1620/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 18.04.2016
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Entschließungsantrag

DRINGLICHER ANTRAG

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Werner Kogler; Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Panama-Leaks: Versäumnisse in Österreich und die fehlende Aktivität der Bundesregierung bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug auf europäischer und internationaler Ebene

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Geldwäsche und Steuerbetrug, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Terrorfinanzierung: Panama Leaks ist die Spitze eines Eisbergs und die Folge eines über drei Jahrzehnte bis zum Ausbruch der Bankenkrise 2007 grassierenden Deregulierungswahns auf beiden Seiten des Atlantiks: initiiert durch global agierende Konzerne und Lobbyisten, die taumelnde, nationale Regierungen gleichsam nach Belieben vor sich hertreiben.

 

Bankenrettungspakete in Milliardenhöhe, Einsparungen bei Bildung, Gesundheit und Sozialem: Kürzen bei den Menschen, Steuergeld für Risikoinvestoren und Banken. Wirtschaftliche Stagnation, steigende Arbeitslosigkeit, fallende Reallöhne in Europa, Verdunkelungsoasen für die Reichen in Europa, Übersee und anderswo. Das verursacht Politikverdrossenheit, Unverständnis und Wut.

 

Schluss mit dem globalen Versteckspiel

 

Der Ökonom und Steueroasenexperte Gabriel Zucman schätzt, dass sich ca. 8 % des globalen Finanzvermögens in Verdunkelungsoasen befinden, das entspricht 5.800 Milliarden Euro. Den globalen jährlichen Steuerausfall durch Steueroasen schätzt Zucman auf 130 Milliarden Euro, davon entfallen 40 % allein auf Europa. Die öffentliche Empörung über Panama Leaks ist nicht allein im Steuerausfall in Milliardenhöhe begründet, sondern vor allem in der systematischen Steuerungerechtigkeit: Während einige wenige jedes Schlupfloch ausnutzen und ihr Vermögen verstecken und/oder so lange von Land zu Land schieben bis praktisch keine Steuern mehr bezahlt werden müssen, übernehmen Erwerbstätige genauso wie kleine und mittlere Unternehmen die Finanzierung des Wohlfahrtstaates. Die Großen können es sich durch komplexe Konstruktionen richten, während der Rest diese Gestaltungsmöglichkeiten nicht hat. Für den sozialen Zusammenhalt und das demokratische System ist es aber entscheidend, dass alle einen fairen Beitrag leisten.

 

Vom ehemaligen Schurkenstaat zum Vorzeigeland

 

Beim Kampf gegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung haben die österreichische Bundesregierung, insbesondere aber die ÖVP- FinanzministerInnen  eine langjährige Tradition des Verharmlosens und Verzögerns. Dazu einige Beispiele:

 

·        Widerstand bis zuletzt wurde bei der Abschaffung der Anonymität von Sparbüchern geleistet. SPÖ Finanzminister Edlinger reagierte 1999 auf Klagen gegen die anonymen Sparbücher damit, dass .Österreich weiter "hinhaltenden Widerstand leisten [werde], weil wir sicher kein Volk von Geldwäschern sind". (News, 18.2.1999)

 

·        Der Banken U-Ausschuss wurde von den Regierungsparteien genau zu dem Zeitpunkt „abgedreht“, als große Geldwäschefälle im Raiffeisensektor und ausgerechnet bei der Hypo Alpe Adria zur Untersuchung anstanden. Finanzminister und Vizekanzler Molterer beklagte damals „negative Emotionen“, die Untersuchungsausschüsse freisetzen würden: "Es ist schade für den Standort Österreich, was rund um den Banken-Untersuchungsausschuss passiert“. Er sei stolz auf die Leistungen unserer Kreditwirtschaft. „Diese Leistungen lasse ich mir von niemandem schlecht reden.“ Hätte sich Molterer damals weniger mit Aktenschwärzen als mit Aufklärung beschäftigt, wäre Österreich einiges erspart geblieben.

 

·        Beim Skandal rund um die „Liechtenstein-CD“ 2008 ließ sich das Finanzministerium Monate Zeit bis es die Informationen über SteuerhinterzieherInnen einholte: Während weltweit Hausdurchsuchungen liefen, forderte der damalige Finanzminister Molterer unverdrossen Steuersünder zur strafbefreienden Selbstanzeige auf und behauptete, dass die Daten noch nicht eingelangt seien. Von den hunderten Personen und Firmen, die auf der Liste standen, kam es letztlich nur bei rund 50 zu Verfahren und in zwei Fällen (!) gab es teilbedingte Geldstrafen.

