2077/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 29.03.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Übergangsfrist für einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Übergangsfrist für einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Mit der 17.Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) (1110 d.B., XXV.GP) wurden beim Kinderbetreuungsgeld zwei Änderungen vorgenommen, die für Familien, die das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld-Modell wählen und in knapper Abfolge ein weiteres Kind bekommen, Nachteile bringen.

 

Kurz gefasst: Frauen bekommen nur mehr dann Wochengeld aus Kinderbetreuungsgeld, wenn der Beginn des Mutterschutzes für das zweite Kind noch in die Zeit des Kinderbetreuungsgeldbezugs für das erste Kind fällt. Um folglich auch für ein weiteres Kind die einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld-Variante, basierend auf Wochengeld-Anspruch beziehen zu können, müssen Frauen entweder unmittelbar nach der ersten Geburt wieder schwanger werden oder aber zwischen den beiden Kindern einer Erwerbsarbeit nachgehen. Verändert wurde auch die Berechnung des Tagsatzes in der einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld-Variante.

 

Neue Günstigkeitsrechnung ab 1.3.2017

 

Eine zentrale Änderung betrifft die Ermittlung der Höhe des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes. Der Tagsatz (maximal 66 Euro/Tag) wird einerseits aus 80% der Höhe des Wochengeldes ermittelt. Andererseits wird eine Günstigkeitsvergleichsberechnung angestellt. Dazu werden die steuerpflichtigen Einkünfte aus dem Jahr vor der Geburt des Kindes, in dem kein Kinderbetreuungsgeld bezogen wurde, ermittelt. Der für die BezieherInnen vergleichsweise günstigere Betrag ergibt den Tagsatz des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes.

 

Bis Ende Februar 2017 war die Ermittlung aus den steuerlichen Einkünften bis zum drittvorletzten Jahr vor der Geburt des Kindes möglich. Seit März wird nur mehr das Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes herangezogen. Es erfolgt kein Rückgriff mehr auf ein früheres Kalenderjahr, auch wenn im vergangenen Kalenderjahr Kinderbetreuungsgeld für ein älteres Kind bezogen wurde.

 

D.h. wenn Frauen, die derzeit das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beziehen, erneut schwanger werden und auch wieder dieses Modell auswählen wollen, wird nun nicht mehr ihr Gehalt vor dem ersten Kind berücksichtigt, sondern einfach das Jahr vor der nächsten Geburt herangezogen.

 

Liegen in diesem Kalenderjahr Zeiten mit Kinderbetreuungsgeldbezug oder auch Karenzzeiten ohne Gehalt, vermindern sich die Monate, in denen Gehalt bezogen werden kann, und damit die Berechnungsgrundlage für das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld.

 

Der ermittelte Tagesbetrag ist daher häufig niedriger als jener, der aus 80% des Wochengeldes berechnet wird. Besteht allerdings kein Anspruch auf Wochengeld und ergibt die Bemessung aus den steuerlichen Einkünften einen Betrag, der weniger als 33,88 Euro beträgt, so kommt für Eltern nicht das einkommensabhängige Modell, sondern nur mehr das Kontomodell in Frage. Der finanzielle Verlust erreicht eine Höhe von mehreren tausend Euro.

 

Die neue Günstigkeitsrechnung bzw. der herangezogene Zeitraum, gereicht Familien zum Nachteil, die in knappen Abständen Kinder bekommen und zwischen den Kindern keine steuerlichen Einkünfte haben. Der Bezug der einkommensabhängigen Variante ist folglich nur mehr dann möglich, wenn Frauen einen Anspruch auf Wochengeld haben bzw. zwischen den Kindern wieder arbeiten gehen.

 

Änderungen beim Wochengeld ab 1.3.2017

 

Wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft (=Wochenhilfebeginn) bei einer neuerlichen Schwangerschaft noch innerhalb des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld eintritt, beträgt das Wochengeld ab 1.3.2017 nur mehr 100% des täglichen Kinderbetreuungsgeldes (§162 Abs. 3a Z2 ASVG). Diese Bestimmung gilt sowohl in der Konto-Variante als auch in der einkommensabgängigen Kinderbetreuungsgeld-Variante. Wenn der Versicherungsfall der Mutterschaft bis 28.Februar 2017 eintrat, bestand Anspruch auf Wochengeld in der Höhe von pauschal 180% von 14,53 Euro täglich (beim pauschalen KBG) bzw. in der Höhe von 125% des Tagesbetrages (bei Bezug des einkommensabhängigen KBG).

