1898/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 22.11.2016
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend verbesserte Rahmenbedingung zur finanziellen Absicherung für junge Erwachsene in Ausbildung

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die Arbeitslosenrate hängt stark vom Ausbildungsniveau des Arbeitskräftepotenzials ab. Das Risiko arbeitslos zu werden liegt bei Personen mit max. einem Pflichtschulabschluss bei 27% (Elis-Abfrage). Von den 33.542 unter 25-Jährigen, die im September 2016 beim AMS vorgemerkt waren, verfügt sogar weit mehr als ein Drittel über nur einen bzw. keinen Pflichtschulabschluss (13.929 Personen, Bali-Abfrage).

 

In der traditionellen Bildungs- und Berufsbiographie findet Schul- und Berufsausbildung in jungen Jahren statt. Daran anschließend folgt der Berufseinstieg mit eventuellen Erwerbspausen durch Karenzen und Arbeitslosigkeit bzw. Erwerbstätigkeit bis zur Pension. Das Bildungs- und Berufsausbildungssystem ist Großteils auf dieser veralteten Logik aufgebaut. Wenn die Ausbildungschance in jungen Jahren aus verschiedenen Gründen nicht genutzt wird bzw. durch fehlende Berufsinformation und -beratung nicht im ausreichenden Maß erfolgt, dann ergreifen junge Menschen – häufig um finanziell eigenständig zu werden – Jobs, die ein geringes Qualifikationsniveau beanspruchen.

Diese Jobs sind meist instabil, bedingen wenig Perspektive und ermöglichen in Phasen der Arbeitslosigkeit keine existenzsichernde Situation. Hilfsarbeitsbeschäftigungen, die sich aneinander reihen erweisen sich im mittleren und späteren Erwerbsleben als Bumerang, sind mit einem hohen Arbeitslosenrisiko verbunden und bieten keine ordentliche Absicherung im Alter.

 

Die im Sommer 2016 eingeführte Ausbildungspflicht bis 18 Jahre greift einerseits aufgrund ihrer schrittweisen Einführung nicht so schnell (jedes Jahr erfolgt eine neue Kohorte, der Vollausbau ist erst 2018/19 erreicht), anderseits gibt es derzeit nach wie vor zu wenig Angebote für junge Erwachsene ab 18 Jahren. Geringqualifizierte Menschen, die als Hilfskräfte arbeiten, haben es schwer an geeignete Ausbildungen und (Nach)Qualifizierungen zu gelangen, weil damit fast immer eine finanzielle Einbuße und dadurch fehlende Existenzsicherung in Verbindung steht. Die angekündigte „Ausbildungsgarantie bis 25 Jahren“ wird sich genau diesem Thema widmen müssen, um junge Menschen für Ausbildung zu begeistern und die Fachkräfte für morgen zu stellen. Hier sind von der Bundesregierung Nachqualifizierungsangebote geplant für junge Erwachsene, die bereits länger als vier Monate nicht durch das AMS vermittelt werden konnten.

 

Grundsätzlich gibt es bereits mehrere mögliche Förderungsarten für junge Erwachsene in Ausbildung: das Fachkräftestipendium (wieder ab 2017), die Fachkräfte-Intensivausbildung oder AMS-Maßnahmen, die zu formalen Ausbildungsabschlüssen führen, sowie die duale Lehre. Diese Möglichkeiten werden nun in Folge beschrieben.

Allgemein lässt sich sagen, dass die Zugänge für Qualifizierungsinteressierte schwer eruierbar sind, weil es eine Vielzahl an Programmen und Förderungen für spezifische Subgruppen gibt. Rechtsansprüche gibt es keine. Des Weiteren werden nur bestimmte Ausbildungsschienen gefördert, die auf sehr engen „Mangelberufslisten“ basieren. Ebenso ist für den Zugang eine vorangegangene längere Arbeitslosigkeitsphase Voraussetzung und es gibt nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen. Das AMS bzw. der einzelnen Berater/ die einzelne Beraterin hat deshalb eine enorme Bedeutung als gate-keeper bei der Vermittlung solcher Förderungen. HilfsarbeiterInnen, die nicht arbeitslos sind, bekommen den Zugang zu den meisten Förderungen erst gar nicht.

 

Das Fachkräftestipendium ist für junge Erwachsene schwer zugänglich, mindestens vier Jahre arbeitslosenversicherungspflichtige unselbständige oder pensionsversicherungspflichtige selbständige Erwerbstätigkeit innerhalb der letzten 15 Jahre sind Voraussetzung. Für Hilfsarbeitskräfte wäre der Zugang zum Fachkräftestipendium prinzipiell möglich, für Personen, die eine Lehre abgebrochen haben, ist dies aber unrealistisch. Die Höhe des Fachkräftestipendiums entspricht mindestens der Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes, abzüglich eines Krankenversicherungsbeitrages. Zudem ist die Ausbildungsliste (Mangelberufsdefinition) derzeit sehr eng gefasst. Berufsausbildungen im Metall-, sowie Bau-Holz-Gewerbe, in Elektrotechnik, Gesundheit und Pflege, sowie Informationstechnologie werden gefördert.

 

Die Fachkräfte-Intensivausbildung erfolgt innerhalb einer kurs- und werkstattorientierten Ausbildung bei externen Bildungsträgern und dauert in der Regel zwischen einem und eineinhalb Jahren. Die Ausbildung endet mit einer außerordentlichen Lehrabschlussprüfung. Die finanzielle Absicherung erfolgt in der Höhe des Arbeitslosengeldes. Die Bereiche der Ausbildungen kommen durch AMS-Ausbildungsausschreibungen an Bildungsträger zustande.

