404/AB XXV. GP

Eingelangt am 20.03.2014
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

 

 

 

 

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                     Wien, am   19   März 2014

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0006-I/4/2014

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 408/J vom 20. Jänner 2014 der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Die überfälligen, aus im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes (AusfFG) bundesgarantierten Exportgeschäften resultierenden Forderungen Österreichs gegenüber dem Sudan betragen unter Berücksichtigung von Verzugszinsen (bis Ende 2010) rund 1,66 Milliarden Euro. Inwieweit Verzugszinsen nach diesem ersten, zwischen dem Sudan und dem Pariser Club akkordierten Erhebungszeitpunkt berücksichtigt werden, ist derzeit nicht absehbar. Die zu Grunde liegenden bundesgarantierten Exportgeschäfte gehen auf in den 1970iger Jahren kontrahierte zivile Infrastrukturprojekte zurück.


Zu 2.:

Österreich würde den erforderlichen Schuldenerlass gemeinsam mit den anderen im Pariser Club vertretenden Gläubigerstaaten gewähren, sollte sich der Sudan für die Entschuldung unter der erweiterten HIPC-Initiative („Enhanced Highly Indebted Poor Countries Initiative“) qualifizieren, also den so genannten HIPC-Decision Point erreichen. Der erforderliche HIPC-Schuldenerlass wird zum Zeitpunkt des Erreichens des Decision Points vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank im Rahmen einer „Debt Sustainability“-Analyse festgelegt. In weiterer Folge käme es dann zu einer Entschuldungsvereinbarung zwischen dem Sudan und den Gläubigerstaaten des Pariser Club unterteilt in Phasen, wobei die Entschuldungsphasen an die Erfüllung bestimmter zwischen dem Sudan und dem IWF vereinbarter Kriterien unter einem die HIPC-Initiative begleitenden IWF-Finanzierungsprogramm geknüpft sind.

 

Bei Erfüllung dieser Vorgaben über einen festgelegten Zeitraum entscheiden die zuständigen Gremien von IWF und Weltbank („Boards“) über das Erreichen des HIPC-Completion Point und damit über den finalen Entschuldungszeitpunkt. Mit Abschluss der bilateralen Vereinbarung zwischen der Republik Sudan und der Republik Österreich würde die 100%ige Entschuldung der gesamten staatlichen Forderungen an den Sudan vertraglich umgesetzt werden.

 

Qualifiziert sich der Sudan wider Erwarten nicht für die HIPC-Initiative, würde ein geringerer – den Verschuldungskriterien des Landes entsprechender – Schuldenerlass im Rahmen des Pariser Clubs von den betroffenen Gläubigern zugesagt werden.

 

Aus heutiger Sicht kann daher die Frage nach einem etwaigen Schuldenrest und dessen Begleichung nicht beantwortet werden.

 

Zu 3.:

Österreich verfolgt, wie andere EU-Mitgliedsländer, die weiter bestehenden politischen Konflikte im Sudan und Südsudan mit großer Sorge. Eine konzertierte Entschuldung im Rahmen des Pariser Clubs ist nur möglich, wenn insbesondere

 

Zu 4.:

Verhandlungen über die Entschuldung des Sudans gibt es zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine. Dies ist in erster Linie auf die politische Situation im Sudan und Südsudan sowie die speziell in den Grenzregionen der beiden Staaten weiterhin vorkommenden bewaffneten Konflikte zurückzuführen. Ein weiteres Kriterium für den Beginn der Entschuldungsverhandlungen im Pariser Club ist ein zwischen dem Sudan und dem IWF zu vereinbarendes konzessionelles IWF-Finanzierungsprogramm, eine sogenannte Extended Credit Facility (ECF). Diese ECF ist ein zinsloses Finanzierungsprogramm des IWF, das einkommensschwachen Ländern, wie zum Beispiel HIPC-Ländern, gewährt wird, um die Finanzierung von makroökonomischen Strukturmaßnahmen (unter anderem mit Fokus auf die Armutsbekämpfungsstrategien des Landes, aber auch auf ein stabiles Wirtschaftswachstum) zu unterstützen.

 

Neben den politischen Faktoren, die ein solches Programm derzeit verhindern, ist auch die Bereinigung der gegenüber dem IWF respektive der Weltbank bestehenden Überfälligkeiten durch den Sudan erforderlich, damit eine ECF vom IWF gewährt werden kann. Die technischen Vorarbeiten für eine zukünftige Schuldenbehandlung im Pariser Club, wie zum Beispiel die Forderungsabstimmung der Gläubigerländer mit dem Sudan, sind jedenfalls abgeschlossen.

 

Sobald die hier genannten Kriterien erfüllt sind, ist mit einem unverzüglichen Beginn der Schuldenverhandlungen im Pariser Club zu rechnen.

 

Zu 5.:

Die Diskussionen im Pariser Club sind bisher beschränkt auf einen Informationsaustausch über die wirtschaftliche und politische Situation von Sudan und Südsudan sowie Entwicklungen hinsichtlich der Zusammenarbeit mit dem IWF und der Weltbank. Die Situation des Sudan wurde im Rahmen von Pariser Club-Sitzungen 2013 regelmäßig (insgesamt fünfmal) diskutiert. Sobald die bereits in Beantwortung der Frage 4 genannten Kriterien erfüllt sind, wird es eine von allen Pariser Club-Gläubigern getragene Schuldenregelung für den Sudan beziehungsweise den Südsudan geben.


Zu 6.:

Beim Pariser Club, einem informellen ad-hoc Gläubigerforum von derzeit 19 Ländern, handelt es sich um ein auf Vertraulichkeit beruhendes Gremium, in welchem bewusst auf Sitzungsprotokolle verzichtet wird.

 

Zu 7.:

Wie bereits dargelegt sind internationale Verhandlungen an die Erfüllung bestimmter Kriterien gebunden. Es gibt aber seit 2011 informelle Gesprächsrunden mit einem Schwerpunkt auf technischen Themen zur Schuldensituation, die von IWF und Weltbank koordiniert werden und in denen neben Vertreterinnen und Vertretern des Sudan und ab 2012 auch des Südsudan Vertreterinnen und Vertreter der internationalen Gläubigergemeinschaft (so auch des Pariser Clubs) teilnehmen. Das nächste Treffen dieser technischen Arbeitsgruppe ist im Rahmen der Frühjahrstagungen 2014 der Bretton Woods Institutionen geplant.

 

Zu 8.:

Gemäß den geltenden DAC Richtlinien „Handbook for Reporting Debt Reorganisations on the DAC Questionnaire [DCD/DAC(2000)16]“ würde ein Schuldenerlass gegenüber dem Sudan im Rahmen des Pariser Clubs in die ODA-Meldung Österreichs einfließen.

 

Zu 9.:

Mit der vorliegenden Frage betreffend die österreichische Entwicklungszusammenarbeit wird meine Zuständigkeit des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres angesprochen. Dessen ungeachtet wird darauf hingewiesen, dass dem Bundesministerium für Finanzen für 2013 noch keine offiziellen Daten des DAC der OECD vorliegen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Dr. Michael Spindelegger eh.