 

·        Im Jahr 2010 wurde die sogenannte Lagarde-Liste bekannt. Darauf waren nicht nur griechische MillionärInnen vermerkt, sondern auch Informationen mit Österreichbezug. Erst 2015 nach Auffliegen des Swiss-Leaks-Skandals verlangte das Finanzministerium die Daten von Frankreich.  Während andere Länder bereits jahrelang ermittelten, wurden die österreichischen Behörden erst Jahre danach aktiv, Steuernachforderungen für mindestens fünf Jahre sind damit verjährt. Steuersünder sind in Österreich besser gestellt als korrekte Steuerzahler. Fliegt ein Steursünder auf, zahlt er maximal die hinterzogene Steuer nach. Anders als bei Geständnissen im Strafrecht, die strafmildernd wirken, wirken Geständnisse von Steuerhinterziehern strafbefreiend.

 

·        Österreichische Finanz- und Strafbehörden konnten bereits 2011 ausgiebige Erfahrungen mit Panamageschäften sammeln. Ausgerechnet die OeNB-Töchter Banknoten- und Sicherheitsdruck GmbH sowie die Münze Österreich hatten Bestechungsgelder über eine panamesische Briefkastenfirma geschleust. Die Begleitumstände – Stichwort „Tiger-Lily“ – gingen monatelang durch die Presse. Lehren oder Konsequenzen aus den Vorfällen wurden nicht gezogen. Rechtsanwälte unterliegen weiter nicht besonderen Sorgfalts- oder Dokumentationspflichten, falls sie für Dritte in Steueroasen tätig werden.

 

·        Jahrelang hat Österreich den automatischen Informationsaustausch blockiert. Österreich war der letzte Mitgliedstaat der EU, der dem automatischen Informationsaustausch in Steuerfragen zustimmte. Bis zuletzt wurde mit absurden und vorgeschobenen Argumenten für die Beibehaltung des Bankgeheimnisses gekämpft. Das berühmte „Sparbuch der Oma“ musste herhalten, um SteuerhinterzieherInnen im großen Stil zu schützen, obwohl der automatische Informationsaustausch nur für im Ausland Steuerpflichtige gilt. 

ÖVP-Finanzministerin Fekter verstieg sich sogar zur Aussage: “Es ist ungerechtfertigt, wenn die Großen in der EU auf unser Bankgeheimnis schielen und es madig machen. Wer also dieses Bankgeheimnis aufweichen oder abschaffen  möchte, der muss den Bürgern auch sagen, dass die Bankangestellten dann am Biertisch im Ort erzählen können, wie es sich mit den Bankkonten so verhält“ (Bundesrat, 6.6.2013).

 

·        Als die EU-Kommission 2012 Empfehlungen gegen aggressive Steuerpraktiken herausgab und eine „Platform for Tax Good Governance“ zu arbeiten begann, da legten 18 EU-Staaten in Umsetzung der Empfehlungen schwarze Listen von unkooperativen Staaten mit intransparenten Strukturen vor. Die EU-Kommission fasste diese Liste 2015 zu einer gemeinsamen Schwarzen Liste zusammen. Österreich legte keine Liste vor und übernahm auch nicht die Kommissionsliste.

 

Österreich setzt Maßnahmen gegen Steuerbetrug und –hinterziehung immer erst dann um, wenn ein hoher Umsetzungsdruck seitens der Europäischen Union und der OECD besteht. Kontinuierlich begleitet wird die Bundesregierung bei ihren erzwungenen Umsetzungsmaßnahmen vom strikten Festhalten an ihrer No-Gold-Plating-Policy (siehe auch Regierungsprogramm S. 93), soll heißen: ja nicht mehr tun als verlangt!

 

Versäumnisse setzen sich fort

 

Die Bundesregierung setzt dieses – nicht nur vor dem Hintergrund der Hypo-Erfahrung – skandalöse Fehlverhalten fort:

 

·        Bereits Anfang 2015 waren deutsche Finanzbehörden im Besitz von Daten der Kanzlei Mossack-Fonseca. Bei deutschen Banken fanden deswegen bereits Hausdurchsuchungen statt. Nicht bekannt und Gegenstand einer aktuellen Anfrage der Grünen ist, ob sich auch Informationen mit Österreichbezug in den Daten finden und diese seitens des österreichischen Finanzministeriums von Deutschland angefordert wurden.