 

Für junge Erwachsene (über 20 Jahre und älter) in einer dualen Ausbildung gibt es derzeit eine spezifische Form der Basisförderung. Sie kann gewährt werden, wenn der Ausbildungsbetrieb den Lehrling mindestens nach dem Entgelt für Hilfskräfte entlohnt. Diese spezielle Basisförderung umfasst im ersten Lehrjahr drei kollektivvertragliche Bruttohilfsarbeiterentgelte, im zweiten Lehrjahr zwei und im dritten Lehrjahr ein Bruttohilfsarbeiterentgelt. Diese Unterstützung wird kaum in Anspruch genommen, bis August 2016 erhielten sie nur 97 Personen (9669/AB).

 

Die Möglichkeit für Erwachsene eine duale Lehrausbildung nachzuholen scheitert daher oft an der finanziellen Absicherung. Eine Lehrlingsentschädigung ist speziell in den ersten zwei Jahren zu niedrig ist um damit auszukommen. Häufig ist in dieser Lebensphase bereits Miete zu zahlen oder sogar Unterhaltspflichten nach zu kommen. In Fällen wo die Ausbildung vor dem 18. Lebensjahr begonnen wurde gibt es manchmal den Zugang zur Mindestsicherung (wenn überhaupt die Voraussetzungen erfüllt sind, z.B. Partnereinkommen, keinerlei Vermögen), die Handhabe ist aber in den Bundesländern unterschiedlich und für die Zukunft nicht abzusehen. Junge Erwachsene, die erst später eine Ausbildung beginnen, haben ohnehin keinen Zugang mehr. Prinzipiell ist es aber fraglich, ob ein Mindestsicherungsbezug die ideale Finanzierung für Ausbildungsphasen darstellt.

 

Ein weiterer Aspekt, der relevant für eine verspätete Berufsausbildung ist, liegt in der Möglichkeit eine verkürzte duale Lehrausbildung zu absolvieren. Im Detail liegen hier aber Widersprüche von Interessen im System. Die Anrechnung bzw. Einschätzung der mitgebrachten Vorqualifikationen – etwa durch langjährige einschlägige Hilfsarbeitertätigkeit in der Branche - wird derzeit dem möglichen Lehrbetrieb  überlassen. Den Landes-Berufsausbildungsbeiräten wird diese Einschätzung vorgelegt, der Empfehlung wird meist entsprochen. Potenzielle Lehrbetriebe befinden sich damit automatisch in einem Zielkonflikt zwischen der finanziell günstigeren Variante einer längeren Lehrzeit und der tatsächlichen Anerkennung von Vorqualifikationen. 2015 wurden insgesamt 764 Anträge bei den einzelnen Landes-Berufsausbildungsbeiräten gestellt (9669/AB). Angesichts von 50.000 jungen Erwachsenen in einer Lehre ist hier der Bedarf sicherlich größer.

 

Schließlich scheint einer späteren Qualifizierung in Form einer Lehre noch im Wege zu stehen, dass eine Lehrausbildung immer als Vollzeitausbildung stattfinden soll. Erwachsene Lehrlinge mit Betreuungspflichten haben dadurch Schwierigkeiten die Ausbildung mit ihrer Lebensphase zu vereinbaren und erwägen erst gar nicht eine zu beginnen oder fortzusetzen. Diese Situation braucht eine Änderung!

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird aufgefordert, im Rahmen des vorgestellten Maßnahmenpakets zur „Ausbildungsgarantie bis 25 Jahren“ (u.a. Fachkräfte-Intensivausbildung, Lehre für Erwachsene) folgende Aspekte des Zugangs und der finanziellen Absicherung zu berücksichtigen:

 

·        Stärkung des Prinzips Ausbildung und Nachqualifizierung soll Vorrang innerhalb der AMS-Betreuung (Abgang von der schnellstmöglichen Jobvermittlung nicht erst nach vier Monaten Arbeitslosigkeit) haben

·        Im Bereich des Fachkräftestipendiums:

o   Erweiterung der Berufsliste und Sicherstellung der langfristigen Finanzierung

·        Im Bereich der Fachkräfte-Intensivausbildung:

o   Zugang auch für noch nicht arbeitslose junge Erwachsene ermöglichen

o   Sicherstellung von ausreichenden Kapazitäten

·        Im Bereich der Lehre für Erwachsene:

o   Adaption der Lehrlingsentschädigung: Ältere Lehrlinge sollen mindestens nach Hilfsarbeiter-Entgelt bezahlt werden.

o   Erhöhung der speziellen Basisförderung für erwachsene Lehrlinge für Ausbildungsbetriebe

o   Antragstellung bei und Einschätzung der Anrechnungen für eine verkürzte Lehrzeit durch eine Kompetenzerweiterung im Landes-Berufsausbildungsbeirat

o   Stimmrecht für Berufsschul-VertreterInnen im Landes-Berufsausbildungsbeirat

o   Möglichkeit der Teilzeitlehre für erwachsene Lehrlinge mit Kindern

o   Aufnahme der sozialen Situation von Lehrlingen als Gegenstand in den Lehrlingsbericht (ähnlich der Studierendensozialerhebung)

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales  vorgeschlagen.