2063/A XXV. GP

Eingebracht am 29.03.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

gemäß § 26 GOG-NR

der Abgeordneten Jürgen Schabhüttl und Michael Hammer

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Versammlungsgesetz 1953 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 161/2013, wird geändert wie folgt:

1. Im § 2 Abs. 1 wird „24 Stunden“ jeweils durch „48 Stunden“ ersetzt.

2. Nach § 2 Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Gemäß Abs. 1 anzuzeigen ist auch die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen und anderer Völkerrechtssubjekte. In diesem Fall muss die Anzeige spätestens eine Woche vor dem Zeitpunkt der beabsichtigten Versammlung bei der Behörde (§ 16) einlangen.“

3. Im § 6 erhält der bisherige Text die Absatzbezeichnung „(1)“ und folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) Eine Versammlung, die der politischen Tätigkeit von Drittstaatsangehörigen dient und den außenpolitischen Interessen, anerkannten internationalen Rechtgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den völkerrechtlichen Verpflichtungen oder den demokratischen Grundwerten der Republik Österreich zuwiderläuft, kann untersagt werden.“

4. Nach § 7 wird folgender § 7a eingefügt:

„§ 7a. (1) Der Schutzbereich einer rechtmäßigen Versammlung ist jener Bereich, der für deren ungestörte Abhaltung erforderlich ist.

(2) Die Behörde hat unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten, der Anzahl der erwarteten Teilnehmer sowie des zu erwartenden Verlaufes den Umfang des Schutzbereiches festzulegen. Die Festlegung eines Schutzbereiches, der 150 Meter im Umkreis um die Versammelten überschreitet, ist nicht zulässig.

(3) Die Behörde kann von einer ausdrücklichen Festlegung des Schutzbereiches absehen, wenn 50 Meter im Umkreis der Versammelten als Schutzbereich angemessen sind, diesfalls gilt dieser Bereich als Schutzbereich.

(4) Eine Versammlung ist am selben Ort und zur selben Zeit sowie im Schutzbereich einer anderen Versammlung verboten.“

 

5. Im § 16 erhält der bisherige Text die Absatzbezeichnung „(1)“ und folgender Abs. 2 wird angefügt:

„(2) In den Fällen des § 6 Abs. 2 obliegt die Untersagung der Versammlung der Bundesregierung, wenn die beabsichtigte Teilnahme von Vertretern ausländischer Staaten und von Vertretern internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte angezeigt wurde.“

6. § 20 lautet:

„§ 20. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes sind

1. hinsichtlich der §§ 6 Abs. 2 iVm. 16 Abs. 2 die Bundesregierung,

2. hinsichtlich des § 19a der Bundesminister für Justiz und

3. im Übrigen der Bundesminister für Inneres

betraut.“

7. Dem § 21 wird folgender Abs. 6 angefügt:

„(6) Die §§ 2 Abs. 1 und 1a, 6, 7a, 16 und 20 in der Fassung BGBl. I Nr. XX/2017 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft.“

 


Begründung

 

I. Allgemeiner Teil

Als wesentliche Neuerung wird vorgeschlagen, einen Schutzbereich um jede Versammlung vorzusehen. Mit der Anzeige der Versammlung ist auch der Schutzbereich festgelegt. Innerhalb dieses Schutzbereiches dürfen andere Versammlungen nicht stattfinden. Dies soll gewährleisten, dass eine ordnungsgemäß angezeigte Versammlung auch den Raum und Rahmen hat, ungestört abgehalten werden zu können.

Im Hinblick darauf, dass der Auftritt Vertreter ausländischer Staaten in Österreich nicht dem Schutzbereich des Grundrechts unterfällt, soll eine ausdrückliche Untersagungsmöglichkeit für jene Fälle normiert werden, in denen – im Anwendungsbereich des Art. 16 EMRK – eine politische Tätigkeit von Ausländern einer Beschränkung unterworfen werden kann.

In kompetenzrechtlicher Hinsicht stützt sich der Entwurf auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG.

Bedeckungsvorschlag: Allfällig entstehende Kosten finden Deckung in den Budget-Untergliederungen der jeweils zuständigen Ressorts.

II. Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 2 Abs. 1)

Die Verlängerung der Frist findet seinen Grund darin, dass die Behörde zum einen für die Prüfung der Anzeige und zum anderen für vorbereitende, organisatorische Maßnahmen im eigenen Bereich ausreichend Zeit benötigt. Damit soll auch jenen Problemen vorgebeugt werden, in denen die Behörde mangels ausreichender Vorbereitungszeit Maßnahmen nicht setzen kann, die für einen sicheren Verlauf und damit für die Vermeidung einer Untersagung erforderlich sind. Davon unberührt bleibt, dass es sogenannte Spontanversammlungen, wie sie bereits in der Judikatur ihren Niederschlag gefunden haben, geben kann und diese nicht an die 48-Stunden-Frist gebunden sein sollen.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 1a)

Im Hinblick darauf, dass Österreich auf Grund völkerrechtlicher Verträge zu besonderem Schutz von Vertretern von Völkerrechtssubjekten verpflichtet ist, ist es für die Versammlungsbehörde auch von besonderem Interesse zu wissen, ob Teilnehmer der Versammlung beiwohnen werden, denen gegenüber die Republik eine besondere Schutzpflicht trifft, um entsprechende vorbereitende Maßnahmen treffen zu können. Siehe die Bestimmung des § 22 SPG.

Im Hinblick auf die besonderen Vorbereitungsmaßnahmen scheint es überdies angezeigt, dass in diesen Fällen die Frist auf eine Woche verlängert wird.

Zu Z 3 (§ 6 Abs. 2)

§ 6 Abs. 2 greift die in Art. 16 EMRK vorgesehene Möglichkeit, die politische Tätigkeit von Ausländern bestimmten Beschränkungen zu unterwerfen, auf. Der Vorschlag orientiert sich dabei an den in der Literatur dazu hervorkommenden Leitlinien.

Zunächst kann also davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit der Beschränkung von politischen Grundrechten für Nichtstaatsangehörige gegenüber Staatsangehörigen dem allgemeinen Völkerrecht entspricht (ua. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention4, § 23 Rz. 53). Nach Kogler (in Kneihs/Lienbacher [Hg] Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, MRK Art 16, Rz. 28) darf die Einschränkung der Rechte nur die unmittelbare politische Tätigkeit betreffen. Kogler weiter unter Hinweis auf Frohnwein/Peukert, EMRK3 428 Rz 2 (aaO Rz 19), dass mehrere Literaturstimmen nahezu wortident ausführen, dass es nicht der Klärung bedarf, ob ein sachlicher Grund vorliegt, weil Art. 16 MRK die Beschränkung als sachlich ausweist. Auch wenn etwa Grabenwarter/Pabel, EMRK5 § 18 Rz 26, keine so deutliche Aussage treffen und nur davon sprechen, dass Art 16 zu weitgehenderen Einschränkungen ermächtigt, als sie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art 10 und 11 Abs. 2 zuließen, tut dies der grundsätzlichen Ausrichtung keinen Abbruch: Drittstaatsausländern darf im Hinblick auf direkte politische Tätigkeit bei der Ausübung ihres Rechts zur Versammlungsfreiheit eine Schranke auferlegt werden.

Der Untersagungsgrund der Z 3 setzt voraus, dass sich die Versammlung unmittelbar auf politische Vorgänge beziehen muss. Wie Siess-Scherz in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg) Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art. 16 Rz 6, ausführt, fehlen zwar noch Anhaltspunkte von den Konventionsorganen für die Auslegung dieser Bestimmung, doch werden in der Literatur etwa die Gründung von politischen Parteien und deren Tätigkeit oder die Teilnahme an Wahlen als Beispiele für Aktivitäten genannt, die direkt der politischen Betätigung zuzuzählen sind.

Dabei soll überdies Berücksichtigung finden, dass nicht generell jede Versammlung mit drittstaatsbezogenem politischem Hintergrund untersagt werden kann, sondern nur jene Versammlungen betroffen sein sollen, bei denen Meinungen erörtert und kundgetan werden, die mit den außenpolitischen Interessen, anerkannten internationalen Rechtsgrundsätzen und Gepflogenheiten oder den, etwa sich aus der EMRK für Österreich ergebenen Verpflichtungen oder den demokratischen Grundwerten der Republik unvereinbar sind. Betroffen von einer solchen Untersagungsmöglichkeit werden daher nur Versammlungen sein, bei denen von vornherein bekannt ist, welche politischen Botschaften verbreitet werden sollen, weil etwa die Grundintention der Partei oder des auftretenden Vertreters solche sind, die etwa dem demokratischen Grundverständnis zuwiderlaufen oder mit den in der EMRK grundgelegten Menschenrechten (s. etwa Art. 14 EMRK) nicht vereinbar sind.

Bei der Beurteilung wird auch zu berücksichtigen sein, ob auf die Abschaffung der in der EMRK festgelegten Rechte und Freiheiten oder auf weitergehende Einschränkung der Rechte und Freiheiten dabei abgezielt wird (Art. 17 EMRK).

