22/BI XXV. GP

Neuverteilung gem. § 21 Abs. 1a GOG-NR am 29.10.2013

Eingebracht am 06.03.2013 als 63/BI XXIV. GP
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

 

Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend:

 

 

Sanierung des

Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951,

nach VfSlg 9336/1982

 

 

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

Mit Erk VfSlg 9336/1982 wurde der Zuständigkeitstatbestand gem § 15 Abs. 2 lit. d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 („Gemeindegut“) vom Verfassungsgericht aufgehoben.  Die Begründung dafür war, dass der Gesetzgeber es verabsäumt hätte, die erforderlichen Differenzierungen im Flurverfassungsrecht vorzunehmen. Diese Gesetzesreparatur ist seit 1982 überfällig. Auf Grund dieser fehlenden Gesetzesreparatur  sind „Verwerfungen“ im Bodenreformrecht entstanden, welche heute jede zweite Tiroler Ortsgemeinde in einen "juristischen Kampfplatz“ verwandeln. Durch die Aufhebung des Tatbestandes „Gemeindegut“ in § 15 Abs. 2 lit. d Grundsatzgesetz 1951 ausgelöst, wurden trotz zweimaliger Warnung aus den Ministerien (BMLFUW-LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009 und BMLFUW- LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009) sowie zuletzt namens der gesamten  Bundesregierung  (BKA-654.127/001-V/2/2010  vom 9.2.2010) mit der Novelle des TFLG 2010 bedenkenlos Regelungen geschaffen, welche tausende Agrargemeinschaftsmitglieder enteignen.


Anliegen:

Der Nationalrat wird ersucht, mit einer längst überfälligen Novelle des Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951, die Zuständigkeit des Flurverfassungsrechtes für agrargemeinschaftliche Grundstücke neu und differenziert festzustellen, um einer unseligen Entwicklung, welche in Tirol derzeit zu politischen Verwerfungen ungeahnten Ausmaßes führt, und jederzeit auf den agrarischen Gemeinschaftsbesitz österreichweit übergreifen kann, dauerhaft und klärend entgegen zu treten.

Juristische  Begriffe, wie „Atypisches Eigentum der politischen Gemeinden“, „eigentumslose Substanz“, „substanzloses Eigentum der Agrargemeinschaften“,  gab  es in der Österreichischen Rechtsordnung bisher nicht. Diese Begriffe wurden zur „Enteignung durch die Hintertüre“ erfunden und führen faktisch das in Österreich längst abgeschaffte und verbotene feudal-herrschaftliche Obereigentum an land- und forstwirtschaftlichen Gemeinschaftsliegenschaften wieder ein. Der Nationalrat wird dringend ersucht mit der Novellierung des Flurverfassungsgrundgesetzes 1951 auch dieser Entwicklung klärend und rechtlich verbindlich entgegen zu treten.

Obsteig, am 6. März 2013

Der Erstunterzeichner

Beilagen:

Vorschlag zur Gesetzesänderung

Erklärende Zusammenstellungen

Offener Brief an Herrn Landeshauptmann

 


Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend:

Sanierung des

Flurverfassungsgrundsatzgesetzes 1951,

nach VfSlg 9336/1982

Erstunterzeichner:

                                  Anton Riser, geb

Datum:      am 28.02.2013

Unterschrift…………………………………………

Die Gemeinde       bestätigt die Echtheit der Unterschrift


und die Eintragung in die Wählerevidenzliste der Gemeinde Obsteig:


Gesetzesentwurf

A)     Gesetz vom …, mit dem das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, Anlage 1 zu BGBl 1951/103, geändert wird.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I.

Das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951, Anlage 1 zu BGBl 1951/103, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl I 39/2000 wird wie folgt geändert:

1.  In Abs 2 des § 15 hat die lit d zu lauten:

„d) das Gemeindegut, insoweit es in agrargemeinschaftlicher Nutzung steht.“

2.  Nach § 21 wird folgende Bestimmung als neuer § 21a eingefügt:

㤠21a. (1) Die Verwaltungssatzungen haben die Organe der Agrargemeinschaft einzurichten. Organe sind jedenfalls die Vollversammlung der anteilberechtigten Mitglieder und der Ausschuss sowie der Obmann/die Obfrau der Agrargemeinschaft.

(2)    Dem Ausschuss obliegt die Geschäftsführung, dem Obmann/der Obfrau die Vertretung der Agrargemeinschaft; die Satzung kann besondere Gültigkeitserfordernisse für Vertretungshandlungen aufstellen.

(3)      Der Ausschuss wird in der Vollversammlung gewählt; dieser wählt den Obmann/die Obfrau. Der Ausschuss hat unter eigener Verantwortung die Agrargemeinschaft zu leiten. Entscheidungsgrundlagen sind das Wohl der Agrargemeinschaft unter Berücksichtigung der Interessen der Anteilsberechtigten, der Arbeitnehmer sowie der öffentlichen Interessen.

(4)    In Angelegenheiten von öffentlichem Interesse kann der Bürgermeister die Entscheidung der Vollversammlung verlangen. Die Vollversammlung hat den Bürgermeister anzuhören.

