1781/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 06.07.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend gleichen Zugang zu Rehabilitation für alle Menschen, die Rehabilitation benötigen

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz garantiert nicht allen Versicherten gleichen Zugang zu medizinischen Maßnahmen der Rehabilitation, wenn sie diese benötigen. Einen Anspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation haben nur Menschen bei vorübergehender „Invalidität“ von zumindest sechs Monaten, wenn die Rehabilitation „zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit notwendig und infolge des Gesundheitszustandes zweckmäßig“ ist. Die wesentliche Bedingung der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit schließt somit große Gruppe von Menschen aus, die nicht erwerbstätig sind oder auch gar nicht erwerbstätig sein können: Kinder, mitversicherte Angehörige und PensionistInnen. Auch chronisch kranke Menschen haben keinen Rechtsanspruch auf Rehabilitation.

Die vom Rechtsanspruch ausgeschlossenen Menschen erhalten medizinische Rehabilitation nicht als Pflichtleistung mit Rechtsanspruch, sondern als sogenannte „Pflichtaufgabe“ der zuständigen Versicherungsträger (in der Regel die Krankenversicherungsträger): „nach pflichtgemäßen Ermessen“ der Versicherungsträger. Das heißt in der Praxis: Die Träger entscheiden ohne Anhörung der Versicherten nach eigenem Ermessen (und auf Basis interner Anweisungen, die den Betroffenen regelmäßig gar nicht bekannt sind).

Die Teilung der Versicherten in zwei Gruppen, denen das ASVG offenkundig unterschiedlichen Wert zumisst, führt zu absurden Ergebnissen: So etwa wird PensionistInnen der Zugang zu ambulanten Rehabilitationsformen, die für die Betroffenen selbst weniger belastend und für die Versichertengemeinschaft kostengünstiger sind, als die zugebilligten Rehabilitationsmaßnahmen, verwehrt, ohne dass sich die Betroffenen dagegen zur Wehr setzen können oder überhaupt eine Gelegenheit erhalten, Argumente für oder gegen bestimmte Formen der medizinischen Rehabilitation vorzubringen.

Die absurde und kontraproduktive Gesetzeslage lässt sich deutlich machen am Beispiel eines Versicherten, den wir hier Herrn A nennen: Herr A. erlitt 2014 einen Lungeninfarkt und musste permanent künstlich beatmet werden. Seither benötigt er regelmäßig Sauerstoff - und zwar beim Schlafen als auch bei Anstrengungen.

Nach Entlassung aus dem Krankenhaus absolvierte Herr A eine stationäre Rehabilitation, über die er schreibt: „Ich war nicht besonders happy und zufrieden, da ich erwartete, dass mehr getan wird und ich mehr gefordert werde. Im Durchschnitt war ich zu 4 Terminen a 25 Minuten an einem Tag eingeteilt – entspricht einer Aktivität von 100 Minuten innerhalb von vielleicht 8 – 9 Stunden am Tag! Dies ist nicht wirklich viel, oder? Abgesehen vielleicht davon das wir bei 35 cm Schnee 40 Minuten Nordic Walking gehen mussten!“

Nachdem sich trotz stationärer Rehabilitation keine Besserung einstellte, konnte Herr A. mit Unterstützung seines Lungenfachartzes eine ambulante Rehabilitation besuchen. Er schreibt: „Diese Rehab hat voll meinen Erwartungen entsprochen da hier extrem auf die Person, den Menschen und das Krankheitsbild eingegangen wurde!“

Nach Ende der ambulanten Rehabilitation wurde Herr A. auf Vorschlag des Krankenversicherungsträgers pensioniert. Infolge neuerlicher Komplikationen und einer stationären Aufnahme im Krankenhaus suchte Herr A. – inzwischen nicht mehr erwerbstätig, sondern Pensionist – Anfang 2016 abermals um eine Rehabilitation an.

„Nachdem ich einen Vergleich zwischen stationärer und ambulanter Rehab hatte“, schreibt Herr A. dazu, „habe ich mich erkundigt, ob ich nicht die ambulante Rehab im Jahr 2016 als postoperative Rehab wiederholen kann! Die Antworten, die ich erhielt waren mehr als niederschmetternd:

- PVA: Wir haben für PENSIONISTEN keine gesetzliche Grundlage

- NÖGKK: Wir haben keine Einrichtungen dafür - gehen Sie zur PVA!

- In diesem Kreislauf könnte ich mich noch heute bewegen, aber interessanterweise hat mir die PVA ein Mail geschrieben das ich doch für eine stationäre Rehab ansuchen soll! Dies habe ich gemacht und innerhalb kürzester Zeit erhielt ich die Bewilligung.“

Zusammengefasst: Auf Grund der Ungleichbehandlung der Versichertengruppen im ASVG konnte Herr A. als Pensionist jene Rehabilitationsmaßnahme, die erfolgreich war und die er wollte, nicht mehr besuchen, obwohl sich diese in medizinischer Hinsicht als effektiver als die stationäre Rehabilitation erwiesen hat und außerdem noch Beitragsgelder der Versicherten spart.

 

Diese Situation ist in mehrfacher Hinsicht unverständlich, kontraproduktiv und unerträglich:

 

Zur Behebung dieses Missstandes sind jedenfalls mehrere Schritte notwendig:

Einerseits gilt es, die Pflichtaufgabe der medizinischen Rehabilitation als Pflichtleistung mit Rechtsanspruch und – daraus folgend – mit Rechtsmittelverfahren auszugestalten. Andererseits ist es aber auch notwendig, in § 154a Abs. 2 ASVG die Möglichkeit der ambulanten Rehabilitation ebenso aufzunehmen, wie sie seit dem Jahr 2011 für Menschen mit Rechtsanspruch in § 302 Abs. 1 Z 1a ASVG enthalten ist.

Dieser Antrag verursacht keine Mehrkosten für die Versicherungsträger. Mehrkosten sind insofern undenkbar, als dies ja gleichzeitig bedeuten würde, dass die Krankenversicherungsträger ihre derzeitige Pflichtaufgabe nicht – wie vom Gesetz verlangt – pflichtgemäß erfüllen würden.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Frauen und Gesundheit wird ersucht, dem Nationalrat ehestens, jedenfalls jedoch bis Ende 2016, eine Gesetzesvorlage zukommen zu lassen, die allen Versicherten im Bedarfsfall einen Rechtsanspruch auf medizinische Maßnahmen der Rehabilitation sowie gegebenenfalls die Möglichkeit der Berufung gegen abschlägig beschiedene Anträge auf Rehabilitation garantiert. Außerdem ist zu gewährleisten, dass die Möglichkeit der Durchführung ambulanter medizinischer Rehabilitation bei Bedarf allen vom Versicherungsschutz erfassten Menschen offensteht.“

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.