2253/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 19.06.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

Dringlicher Antrag

gem. § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs.2 GOG-NR

(Klubverlangen)

 

der Abgeordneten Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen

betreffend die gescheiterte Bildungsreform der Kern-Kurz-Regierung: Verantwortungslose Machtpolitik und Parteitaktik auf dem Rücken unserer Kinder

 

Der Versuch einer echten Bildungsreform ist gescheitert. Die scheidende Bundesregierung schafft auch unter Christian Kern und Sebastian Kurz keinen Durchbruch. Selbst wenn es noch zu einem Beschluss im Parlament kommen sollte, bleibt von dem einst großen Reformvorhaben nicht mehr als ein mutloser und durch den Fleischwolf der verschiedensten Macht- und Parteiinteressen gedrehter Minimalkonsens. Für eine umfassende „Bildungswende“ im Sinne der Kinder, Jugendlichen, Eltern und Pädagog_innen fehlen den Mehrheitsparteien offensichtlich der Wille und die Entschlossenheit. Denn im Kern bleibt nur eine Schulverwaltungsreform übrig, die noch dazu die parteipolitische Einflussnahme als Maxime der rot-schwarzen(-grünen?) Bildungspolitik weiter festschreibt. Die Bevölkerung musste drei Jahre diesem unsäglichen Schauspiel an Ankündigungen, Verzögerungen und gebrochenen Versprechen beiwohnen, ohne dass es zu einem positiven Resultat kommen wird.

 

1.   Die Chronologie des Versagens

 

-      Im Juni 2014 richtete die damalige Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek eine Beamtengruppe ein, die ein Papier zur Schulreform ausarbeiten sollte. Schon die Auswahl der Personen war höchst fragwürdig. Beamte, die aus dem alten System kamen und dieses zu administrieren hatten, wurden mit der Aufgabe betraut, die Zukunftspläne zu entwerfen. Fünf der acht Mitglieder dieser sogenannten „Expert_innengruppe“ stammten aus den Reihen der Landesschulräte oder den Ämtern der Landesregierungen. Weder Schulpartner noch Oppositionskräfte nahm die Ministerin mit an Bord. So konnte diese Runde ihre Befangenheit auch nicht überwinden. Das Abschlusspapier brachte interessante Analysen und durchaus sinnvolle Empfehlungen, doch gerade der Bereich der Schulverwaltung – der schlussendlich drei Jahre später von diesem Papier übrig bleiben sollte – war leider eine raffinierte Auftragsarbeit im Dienste ihrer Herren, nämlich der „Landesfürsten“.

 

-      Im Oktober 2014 wurde dann eine politische Bund-Länder-Gruppe für die Ausarbeitung der Reform ins Leben gerufen. Auch die Besetzung dieser Gruppe war verräterisch und offenbarte, wer in Österreich das Sagen im Schulsystem hatte und – offensichtlich – auch weiterhin haben sollte. Neben der damaligen Bildungsministerin Heinisch-Hosek, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer waren die Landeshauptleute Hans Niessl, Peter Kaiser sowie Erwin Pröll und Wilfried Haslauer prominent mit von der Partie.

 

-      Im März 2015 stellte die – von der Bildungsministerin eingesetzte – Beamtengruppe das Konzept „Freiraum für Österreichs Schulen“ vor. Dieses Papier war grundsätzlich mit Sachverstand und Engagement verfasst. Die Beschreibung der Ausgangslage war gut zusammengefasst. Auch die Ziele für den Weg hin zu mehr Schulautonomie waren gut ausgeschildert. Allerdings offenbarte sich auch, dass der machtpolitische Zugriff der Landeshauptleute auf die Schule umfassend bleiben bzw. werden sollte. In diesen Empfehlungen wurde der Grundstein für Bildungsdirektionen unter der Führung von Landeshauptleuten gelegt.

 

-      Im Juli 2015 verließen die beiden Landeshauptleute Pröll und Niessl die politische Bund-Länder-Gruppe. Offensichtlich konnten sie ihr Anliegen, die absolute Verländerung der Schulen, nicht durchsetzen und zogen sich daher zurück. Sie wurde ersetzt durch die Landeshauptleute Häupl und Platter.

 

-      Am 17. November 2015, vor gut eineinhalb Jahren, präsentierten die damalige Bildungsministerin Heinisch-Hosek und Staatssekretär Mahrer die Eckpunkte einer „fast geilen“ Reform (O-Ton StS Mahrer). Viele politische Beobachter_innen und Bildungsexpert_innen waren hier kritischer und konnten nur einen typisch österreichischen Kompromiss des Abtausches von Machtinteressen erkennen. Die Bundesregierung hatte es wieder nicht geschafft, sich aus dem Würgegriff der Landesfürsten zu befreien. Zumindest war ein Mehr an pädagogischer Autonomie vorgesehen – ebenso erfreulich wie überfällig. Bei den wirklich großen und entscheidenden Themen – wie einer umfassenden finanziellen oder personellen Autonomie – hat dieser Reformvorschlag jedoch komplett ausgelassen.

 

-      Im Juni 2016 konnten dann, mit deutlicher Verspätung – angekündigt waren diese Änderungen für das Frühjahr 2016 – erste kleine Teile des Reformpakets im Parlament beschlossen werden (u.a. mehr pädagogische Autonomie).

 

-      Im Mai 2016 trat Bundeskanzler Werner Faymann zurück. Christian Kern wurde neuer Bundeskanzler und bestellte Sonja Hammerschmid zur neuen Bildungsministerin. Die Hoffnung auf eine echte Reform erwachte neu.

 

-      Im Oktober 2016 wurde eine Punktation für ein Schulautonomie-Paket präsentiert, das durchaus mutige Ansätze aufwies. Allerdings schaffte man auch hier nicht, für klare und einheitliche Kompetenzen und Zuständigkeiten in der Schulverwaltung zu sorgen. Die Landesfürsten hatten sich auch unter den neuen Köpfen in der Regierung den Zugriff auf das Schulsystem gesichert.

 

-      Nach langen und zähen Verhandlungen mit der Gewerkschaft „durfte“ dann im März 2017 endlich der Gesetzesentwurf in Begutachtung gehen. Die Eckpunkte wären "nicht verhandelbar", richtete Bildungsministerin Hammerschmid der Lehrergewerkschaft aus. Diese Gewerkschaft sah und sieht das offenbar etwas anders und intervenierte mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, teilweise auch intellektuell unredlich (z.B. Informationen an Schüler_innen und Eltern, in denen Horrorszenarien von sofortigen Schulschließungen und riesigen Klassenverbänden an die Wand gemalt wurden). Neben etlichen positiven Punkten war in diesem Entwurf nun aber Schwarz auf Weiß zu lesen: Der bestehende Kompetenz-Wirrwarr in der Schulverwaltung sollte mit den Bildungsdirektionen als Zwitterbehörde gesetzlich fortgeschrieben werden. Die Landesfürsten sicherten sich ihre Macht im Bildungsbereich und den Zugriff auf unser Schulsystem ab. Sie sollten sogar die Möglichkeit bekommen, sich selbst zu Präsidenten der Bildungsdirektionen zu ernennen. Damit sollte die parteipolitische Einflussnahme auf das Schulsystem gesetzlich einzementiert werden.

 

-      Mai 2017: Nach Ende der Begutachtungsfrist und rund 1.600 Stellungnahmen zum aktuellen Entwurf – so vielen wie nie zuvor – wurde munter mit der Gewerkschaft weiterverhandelt. Was genau ausgemacht wurde, ist bis heute unbekannt. Ebenso, ob die Gewerkschaft nun „ihren Segen“ zum Reformpaket gibt oder nicht. Zusätzlich bleibt offen, ob der neue ÖVP-Chef seine Zustimmung vom Segen der Gewerkschaft abhängig macht oder nicht.


-      Denn ebenfalls im Mai 2017 kam es zum Rücktritt von ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Sebastian Kurz übernahm die ÖVP und kündigte die Koalition auf. Seitdem sind die Signale aus der ÖVP hinsichtlich des Reformpakets hochgradig volatil. Eine klare bildungspolitische Linie ist ebenso wenig zu erkennen wie Prozessklarheit hinsichtlich der nächsten Schritte zur Beschlussfassung im Parlament. Von Staatssekretär Mahrer zugesicherte Kompromisslösungen wurden vom ÖVP-Parteichef zurückgewiesen und die Verhandlungen hängen fortan in den Seilen.

 

-      Aktueller Stand: Die Regierung braucht für die Reform eine Zweidrittelmehrheit und damit die Stimmen der Grünen oder der FPÖ. Während von den Verhandlungen mit den Freiheitlichen wenig an die Öffentlichkeit drang, signalisierten zuletzt die Grünen tendenziell Zustimmung – bereit fast alles für eine Modellregion zur Gesamtschule zu opfern. Von ihrer ursprünglichen Bedingung, dass die Bildungsdirektion als Bundesbehörde einzurichten sei (vgl. u.a. Der Standard, 7. Jänner 2016, http://derstandard.at/2000028626804/Bildungsreform-Gruene-wollen-mehr-Mitsprache-fuer-Bund), sind die Grünen inzwischen abgerückt. Vielmehr zeigen sie sich sogar bereit, eine Bildungsdirektion als Zwitterbehörde mitzutragen, in der die Besetzung der Spitze im Streitfall klar bei den Landeshauptleuten liegt. Damit wird dem Prinzip „Schulpolitik ist Machtpolitik“ nun offensichtlich auch von den Grünen Vorschub geleistet.

 

-      In den letzten Wochen erleben wir ein unwürdiges Schauspiel aus verkündeten Einigungen, Absagen, gegenseitigen Vorwürfen, Anschuldigungen und anderen Peinlichkeiten. Selbst wenn das Gesetzespaket noch ins Leben kommen sollte, ist das Vorhaben mittlerweile derart verwässert, dass es den Namen Bildungsreform kaum mehr verdient und für Unzufriedenheit und Unsicherheit auf allen Seiten sorgen wird.

 

 

 

2.   Die Gründe des Versagens

 

Die Gründe für das Versagen und die unerfreulichen Entwicklungen sind ebenso vielfältig wie offensichtlich. Hier eine kurze Auflistung der wichtigsten und schwerwiegendsten:

 

-      Solange Bildungspolitik als Partei- und Machtpolitik begriffen wird, stehen im Zentrum des Interesses nicht die Schülerinnen und Schüler, sondern der Fokus gilt einzig dem Erhalt und Ausbau der eigenen (parteipolitischen) Pfründe und Einflussmöglichkeiten. Das ist unerträglich und – für Schüler_innen, Lehrer_innen und Eltern – hochgradig dysfunktional. Wir brauchen endlich eine gemeinsame Kraftanstrengung und ein Bekenntnis, diese schädlichen Einflüsse hintanzustellen. Wir brauchen pragmatische Lösungen und keine ideologischen Grabenkämpfe. Im Zentrum aller Gestaltungsbemühungen haben die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern und die Lehrerinnen und Lehrer zu stehen.

 

-      Die Landeshauptleute sind in diesem Zusammenhang ein besonderes Ärgernis. Wir wissen längst, was zu tun ist und die Regierung weiß es auch, kann sich hier aber in den Bundesländern nicht gegen die „Fürsten der Finsternis“ durchsetzen. Egal ob es um das Befüllen der Transparenzdatenbank, Fragen der Elementarpädagogik oder eben die Bildungsreform geht: Die Landesfürsten sind nicht bereit, auf ihren Machtzugriff zu verzichten und wollen auch weiterhin mit dem Parteibuch in der Hand in den Schulklassen stehen. Das gibt ihnen die Macht über Personalbestellungen sowie Standort- und Investitionsentscheidungen. Dies wiederum sind die Zutaten für „Anfütterungsstrategien alten Stils“, um die eigene Klientel bei Laune zu halten. Es handelt sich dabei um Muster struktureller Korruption.

 

-      Es gab keinen echten und ernsthaften Dialogprozess mit Betroffenen. Die Unzufriedenheit vieler von der Reform Betroffenen war bereits zu Beginn der Verhandlungen absehbar. Aufgrund ihrer interessens- und parteipolitischen Verstrickungen war die Bundesregierung außer Stande oder nicht willens, einen transparenten und partizipativen Reformprozess im Bildungsbereich aufzusetzen. Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Schulpartner und die Oppositionskräfte im Parlament wurden systematisch aus den Beratungen der Bildungsreformkommission und des Bildungsministeriums ausgeschlossen. So können keine tragfähigen Lösungen erarbeitet werden. Ein gemeinsames Reformprojekt muss im Rahmen eines integrativen, parteiübergreifenden Dialogprozesses entwickelt werden.

 

-      Keine Strategie, keine Prozessklarheit: Für ein Mammutprojekt wie die Bildungsreform braucht es natürlich Prozessklarheit und ein professionelles Projektmanagement. Ohne konkreten Fahrplan inklusive Meilensteine und definierten Rahmenbedingungen kann so ein Projekt kaum gelingen. Die Bildungsreform braucht einen Plan. Hier hätte es breite nationale Planungs- und Umsetzungsstrategien gebraucht, wie von unserer Fraktion im Nationalrat und Unterrichtsausschuss regelmäßig vorgezeichnet und eingefordert. Beispielsweise hier: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/A/A_00926/index.shtml


-      Unfassbar ist und bleibt, dass auch keine Budgetklarheit besteht. Das Bildungsministerium ist weitgehend im Blindflug unterwegs. Wie aus Parlamentarischen Anfragen seitens NEOS bekannt wurde, gibt es im Bildungsbudget bis Ende 2018 eine Lücke von rund 800 Mio Euro. Bisher weiß noch niemand, woher dieses Geld kommen soll. Das ist ein untragbarer Zustand. So kann unmöglich seriös kalkuliert und geplant werden. Die Vorgabe, dass die Bildungsreform, bei allen Schwierigkeiten, auch noch kostenneutral hätte passieren müssen, ist ebenso illusorisch wie naiv. Bildung soll und muss uns etwas wert sein und darf daher auch etwas kosten. NEOS haben ein Steuerreformkonzept vorgelegt, mit dem Österreich zusätzlich rund 3,5 Milliarden Euro jährlich in Bildung, Forschung und Innovation investieren kann. Details dazu hier: http://parlament.neos.eu/steuerreform-konzept/

 

 

 

3.   Die fehlenden Ecksteine für eine echte Bildungswende

 

Auf dem langen „Leidensweg zum Minimalkompromiss“ wurde Wesentliches ignoriert oder aus den Augen verloren. Hier die fehlenden Ecksteine für eine echte Bildungswende im Interesse der Kinder, Jugendlichen, Eltern und beherzten Pädagog_innen:

 

-      Parteipolitik raus, klare Strukturen und Zuständigkeiten rein. Die Möglichkeit der Landeshauptleute, sich selbst zu Präsident_innen der Bildungsdirektionen zu ernennen, ist abzulehnen. Die Funktion dieser Präsident_innen dient offensichtlich nur der politischen Einflussnahme. Den „Kompetenz-Wirrwarr“ einer Zwitterbehörde mit unterschiedlichen Weisungszusammenhängen gesetzlich festzuschreiben, ist ebenso abzulehnen. Den Empfehlungen des Rechnungshofes und vieler Expert_innen wird damit in keiner Weise Rechnung getragen. So gut wie alle intellektuell redlichen und ernsthaften Expert_innen, Beteiligten und Betroffenen teilen das Ziel: klare Strukturen und Zuständigkeiten in der Schulverwaltung und ein Bekenntnis zur Entparteipolitisierung des Bildungsbereiches.

 

-      Die Elementarpädagogik braucht unsere volle Aufmerksamkeit. Leider ist sie in den letzten Monaten wieder komplett „untergegangen“. Keines der Vorhaben im Elementarpädagogik-Bereich, die noch im November 2015 angekündigt wurden, konnte bisher umgesetzt werden. Hier sind Investitionen ins Bildungswesen aber nicht nur am dringendsten erforderlich, sondern nachweislich auch am wirksamsten. Wir brauchen verlässliche Qualität statt Länder-Willkür und planlosen Wildwuchs (vgl. zuletzt die Skandale in Wiener Kindergärten). Dafür brauchen wir klare und österreichweit einheitliche Qualitätsstandards, die gemeinsam im Parlament beschlossen werden. Diese Standards müssen sich an den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen orientieren. Denn: Je jünger ein Kind ist, umso kleiner müssen Gruppe und Betreuungsschlüssel sein. Die Finanzierung sollte einheitlich durch den Bund erfolgen und aus einer Pro-Kopf-Finanzierung bestehen – ergänzt um einen Sozialindex, um besonderen Herausforderungen adäquat begegnen zu können.

 

-      Das verkrustete Lehrerdienstrecht ist zu entsorgen. Denn es sorgt für Beklemmung. Lehrer_in ist einer der wichtigsten Berufe in unserer Gesellschaft. Daher müssen unsere Bemühungen und Kräfte darauf gerichtet sein, diese Profession zu stärken und ihr Ansehen in der Öffentlichkeit zu fördern. In der Sache fehlt jedoch seit Jahrzehnten der Mut, das überholte Dienstrecht grundsätzlich anzufassen. Ein unübersichtliches System von Bemessungen und Zulagen, sowie die föderalen Unterscheidungen zwischen Landes- und Bundeslehrer_innen machen das Dienstrecht zu einer allgegenwärtigen Innovationsbremse. Es braucht endlich eine Überwindung der intransparenten Ressourcenzuteilung und dafür einen klaren und nachvollziehbaren Handlungsrahmen.

 

-      Die Volksschule muss endlich in den Fokus kommen. 100 Jahre Stellungskampf Gesamtschule Ja/Nein sind 100 Jahre zu viel. Es ist längst überfällig, sich der Bildungsbaustelle „Volksschule“ zuzuwenden. In der Vielfalt, die unsere Volksschulkinder aufgrund unterschiedlicher Sprachen, Kulturen, Religionen und Herkunft mitbringen, steckt großes Potenzial. Um dieses besser als bisher in die Entfaltung zu bringen, haben wir dringenden Handlungsbedarf. Die Volksschule personell und finanziell zu stärken bedeutet, die Kinder zu stärken und ihnen durch positive Schulerfahrungen in den ersten Jahren das Handwerkszeug für lebenslanges Lernen mit auf den Weg zu geben. Was wir in der Elementarpädagogik und in der Volksschule nicht schaffen, können wir nur mehr schwer bzw. mit hohem Aufwand nachholen.

 

-      Bildungsinnovation „von unten“ durch Freiheit und Verantwortung. Eine umfassende Bildungsreform, die für echte Vollautonomie im System Schule sorgt, brächte jene Erneuerungs- und Effektivitätsimpulse, die wir so dringend brauchen. Autonomie gibt Gestaltungsfreiheit und Verantwortung. Sie dynamisiert die konstruktiven Kräfte im System und schafft damit Innovation. Und natürlich braucht Schulautonomie auch einen klaren, gesetzlich festgelegten Gestaltungs- und Qualitätsrahmen. Wir sind als Gesellschaft und Gesetzgeber in der Pflicht, die Wege gemeinsam zu finden; und gemeinsam zu gehen. Das Ziel lohnt sich. Es ist eine Reise hin zu einer besseren Schule. Die Ziele der Autonomie wurden im vorliegenden Reformpaket leider völlig verwässert. Für mündige Schulen braucht es echte Autonomie: pädagogisch, personell und finanziell.


-      Pädagogische Autonomie bedeutet, dass es entlang der Losung „Gemeinsames Ziel, vielfältige Wege“ einen einheitlichen (Qualitäts-)Rahmen für alle Schulen gibt, etwa in Form einer „Mittleren Reife“ am Ende der Schulpflicht. Sie definiert, was Jugendliche mit 15 können sollen. Innerhalb dieses Rahmens haben Schulen die Möglichkeit, eigene pädagogische und didaktische Wege zu gehen und praxistaugliche Antworten für die jeweiligen Herausforderungen zu finden.

 

-      Die personelle Autonomie legt die Auswahl und Führung des Personals in die Verantwortung der Schulleitung. Das Lehrerdienstrecht wird durch einen Rahmen-Kollektivvertrag ersetzt und die Anstellung erfolgt an der Schule bzw. bei den Trägerorganisationen. Dabei sollen Trägerorganisationen – auch Gebietskörperschaften sollen als solche agieren können – in Clusterlösungen gemeinsam größere Einheiten betreiben und damit auch Synergien heben können. Das Qualitätsmonitoring erfolgt durch eine weisungsfreie, unabhängige Organisation im Auftrag des Bildungsministeriums. Die Schulverwaltung wird zu einem Schulservice weiterentwickelt, das – in Bildungsregionen organisiert – die Schulen bei der Organisations- und Qualitätsentwicklung unterstützt.

 

-      Echte finanzielle Autonomie bringt die „freie Schulwahl ohne Schulgeld“. Die Umsetzung erfolgt über eine Pro-Kopf-Finanzierung. Mit einer kriterienbezogenen Standortfinanzierung können wir zudem das Ziel der guten sozialen Durchmischung ermöglichen. Wer mehr Kinder von Eltern mit niedrigeren Bildungsabschlüssen an seiner Schule hat, bekommt mehr Ressourcen (s. Folgeabsatz). Ebenso ist eine kriterienbezogene Finanzierung für Schulstandorte zu etablieren, die es Schulstandorten in geographisch peripheren Lagen ermöglicht, mit attraktiven Rahmenbedingungen pädagogisches Personal anzuziehen.

 

-      Einführung eines „Chancen-Bonus“ mit einem Sozialindex. Vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen in unseren Schulen ist es dringend notwendig, den Schulstandorten direkt zusätzliche finanzielle Ressourcen – als autonom verfügbares Budget – entlang eines bedarfsorientierten Indexmodells zur Verfügung zu stellen. Dieser Chancenbonus berücksichtigt den Bildungshintergrund der Eltern. In den Niederlanden funktioniert das beispielsweise sehr gut. Das Geld hat den Schüler_innen zu folgen. Damit bekommen Schulstandorte die Möglichkeit, nach den jeweiligen individuellen Bedürfnissen, Fachpersonal (wie zum Beispiel Sprachlehrer_innen, Sozialarbeiter_innen, Lerncoaches) einzusetzen. Die Schulen können so individuelle Herausforderungen am Schulstandort unbürokratisch, autonom und damit treffsicher angehen.


-      Privatschulen sollen als Innovationsmotor für unser Schulsystem fungieren. Um die Innovationskraft freier Schulen optimal zu nutzen und für Schüler_innen und Eltern die freie Schulwahl zu stärken, sollten in einem ersten Schritt und mit sofortiger Wirkung die nicht-konfessionellen Privatschulen mit den konfessionellen Privatschulen gleichgestellt werden. Aktuell gibt es hier eine deutliche Schieflage. Während die öffentliche Hand bei konfessionellen Privatschulen rund 80 Prozent der Kosten übernimmt, liegt dieser Anteil für nicht-konfessionelle Schulen bei nur rund 10-20 Prozent. Besonders innovative Schulleitungen, besonders beherzte Pädagog_innen und besonders engagierte Eltern werden von der Republik bewusst und regelmäßig „abgestraft“. Die öffentliche Hand könnte hier sofort Chancengerechtigkeit herstellen und damit engagierte sowie kreative Kräfte im Schulsystem und damit die Vielfalt des Schulangebots stärken. Mittelfristig ist die komplette Gleichstellung mit öffentlichen Schulen anzustreben, auch durch Übernahme der Infrastrukturkosten. Privatschulen mit öffentlicher Finanzierung haben dabei dem Grundsatz „Freie Schulwahl ohne Schulgeld“ zu folgen und sind als gemeinnützige Organisationen zu führen (keine Gewinnorientierung). Sie stellen sich unter dem Bekenntnis zu einem einheitlichen Qualitätsrahmen in den Dienst der Allgemeinheit und haben damit auch das Recht auf öffentliche Finanzierung.

 

 

Aus den dargestellten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

 

Entschließungsantrag

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler wird aufgefordert, einen Gesetzesentwurf für eine echte und mutige Bildungsreform vorzulegen. Im Rahmen dieser Bildungsreform sind wenigstens folgende Punkte zu berücksichtigen:

 

-      Es ist dafür Sorge zu tragen, dass Partei- und Machtpolitik in unserem Schulsystem hintangehalten werden. Im Fokus der Reform müssen die Interessen der Betroffenen – Schüler_innen, Eltern und Lehrer_innen – stehen.

-      Die zersplitterte Kompetenzlage der Schulverwaltung ist durch klare und einheitliche Strukturen zu ersetzen, die die Aufgaben–, Ausgaben– und Finanzierungsverantwortung transparent regeln. Es ist für eine einheitlich geführte und wirkungsvolle Ressourcen– und Ausgabensteuerung zu sorgen. Der Bund definiert dabei die Zielvorgaben und stellt die Finanzierung.


-      Die Struktur der aktuellen Schulverwaltung soll in „Bildungsregionen“ übergeführt werden. In diesen „Bildungsregionen“ soll die Schulbehörde in ein „Bildungsservice“ umgewandelt werden, das als proaktiver Partner in der schulischen Organisations- und Qualitätsentwicklung dient.

-      Die Reform muss transparent und unter Einbindung aller Betroffenen in einem breiten Dialogprozess aufgesetzt werden. Es braucht breit kommunizierte, nachvollziehbare Strukturen und Prozessklarheit hinsichtlich der Ziele, Meilensteine und Umsetzungsschritte.

-      Es ist für Kostenwahrheit und Budgetklarheit im Bildungsressort zu sorgen. Für die Reform braucht es einen realistischen und nachvollziehbaren Finanzplan und -rahmen.

-      Der Elementarpädagogik ist im Rahmen dieser Reform volle Aufmerksamkeit zu schenken. Es braucht einen österreichweiten, einheitlichen und verbindlichen Qualitätsrahmen. Zudem ist für die gleichwertige Ausbildung und Bezahlung von Elementarpädagog_innen und Schulpädagog_innen zu sorgen. Elementarpädagogik ist Bildungsmaterie und soll daher auch im Bildungsressort verankert werden – nicht wie bisher im Familienministerium.

-      Für eine starke Volksschule brauchen wir mehr Aufmerksamkeit sowie mehr finanzielle und personelle Ressourcen.

-      Die „Mittlere Reife“ wird als gemeinsames Ziel für das Ende der Schulpflicht etabliert.

-      Schulen sollen – am Weg zu diesem gemeinsamen Ziel – in pädagogischer, personeller und finanzieller Hinsicht vollautonom agieren können.

-      Es ist eine indexbasierte und schülerbezogene Pro-Kopf-Finanzierung im Schulsystem umzusetzen.

-      Im Rahmen der Umstellung der Finanzierung ist ein echter Chancenbonus/Sozialindex einzuführen. Dieser soll sich am Bildungsabschluss der Eltern orientieren. Ebenso ist eine kriterienbezogene Standortfinanzierung für Schulstandorte zu implementieren.

-      Der Ausbau einer qualitativ hochwertigen Schulleiter_innenausbildung soll forciert und das Auswahlverfahren von Direktorinnen und Direktoren weiter objektiviert werden.

-      Das Berufsbild der Lehrerinnen und Lehrer ist aufzuwerten. Dazu braucht es ein differenzierteres Berufsbild, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und eine Stärkung des Professionsverständnisses der Lehrer_innen. Zudem soll systematisch und nachdrücklich in ein positives Berufsimage investiert werden, um den Lehrer_innen-Beruf positiv zu besetzen und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung aufzuwerten.


-      Das Lehrerdienstrecht ist durch einen modernen und leistungsorientierten Rahmenkollektivvertrag für alle Mitarbeiter_innen an vollautonomen Schulen zu ersetzen. Dieser soll mehr personelle und finanzielle Gestaltungsfreiheit und Verantwortung für Schulen gewährleisten, ein Jahresarbeitszeitmodell vorsehen und echte Personalentwicklung am Schulstandort ermöglichen.“

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs.1 iVm § 93 Abs.2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.