1668/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 28.04.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Mindestschutzniveau von Kündigungsfristen für alle ArbeitnehmerInnen

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Der österreichische Arbeitsmarkt zeichnet sich durch eine hohe Dynamik aus. Das wird auch durch wechselnde Beschäftigungsverhältnisse sichtbar. Erwerbsbiographien sind immer mehr von Arbeitgeber- als auch Branchenwechsel geprägt. Die im Jahr 2014 beendeten Beschäftigungsverhältnisse dauerten vor ihrer Beendigung durchschnittlich 1,5 Jahre und waren  damit um über einen Monat kürzer als noch im Jahr 2013. Es gibt große Unterschiede zwischen den Primär- (117 Tage), Dienstleistungs- (555 Tage) und dem Produktionssektor (666 Tage) (AMS, 2015).

 

Schon alleine dadurch gewinnen Kündigungsbestimmungen an Bedeutung. Als Kündigungsfrist wird der Zeitraum zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem tatsächlichen Ende des Arbeitsverhältnisses verstanden. Von heute auf morgen kann die berufliche Perspektive ungewiss werden und gleichzeitig die soziale Existenz gefährdet sein.

Im Fokus dieses Antrags ist die Kündigungsfrist für ArbeitgeberInnen. Es zeigt sich, dass es gerade für den Bereich der ArbeiterInnen ein sehr niedriges gesetzliches Schutzniveau durch Kündigungsfristen von z.B. nur einem Tag gibt!

 

Das Arbeitsrecht betrifft nicht alle ArbeitnehmerInnen gleich. Angestellte sind aus der historischen Entwicklung heraus besser gestellt als ArbeiterInnen. Der Anteil von ArbeiterInnen an allen unselbständig Beschäftigten betrug im Jahr 2014 31% (Statistik Austria). Das sind knapp über 1 Million Menschen. Das Angestelltengesetz sieht eine Kündigungsfrist von sechs Wochen vor und setzt je nach längerer Dienstdauer eine längere Kündigungsfrist für den Arbeitgeber fest. So gibt es ab dem vollendeten zweiten Dienstjahr zwei Monate, nach dem vollendeten fünften Dienstjahr drei Monate, nach dem vollendeten fünfzehnten Dienstjahr vier Monate und nach dem vollendeten fünfundzwanzigsten Dienstjahr sogar fünf Monate Kündigungsfrist (§20, (2) AnG).

 

Im Bereich der ArbeiterInnen gelten verschiedene Rechtsmaterien, die angewendet werden. Für  ArbeiterInnen, die unter die Gewerbeordnung von 1859 (!) für gewerbliches Hilfspersonal fallen, gilt eine 14-tägige Kündigungsfrist. Diese 14-tägige Kündigungsfrist für ArbeiterInnen kann im Kollektivvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Einzelvertrag auch zu Ungunsten der Arbeiterin/des Arbeiters (im Gegensatz zum Angestelltengesetz) geändert werden[1]. Für alle anderen ArbeiterInnen-Gruppen gilt dann das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (das u.a. die Zulässigkeit von Kündigungen erfasst, §1159a, ABGB), welches nicht für die heutige Arbeitsrealität ausgerichtet ist. Hier wird zwischen Diensten höherer Art und Diensten nicht höherer Art unterschieden. Bei Diensten nicht höherer Art ist es abhängig von den Entgeltbestimmungen welche Kündigungsfrist zur Anwendung kommt. Bei Entgeltbestimmungen, die nach Stunden oder Tagen, bzw. nach Stück oder Einzelleistung bemessen sind, können Arbeitsverhältnisse jederzeit am folgenden Tag bzw. am ersten Werktag für den Schluss der Kalenderwoche beendet werden (§ 1159, ABGB). Bei Diensten höherer Art, im Falle, dass das Arbeitsverhältnis schon länger als drei Monate dauert ist mindestens eine vierwöchige Kündigungsfrist einzuhalten (§ 1159, ABGB).

 

Als letzte Ebene gibt es kollektivvertraglichen Bestimmungen, die für ArbeiterInnen günstigere Regelungen vorsehen können. Denn viele Kollektivverträge regeln auch branchenspezifische Kündigungsbestimmungen. Um eine Berufsgruppe exemplarisch zu behandeln werden die BäckerInnen herangezogen. Hier zeigen sich eklatante Unterschiede zwischen als Angestellten und als ArbeiterInnen tätigten BäckerInnen – die auch auf den vorhin beschriebenen gesetzlichen Rahmenbedingungen basieren. Eine eintägige Kündigungsfrist ist hier Arbeitsrealität und verunmöglicht eine planungssichere Lebenssituation. Die Unterschiede bestehen zudem auch zwischen den Branchensubgruppen, wie Großbäcker-KV und Bäcker-KV.

Da viele VerkaufsmitarbeiterInnen von Bäckereibetrieben als BäckerInnen zugeordnet und eingestuft werden, trifft diese unsoziale Regelung vor allem Frauen!

 

 

Kündigungsbestimmungen für ArbeitgeberInnen am Beispiel von Bäckerei-Kollektivverträgen (Stand 2016):[2]

 

 

ArbeiterInnen

Angestellte

Bäcker-KV

Nach der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis beiderseits jeweils zum Ende der Arbeitswoche mit vorgängiger eintägiger Kündigungsfrist gelöst werden. Die Kündigung muß daher spätestens am vorletzten Arbeitstag ausgesprochen werden.

Der Kollektivvertrag kann von beiden Teilen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Monatsletzten mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt werden.

Großbäcker-KV

Bis zu 6 Monaten Beschäftigung: 1 Woche

Über 6 Monate: 6 Wochen

vor dem vollendeten 2. Dienstjahr: 6 Wochen

 


Tausende Beschäftigte, die als ArbeiterInnen tätig sind, würden von einem Mindestschutzniveau von Kündigungsfristen im Sinne der besseren sozialen Absicherung und beruflichen Planbarkeit profitieren. Darunter fallen u.a. FriseurInnen, Beschäftigte in der Lebensmittelindustrie und viele andere.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestens, jedoch spätestens bis 1. September 2016, einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, der ein Mindestschutzniveau von sechs Wochen Kündigungsfrist für alle ArbeitnehmerInnen vorsieht und dies in allen relevanten Rechtsmaterien berücksichtigt.“

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.

 



[1] https://www.help.gv.at/Portal.Node/hlpd/public/content/214/Seite.2140304.html

[2] http://www.kollektivvertrag.at/kv/baecker-anghttp://www.kollektivvertrag.at/kv/baecker-arb/baecker-kurzuebersicht/3930310?language=de; http://www.kollektivvertrag.at/kv/brotindustrie-grossbaecker-arb, http://www.kollektivvertrag.at/kv/brotindustrie-grossbaecker-ang