1979/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 31.01.2017
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kollegin und Kollegen

betreffend Reformierung des Ausgleichsfonds

Der Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen ist in seiner jetzigen Form unsolidarisch und lässt jeden Anreiz zur Sparsamkeit vermissen: Während einige Kassen wie die BVA aufgrund guter Beitragszahler mit oftmals geringem Gesundheitsrisiko ein Reinvermögen in Höhe von über 800 Millionen Euro anhäufen konnten, kämpfen die Gebietskrankenkassen teilweise mit finanziellen Engpässen. Ein wirklich solidarischer Ausgleich der strukturellen Unterschieden zwischen "armen" und "reichen" Kassen erfordert, dass alle Kassen gleichermaßen an einem finanziellen Ausgleichsfonds beteiligt sind. Echte Solidarität bedeutet, dass Kassen mit schwächeren Strukturen von Kassen mit günstigeren Strukturen gestützt werden. Das sieht das Gesundheitsministerium derzeit anders, wie aus der Anfragebeantwortung zur Anfrage 10641/J hervorgeht. Bereits "Die Presse" schrieb Anfang Jänner 2017 von einer "Zwei-Kassen-Gesellschaft" (Christian Höller, Die Presse, 04.01.2017). Ein solidarischer Risikostrukturausgleich bedeutet aber auch, dass nicht, wie es derzeit passiert, die gut wirtschaftenden Krankenkassen bedingungslos für die schlecht wirtschaftenden aufkommen müssen.

Aus den Zahlen der Anfragebeantwortung wird ersichtlich, dass die Gebietskrankenkassen in Vorarlberg (VGKK) und Salzburg (SGKK) im letzten Jahr Summen von 8,1 Millionen Euro und 11,4 Millionen Euro in den Ausgleichsfonds eingezahlt haben und im Gegenzug lediglich nur einen minimalen Anteil von 0,64% (1,9 Millionen Euro) und 0,87% (2,59 Millionen Euro) aus dem Fonds erhalten haben. Insbesondere über den „Liquiditäts-/Verlustausgleich“ erhielten beide Kassen nichts – und das, obwohl die VGKK eine ähnliche Versichertenstruktur wie die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) aufweist. Die WGKK hingegen erhielt über diesen "Liquiditäts-" bzw. "Verlustausgleich" seit 2010 über 400 Millionen Euro und teilweise über 40% aller Gelder aus dem Ausgleichsfonds. Über den aktuellen Strukturausgleich 2015 würden ihr zwar lediglich 19 Millionen Euro zustehen – Aber laut „Liquiditäts-/Verlustausgleich“ erhielt die WGKK letztes Jahr 98 Millionen Euro, während alle anderen Kassen unter diesem Titel leer ausgingen. Die WGKK hat jedoch den größten Anteil an Versicherten unter 39 Jahren und den geringsten Anteil an Versicherten über 60 Jahren - die Voraussetzungen für besseres Wirtschaften wären also gegeben, da sie eine der jüngsten Versichertengemeinschaften betreut.

Auch Rechnungshof kritisierte Ausgleichsfonds und stellte dessen Effektivität in Frage

Der Rechnungshof hält in seinem Bericht von März 2016 fest: "Die WGKK profitierte im Zeitraum 2009 bis 2013 erheblich von Bundesmitteln (677,05 Mio. EUR) und konnte dadurch ihr Reinvermögen verbessern. Anders als die StGKK erreichte sie jedoch keine nachhaltige Sanierung." (S.36). Es zeigt sich somit deutlich, dass mit höheren finanziellen Zuschüssen nicht zwingend Sanierungs- und Sparmaßnahmen oder andere finanzielle Reformen innerhalb der Kassen einhergehen. Ähnlich verhält es sich auch mit den Geldern aus dem Liquiditätsausgleich: Hier erhielt die WGKK im selben Zeitraum etwa 500 Millionen Euro aus dem Liquiditätsausgleich und saß 2014 trotzdem auf einem negativen Reinvermögen von -37,5 Millionen Euro.
Zugleich forderte der RH, den Strukturausgleich dem Liquiditätsausgleich vorzuziehen (S.142), was zwar schrittweise geschah, aber ab 2017 wieder gestoppt wurde (vorläufig bis 2021). Aktuelle Zahlen zeigen jedoch, dass im letzten Jahr trotz dieser langsamen Umverteilung der Mittel die WGKK nach wie vor einen großen Anteil der Gelder über den Liquiditätsausgleich erhielt. Zudem kritisierte der Rechnungshof die Ausgestaltung des regionalen Strukturausgleichs. Grundsätzlich befürwortet der RH den Regionalausgleich, aber er bemängelte die Ausgestaltung, da ein reiner Mehrausgaben-Ausgleich zu Ineffizienz-Anreizen führt. Als Antwort auf diese Kritik am Ausgleichsfonds berief sich das BMGF sowohl auf die notwendigen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen für die Umsetzung der Empfehlungen, welche beim Hauptverband lägen, als auch auf verfassungsrechtliche Beschränkungen. Der RH war jedoch der Meinung, dass das BMGF aktiv "an der Weiterentwicklung des Ausgleichsfonds mitarbeiten sollte" und dass zudem verfassungsrechtlich erheblicher Spielraum bestünde (S.146). Im Sinne der Solidarität ist es dringend erforderlich, dass die Bundesregierung hier tätig wird.