 

Zusätzlich zu dieser Einsparung wurde mit der letzten Novellierung eine bestehende „Wochengeldlücke“ vergrößert. Tritt der Versicherungsfall der Mutterschaft (=Wochenhilfebeginn, in der Regel 8 Wochen vor der Geburt) nach dem Ende des Kinderbetreuungsgeldbezuges ein, besteht kein Anspruch auf Wochengeld. Seit 1.3.2017 besteht auch dann kein Anspruch auf Wochengeld mehr, wenn der Beginn der 32. Woche (§122 Abs. 3 ASVG) vor dem Eintritt des Versicherungsfalles (acht Wochen vor der Geburt) in den Zeitraum des Kinderbetreuungsgeldbezugs fällt und sich die Arbeitnehmerin noch in arbeitsrechtlicher Karenz (bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr) des ersten Kindes befindet.

 

Die gesetzliche Änderung gilt für Geburten nach dem 28.Februar 2017 bzw. für Eintreten des Versicherungsfalls der Mutterschaft nach dem 28.Februar 2017. Zum Zeitpunkt des Gesetzesbeschlusses am 30.6.2016 bzw. der Kundmachung am 8.07.2016 waren viele Frauen bereits schwanger. Weder in der Presseaussendung von Familienministerin Karmasin am 26.4.2016 (anlässlich des Beschlusses im Ministerrat) noch am 15.6.2016 (anlässlich des Beschlusses im Nationalrat) wurden Familien über Änderungen bei der einkommensabhängigen Variante bzw. beim Wochengeld informiert. In beiden Presseaussendungen heißt es: „Künftig verschmelzen die vier Pauschalvarianten in ein flexibles Konto, das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bleibt bestehen.“ In keinem einzigen Medienbericht wurden Eltern auf Änderungen beim Wochengeld bzw. bei der Günstigkeitsrechnung hingewiesen. Erst am 18.01.2017 präsentiert Ministerin Karmasin die Informationskampagne zum neuen Kinderbetreuungsgeld-Konto inkl. Online-Rechner im Rahmen einer Pressekonferenz. Wenige Tage vor In-Kraft-Treten des novellierten Kinderbetreuungsgeld-Gesetzes waren auf der Homepage des Familienministeriums weder Informationsbroschüren noch Antragsformulare downloadbar. Kurzum: Familien waren seit dem Gesetzesbeschluss im Bundesrat darauf angewiesen, sich selber in den Gesetzestext zu vertiefen bzw. unterschiedliche Beratungseinrichtungen zu kontaktieren. Wie Rückmeldungen von Familien verdeutlichen, waren weder GKK, Familienservice noch AK in der Lage zeitgerecht korrekte Auskunft zu erteilen:

 

„Im September 2016 habe ich mich bei der OÖ GKK Steyr erkundigt wie die Änderungen des neuen Kinderbetreuungsgeldes aussehen werden, da wir gern ein 2. Kind hätten. Mir wurde mitgeteilt, dass das einkommensabhängige System so bleibt, wie es ist.“

 

„Nach Anruf bei der Gebietskrankenkasse hieß es nur "Wir haben die diesbezügliche Schulung noch nicht erhalten und können ihnen deshalb vor Februar 2017 keine Auskunft geben."

 

„Wie bereits erwähnt, haben wir uns zum letzten Mal im Dezember 2016 bei der Krankenkassa über unsere Ansprüche informiert (auch davor hatten wir uns schon mehrfach informiert, um auch wirklich Sicherheit zu haben) und uns wurde damals zugesichert, dass wir weiterhin berechtigt sind, das einkommensabhängige KBG inkl. Wochengeld zu beziehen. Zu diesem Zeitpunkt, war die Schwangerschaft des 2. Kindes bereits bis zur 10. oder 11. Woche fortgeschritten.“

 

„Ich bin wieder schwanger geworden, das zweite Kind kommt im Juli. Ich habe mich noch 2016 erkundigen wollen welche Variante des KBG ich für das zweite Kind wählen kann, man hat es mir aber bei der NÖGKK damals nicht sagen können.“

 

„Weiters wurde mir jetzt von der OÖGKK auch mitgeteilt, dass ich auch keinen Anspruch mehr habe um das gehaltsabhängige Modell noch einmal zu nehmen. Im Dezember hieß es hier noch zu mir, dass ich Anspruch auf Wochengeld und auf das gehaltsabhängige Modell habe. Jetzt auf einmal auf nichts mehr......“

