahmen fließen der Pensionsversicherungsanstalt zur Finanzierung der Grundpension zu.

·        Überschreiten Grundpension und Erwerbspension sowie etwaige aus anderen Ländern erworbene Pensionsansprüche zusammen die Höchstpension, so reduziert sich die Grundpension in jenem Ausmaß, um das die Höchstpension überschritten ist. Die Grundpension kann nicht niedriger als 0 sein.

·        Überschüsse der Pensionsversicherungsanstalt sind in Bundesschatzscheinen anzulegen.

·        Zusätzlich zum gesetzlichen Pensionssystem bietet die Pensionsversicherung eine Bundesschatzscheinpension auf freiwilliger Basis an. Eine Spesenverrechnung findet nicht statt.

·        Die Absicherung von Hinterbliebenen mit Ausnahme der Waisenpension erfolgt durch eine eigenständige Grundpension.

·        Die Absicherung auf Grund dauernder Berufsunfähigkeit erfolgt ebenso wie jede andere Pension nach diesem Antrag zuzüglich einer altersabhängigen Erhöhung der Grundpension um einen Anteil jener Beiträge, die auf Grund der Berufsunfähigkeit bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres nicht entrichtet wurden.

 

Betreffend Umsetzung und Übergang

·        Der Gesetzesentwurf hat ein Inkrafttreten so vorzusehen, dass Pensionen für Menschen, die nach 31.12.2023 das Pensionsantrittsalter erreichen, eine Pension nach diesem Gesetz erhalten.

·        Der Gesetzesentwurf hat vorzusehen, dass alle Personen, die nach dem 31.12.2023 das gesetzliche Pensionsantrittsalter erreichen, bis zum 1.1.2019 im Pensionskonto alle in ihrem bisherigen Erwerbsleben entrichteten Beiträge aus Erwerbstätigkeit sowie die daraus resultierende Höhe der Erwerbspension nach unterschiedlichen Antrittszeitpunkten einsehen können.

·        Es ist sicherzustellen, dass Erwerbspensionsanteile aus Beiträgen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetz entrichtet wurden, die Grundpension nicht reduzieren können.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.