1148/AB XXV. GP

Eingelangt am 30.05.2014
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BM für Finanzen

Anfragebeantwortung

 

Frau Präsidentin

des Nationalrates

Mag. Barbara Prammer                                                          Wien, am      Mai 2014

Parlament

1017 Wien                                                                GZ: BMF-310205/0088-I/4/2014

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

 

 

Auf die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 1256/J vom 1. April 2014 der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen beehre ich mich Folgendes mitzuteilen:

 

Zu 1.:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes zur Stärkung der Liquidität von Unternehmen (Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz – ULSG) hat sich der Beirat aus Vertreterinnen und Vertretern des Bundesministeriums für Finanzen, des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft, der Oesterreichischen Nationalbank und des Bevollmächtigten zusammengesetzt, wobei es der jeweiligen Institution beziehungsweise dem jeweiligen Bundesministerium obliegt, die Vertreterinnen und Vertreter zu nominieren. Das Bundesministerium für Finanzen hat auf die einzelnen Nominierungen mit Ausnahme der eigenen zu nominierenden Vertreterinnen und Vertreter keinen Einfluss. Bei den Vertreterinnen und Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen handelte es sich um Expertinnen und Experten aus den zum ULSG nahen Fachbereichen.


Zu 2.:

Die Verschwiegenheitsverpflichtungen ergeben sich aus der Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 20 Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) und dem Anspruch auf Geheimhaltung personenbezogener Daten gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000). Sofern Daten der Oesterreichischen Kontrollbank Aktiengesellschaft (OeKB) bzw. der involvierten Kreditinstitute betroffen sind, kommt auch das Bankgeheimnis gemäß § 38 Bankwesengesetz (BWG) zur Anwendung.

 

Zu 3.:

Auf Bundesebene werden allgemein anzuwendende Regeln bei Haftungsübernahmen durch das Bundeshaushaltsgesetz (§ 82 des BHG 2013) bestimmt. Ferner werden Obergrenzen für Haftungsübernahmen des Bundes in zahlreichen Gesetzen normiert. Der Bundesminister für Finanzen übernimmt im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben demnach unter anderem Haftungen im Rahmen des FinStaG, GarantieG, KMU-FG, SchiG, AusfFG, AFFG, BFG, ASFINAG Gesetz, Atomhaftungsgesetz, EUROFIMA. Eine genaue Aufstellung der Haftungen wird jährlich im Rahmen des Haftungsberichts an den Budgetausschuss übermittelt beziehungsweise im Bundesrechnungsabschluss angeführt.

 

Zu 4.:

Im Antrag auf Haftungsübernahme aus dem Jahr 2009 wird unter anderem ausgeführt, dass Probleme im Finanzierungsbereich bestehen, insbesondere, dass Finanzverbindlichkeiten zeitnah auslaufen und von den Banken keine Prolongationen (beziehungsweise nur mit deutlich gekürzten Beträgen) in Aussicht gestellt worden sind. Eine ähnliche Begründung findet sich im Antrag auf Haftungsübernahme im Jahr 2010.

 

Zu 5.:

Die Ablehnung der Zahlung der Haftungsbeträge wird darauf gestützt, dass – wie nunmehr (unter anderem durch Gutachten) bekannt geworden ist – die gesetzlichen Voraussetzungen für die Haftungsübernahmen nach dem ULSG (insbesondere jene nach § 2 Abs. 1 Z 5 ULSG) seinerzeit nicht vorgelegen haben, weshalb die Haftungsübernahmen nach § 879 ABGB auch in Verbindung mit Unionsrecht nichtig seien. Nach der zitierten Rechtsvorschrift des ULSG darf eine Haftung im Sinne des ULSG nur zu Gunsten von Unternehmen übernommen werden, wenn unter anderem das begünstigte Unternehmen vor dem 1. Juli 2008 eine gesunde wirtschaftliche Basis aufwies und aufgrund von Vorschauen zu erwarten ist, dass dieses Unternehmen die garantierten Verbindlichkeiten während  der  Laufzeit  der  Haftung


vereinbarungsgemäß erfüllen kann. Hilfsweise wird die Ablehnung der Ansprüche darauf gestützt, dass die Haftungsübernahmen auf einem von den Banken veranlassten Irrtum zurückzuführen seien sowie auf das Fehlen der Geschäftsgrundlage.

 

 

Zu 6. und 20.:

Zur Frage nach den Mitgliedern des Beirates ist zunächst darauf hinzuweisen, dass
Art. 52 B-VG das Grundrecht auf Datenschutz nicht generell einschränkt oder gar aufhebt. Auch im Bereich der parlamentarischen Interpellation ist vielmehr zu prüfen, ob eine inhaltliche Beantwortung anhand der Kriterien des § 1 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000) zulässig ist. Eine Auskunft nach den Namen der Vertreterinnen und Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen im Beirat ist bei allen Personen eine Frage nach personenbezogenen Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG 2000. Im Hinblick auf die letztgenannte Verfassungsbestimmung darf eine Bekanntgabe der jeweiligen Namen der Vertreterinnen und Vertreter des Bundesministeriums für Finanzen im Beirat zum Schutz der persönlichen Identität nicht erfolgen.

 

Zu 7. und 9.:

Nach den vorliegenden Informationen beruhte die Beurteilung der Anträge auf Haftungsübernahmen auf Unterlagen (unter anderem Jahresabschlüssen) und Annahmen (beispielsweise betreffend die Cash-Flow-Entwicklung), die – wie sich nunmehr herausgestellt hat – der tatsächlichen wirtschaftliche Lage der Alpine nicht entsprochen haben.

 

Zu 8.:

Laut Gutachten befand sich die Alpine Bau GmbH im Jahr 2008 nicht mehr nur in einer Strategie- oder Ertragskrise, sondern bereits in einer Liquiditätskrise. Diese war insbesondere gekennzeichnet durch: hohe Forderungsbestände, enorme externe Finanzierungsnotwendigkeiten, massiver Aufbau der Verbindlichkeiten, deutliche Zinsbelastungseffekte, signifikante Erhöhung der Miet- und Leasingverpflichtungen und das Fehlen eines ausreichenden Refinanzierungspotentials.

 

Zu 10.:

Die Banken stützen ihre Ansprüche auf die im Jahr 2009 und 2010 von der Republik Österreich nach ULSG übernommenen Haftungen.


Zu 11.:

Die Oesterreichische Kontrollbank AG (OeKB) kann im Rahmen des ULSG, des AusfG und des Bundesgesetzes betreffend die Finanzierung von Rechtsgeschäften und Rechten (Ausfuhrfinanzierungsförderungsgesetz – AFFG) keine Haftungen übernehmen. Die entsprechenden Haftungen werden vom Bund übernommen. Der jeweils ausstehende Gesamtbetrag der übernommenen Haftungen nach dem ULSG darf 10 Milliarden Euro nicht überschreiten. Darüber hinaus wird festgehalten, dass gemäß dem AusfG, welches über die OeKB banktechnisch abgewickelt wird, ein maximaler Haftungsrahmen in der Höhe von
50 Milliarden Euro, sowie gemäß dem AFFG ein maximaler Haftungsrahmen in der Höhe von 45 Milliarden Euro besteht.

 

Zu 12.:

Es wird darauf hingewiesen, dass die Mitteilung der Kommission „Vorübergehender Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise (ABl. C16 vom 22.1.2009)“ eine interne Sichtweise der Europäischen Kommission darstellt. In dieser Mitteilung legt die Kommission fest, unter welchen Voraussetzungen die Gewährung von bestimmten Beihilfen für einen vorübergehenden Zeitraum genehmigt werden kann. Im Zuge dieses Rahmens erging die Entscheidung der Europäischen Kommission vom 20.3.2009 zur staatlichen Beihilfenregelung N 47a/2009 – Österreich „Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare begrenzte Beihilfen nach dem Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen“ (Österreichregelung Kleinbeihilfen).

 

Zu 13.:

Die Europäische Kommission hat auf der Grundlage der Beihilfevorschriften des Europarechts und der Mitteilung über den vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen die Beihilfenregelung N 47a/2009 genehmigt. Die Kernelemente der Regelung sehen beispielsweise vor, dass Unternehmen, die sich am 1. Juli 2008 in Schwierigkeiten befanden, die Regelung nicht in Anspruch nehmen können sowie die Beihilfen bis zum 31. Dezember 2010 gewährt und in Form von direkten Zuschüssen, Zinszuschüssen, subventionierten öffentlichen Darlehen und staatlichen Garantien vergeben werden können.

 

Zu 14.:

Es wird darauf hingewiesen, dass die Beihilfenregelung N 47a/2009 durch die Beihilfenregelung N 317/2009 – Österreich abgeändert worden ist. Die Beihilfenregelung des ULSG wurde durch die staatliche Beihilfe N 317/2009 genehmigt. Es wird auf die entsprechende Kundmachung im BGBl. I Nr. 100/2009 verwiesen.


Zu 15. und 18.:

Zur Frage nach den Unternehmen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Art. 52 B-VG das Grundrecht auf Datenschutz nicht generell einschränkt oder gar aufhebt. Auch im Bereich der parlamentarischen Interpellation ist vielmehr zu prüfen, ob eine inhaltliche Beantwortung anhand der Kriterien des § 1 Abs. 1 und 2 des Bundesgesetzes über den Schutz personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000) zulässig ist. Eine entsprechende Auskunft ist bei allen Unternehmen eine Frage nach personenbezogenen Daten im Sinne des § 1 Abs. 1 DSG 2000, die auch Wirtschaftsdaten umfassen. Im Hinblick auf die letztgenannte Verfassungsbestimmung darf unter Berücksichtigung drohender Reputationsverluste und eines nicht auszuschließenden Eingriffs in die Erwerbsfreiheit eine Bekanntgabe der jeweiligen Unternehmen nicht erfolgen. Die Tatsache, dass nach dem ULSG Haftungen nur zugunsten an sich gesunder Unternehmen eingegangen werden durften, ändert nichts daran, dass den Unternehmen Reputationsverluste drohen, wenn bekannt wird, dass sie Haftungen im Rahmen des ULSG in Anspruch genommen haben. Dies nicht zuletzt deshalb, weil in den Medien bislang vor allem Negativbeispiele genannt wurden. Es ist daher begründet zu befürchten, dass das Bild kolportiert wird, dass sie als finanziell angeschlagene Unternehmen auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und gesunder Konkurrenten gerettet wurden, obwohl das ULSG einen völlig anderen Schutzzweck aufweist, handelt es sich doch um eine von der EU-Kommission genehmigte Beihilfenregelung, mit der die Auswirkungen der Finanzkrise auf Unternehmen der Realwirtschaft abgemildert und der Verlust von Arbeitsplätzen verhindert werden sollte. Weiters ist nicht auszuschließen, dass den Kreditnehmern finanzielle Nachteile bei der Erlangung weiterer Finanzierungen oder der Kundengewinnung drohen, die auch einen Eingriff in die Erwerbsfreiheit darstellen könnten.

 

Wie auch dem Bericht des Bundesministeriums für Finanzen über die Übernahme von Bundeshaftungen an den Budgetausschuss des Parlaments entnommen werden kann, weist der Haftungsstand gemäß der Eröffnungsbilanz per 01.01.2013 einen Betrag von 975.059.236,85 Euro auf. Der Haftungsstand zum 31.12.2013 beträgt 392.288.289,20 Euro.

 

Zu 16.:

Österreich ist nach der genehmigten Methode 2 vorgegangen, wonach das Haftungsentgelt auf der Grundlage der Bestimmungen für Safe-Harbour-Prämien berechnet wird.

 

Zu 17.:

Der nach dem ULSG maximal übernommene Garantiebetrag beträgt 1.309.677.169,30 Euro. Der Haftungsstand zum 31.12.2013 beträgt 392.288.289,20 Euro.


Zu 19.:

Maßgebliche Kriterien für die Auswahl der Haftungsübernahme waren insbesondere Marktentwicklung und Marktstellung, Auftragseingang und Auftragsstand, Jahresabschlüsse und eventuell Konzernjahresabschlüsse, Beteiligungsverhältnisse, Unternehmenskonzept und Unternehmensplanung inklusive Planannahmen, geplante Beschäftigungsentwicklung, Liquiditäts- und Kapitaldienstfähigkeitsplanung sowie Sicherheiten des Kreditnehmers.

 

Zu 21.:

Die banktechnische Behandlung der Ansuchen um Haftungsübernahme wurde gemäß § 5 Abs. 1 ULSG der OeKB übertragen, die auch die Prüfung des Risikos und der Bonität vornahm.

 

Zu 22. und 23.:

Die meisten österreichischen Unternehmen verfügen über kein externes Rating. Aus diesem Grund wurde zur Beurteilung der Bonität ein internes Ratingverfahren seitens der OeKB und der Banken durchgeführt.

 

Zu 24. und 25.:

Es wurden insgesamt 49 Anträge von Unternehmen dem Beirat vorgelegt. Von den vorgelegten Anträgen wurden 48 Anträge genehmigt, wobei ein genehmigter Antrag später zurückgelegt wurde und ein Antrag nicht genehmigt worden ist. Darüber hinaus wird auf die Ausführungen zu Frage 15. hingewiesen.

 

Zu 26.:

Es wurden ausschließlich Haftungen für Unternehmen mit einem Rating von mindestens B übernommen, wobei auf eine ausgewogene Risikostreuung geachtet wurde. Mehr als 37% des Gesamtobligos wurde für Unternehmen mit einer Rating von BBB oder besser übernommen.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Michael Spindelegger eh.