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts, Zl 2 BvR 483/17, zu verweisen, in dem unter anderem ausgeführt wird: „Zwar haben Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen weder von Verfassung wegen noch nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts im Sinne von Art 25 GG  einen Anspruch auf Einreise in das Bundesgebiet und die Ausübung amtlicher Funktionen in Deutschland. Hierzu bedarf es der – ausdrücklichen oder konkludenten – Zustimmung der Bundesregierung, in deren Zuständigkeit für auswärtige Angelegenheiten eine solche Entscheidung […] fällt. Soweit ausländische Staatsoberhäupter oder Mitglieder ausländischer Regierungen in amtlicher Eigenschaft und unter Inanspruchnahme ihrer Amtsautorität in Deutschland auftreten, können sie sich nicht auf Grundrechte berufen. Denn bei einer Versagung der Zustimmung würde es sich nicht um eine Entscheidung eines deutschen Hoheitsträgers gegenüber einem ausländischen Bürger handeln, sondern um eine Entscheidung im Bereich der Außenpolitik, bei der sich die deutsche und türkische Regierung auf der Grundlage des Prinzips der souveränen Gleichheit der Staaten begegnen.“

Zu Z 4 (§ 7a)

Eine der primären Aufgaben der Versammlungsbehörde besteht darin, das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu schützen. Um den ungehinderten Ablauf einer Versammlung gewährleisten zu können, hat die Behörde sichernde Vorkehrungen zum Schutz der Versammlung, etwa vor Gegendemonstrationen, zu treffen. Durch ein Auseinanderhalten von Versammlungen, deren Teilnehmer andere, oft gegenläufige Interessen verfolgen, kann dieses Ziel erreicht werden. Ist der Schutzbereich eindeutig abgesteckt, besteht für alle Beteiligten Klarheit darüber, wo die Freiheit des einen endet und die des anderen beginnt.

Es wird daher vorgeschlagen, dass die Behörde einen solchen Bereich festzulegen hat. Dabei wird sie die örtlichen Gegebenheiten, ob es sich um ein weitläufiges Gebiet handelt oder ob der beabsichtigte Versammlungsort mehr oder weniger baulich umschlossen ist, genauso in ihre Erwägungen einzubeziehen haben, wie die voraussichtliche Anzahl der Teilnehmer. Bei Versammlungen mit wenigen Teilnehmern wird der Schutzbereich anders auszufallen haben, wie bei erwarteten tausenden Teilnehmern. In die Erwägungen werden aber auch Erfahrungen aus der Vergangenheit mit solchen Versammlungen einzufließen haben, wenn das Gesetz auf den zu erwartenden Verlauf abstellt. Als Obergrenze des Schutzbereiches wird ein Bereich von 150 Metern um eine Versammlung vorgeschlagen. Die behördliche Festlegung eines Schutzbereiches für eine Versammlung wird schon aus tatsächlichen Gründen nur für eine angezeigte Versammlung in Betracht kommen.

Mit Abs. 3 wird vorgeschlagen, dass die Behörde von einer ausdrücklichen Festlegung eines Schutzbereiches dann absehen kann, wenn 50 Meter im Umkreis um die Versammlung angemessen erscheinen, um dem Schutzzweck, Gewährleistung eines ungestörten Verlaufes, gerecht zu werden. Wenn hier auf die Angemessenheit abgestellt wird, kann dies bedeuten, dass es unter Umständen zur Festlegung eines geringeren Schutzbereiches kommen kann, als auch zu einem weiteren.

Jede angemeldete Versammlung soll dieser Schutzbereich umgeben. Innerhalb dieses Bereiches darf eine andere Versammlung nicht abgehalten werden. Die Anmeldung einer Versammlung an einem Ort, an dem bereits eine andere stattfinden soll, ist zumeist Ausdruck dafür, dass die ursprüngliche Versammlung gestört oder ihr Ziel verhindert werden soll (Gegendemonstration). Eine demokratische Gesellschaft muss es aber aushalten, dass jeder im verfassungsgesetzlich vorgegebenen Rahmen seine Meinung kundtun darf, ohne dass ihm dies durch andere verunmöglicht wird. Damit soll es natürlich auch den Teilnehmern einer sogenannten „Gegendemonstration“ nicht verunmöglicht werden, deutlich zu machen, dass sie anderer Ansicht sind oder gegen die dort vertretene Meinung ein Zeichen setzen wollen.

Zu Z 5 (§ 16 Abs. 2)

Es wird vorgeschlagen, im Falle einer Untersagung gemäß § 6 Abs. 2 die Zuständigkeit zur Untersagung der Bundesregierung vorzubehalten. Die Einbeziehung der Bundesregierung trägt dem Umstand Rechnung, dass die Untersagung einer Versammlung, bei der sich ein Vertreter des öffentlichen politischen Lebens angekündigt hat, von gesamtstaatlicher und insbesondere außenpolitischer Bedeutung ist.

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für innere Angelegenheiten vorgeschlagen.