 

„Ich war im Sommer 2016 bei der Servicestelle der WGKK in der Andreasgasse, die sich nur mit Kinderbetreuungsgeld-Angelegenheiten beschäftigt. Da sollte man doch meinen, dass man die richtige Auskunft bekommt, wenn die nicht Bescheid wissen,  wer dann. Doch falsch geglaubt, die Dame dort war sehr nett und hat mir geraten wieder schwanger zu werden solange ich noch Kinderbetreuungsgeld fürs erste Kind beziehe, dann bekäme ich die volle Höhe wieder ausbezahlt wie beim ersten Kind.“

 

„Meine Frau würde Wochengeld und eaKBG bekommen, wenn Sie in den letzten drei Monaten von Mutterschutz Vollzeit arbeiten würde. Diese Information wurde Mitte/Ende Jänner das erste Mal von der GKK kommuniziert. Davor wurden wir immer vertröstet, mit dem Argument, dass Sie es selbst noch nicht sagen könnten.“

 

„Unmöglich finde ich auch, dass die WGKK nach Nachfrage im Februar 2017, warum es nun doch Änderungen in Sachen einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld gibt, "bis März noch keine Auskunft geben darf, weil sie zu dem Thema gerade noch Schulungen haben".

 „Seit 30. 8. 2016 wissen wir vom Arzt bestätigt, dass wir uns über ein 2. Kind freuen dürfen. Aufgrund der bevorstehenden gesetzlichen Änderungen haben wir uns mehrmals (zu Beginn der Schwangerschaft, bei Karenzbeginn meines Mannes, vor Beginn des Mutterschutzes und im Mutterschutz) bei der OÖ Gebietskrankenkasse zum Thema Wochengeld/Kinderbetreuungsgeld informiert und immer die Zusicherung bekommen, dass ich - wie beim ersten Kind - sowohl Wochengeld als auch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld erhalte. Verunsichert durch ein Gespräch mit einer ebenfalls schwangeren Freundin und nochmaligem Nachfragen bei der OÖ Gebietskrankenkasse stellt sich jetzt heraus (am 22. 2. 2017!!!), dass das Wochengeld und das von mir gewählte einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld auf Grund der Gesetzesänderung für Geburten ab dem 01.03.2017 für mich nicht mehr relevant sei.“

 

 „Seit Wochen bin ich bemüht, adäquate Informationen über die neue Reglung beim Wochengeld und zum Kinderbetreuungsgeld zu bekommen. Bis zur Berichterstattung im ORF, am 08.03.2017, konnten meine Fragen nicht beantwortet werden beziehungsweise wurden unterschiedliche Informationen erteilt. Die Auskunft bei AK und WGKK war ein aufrechter Anspruch. Diese Auskunft war von den Zuständigen Stellen bis zur ersten Märzwoche 2017 dieselbe. Auch meine Personalabteilung erhielt am 02.03.2017 die Auskunft, dass mein Anspruch auf Wochengeld besteht.“

 

Viele Familien sind davon ausgegangen, dass sie auch bei einem weiteren Kind Wochengeld und das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld beziehen  werden. Frauen, die zum Zeitpunkt des Beschlusses bzw. der Veröffentlichung des Gesetzes bereits schwanger waren, konnten ihre Lebensplanung nicht mehr dahingehend beeinflussen, dass sie die Voraussetzungen für Wochengeld und einkommensabhängige Variante erfüllen. Aber auch jene Familien, die nach dem Gesetzesbeschluss Kinder gezeugt haben, hatten aufgrund der mangelhaften Informationslage keine Möglichkeit, sich auf geänderte Rahmenbedingungen in der einkommensabhängigen Variante einzustellen. Übergangsregelungen im Sinne des verfassungsrechtlich verankerten Vertrauensschutzes sind aus diesem Grund dringend erforderlich.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat die gesetzlichen Grundlagen zur Beschlussfassung vorzulegen, die sicherstellen, dass für Frauen, deren Kind einen errechneten Geburtstermin vor dem 1.1.2018 hat, in Bezug auf Kinderbetreuungsgeld und Wochengeld die am 28. Februar 2017 geltende Rechtslage anzuwenden ist, wenn dies für die Betroffene günstiger ist.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Familienausschuss vorgeschlagen.