Auch im aktuellen Fall von Panama Leaks möchte das Finanzministerium abwarten und erst dann tätig werden, wenn die Daten einlangen. Aber auch in diesem Fall werden die Daten nicht durch Untätigkeit der österreichischen Behörden den Weg nach Österreich finden.

 

·        Finanzminister Schelling behauptet: „Österreich hat in Bezug auf die Geldwäsche das wahrscheinlich strengste Regime in Europa installiert“ (APA 05.04.2016). Wahr ist, es fehlen in Österreich nach wie vor transparente Register der wirtschaftlich Begünstigten. Begünstigte von Stiftungen und Trusts bleiben der Öffentlichkeit nach wie vor verborgen. Die vorsätzliche Abgabenverkürzung ist noch immer keine Vortat zur Geldwäsche. Das bedeutet, dass die professionellen Vertuschernetzwerke ungebremst und straffrei Steuerhinterziehern zur Hand gehen können.

 

Österreich in Europa untätig

 

Bei Fragen der Prävention von Geldwäsche, Terrorfinanzierung, Steuerbetrug und Steuervermeidung verweist Finanzminister Schelling auf den internationalen Handlungsbedarf. Doch dieser Verweis ist nicht genug. Die Offensive gegen Steuerbetrug und Geldwäsche muss national,  europäisch und international geführt werden. Finanzminister Schelling muss daher seine Hausaufgaben machen und sich auf europäischer Ebene mit Nachdruck für das Schließen von Schlupflöchern einsetzen.

 

Denn die zuletzt gesetzten Maßnahmen auf europäischer Ebene greifen deutlich zu kurz. Es fehlt an der entscheidenden öffentlichen Transparenz. Nur mit wasserdichten Lösungen werden wir die Verschleierungs- und Steuerfluchtindustrie erfolgreich bekämpfen können.

 

·        Im Oktober 2015 einigten sich die EU-FinanzministerInnen auf einen Kompromiss zum Informationsaustausch von Steuerabsprachen zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten und Unternehmen (tax rulings). Dieser Kompromiss ist eine starke Verwässerung des EU-Kommissionsvorschlags. Die Informationen sollen nur an die Mitgliedstaaten und nicht an die Europäische Kommission gehen. Aufgrund der Blockade von Großbritannien, Spanien und Slowenien soll die EU-Kommission nur rein statistische Daten erhalten. Inhalt des Bescheids und Name des Unternehmens bleiben ihr verborgen, ein öffentliches Zentralregister wird es nicht geben.

·        Im April 2016 legte die Kommission einen Vorschlag zum „Country by Country Reporting“ vor, das mehr Transparenz in die Steuerdumpingstrategien von multinational tätigen Konzernen bringen soll. Informationen über den Umsatz, den Gewinn, die geleisteten Steuerzahlungen sowie die Anzahl der MitarbeiterInnen in dem jeweiligen Land sollen an die nationalen Steuerbehörden gemeldet werden. Diese Veröffentlichungspflicht gilt jedoch nur für Konzerne ab einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Euro. Nicht-EU-Länder, mit Ausnahme einiger kleinerer Steueroasen, bleiben außen vor und müssen nur auf aggregierter Ebene gemeldet werden. Bekannte Verdunkelungsoasen wie der US-Bundesstaat Delaware und die Schweiz – in der knapp ein Drittel des globalen Verschleierungsvermögens geparkt ist -  bleiben geschont.

 

Jetzt Vorzeigeland werden!

 

Panama Leaks ist eine historische Chance, um die Verdunkelungsstrategien der Vergangenheit zu beenden. Der Kampf gegen die Verschleierungsindustrie kann nur mit umfassender Transparenz gewonnen werden. Wir nehmen die Bundesregierung mit ihrer jüngsten Ankündigung, international eine Vorreiterrolle im Kampf gegen Geldwäsche, Terrorfinanzierung, Steuerbetrug und Steuervermeidung einnehmen zu wollen, beim Wort. Machen wir unsere Hausaufgaben, kehren wir vor unserer eigenen Tür und treten wir als aktives Mitglied der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft auf, um diesen Kampf zu gewinnen!

