2236/A XXV. GP

Eingebracht am 07.06.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

 

der Abgeordneten Dr. Wittmann und Mag. Gerstl

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz erlassen und das Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz geändert werden

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert, ein Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz erlassen und das Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz geändert werden

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1

Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes

Das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Wahlrechtsänderungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 106/2016, wird wie folgt geändert:

1. Dem Art. 50 wird folgender Abs. 6 angefügt:

„(6) Welche Staatsverträge gemäß Abs. 1 und Bestimmungen in solchen als Verfassungsgesetze beziehungsweise Verfassungsbestimmungen gelten, bestimmt ein besonderes Bundesverfassungsgesetz.“

2. In Art. 151 erhalten der durch das Jugendausbildungsgesetz, BGBl. I Nr. 62/2016, angefügte Abs. 59 die Absatzbezeichnung „(60)“ und Abs. 60 die Absatzbezeichnung „(61)“; folgende Abs. 62 und 63 werden angefügt:

„(62) Art. 50 Abs. 6 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2017 tritt mit xx. xxxxxx 2017 in Kraft.

(63) Für Staatsverträge gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1, die vom Nationalrat vor dem 1. Jänner 2008 genehmigt worden sind und ihre vereinfachte Änderung vorsehen, gilt Folgendes:

           1. Handelt es sich bei den Bestimmungen des Staatsvertrages, die dessen vereinfachte Änderung vorsehen, um Bestimmungen, die ausdrücklich als „verfassungsändernd“ bezeichnet waren und durch das Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz – 1. BVRBG, BGBl. I Nr. 2/2008, oder durch das Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz – StV-BVG, BGBl. I Nr. xxx/2017, zu einfachen Bestimmungen geworden sind, so bedarf die vereinfachte Änderung nach diesen Bestimmungen keiner Genehmigung nach Art. 50 Abs. 1.

           2. Anlässlich der Genehmigung nach Art. 50 Abs. 1 der vereinfachten Änderung eines nicht in Z 1 genannten Staatsvertrages kann sich der Nationalrat die Genehmigung einer künftigen vereinfachten Änderung dieses Staatsvertrages vorbehalten. Fasst der Nationalrat keinen solchen Beschluss, bedarf eine solche Änderung nicht der Genehmigung nach Art. 50 Abs. 1.

           3. Ist die vereinfachte Änderung eines nicht in Z 1 genannten Staatsvertrages in Kraft getreten, ohne vom Nationalrat genehmigt worden zu sein, kann sie vom Nationalrat nachträglich genehmigt werden. Z 2 ist sinngemäß anzuwenden.“


Artikel 2

Bundesverfassungsgesetz über die Geltung einiger Staatsverträge und Bestimmungen in solchen als Verfassungsgesetze beziehungsweise Verfassungsbestimmungen (Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz – StV-BVG)

Geltung von Staatsverträgen und Bestimmungen in solchen als Verfassungsgesetze beziehungsweise Verfassungsbestimmungen

§ 1. (1) Folgende Staatsverträge gemäß Art. 50 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, gelten als Verfassungsgesetze im Sinne des Art. 44 Abs. 1 B-VG:

           1. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Vorbehalten der Republik Österreich, BGBl. Nr. 210/1958, zuletzt geändert durch das Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention, BGBl. III Nr. 47/2010;

           2. Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Vorbehalt der Republik Österreich, BGBl. Nr. 210/1958, zuletzt geändert durch das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl. III Nr. 30/1998;

           3. Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau, BGBl. Nr. 256/1969, in der Fassung der Erklärung über die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Artikel III des Übereinkommens über die politischen Rechte der Frau, BGBl. III Nr. 182/2000;

           4. Protokoll Nr. 4 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das gewisse Rechte und Freiheiten gewährleistet werden, die nicht bereits in der Konvention oder im ersten Zusatzprotokoll enthalten sind, samt Vorbehalt der Republik Österreich, BGBl. Nr. 434/1969, in der Fassung des Protokolls Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl. III Nr. 30/1998;

           5. Protokoll Nr. 3 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das die Artikel 29, 30 und 34 der Konvention geändert werden, BGBl. Nr. 330/1970;

           6. Protokoll Nr. 5 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, durch das die Artikel 22 und 40 der Konvention abgeändert werden, BGBl. Nr. 84/1972;

           7. Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985, in der Fassung des Protokolls Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl. III Nr. 30/1998;

           8. Protokoll Nr. 7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Erklärungen der Republik Österreich, BGBl. Nr. 628/1988, in der Fassung des Protokolls Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus, BGBl. III Nr. 30/1998;

           9. Protokoll Nr. 8 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 64/1990, in der Fassung der Kundmachung BGBl. Nr. 558/1990;

         10. Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, in der Fassung der Kundmachung BGBl. III Nr. 179/2002;

         11. Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005;

         12. Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention, BGBl. III Nr. 47/2010.

(2) Folgende Bestimmungen in Staatsverträgen gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG gelten als Verfassungsbestimmungen im Sinne des Art. 44 Abs. 1 B-VG:

           1. Art. 3 des Kulturübereinkommens zwischen der Republik Österreich und der Französischen Republik, BGBl. Nr. 220/1947;

           2. Art. 4 des Übereinkommens zwischen der Republik Österreich und der Italienischen Republik zur Förderung der kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern, BGBl. Nr. 270/1954;

           3. Art. 4, Art. 7 Z 2, 3 und 4, Art. 8, Art. 9 und Art. 10 des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. Nr. 152/1955;

           4. Art. IV und Art. VI der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, BGBl. Nr. 91/1958;

           5. Art. 1 und Art. 2 des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 377/1972;

           6. Art. 1, Art. 2, Art. 3 und Art. 4 der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, BGBl. Nr. 443/1982;

           7. Art. 3 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Slowenien über die Übernahme von Personen an der gemeinsamen Grenze, BGBl. Nr. 623/1993;

           8. Art. 4 Abs. 1 lit. ii des Übereinkommens zur Durchführung des Artikels VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994 und Art. 16 Abs. 2 des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, Anhang 1A zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen), BGBl. Nr. 1/1995;

           9. Art. 27 und Art. 89 Abs. 1 und 3 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, BGBl. III Nr. 180/2002;

         10. Art. 34 Abs. 3 des Internationalen Übereinkommens gegen Doping im Sport, BGBl. III Nr. 108/2007;

         11. Art. 23 und Art. 24 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, BGBl. III Nr. 81/2008.

Inkrafttreten

§ 2. (1) Dieses Bundesverfassungsgesetz tritt mit xx. xxxxxx 2017 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Bundesverfassungsgesetz, mit dem Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 über Staatsverträge abgeändert und ergänzt werden, BGBl. Nr. 59/1964, zuletzt geändert durch das Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz – 1. BVRBG, BGBl. I Nr. 2/2008, soweit es noch in Geltung steht, außer Kraft.

(2) Mit dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt treten folgende Rechtswirkungen ein:

           1. Alle Staatsverträge gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG oder Bestimmungen in solchen, die als „verfassungsändernd“ genehmigt worden und nicht in § 1 genannt sind, werden zu einfachen Staatsverträgen oder Bestimmungen in solchen.

           2. In allen Beschlüssen des Nationalrates, mit denen Staatsverträge gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG oder Bestimmungen in solchen als „verfassungsändernd“ genehmigt worden sind, entfällt die Bezeichnung als „verfassungsändernd“.

Ergänzende Regelungen zum 1. Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz

§ 3. In Ergänzung zum 1. BVRBG treten folgende Rechtswirkungen ein:

           1. Art. 10 Z 5 und 6 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze im Grenzabschnitt „Salzach“ und in den Sektionen I und II des Grenzabschnitts „Scheibelberg-Bodensee“ sowie in Teilen des Grenzabschnitts „Innwinkel“, BGBl. III Nr. 126/2004, war „verfassungsändernd“.

           2. Die Änderung 4 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. III Nr. 69/2010, war „verfassungsändernd“. Art. 12 dieses Übereinkommens wird mit dem in § 2 Abs. 1 genannten Zeitpunkt zu einer einfachen Bestimmung.

Vollziehung

§ 4. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

Artikel 3

Änderung des Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetzes

Das Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz – StV-BVG, BGBl. I Nr. xxx/2017, wird wie folgt geändert:

1. In § 1 Abs. 1 Z 1 wird die Wortfolge „Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention, BGBl. III Nr. 47/2010“ durch die Wortfolge „Protokoll Nr. 15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. III Nr. xxx/xxxx“ ersetzt.


2. In § 1 Abs. 1 wird der Punkt am Ende der Z 12 durch einen Strichpunkt ersetzt; folgende Z 13 wird angefügt:

       „13. Protokoll Nr. 15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. III Nr. xxx/xxxx.“

3. Dem § 2 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) § 1 Abs. 1 Z 1, 12 und 13 in der Fassung des Art. 3 des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xxx/2017 tritt gleichzeitig mit dem Protokoll Nr. 15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Kraft und zwar mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Platzhalters „BGBl. III Nr. xxx/xxxx“ jeweils die Fundstelle (Nummer/Jahr) der Kundmachung dieses Staatsvertrages tritt.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zuweisungsvorschlag: Verfassungsausschuss

 

 


Begründung

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Seit der Neufassung des Art. 50 B-VG durch das Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Erstes Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz erlassen wird, BGBl. I Nr. 2/2008, kann Verfassungsrecht durch Staatsverträge nicht mehr geändert oder erlassen werden. Es besteht damit nur noch die Möglichkeit, Staatsverträge oder Bestimmungen in solchen durch bundesverfassungsgesetzliche Bestimmungen in Verfassungsrang zu heben.

Für den Fall des Abschlusses des Protokolls Nr. 15 über die Änderung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: 15. ZPEMRK) sind demnach entsprechende verfassungsgesetzliche Begleitregelungen erforderlich.

Zwar sind durch das Erste Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz – 1. BVRBG auch zahlreiche staatsvertragliche Bestimmungen entweder aufgehoben worden oder zu einfachen Bestimmungen geworden. Der Verfassungsrang des sonstigen Staatsverträge-Verfassungsrechts ist von der Neuregelung des Art. 50 B‑VG jedoch unberührt geblieben. Dieser ergibt sich derzeit

–      hinsichtlich des Abschnittes V des III. Teiles des Staatsvertrages von Saint-Germain-en-Laye, StGBl. Nr. 303/1920, aus Art. 149 Abs. 1 B‑VG,

–      hinsichtlich einiger Bestimmungen des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. Nr. 152/1955, hinsichtlich der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Zusatzprotokoll, BGBl. Nr. 210/1958, und hinsichtlich einiger Bestimmungen in drei weiteren Staatsverträgen aus Art. II des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 über Staatsverträge abgeändert und ergänzt werden (im Folgenden: B‑VG-Novelle 1964), BGBl. Nr. 59/1964, sowie

–      hinsichtlich des sonstigen Staatsvertragsrechts aus den entsprechenden Genehmigungsbeschlüssen des Nationalrates.

Welche Staatsverträge und Bestimmungen in solchen als Verfassungsgesetze bzw. Verfassungsbestimmungen gelten, soll sich nach dem Gesetzentwurf künftig aus einem besonderen Bundesverfassungsgesetz – dem vorgeschlagenen Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz – ergeben. In Anlehnung an Art. 149 Abs. 1 B‑VG und Art. II B‑VG-Novelle 1964 liegt diesem das Modell einer grundsätzlich taxativen Aufzählung zugrunde, die an die Stelle von Art. II B‑VG-Novelle 1964 und der mit den jeweiligen Beschlüssen des Nationalrates erfolgten Genehmigung als „verfassungsändernd“ treten soll. Lediglich die Nennung des Abschnittes V des III. Teiles des Staatsvertrages von Saint-Germain-en-Laye, StGBl. Nr. 303/1920, in Art. 149 Abs. 1 B‑VG soll aus historischen Gründen unberührt bleiben. Sonstiges noch in Geltung stehendes „verfassungsänderndes“ Staatsvertragsrecht soll zu einfachem Recht (seines Verfassungsranges „entkleidet“) werden.

Die Erlassung, Änderung und Aufhebung von Verfassungsrecht im Zusammenhang mit Staatsverträgen soll künftig durch entsprechende Novellierung des Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetzes erfolgen; für das 15. ZPEMRK soll dies uno actu geschehen.

Schließlich sollen mit dem Gesetzentwurf auch eine nachträgliche Übergangsregelung für vom Nationalrat vor dem 1. Jänner 2008 genehmigte Staatsverträge geschaffen und in Bezug auf zwei Staatsverträge ergänzende Klarstellungen zum 1. BVRBG getroffen werden.

Kompetenzgrundlage:

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines dem Gesetzentwurf entsprechenden Bundesverfassungsgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 1 B‑VG („Bundesverfassung ...“).

Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes):

Zu Z 1 (Art. 50 Abs. 6):

Der vorgeschlagene Art. 50 Abs. 6 sieht die Erlassung eines besonderen Bundesverfassungsgesetzes vor, durch welches bestimmt wird, welche Staatsverträge und Bestimmungen in solchen als Verfassungsgesetze bzw. Verfassungsbestimmungen gelten.


Zu Z 2 (Art. 151 Abs. 60 bis 63):

Der vorgeschlagene Art. 151 Abs. 62 soll das Inkrafttreten regeln.

Der vorgeschlagene Art. 151 Abs. 63 enthält eine nachträgliche Übergangsregelung für Staatsverträge gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B‑VG in der Fassung der B‑VG-Novelle BGBl. I Nr. 2/2008, die ihre vereinfachte Änderung vorsehen und vom Nationalrat vor dem Inkrafttreten dieser B‑VG-Novelle (also gemäß Art. 151 Abs. 38 B‑VG vor dem 1. Jänner 2008) genehmigt worden sind.

Aus dem Umstand, dass die B‑VG-Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 keine Übergangsregelung für derartige Staatsverträge enthält, könnte geschlossen werden, dass sich der Anwendungsbereich des Art. 50 Abs. 2 Z 1 B‑VG nur auf Staatsverträge erstreckt, die vom Nationalrat ab dem Inkrafttreten dieser Bestimmung (also ab dem 1. Jänner 2008) genehmigt werden. Auf vor diesem Zeitpunkt genehmigte Staatsverträge wäre Art. 50 Abs. 2 Z 1 B‑VG diesfalls von vornherein nicht anwendbar.

Allerdings führen die Erläuterungen zur RV 314 d. B. XXIII. GP, 17 aus, dass der Entfall des Verfassungsranges der in § 7 Abs. 4 1. BVRBG aufgezählten Bestimmungen in sachlichem Zusammenhang mit der (vorgeschlagenen) Neufassung des Art. 50 B‑VG steht. Dies kann nur so verstanden werden, dass man davon ausging, dass Vertragsänderungen nach den in § 7 Abs. 4 Z 1 bis 34 1. BVRBG genannten Staatsvertragsbestimmungen auch weiterhin in dem darin vorgesehenen vereinfachten Verfahren erfolgen können, also keiner Genehmigung nach Art. 50 Abs. 1 B‑VG bedürfen. In diesen Fällen hat der Nationalrat also bereits in der Vergangenheit – in der Regel durch die Genehmigung der betreffenden Staatsvertragsbestimmungen als „verfassungsändernd“, vereinzelt auch durch verfassungsgesetzliche Regelung – vom Erfordernis der Genehmigung nach Art. 50 Abs. 1 B‑VG pauschal dispensiert. Dieses bisherige Rechtsverständnis soll durch den vorgeschlagenen Art. 151 Abs. 63 Z 1 ausdrücklich klargestellt werden.

In § 7 Abs. 4 Z 1 bis 34 1. BVRBG genannt werden allerdings nur jene Staatsverträge, die durch Bestimmungen im Verfassungsrang zu ihrer vereinfachten Änderung ermächtigt hatten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Reihe weiterer Staatsverträge existiert, die derartige Ermächtigungen enthalten, mögen diese auch nicht als „verfassungsändernd“ transformiert worden sein. Da diese Staatsverträge bereits vor dem 1. Jänner 2008 abgeschlossen worden sind, hatte der Nationalrat nie die Möglichkeit, sich eine Meinung darüber zu bilden, ob die Änderung eines solchen Staatsvertrages im vertraglich vorgesehenen vereinfachten Verfahren erfolgen soll oder ob er sich gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B‑VG die Genehmigung von Änderungen des Staatsvertrages vorbehalten möchte. Es erscheint daher zweckmäßig, ihm eine solche Möglichkeit einzuräumen. Diesem Zweck dient der vorgeschlagene Art. 151 Abs. 63 Z 2. Sehen mehrere Bestimmungen eines Staatsvertrages dessen vereinfachte Änderung vor (es könnten etwa für bestimmte Anhänge des Staatsvertrages unterschiedliche Änderungsverfahren gelten), so hat die vorbehaltslose Genehmigung gemäß Art. 151 Abs. 63 Z 2 einer dieser vereinfachten Änderungen zur Folge, dass alle vereinfachten Änderungen des Staatsvertrages keiner Genehmigung nach Art. 50 Abs. 1 B‑VG mehr bedürfen.

In einzelnen Fällen ist die vereinfachte Änderung eines nicht in Art. 151 Abs. 63 Z 1 genannten Staatsvertrages vor dem 1. Jänner 2008 (völkerrechtlich) in Kraft getreten, ohne vom Nationalrat genehmigt worden zu sein; auch für die Zukunft können solche Fälle nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Durch Z 3 soll dem Nationalrat daher die Möglichkeit eingeräumt werden, derartige nvereinfachte Änderungen nachträglich zu genehmigen. Z 2 soll dabei sinngemäß anzuwenden sein.

Zu Artikel 2 (Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetz):

Zu § 1:

In Anlehnung an Art. 149 Abs. 1 B‑VG und Art. II B‑VG-Novelle 1964 enthält der vorgeschlagene § 1 eine – taxative –Aufzählung jener Staatsverträge (Abs. 1) und Bestimmungen in solchen (Abs. 2), die als Verfassungsgesetze bzw. Verfassungsbestimmungen gelten sollen. Lediglich die Nennung des Abschnittes V des III. Teiles des Staatsvertrages von Saint-Germain-en-Laye, StGBl. Nr. 303/1920, in Art. 149 Abs. 1 B‑VG soll aus historischen Gründen unberührt bleiben.

Von dieser einen Ausnahme abgesehen, soll also mit dem Inkrafttreten des Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetzes ein Staatsvertrag bzw. eine Bestimmung in einem solchen nur dann als Verfassungsgesetz bzw. Verfassungsbestimmung gelten, wenn er bzw. sie auch in § 1 dieses Bundesverfassungsgesetzes genannt ist. Umgekehrt sollen alle als „verfassungsändernd“ genehmigten Staatsverträge und Bestimmungen in solchen, die in § 1 nicht genannt sind, diesen Charakter im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesverfassungsgesetzes verlieren (vgl. § 2 Abs. 2 Z 1).

In § 1 nicht genannt sind insbesondere folgende Staatsverträge oder Bestimmungen in solchen:


Art. 12 Abs. 1 und 2 des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen samt Anhängen I und II, BGBl. Nr. 346/1975, in der Fassung der Änderung des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen (in der vom Ständigen Ausschuss am 9. Jänner 2001 angenommenen Fassung), BGBl. III Nr. 20/2010:

Diese Bestimmungen sehen in Bezug auf den Beitritt weiterer Staaten zum Übereinkommen betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen, BGBl. Nr. 346/1975, ein Verfahren vor, das eine Einladung der Vertragsparteien voraussetzt, wobei diese Beitrittseinladung in den Erläuterungen (RV 200 d.B. XXII. GP, 4 f unter Hinweis auf die RV 1039 d.B. XVII. GP, 5) als „Zustimmung der Vertragsparteien zur (potentiellen) Vertragsänderung“ angesehen wird. Ihre Vorgängerbestimmung (Art. 12 Abs. 1 des Übereinkommens in der Fassung der Abänderungen zu Artikel 10 und 12 des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen, BGBl. Nr. 813/1993) wurde bereits durch § 7 Abs. 4 Z 5 1. BVRBG zu einer einfachen Bestimmung. Dass die Bestimmungen vom Nationalrat als „verfassungsändernd“ genehmigt wurden, ist lediglich darauf zurückzuführen, dass diese Genehmigung bereits am 13. November 2003, also noch vor dem Inkrafttreten des 1. BVRBG, erfolgt ist.

Künftige Beitrittseinladungen bzw. Beitritte bedürfen jedenfalls keiner Genehmigung durch den Nationalrat mehr, weil das Übereinkommen selbst vom Nationalrat am 8. November 1973 genehmigt wurde und damit vom Anwendungsbereich des in Art. 1 Z 2 vorgeschlagenen Art. 151 Abs. 63 Z 1 B‑VG erfasst ist.

Art. 3 lit. c, Art. 6 lit. f und Art. 11 lit. d des Internationale Energie-Agentur Durchführungsübereinkommens eines Forschungs- und Entwicklungsprogrammes für eine rationelle Energieverwendung durch eine stufenweise Energienutzung und Z 7 lit. a und i des Anhangs I zu diesem Übereinkommen, BGBl. Nr. 213/1980, sowie Z 5 des Anhangs II zu diesem Übereinkommen, BGBl. Nr. 40/1982:

Dieses Übereinkommen ist bereits im Jahr 1984 beendet worden.

Art. 21 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über die Grenzabfertigung im Eisenbahnverkehr samt Anlagen, BGBl. Nr. 134/1992:

Diese Bestimmung hat als derogierende Norm ihre Geltung verloren (vgl. RV 314 d.B. XXIII. GP, 14).

Art. 1, Art. 2 und Art. 3 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze in der Sektion III des Grenzabschnittes „Scheibelberg-Bodensee“ sowie in einem Teil des Grenzabschnittes „Dreieckmark-Dandlbachmündung“ und des Grenzabschnittes „Saalach-Scheibelberg“, BGBl. Nr. 633/1993:

Gleichartige Bestimmungen in allen anderen mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Grenzverträgen wurden bereits durch das 1. BVRBG zu einfachen Bestimmungen (vgl. § 7 Abs. 2 Z 7, 9 und 14 1. BVRBG).

Art. 4, Art. 6, Art. 7 lit. a, Art. 62, Art. 102 Abs. 5, Art. 103 Abs. 2, Art. 110 Abs. 1, Art. 110 Abs. 4 und Art. 111 Abs. 4 des Hauptabkommens sowie Art. 6 des Protokolls 10 und Satz 1 des Protokolls 39 sowie Art. 9 und Art. 10 der in der ersten Eintragung des Abschnittes XIX des Anhangs II zitierten Richtlinien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. Nr. 909/1993; Anhang 14 des Beschlusses des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 7/94, BGBl. Nr. 566/1994:

Der Verfassungsrang dieser Bestimmungen ist im Hinblick auf den Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union entbehrlich.

Art. X Abs. 2 und 3 des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen, Anhang 1B zum Abkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO-Abkommen), BGBl. Nr. 1/1995:

Bei diesen Bestimmungen handelt es sich um eine Übergangsbestimmung und eine dieser derogierende Norm (vgl. RV 314 d.B. XXIII. GP, 14).

Art. 9 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Fürstentum Liechtenstein über die gegenseitige Hilfeleistung bei Katastrophen oder schweren Unglücksfällen, BGBl. Nr. 758/1995:

Gleichartige Bestimmungen in anderen Abkommen über Katastrophenhilfe wurden bereits durch das 1. BVRBG zu einfachen Bestimmungen (vgl. § 7 Abs. 3 Z 6, 15, 17, 19 bis 22, 24 und 29 1. BVRBG).

Art. 8, Art. 9, Art. 11, Art. 13 und Art. 14 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Republik Ungarn über Änderungen und Ergänzungen des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Ungarischen Volksrepublik zur Sichtbarerhaltung der gemeinsamen Staatsgrenze und Regelung der damit im Zusammenhang stehenden Fragen vom 31. Oktober 1964 in der Fassung des Vertrages über Änderungen und Ergänzungen vom 29. April 1987, BGBl. III Nr. 63/2006:


Gleichartige Bestimmungen in mit anderen Nachbarstaaten abgeschlossenen Grenzverträgen wurden bereits durch das 1. BVRBG zu einfachen Bestimmungen (vgl. § 7 Abs. 2 Z 1 ff 1. BVRBG).

Akte zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) vom 5. Oktober 1973, zuletzt revidiert am 17. Dezember 1991, samt den beiden Beschlüssen des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001, BGBl. III Nr. 136/2007:

Die als „verfassungsändernd“ genehmigten Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens wurden bereits durch das 1. BVRBG zu einfachen Bestimmungen (vgl. § 7 Abs. 1 Z 57 1. BVRBG). Dass einzelne Bestimmungen der Revisionsakte vom Nationalrat als „verfassungsändernd“ genehmigt wurden, ist lediglich darauf zurückzuführen, dass diese Genehmigung bereits am 29. März 2006, also noch vor dem Inkrafttreten des 1. BVRBG, erfolgt ist. Künftige Änderungen des Europäischen Patentübereinkommens bedürfen jedenfalls keiner Genehmigung durch den Nationalrat mehr, weil es vom Nationalrat am 15. Dezember 1978 genehmigt wurde und damit vom Anwendungsbereich des in Art. 1 Z 2 vorgeschlagenen Art. 151 Abs. 63 Z 1 B‑VG erfasst ist.

Erklärung der Zustimmung zur Beendigung des Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Konformitätsnachweisen, BGBl. III Nr. 274/2013:

Diese Erklärung hat als derogierende Norm ihre Geltung verloren (vgl. RV 314 d.B. XXIII. GP, 14).

Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation, BGBl. III Nr. 199/2015:

Der Verfassungsrang dieses verfassungsergänzenden Staatsvertrages ist im Hinblick auf die Neufassung des Art. 9 Abs. 2 B‑VG durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 2/2008 entbehrlich (vgl. RV 39 d.B. XXI. GP, 6 einerseits und RV 314 d.B. XXIII. GP, 6 andererseits).

Zu § 2:

Abs. 1 soll das Inkrafttreten regeln. Zu Abs. 2 Z 1 vgl. die Erläuterungen zu § 1, zu Abs. 2 Z 2 vgl. § 8 Abs. 2 Z 3 1. BVRBG.

Zu § 3:

§ 3 enthält zwei ergänzende Regelungen zum 1. BVRBG, die eine endgültige Derogation der jeweiligen Vorgängerbestimmungen gewährleisten sollen. Beide im Verfassungsrang stehenden Bestimmungen wurden bereits in der Vergangenheit aufgehoben, allerdings nur durch Bestimmungen, die selbst nicht als „verfassungsändernd“ genehmigt worden waren (sodass sie keine endgültigen Derogationswirkungen auszulösen vermochten). Mit dieser endgültigen Derogation haben sich die Rechtswirkungen der in § 3 genannten Bestimmungen erschöpft und auch zu einem Wiederinkrafttreten der jeweiligen Vorgängerbestimmungen kommt es durch § 3 nicht (zum methodischen Vorverständnis siehe ausführlich die RV 314 d.B. XXIII. GP, 14).

Zu Z 1:

Durch Z 1 soll berücksichtigt werden, dass Art. 10 Z 5 und 6 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze im Grenzabschnitt „Salzach“ und in den Sektionen I und II des Grenzabschnitts „Scheibelberg-Bodensee“ sowie in Teilen des Grenzabschnitts „Innwinkel“, BGBl. III Nr. 126/2004, wohl als „verfassungsändernd“ hätte genehmigt werden müssen (sofern man diesen Bestimmungen nicht rein deklaratorischen Charakter beimisst).

Zu Z 2:

Durch Z 2 soll berücksichtigt werden, dass die Änderung 4 des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR), BGBl. III Nr. 69/2010, als „verfassungsändernd“ hätte genehmigt werden müssen.

Zu § 4:

§ 4 enthält die übliche Vollziehungsklausel.

Zu Artikel 3 (Änderung des Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetzes):

Durch diesen Artikel soll die Aufzählung des Art. 1 Abs. 1 des Staatsverträge-Bundesverfassungsgesetzes um das Protokoll Nr. 15 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten ergänzt werden. Nach diesem Muster sollen auch künftige Änderungen erfolgen.