1692/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 18.05.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

Parlamentarische Materialienreich

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Abschaffung des Dieselprivilegs in Österreich

 

 

Diesel hat einen Marktanteil von 75 Prozent aller in Verkehr gesetzten Treibstoffe in Österreich. 57 Prozent der PKW-Flotte sind Dieselautos, dazu kommen dieselbetriebene LKWs, Kleintransporter und hunderttausende weitere dieselbetriebene Fahrzeuge und Maschinen. In Österreich wurde im Jahr 2010 dreimal so viel Diesel verkauft wie noch 1990.

 

Haupttreiber und Ursache hinter dem Dieselboom ist die starke steuerliche Begünstigung von Diesel im Vergleich zu Benzin. Der Mineralölsteuersatz auf Diesel beträgt 39,7 Cent pro Liter, jener auf Benzin 48,2 Cent pro Liter. Das „Dieselprivileg“ beträgt somit 8,5 Cent pro Liter - unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer sogar 10,2 Cent. Laut Wirtschaftsministerium liegt der Bruttopreis für Dieselkraftstoff in Österreich damit um ca. 12 Cent pro Liter unter dem EU-Durchschnitt.

Die niedrigen heimischen Dieselpreise führten nicht nur zu einem Diesel-Boom am heimischen Auto-Markt, sondern auch zu „Tanktourismus“. Viele LKW-Frächter legen ihre Routen absichtlich durch Österreich und fahren teilweise beträchtliche Umwege, um hier billigen Diesel tanken zu können. Das Ausmaß dieses Umwegverkehrs wird von Expertenseite mit mindestens 75 Mio LKW-Kilometern jährlich angegeben.

 

Umwelt- und gesundheitspolitisch ist das steuerliche Dieselprivileg nicht zu rechtfertigen:

·        Dieselabgase verpesten unsere Atemluft. Diesel-PKW verursachen typischerweise 10 Mal höhere Stickoxid (NOx)-Emissionen als Benzin-PKWs. 60 Prozent der NOx-Emissionen stammen aus dem Straßenverkehr und dort im überwiegenden Maß von Dieselfahrzeugen. Österreich hat vor allem durch den hohen Dieselanteil große Probleme, die EU-weiten NOx-Emissionsgrenzwerte einzuhalten. In der gesamten EU ist nur Luxemburg noch weiter von seinen NOx-Minderungszielen entfernt.

·        Diesel ist schlecht fürs Klima. Pro Liter verbranntem Treibstoff entsteht bei Diesel 13 Prozent mehr klimaschädliches CO2 als bei einem Liter Benzin.

 

Will Österreich seine EU-rechtlich zwingenden Luftqualitätsziele auch nur annähernd erreichen, müssen vor allem die Stickoxidemissionen drastisch gekürzt werden. Entschlossene Maßnahmen sind umso wichtiger, weil die Bundesregierung einem neuen EU-Testzyklus zugestimmt hat, nach dem Dieselautos weiterhin auf der Straße mehr als doppelt so viele Stickoxide ausstoßen dürfen wie EU-rechtlich vorgeschrieben - weshalb der Diesel-Neuwagen-Anteil weiter hoch zu bleiben droht und die Schadstoffreduktion aufgrund dieses „Schmähs“ und der erwiesenen und kolportierten Abgas-Tricksereien bei PKW und LKW noch auf viele Jahre bei weitem geringer bleiben wird als aufgrund der Verschärfung der EU-Grenzwerte zu erwarten gewesen wäre.

 

Das aktuell von der EU-Kommission gegen Österreich in Gang gesetzte Vertragsverletzungsverfahren wegen der jahrelangen und fortgesetzten Nichteinhaltung der EU-Luftqualitätsrichtlinie 2008/50/EG und insbesondere der zwingenden EU-Obergrenzen für den Stickoxidausstoß seit 1.1.2010 (!) unterstreicht diesen dringenden innerstaatlichen Handlungsbedarf. So kritisiert die EU-Kommission in diesem Mahnschreiben vom 25.2.2016 explizit die steuerliche Förderung des Dieseltreibstoffs und die „fragwürdigen Auswirkungen“ einiger sonstiger Maßnahmen Österreichs und unterstreicht die Notwendigkeit von „wirksamen Maßnahmen auf nationaler Ebene“. Auf Diesel-Kfz als Hauptverursacher dieses Problems hatte Österreichs Bundesregierung im Vorlauf des nunmehrigen Vertragsverletzungsverfahrens in der Beantwortung einer EU-PILOT-Anfrage im Jänner 2015 zuvor selbst ausdrücklich und ausführlich hingewiesen!

 

Zu diesen Argumenten kommt ein weiteres: die über einen längeren Zeitraum stark gesunkenen Rohölpreise. Sie haben zu einer enormen Verbilligung von Treibstoffen geführt. Laut WIFO sparte sich die heimische Wirtschaft 2015 insgesamt die gewaltige Summe von rund 1,5 Mrd. € infolge dieser Reduktion der Treibstoffpreise.

Dass es einerseits gewaltige Ersparnisse für bestimmte Sektoren gibt, andererseits aber durch viel zu viele Dieselabgase weiterhin hohe Gesundheitsfolgekosten entstehen, die dann die Allgemeinheit tragen „muss“, ist eine klassische Fehlsteuerung, die zu beenden ist.

 

Neben weiteren Maßnahmen ist daher die Abschaffung des steuerlichen Dieselprivilegs zur Senkung der Luftschadstoffe aus den Dieselabgasen Gebot der Stunde.

Dies legen auch die Ergebnisse zahlreicher Studien zu umweltschädlichen Subventionen wie zuletzt die des WIFO aus dem Februar 2016 nahe, die das Dieselprivileg vorrangig nennen und mit über 600 Mio Euro beziffern.

 

Die vom Bundesminister für Finanzen sowie von hohen Vertretern aus dem BMF öffentlich artikulierte Gegenposition zu diesen fachlich qualifizierten WIFO-Ergebnissen vermischt eine rein einnahmenseitige mit einer sachlich objektiven Betrachtung. Das BMF stellt in diesem Sinn also in einer rein sachpolitischen Frage Steuereinnahmenmaximierung über Gesundheits-, Umwelt- und Klimaschutz, ganz so als wären zusätzliche Erkrankungen und Umweltschäden belanglos, solange nur die Budgeteinnahmen sprudeln, aus denen ihre teilweise Reparatur bezahlt wird. Dies ist unsachlich, bürgerfern und gesundheits- wie umweltpolitisch verantwortungslos und zurückzuweisen.

Zudem fällt das BMF damit dem ÖVP-Umweltminister in den Rücken, der schon im Oktober 2014 (vgl. Ö1, „heute“, …) festhielt: “Er habe Finanzminister Hans Jörg Schelling (VP) seine Vorschläge für eine "ökosoziale Komponente" bei der Steuerreform übermittelt. Demnach sollten "alle direkten und indirekten Bevorzugungen und Förderungen von fossilen Rohstoffen und Energieträgern gestrichen werden", sagte Rupprechter in Ö1. Dazu zähle eben auch die Steuerbegünstigung für Diesel.

Kurioserweise streiten BMF-VertreterInnen sogar jeden umwelt(!)politischen Effekt einer Änderung der Dieselbesteuerung ab, dies selbst in wissenschaftlichen Publikationen – vgl. zB Mayr/Müllnbacher in Steuer- und WirtschaftsKartei April 2016. Dabei ist das Phänomen des billigdieselverursachten LKW-Umwegverkehrs, das zu vermeidbarem Verkehr und damit selbstverständlich zu vermeidbaren Emissionen und Immissionen insbesondere in Tirol führt, bekannt und wissenschaftlich belegt (und wie erwähnt mit 75 Mio LKW-km pro Jahr von ansehnlicher Größenordnung).

Gänzlich unverständlich ist im Lichte dieses Umwegverkehrs-Faktums auch die Antwort des BMF vom 15.4.2016 an die LandesklimaschutzreferentInnenkonferenz, die eine Abschaffung des Dieselprivilegs gefordert hatte. Darin wird vom BMF erneut ein rein finanzielles „Zweckmäßigkeits“-Kriterium über den Schutz von Gesundheit und Umwelt gestellt:

“Dass eine verstärkte Ökologisierung des Steuerrechts nicht nur fiskalische Ziele verfolgen, sondern auch eine Verhaltensänderung der Bevölkerung bewirken soll, ist unbestreitbar. Allerdings gibt es gegen den übermittelten Bericht bzw. den Beschluss der Landesklimaschutzrefentinnenkonferenz Bedenken (…) Die „Abschaffung der steuerlichen Begünstigung von Dieselkraftstoffen“ ist auch in einem Gutachten des WIFO zu finden und wird auch dadurch nicht zweckmäßiger. Unbestritten führt die in Relation zu den Nachbarländern in der EU niedrige Besteuerung und damit der niedrige Dieselpreis dazu, dass viele internationale Frächter ihre Fahrzeuge in Luxemburg und in Österreich betanken. Daraus folgt gleichzeitig ein höheres Mineralölsteueraufkommen, das sich positiv auf das gesamte Steueraufkommen in Österreich auswirkt. Eine Angleichung des Dieselsteuersatzes an jenen für Benzin würde den Transitverkehr nicht im Mindesten einschränken, würde jedoch zu einer wesentlichen Aufkommensreduzierung bei der Mineralölsteuer führen. Es zeigt sich damit, dass alle Maßnahmen zu Gunsten des Umweltschutzes aus allen Blickwinkeln betrachtet werden müssen, damit nicht wesentliche, auch negative, Nebeneffekte übersehen werden.”

Selbstverständlich ist die Aussage des BMF zum angeblichen Nichtzusammenhang des Transitverkehrs mit dem Dieselpreis falsch: Bei Treibstoffverbräuchen um die 30 Liter auf 100 km - auf Gebirgsstrecken auch weit mehr -, ist es eben nicht egal und wirkungslos für die Routen- und auch die Verkehrsmittelwahl, ob der Liter Treibstoff 10 Cent mehr oder weniger kostet, wie die Fakten zum Umwegverkehr ja unumstößlich belegen.

Es gibt weiters auch keine negativen umwelt- oder gesundheitspolitischen „Nebeneffekte“ einer Abschaffung des Dieselprivilegs.

Daher ist die Forderung nach seiner Abschaffung unverändert richtig und aufrechtzuhalten.

 

Ein Zurechtrücken dieser steuerlichen Schieflage würde zudem generell das Umsteigen vom PKW auf den Öffentlichen Verkehr und vom LKW auf die Schiene und somit auf gesundheits-, umwelt- und klimaschonendere Verkehrsträger unterstützen.

Die Abschaffung des steuerlichen Dieselprivilegs wäre somit neben der EU-rechtlichen NOx-Frage auch ein sehr wichtiger Beitrag, um Österreichs Verpflichtungen im Klimaschutz, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimavertrag von Paris, nachzukommen.

 

Im Verkehrsausschuss wurde die Vertagung eines im Beschlusstext gleichlautenden Antrags durch die Regierungsparteien von diesen mit der (federführenden) Zuständigkeit des Finanzausschusses für diese Frage begründet.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie sowie dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, die steuerliche Besserstellung von Diesel gegenüber Benzin aus verkehrs-, umwelt- und gesundheitspolitischen Gründen unverzüglich zu beenden und dem Nationalrat einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Finanzausschuss vorgeschlagen.