Der Liquiditätsausgleich bestraft also Kassen, die sparsam und effizient mit ihren Beiträgen umgehen und bevorteilt schlecht wirtschaftende wie die WGKK, welche im letzten Jahr als einzige vom sog. "Verlustausgleich" profitieren konnte. Eine Kontrolle über das Wirtschaften und damit eine realistische Einschätzung dessen, worauf der massive Bedarf der WGKK an Verlustausgleichszahlungen zurück zu führen ist, ist seitens der Regierung nicht gegeben - diese beruft sich auf den Kompetenzbereich des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Strukturelle Defizite zwischen den Kassen sollen weiterhin ausgeglichen werden, denn sie treten aufgrund von Demografie und geografischen Gegebenheiten auf und sind nicht das Verschulden der Kassen. Zur Förderung der Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit des Systems ist es aber angebracht, den Liquiditätsausgleich abzuschaffen, denn dieses Instrument kann nicht gewährleisten, dass sich die Kassen nicht auf den jährlichen Zahlungen ausruhen, ohne auf die Bilanz zu schauen.

 

Des Bundeskanzlers Plan A

Auch Bundeskanzler Christian Kern stellt in seinem "Plan A" die Forderung an das Gesundheitssystem, Kassenleistungen anzugleichen. Vom Prinzip "gleiche Leistungen für gleiche Beiträge" ist das österreichische Kassensystem Lichtjahre entfernt, wie zahlreiche Anfragebeantwortungen und Analysen der Krankenkassen ergeben haben. So schreibt Kern in seinem Grundsatzpapier: "Erklärtes Ziel ist es deshalb, alle Leistungen anzugleichen..." (S.84). Und weiter: "Die Krankenversicherungsträger verfügen über rund 2,65 Milliarden Euro an Rücklagen ... Manche Träger wie die BVA können jährlich Rücklagen aufbauen. Im Gegensatz dazu haben die Gebietskrankenkassen unterschiedliche Risikogruppen. Hier sind auch arbeitslose oder armutsgefährdete Personen wie BezieherInnen der Mindestsicherung geschützt. […] Die Rücklagen könnten wir gleich für die Verbesserung der ärztlichen Versorgung einsetzen. Schließlich sollen die Beiträge der Versicherten auch diesen zugutekommen, anstatt gehortet zu werden“ (S.87). Genau dieser Ungleichheit an Rücklagen und Leistungen kann ein Ausgleichsfonds entgegenwirken, vorausgesetzt, er nimmt eine BVA genauso in die Pflicht, sich zu beteiligen, wie jede andere Kasse. Wenn sich mit solchen Aussagen scheinbar zumindest ein Teil der Regierungsparteien bereit erklärt, für echten Ausgleich und Solidarität zu sorgen, sollte einer Reformierung des Ausgleichsfonds nichts mehr im Wege stehen.

Am Ausgleichsfonds sind derzeit nur die Gebietskrankenkassen beteiligt. Richtigerweise bezieht ein Strukturausgleich alle im Hauptverband organisierten Krankenversicherungsträger mit ein. Schließlich unterscheiden sich besonders die kleinen Versicherungsträger in ihrer Versichertenstruktur von den Gebietskrankenkassen (Anteil Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher unter den Versicherten, durchschnittliche Beitragsgrundlage der Versicherten, ...). Aus einer VfGH-Entscheidung vom 13.03.2004 zu G279/02 („VfGH zu Krankenkassen-Finanzierung“) ging die Aufhebung der Beteiligung der BVA am Ausgleichsfonds hervor - dies lag aber daran, dass der Ausgleich sich nicht an jenen Kriterien orientiert hatte, die der VfGH für zulässig erachtet hätte (Versichertenstruktur), sondern auch und vor allem an der Frage, ob Überschüsse vorliegen oder nicht.

Der Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen bedarf also dringend einer Reform, um Solidarität und Anreiz zur Sparsamkeit im Gesundheitssystem gewährleisten zu können - in einem harmonisierten Gesundheitssystem mit weniger unterschiedlichen SV-Trägern und -leistungen würde sich der Ausgleichsfonds selbstverständlich erübrigen - in solch einem Fall gäbe es keine "armen" und "reichen" Kassen und keine unterschiedliche Streuung des Risikos der Versichertenstruktur.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG


Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat schnellstmöglich eine Regierungsvorlage vorzulegen, die den Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen so reformiert, dass sich alle Krankenversicherungsträger und Krankenfürsorgeanstalten an einem Ausgleichsfonds bzw. Risikostrukturausgleich beteiligen müssen, der Regionalausgleich neu gestaltet wird und der Liquiditäts- bzw. Verlustausgleich abgeschafft wird."

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.