1731/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 15.06.2016
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Entschließungsantrag

DRINGLICHER ANTRAG

gem. § 74a Abs.2 iVm § 93 Abs.2 GOG-NR

(Klubverlangen)

 

der Abgeordneten Matthias Strolz, Kollegin und Kollegen

betreffend neuer Stil durch transparente, professionelle und objektive Stellenbesetzung hinsichtlich der Wahl des/der ORF-Generaldirektors/in sowie der Ernennung von Minister_innen und Verfassungsrichter_innen

 

Vor einer Woche fand auf Initiative der Oppositionsparteien erstmals ein öffentliches Hearing zur Stellenbesetzung der Nachfolge des Rechnungshof-Präsident_in statt. Die Bereitschaft der Regierung bzw. Regierungsparteien, hier für mehr Transparenz zu sorgen, konnte erst durch die Ankündigung erreicht werden, allenfalls seitens der Oppositionsparteien in Eigenregie Hearings mit den nominierten Kandidat_innen zu organisieren. Dies führte nach Diskussionen in der Präsidiale schlussendlich zur Premiere eines offiziell vom Parlament organisierten Hearings.

Acht Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich dem Hearing, das für die interessierte Öffentlichkeit und Medienvertreter_innen zugänglich war. Auf Basis von Anhörung und Fragerunden durch die Ausschussmitglieder konnten sich die Zuhörer_innen ein Bild über die kandidierenden Personen und ihre Konzepte für die Führung des Rechnungshofes machen. Was dann folgte, nannte die Tageszeitung "Der Standard" eine "demokratiepolitische Farce". Denn nicht der/die beste Kandidat_in wurde schließlich gewählt, sondern jene Person, auf die man sich nach Koalitionsstreit und aus Machterhaltungskalkül schlussendlich einigen konnte.

Zahlreiche Abgeordnete im Hauptausschuss entschieden nicht nach bestem Wissen und Gewissen für die bestqualifizierte Person, sondern entlang von „Klubzwang“ und aus rein parteitaktischem Kalkül. Aus Sicht von Expert_innen, Journalist_innen und – hört man die Aussagen hinter vorgehaltener Hand – der Mehrheit der wahlberechtigen Abgeordneten im Hauptausschuss, war die gewählte Kandidatin nicht die in der Sache bestgeeignete aus der Runde jener Personen, die zur Wahl standen. "Die Presse" interpretierte die Wahl der Rechnungshofpräsidentin wie folgt: "Also nicht von der Kompetenz der Personen wurde die Sache entschieden, sondern von ganz anderen Motiven." Den Schaden der fragwürdigen Personalentscheidung trägt die gesamte Republik, ist der Rechungshof doch ihr wichtigstes Kontrollorgan.

Abgeordnete mehrerer Parteien waren bereit, den Rechnungshof zu schwächen, um parteitaktischen Erwägungen den Vorzug zu geben. Die Öffentlichkeit registriert dies mit Empörung. „Rechnungshof: Packelei statt Erneuerung“, titelt der Standard. „Holprige Bestellung der neuen Rechnungshofpräsidentin“, resümiert die ZiB2 im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Einigkeit besteht darüber, dass es sich bei dem beobachteten Geschehen und den getroffenen Entscheidungen um althergebrachte und problematische Handlungsmuster alteingesessener Parteien handelt, die Österreich hinter sich lassen sollte. „Das nennt sich dann, äh, "New Deal"?“ fragt der Kurier zu Recht.

Nun könnte man die Meinung vertreten, dass öffentliche Hearings für Spitzenpositionen der Republik also kein demokratiepolitischer Fortschritt wären, da offensichtlich die Abstimmungslogiken in alteingesessenen Parteien doch wieder jenseits evidenzbasierter Perspektiven passieren. Dagegen ist einzuwenden, dass ein öffentliches Hearing ein „Instrument“ darstellt. Die Frage über die Nutzung des Instruments obliegt den Anwender_innen. Jedes Instrument kann durch zweifelhaften Einsatz gleichsam pervertiert werden. Das gilt für den Hammer, das Küchenmesser und auch für öffentliche Hearings. Schlussendlich ist es eine Frage der demokratiepolitischen Reife, der intellektuellen Redlichkeit und der politischen Haltung der involvierten Abgeordneten und Parteien, einen verantwortungsbewussten Einsatz des Instrumentes „öffentliches Hearing“ zu gewährleisten. Es geht hier um Transparenz, um die Glaubwürdigkeit der Politik und um die Fairness und Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen.