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Finanzen, wird aufgefordert, den nachstehenden Aktionsplan auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mit Nachdruck voranzutreiben und die nationalen Maßnahmen umgehend umzusetzen:

 

1.    Auf nationaler Ebene:

·        Sofortige Erhebungen von Geschäftsbeziehungen sämtlicher der Regulierung der FMA unterliegenden Banken und Finanzinstitutionen zu Mossack Fonseca oder ähnlichen Unternehmen und Prüfung, ob diese im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften (insb. Know-Your-Customer-Vorschriften) sind.

·        Ein Verbot von verdeckten Treuhandschaften: in Österreich gibt es die Möglichkeit sogenannte „verdeckte Treuhandschaften“ zu gründen, wodurch die wirtschaftlich Begünstigten von Transaktionen nicht erkannt werden. Verdeckte Treuhandschaften bieten daher die Möglichkeit für gesetzeswidrige Umgehungsgeschäfte und Missbrauch.

·        Transparenz bei Privatstiftungen herstellen: Derzeit müssen Privatstiftungen weder Informationen zu den wirtschaftlich Begünstigten (durch Stiftungszusatzurkunden), noch Jahresabschlüsse im Firmenbuch veröffentlichen.

·        Klarstellung im Strafrecht, wonach vorsätzliche Steuerstraftaten als Vortat zur Geldwäsche gelten.

·        Kostenloses, öffentlich zugängliches, nationales Firmenregister mit klarem Ausweis der wirtschaftlich Letztbegünstigten und lückenlose Bereitstellung von Jahresabschlüssen, Ausweitung des Firmenregisters auch auf Trusts und ähnliche Strukturen.

·        Erhöhung der Prüfkapazitäten bei den Finanzbehörden mit der entsprechenden finanziellen Ausstattung.

·        Strafmilderung statt Strafbefreiung bei Selbstanzeigen.

·        Anpassung des Kapitalabfluss-Meldegesetzes: Ausweitung der Meldepflicht auf Zahlungen in und aus Staaten, die nicht am automatischen Informationsaustausch teilnehmen.

·        Steuerliche Nichtanerkennung von Gesellschaften, die allein zum Zweck der Steueroptimierung in der Europäischen Union oder in Drittländern gegründet wurden.

·        Gesetzliche Festlegung der Laufzeit der Prüfungsmandate von externen Wirtschaftsprüfern für alle Unternehmen von öffentlichem Interesse auf fünf Jahre, insbesondere auch Banken, Versicherungen und Finanzinstitutionen.

2.    Auf europäischer Ebene:

·        Eintreten für ein wirksames, kostenloses und öffentlich zugängliches System länderbezogener Steuertransparenz ("country by country reporting"), das über den aktuellen Vorschlag der EU-Kommission hinausgeht: d. h. Reduktion der Berichtsschwelle von einem jährlichen Umsatz iHv EUR 750 Mio. auf EUR 40 Mio. Detaillierte Berichtspflicht getrennt für alle Staaten, in denen ein multinationaler Konzern Niederlassungen hat.

·        Implementierung eines wirksamen Sanktionsregimes gegen Länder, die nicht den EU/G20-Standards für Steuertransparenz entsprechen, wie etwa Einschränkungen des Kapitalverkehrs oder Handelsverbote.

·        Transparenz von Steuerdeals zwischen Unternehmen und Finanzbehörden: alle Sonderabsprachen zwischen Unternehmen und Finanzbehörden der Mitgliedstaaten müssen veröffentlicht und der Europäischen Kommission gemeldet werden, um eine ungerechte Bevorzugung von einzelnen Großkonzernen zu vermeiden.

·        Harmonisierung der Bemessungsgrundlage bei gleichzeitiger Einführung eines Mindeststeuersatzes in der Körperschaftsbesteuerung zur Vermeidung von schädlichem Steuerdumping.

 

 

3.    Auf internationaler Ebene:

·        Weltweit vernetztes, öffentliches, kostenloses Register der wirtschaftlich Letztbegünstigten von Unternehmen, Trusts und Stiftungen.

·        Implementierung eines wirksamen Sanktionsregimes gegen Länder, die nicht den Vereinbarungen der Staatengemeinschaft iZm dem automatischen Austausch von Konto-, Steuer- und Unternehmensdaten entsprechen, wie etwa Einschränkungen des Kapitalverkehrs oder Handelsverbote.

·        Unterstützung von Entwicklungsländern bei der Implementierung von Firmen-Registern, Anti-Geldwäsche-Systemen und dem automatischen Informationsaustausch nach internationalen Standards.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt.