2272/A XXV. GP

Eingebracht am 29.06.2017
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Antrag

Parlamentarische Materialien

 

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend Bundesverfassungsgesetz mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz –     B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird

 

 

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Bundesverfassungsgesetz mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird

 

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 106/2016, wird wie folgt geändert:

 

Artikel 11 Abs. 1 Z 3 B-VG lautet:

 

„3. Volkswohnungswesen mit Ausnahme der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung sowie Maßnahmen zur Baulandmobilisierung für Zwecke des Volkswohnungswesens;“

 

 

 

Begründung:

 

 

Leistbarer Wohnbau fußt vor allem auch auf erschwinglichen Grundkosten. Trotz regional unterschiedlicher Verknappung des Baulandes bestehen in Österreich beträchtliche Baulandreserven (d.h. gewidmetes, aber nicht bebautes Bauland). Der Baulandüberhang beträgt laut 10. Umweltkontrollbericht österreichweit (ohne Tirol) mehr als 25% der gesamten gewidmeten Baulandfläche (300.000 ha). Bauland ist somit häufig in ausreichendem Ausmaß gewidmet, wird aber nicht genutzt und/oder ist preislich für den sozialen Wohnbau zu hoch angesiedelt. Durch Maßnahmen zur Baulandmobilisierung könnten Baulandüberhänge abgebaut und neue Baulandwidmungen verhindert werden. Seit Jahren verfolgt z.B. Südtirol eine Widmungspolitik, die in Erweiterungszonen für den Wohnbau 60% bzw. 55% der Baumasse dem geförderten Wohnbau widmet. Bei Enteignungen von jenen Flächen, die im Bereich von Erweiterungszonen dem geförderten Wohnbau und den entsprechenden Erschließungsanlagen vorbehalten sind, beträgt die Vergütung 50% des Verkehrswertes der Baugrundstücke.

Die Salzburger Vertragsraumordnung, nach der  Bauland nur neu ausgewiesen werden durfte, wenn mit den betreffenden Grundeigentümern eine privatrechtliche Vereinbarung über die Nutzung der Grundstücke abgeschlossen wurde, und die regelte, dass im Falle der Weigerung eines Grundstückseigentümers, über eine im alten Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesene Fläche eine Vereinbarung abzuschließen, eine Rückwidmung dieser Baulandfläche in Grünland zwingend vorzunehmen war, wurde jedoch 1999 vom VfGH aufgehoben, und zwar wegen Verstoß gegen das Rechtstaatsprinzip und  das Grundrecht auf Eigentum, vereinfacht gesagt wegen des fehlenden Rechtsschutzes des Grundeigentümers gegen die getroffene Vereinbarung. Auf die im Prüfungsbeschluss noch erwähnten kompetenzrechtlichen Bedenken wurde in der Entscheidung gar nicht mehr näher eingegangen (VfSlg 15.625 vom 13. 10. 1999).

In den meisten Bundesländern bestehen gesetzliche  Grundlagen,  sodass  die  Gemeinden  mit  Grundstückseigentümern  privatrechtliche Vereinbarungen treffen, die der Zielsetzung der Baulandmobilisierung dienen. Diese Regelungen sind im Einzelnen recht unterschiedlich ausgestaltet und gehen auch hinsichtlich der gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen unterschiedliche Wege, wie Univ.Prof. Dr. Michael Holoubek in seinem Gutachten aus 2009[1] darlegt. Günstiges Bauland für den sozialen Wohnbau steht meist auf rechtlich unsicheren Beinen und ist nur schwer sicherzustellen.

Deshalb kommt Holoubek aus verfassungsrechtlicher Sicht zu dem Vorschlag, eine Ergänzung der Kompetenzregelung des Art 11 Abs 1 Z 3 B-VG um einen weiteren Ausnahmetatbestand vorzunehmen, der deutlich macht, dass Regelungen einer „Vertragsraumordnung“ nicht insbesondere qua Zivilrechtskompetenztatbestand  Bundessache  sondern  als  Planungsmaßnahme  Gesetzgebungszuständigkeit  der Länder sind. „Eine derartige Regelung könnte dann auch damit verknüpft werden, einzelne Instrumente als Regelungsgegenstand des Landesgesetzgebers auszuweisen.“ Dabei könnten die dem Landesgesetzgeber zur Regelung zugewiesenen Maßnahmen durch Begriffe wie  „Vertragsraumordnung“ und Widmungsabgabe“ konkretisiert werden.

In Bezug auf den fehlenden Rechtsschutz ist zwischenzeitlich auf die Einrichtung der Verwaltungsgerichte zu verweisen, insbesondere auf Art 130 Abs 2 Z 1 B-VG, wonach diese auch wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde angerufen werden können, wenn der Materiengesetzgeber dies vorsieht. In der Literatur wird nun die Auffassung vertreten, dass dieses Instrument auch für den sogenannten verwaltungsrechtlichen Vertrag nutzbar gemacht werden könnte.[2] Das heißt, dass der Raumordnungsgesetzgeber einen diesbezüglichen Rechtsschutz gegen den rechtswidrigen Abschluss von Vereinbarungen und daraus folgendes rechtswidriges Verhalten der Behörde (soweit nicht dafür schon bestehende Instrumente zum Zug kommen) vorsehen kann und nach Auffassung der AntragstellerInnen auch müsste.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.

 



[1] Univ.-Prof. Dr. Michael Holoubek, Überlegungen zu Fragen der „Vertragsraumordnung“ und einer „verfassungsrechtlichen Absicherung“ neuer Instrumente zur Mobilisierung von Bauland für sozialen Wohnbau.

[2] Siehe dazu zuletzt Michael Holoubek, Die Verhaltensbeschwerde – Das Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit sonstigen Verhaltens einer Verwaltungsbehörde, in Holoubek/Land (Hrsg), Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Bundesfinanzgericht (2014), S 113 (122).