 

Neue Chance für den "Neuen Stil"

"Wir müssen dieses Schauspiel der Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit beenden", forderte Christian Kern in seiner ersten Erklärung als Bundeskanzler. Die eben skizzierte Bestellung der neuen Rechnungshofpräsidentin konterkariert dieses Versprechen bereits wenige Tage nachdem es gegeben wurde. Demnächst, Anfang August, wartet allerdings eine weitere Chance, den ausgerufenen "Neuen Stil" der Bundesregierung – für die Öffentlichkeit nachvollziehbar – in die Tat umzusetzen: Am 9. August wird der/die Generaldirektor_in des ORF durch die Mitglieder des Stiftungsrates gewählt.

Die Leitung des größten österreichischen Medienunternehmens hat hohe Relevanz und Strahlkraft: Der ORF ist mit fast einer Milliarde Euro Umsatz ein dominanter Player am Medienmarkt. Er erhält rund 600 Millionen Euro aus Rundfunkgebühren und ist damit auf breiter Basis öffentlich finanziert. Der ORF gehört gleichsam den Gebührenzahler_innen. Und er ist aus demokratiepolitischer Sicht bedeutend: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde geschaffen, um als objektive Quelle der Information und politischen Meinungsbildung den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes zur Verfügung zu stehen. Leider ist der ORF bis dato nicht mit der notwendigen strukturellen Unabhängigkeit ausgerüstet, um ausreichend immun gegenüber parteipolitischer Einflussnahme zu sein. Denn die Parteien – stark überrepräsentiert die Regierungsfraktionen – sind über sogenannte "Freundeskreise" im ORF-Stiftungsrat organisiert. Dieser wählt alle fünf Jahre eine_n Generaldirektor_in, der/die sich entsprechende Mehrheiten vor der Wahl organisieren muss. Somit sind die Parteien, abhängig von ihrer Größe, ein zentraler Bestandteil in der personellen und in weiterer Folge inhaltlichen Ausgestaltung des ORF. Auch die ORF-Mitarbeiter_innen sehen diese Konstellation als problematisch an: Der ORF-Redakteursrat fordert seit längerem eine Teilhabe am Stiftungsrat durch Personen mit Fach-Qualifikation, die keinem der "Freundeskreise" angehören.

Ent(partei)politisierung des ORF

Die grundsätzliche Forderung der Ent(partei)politisierung des ORF stellt NEOS schon seit Beginn der Bewegung. Eine nachhaltige Lösung führt dabei nur über die Neuordnung der ORF-Gremien. Um parteipolitische Unabhängigkeit abzusichern, müssen die bestehenden Gremien in Anlehnung an das Aktiengesetz neu geordnet werden. Der Stiftungsrat muss aus seiner Doppelrolle als Eigentümervertreter und Aufsichtsrat befreit werden: Eine gesellschaftlich breit besetzte Stifterversammlung übernimmt die Funktion einer Hauptversammlung und wählt die Mitglieder eines neu geschaffenen Aufsichtsrates. Dieser würde dann den Vorstand des ORF und somit über dessen Grundsatzentscheidungen bestimmen.

Um die Ent(partei)politisierung des ORF ins Leben zu bringen, bedarf es einer umfassenden Umgestaltung des ORF-Gesetzes. Einen detaillierten Vorschlag dazu hat NEOS unterbreitet und ist online abrufbar.[1] Diese ORF-Reform ist längst ausständig, kurzfristig leider nicht zu erreichen, sollte aber – dringend und wichtig – noch in dieser Legislaturperiode angegangen werden. Ein Zwischenschritt in Richtung Ent(partei)politisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss jedoch über die transparente, objektive und professionelle Bestellung des/der ORF-Generaldirektors/in gemacht werden. Dieser Schritt ist möglich, kurzfristig machbar und aus Gründen demokratiepolitischer Hygiene notwendig.

 

Die beste Unternehmensstrategie live auf ORF III

Der ORF ist ein Milliarden-Unternehmen, weitestgehend öffentlich finanziert und nimmt im Medienbereich eine marktdominante Stellung ein. Es mutet grotesk an, dass die öffentliche und nicht-öffentliche Auseinandersetzung anlässlich der Bestellung einer neuen Unternehmensspitze vor allem darin besteht, Köpfe im Stiftungsrat zu zählen. Was in Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, seinen Mitarbeiter_innen und auch gegenüber den Gebührenzahler_innen notwendig wäre, ist eine breite, sachorientierte Diskussion über die möglichen Zukunftsstrategien des Unternehmens. Die Medienbranche befindet sich in einem gewaltigen Umbruch und auch der ORF steht gleichsam vor einer Zeitenwende.

