2126/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 26.04.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

EntschlieSSungsantrag

 

der Abgeordneten Peter Wurm, Wendelin Mölzer

und weiterer Abgeordneter

 

betreffend die Entfernung von „Maulkorb“-Bestimmungen aus dem Schulrecht

 

Schule soll heute – wie von politischer Seite oft betont wird – offen, transparent und befreit vom autoritären Geist des 19. Jahrhunderts sein.

 

Dieser Geist spricht auch aus der Bestimmung des Art. 14 Abs. 5a B-VG, dessen zweiter und dritter Satz folgendermaßen lauten:

„Im partnerschaftlichen Zusammenwirken von Schülern, Eltern und Lehrern ist Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen, damit sie zu gesunden, selbstbewussten, glücklichen, leistungsorientierten, pflichttreuen, musischen und kreativen Menschen werden, die befähigt sind, an den sozialen, religiösen und moralischen Werten orientiert Verantwortung für sich selbst, Mitmenschen, Umwelt und nachfolgende Generationen zu übernehmen. Jeder Jugendliche soll seiner Entwicklung und seinem Bildungsweg entsprechend zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt werden (…)“

 

Darüber hinaus sind die Schüler auch im Schulunterrichtsgesetz mehrfach gegen Willkür oder Unterdrückung geschützt, etwa durch § 18 Abs. 5 (Verbot der Einbeziehung des Verhaltens in die Leistungsbeurteilung), § 21 Abs. 4 (Beschluss der Verhaltensnoten durch die Klassenkonferenz statt durch Klassenvorstand) oder § 47 Abs. 3 (Verbot körperlicher Züchtigung, beleidigender Äußerungen und Kollektivstrafen).

 

Dazu lautet etwa § 11 Abs. 7 der Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 24. Juni 1974 über die Leistungsbeurteilung in Pflichtschulen sowie mittleren und höheren Schulen (Leistungsbeurteilungsverordnung) wie folgt:

„Sachlich vertretbare Meinungsäußerungen des Schülers haben die Beurteilung auch dann nicht zu beeinflussen, wenn sie von der Meinung des Lehrers abweichen.“

 

Außerdem finden sich in Lehrplänen Sätze wie folgende (aus dem 1. Teil des NMS-Lehrplanes):

„Dabei ist die Bereitschaft zum selbstständigen Denken und zur kritischen Reflexion besonders zu fördern.“

„Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in altersadäquater Form mit Problemstellungen auseinander setzen, Gegebenheiten kritisch hinterfragen (…)“

„Urteils- und Kritikfähigkeit sowie Entscheidungs- und Handlungskompetenzen sind zu fördern, sie sind für die Stabilität pluralistischer und demokratischer Gesellschaften entscheidend.“

 

Was hingegen die Rechtsstellung des Lehrpersonals betrifft, so zeigen die einschlägigen Rechtsnormen einen ganz anderen Geist, nämlich jenen eines autoritären Obrigkeitsstaates.

 

Dies betrifft etwa § 33 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz:

„Der Landeslehrer ist über alle ihm ausschließlich aus seiner amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder im überwiegenden Interesse der Parteien geboten ist, gegenüber jedermann, dem er über solche Tatsachen nicht eine amtliche Mitteilung zu machen hat, zur Verschwiegenheit verpflichtet (Amtsverschwiegenheit).“

Während hier eine Verschwiegenheitspflicht bezüglich Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts geboten ist, nachvollziehbar erscheint, ist deren Ausdehnung auf weitere Sachverhalte nicht erforderlich und ist dadurch eine dehnbare Bestimmung vorhanden, mit Hilfe derer kritische Lehrpersonen mundtot gemacht werden können.

 

Weiters kritisch zu sehen ist die Abhängigkeit der Lehrpersonen vom Wohlwollen der Schulleiter, welche u.a. durch die Berichte des Schulleiters bezüglich der Leistungen der Lehrpersonen (§ 61 und § 63 LDG) zum Ausdruck kommt. Trotz der Möglichkeit der Stellungnahme handelt es sich dabei um ein Instrument, das de facto zur Ausübung von Druck geeignet ist und in manchen Fällen auch tatsächlich in diesem Sinn verwendet wird.

 

Ebenso fragwürdig ist die Aussage des § 78 Abs. 2a LDG „Nach Ablauf von drei Jahren ab Mitteilung an die Landeslehrperson darf eine Belehrung oder Ermahnung zu keinen dienstlichen Nachteilen führen“ – eine Belehrung/Ermahnung ist als eigenständiges Instrument des Disziplinarrechts zu sehen und darf in keinem Fall zu sonstigen dienstlichen Nachteilen führen.

 

Eine willkürlich dehnbare Bestimmung findet sich auch in § 80 Abs. 1 Z. 3. Sie erlaubt die vorläufige Suspendierung einer Landeslehrperson, „wenn durch ihre Belassung im Dienst wegen der Art der ihr zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.“

 

Grundsätzlich gut gemeint, aber geeignet, Druck auf Lehrpersonen auszuüben ist auch die Bestimmung des § 29a LDG: Landeslehrpersonen haben (…) als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. (…)“

Tatsächlich sind die im Strafgesetzbuch verankerten einschlägigen Delikte (Üble Nachrede nach §111 StGB, Beleidigung nach §115 StGB, Verleumdung nach §297 StGB; sowie darüber hinaus Nötigung, beharrliche Verfolgung, Fortgesetzte Belästigung im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems, Kreditschädigung, …) ausreichend, um die dienstliche Zusammenarbeit zu gewährleisten. Sie sind zudem wesentlich genauer determiniert und weisen konkrete Tatbestandsmerkmale auf. Der Wortlaut „mit Achtung zu begegnen“ lässt hingegen einer Auslegung im Sinne Metternich‘ scher Zensur zu.

 

 

 

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Bildung werden aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage vorzulegen, der die Entfernung aller Bestimmungen aus dem Lehrerdienstrecht vorsieht, welche geeignet sind bzw. sein könnten, die freie Meinungsäußerung von Lehrpersonen (im Rahmen des StGB) sowie eine kritisch-reflektierende Dienstausübung durch selbige zu verhindern bzw. zu unterdrücken.“

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss beantragt.