Die öffentliche Präsentation und Diskussion alternativer Unternehmensstrategien ist das Gebot der Stunde. Der ORF, wie alle Medienhäuser, steht vor großen Herausforderungen: Digitalisierung und Internationalisierung bringen gewaltige Veränderungen. Hier müssen Visionen, Ziele und Strategien entwickelt und entschieden werden. Es braucht einen proaktiven Umgang mit dem laufenden Paradigmenwechsel. Die künftige Unternehmensstrategie wird für die Zukunft des ORF erfolgskritisch sein. Und sie wird auch darüber entscheiden, was die Bürgerinnen und Bürger vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk geboten bekommen. Daher muss jene Person als Generaldirektor_in bestellt werden, welche die überzeugendsten Vision, Ziele und Strategien für das Unternehmen mitbringt.

Die Kandidat_innen für die Generaldirektion sollen daher ihre Pläne für das Unternehmen vor den Mitgliedern des Stiftungsrates präsentieren. Die interessierte Öffentlichkeit sowie Medienvertreter_innen sollen dabei teilnehmen können. Den Mitgliedern des Publikumsrates soll zusätzlich ein limitiertes Fragerecht zugestanden werden. ORF III soll das Hearing live übertragen. Dieses Prozedere kann auf Grundlage einer kurzfristigen Gesetzesänderung oder – wie im Fall des Rechnungshof-Hearings – auf konsensualer, informeller Basis vorgenommen werden. Faktisch ist allein ausschlaggebend, ob bei den zwei Regierungsparteien bzw. ihren Freundeskreisen im Stiftungsrat der politische Wille für diese transparente Vorgehensweise gegeben ist oder nicht.

 

Hearings für Ministeramtsanwärter_innen und Verfassungsrichter_innen

Doch nicht nur für den ORF braucht es mehr Transparenz und Ent(partei)politisierung. Auch bei der Bestellung der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes benötigen wir einen transparenten Bestellungsmodus. Und wie die mitunter willkürlich wirkenden Ministerrochaden der letzten Monate belegen – auch bei der Bestellung von Bundesminister_innen sollte eine sachbezogene, öffentliche Auseinandersetzung die Entscheidungsgrundlage sein, um die Glaubwürdigkeit der höchsten Organe und Institutionen der Republik zu stärken.

So gibt es etwa bei den Richtern des Verfassungsgerichtshofes kein gesetzlich vorgeschriebenes Hearing. Dabei werden die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Verfassungsgerichtshofes vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung, des Nationalrates und des Bundesrates ernannt, wobei die zwei Kammern des Parlaments je drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder (Nationalrat), respektive ein Ersatzmitglied (Bundesrat), vorschlagen. Die Bundesregierung erstellt Vorschläge für den Präsidenten, den Vizepräsidenten, sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder. Dieses Prozedere mit öffentlichen Hearings für diese wichtigen Positionen zu kombinieren, wäre die logische Konsequenz eines "neuen Stils" bei der Stellenbesetzung. Immerhin geht es um die bedeutendsten juristischen Schlüsselpositionen der Republik.

In Bezug auf die Ernennung von Bundesminister_innen sollte es ein öffentliches Hearing zur umfassenden Prüfung der Eignung der potentiellen Anwärter_innen geben. Als Vorbild dafür sollen die Hearings für Kommissionskandidat_innen der Europäischen Union dienen. Die Anwärter_innen sollen in einem öffentlichen Rahmen ihr fachliches Wissen und ihre persönliche Eignung unter Beweis stellen.

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die das Bundesgesetz über den Österreichischen Rundfunk (ORF-Gesetz) dahingehend abändert, dass eine transparente, professionelle und objektive Stellenbesetzung hinsichtlich der Position des/der ORF-Generaldirektor_in ermöglicht wird.

Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, die ein Hearing vor der Ernennung von Bundesminister_innen und Verfassungsrichter_innen vorsieht.“

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.2 iVm § 93 Abs.2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.



[1] Gestaltungsvorschlag von NEOS zur Neuordnung des ORF: https://neos.eu/wp-content/uploads/2014/04/neuordnung-des-orf.pdf