(5)     Für das Organisationsrecht der Agrargemeinschaft gelten die gesetzlichen Garantien für Selbstverwaltungskörper sinngemäß. Die Landesgesetzgebung kann weitere Organe der Agrargemeinschaft einrichten.“

3.  In § 22 hat Abs 2 zu lauten:

„(2) Der Gemeinde steht neben dem ihr etwa nach Abs. 1 zustehenden Anspruch ein Anteilsrecht an dem agrargemeinschaftlichen Besitz auch dann zu, wenn sie über eine ihr etwa nach  Abs. 1  zustehende Berechtigung hinaus an der Benutzung teilgenommen hat; das Anteilsrecht gebührt in Höhe der tatsächlichen durchschnittlichen Benutzung durch die Gemeinde.“

4.   In § 23 wird folgende Bestimmung als neuer Abs 4 angefügt:

„(4) Aus dem Eigentum am agrargemeinschaftlich genutzten Grundstück kann kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft abgeleitet werden.“

5.   In § 23 wird folgende Bestimmung als neuer Abs 5 angefügt:


„(5)  Rechtskräftig  regulierte Anteilsrechte werden in ihrem Bestand durch Änderungen in den Verhältnissen an einer berechtigten Liegenschaft nicht berührt.“

6.   Nach § 23 wird folgende Bestimmung als neuer § 23a eingefügt:

„§ 23a. Ansprüche der Parteien nach atypischer Eigentumsregulierung.

(1)     Hat  die Agrarbehörde im Regulierungsverfahren neben dem Eigentumsrecht einer Agrargemeinschaft rechtskräftig das Substanzrecht einer Ortsgemeinde festgestellt, so ist der Anspruch im Lastenblatt des Grundbuches zu verbüchern.

(2)    Hat die Behörde im Regulierungsverfahren den Zuständigkeitstatbestand gem § 15 Abs 2 lit d (bzw den entsprechenden Zuständigkeitstatbestand des Ausführungsgesetz dazu) in Anspruch genommen, so begründet dies das Substanzrecht der Ortsgemeinde nicht.

(3)       Das Substanzrecht ist ein Schuldrecht. Die Ausgestaltung ist dem Agrarbehördenbescheid zu entnehmen, der dieses Recht hervorgebracht hat. Findet sich im Bescheid keine ausdrückliche Regelung, gilt Folgendes: Das Substanzrecht gewährt der berechtigten Gemeinde einen Anspruch auf 50% der Gegenleistung für den Fall der Substanzverwertung. Die Substanzverwertung erfordert die Zustimmung der substanzberechtigten Gemeinde. Eine Substanzverwertung setzt einen Eigentümerwechsel voraus. Benützungs- und Bewirtschaftungsformen jedweder Art erfüllen den Tatbestand der Substanzverwertung nicht.

(4)      Die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über den originären Eigentumserwerb durch den redlichen Nichtberechtigten gelten für das Verhältnis zwischen der Agrargemeinschaft als Eigentümerin und der substanzberechtigten Ortsgemeinde sinngemäß.

(5)   Das Substanzrecht erlischt durch Nichtausübung während der Verjährungszeit (§ 1485 ABGB). Die Verjährungsfrist wird durch Einbringung eines Antrags auf Feststellung des Substanzrechts bei der Agrarbehörde unterbrochen.

(6)      Wird substanzrechtbelastetes Liegenschaftsvermögen auf Mitglieder der Agrargemeinschaft aufgeteilt, ohne dass die Ortsgemeinde ihr Substanzrecht geltend macht, erlischt das Substanzrecht am aufgeteilten Vermögen mit Rechtskraft des Teilungsbescheides; sinngemäß gleiches gilt für Veräußerungsgeschäfte; diesfalls erlischt der Anspruch mit der gültigen Errichtung des Vertrages.

(7)   Das Nähere regelt die Landesgesetzgebung.

7.   In § 31 hat Abs 1 zu lauten:

„(1) Gegenstand des Ermittlungsverfahrens ist insbesondere die Feststellung der Grenzen des Gebietes und mangels Übereinkommens die Einschätzung und Bewertung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke, die Feststellung der Parteien und ihrer Anteilsrechte und die Feststellung des Eigentümers des agrargemeinschaftlichen Grundstücks. Dies gilt insbesondere auch für Grundstücke gem § 15 Abs 2 lit d, welche im Eigentum einer Agrargemeinschaft, der Ortsgemeinde oder eines Dritten stehen können.“

8.   In § 34 hat Abs 4 zu lauten:

„(4) Diese Zuständigkeit der Agrarbehörden erstreckt sich insbesondere auch auf Streitigkeiten über Eigentum und Besitz an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken und über die Gegenleistungen für die Benutzung solcher Grundstücke. Im Teilungs-  und  Regulierungsverfahren muss über die Eigentumsverhältnisse an den in das Verfahren einbezogenen Grundstücken entschieden werden; dies mit eigenständigem Bescheid.“


9.   In § 34 hat Abs 5 zu lauten:

„(5) Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind von den Agrarbehörden die Normen, welche sonst für diese Angelegenheiten gelten (zB die Vorschriften des Bürgerlichen Rechtes, des Wasser- und Forstrechtes), anzuwenden. Das Bürgerliche Recht kennt das Eigentum nur als Vollrecht und ungeteilt; das Eigentumsrecht umfasst die Substanz und die Nutzung. Agrargemeinschaftliches Eigentum kann nicht durch Agrarbehördenbescheid mit dauernden unablösbaren Lasten nach Art des geteilten Eigentums belegt oder des Rechts auf die Substanz entkleidet werden.

9. In § 35 hat Abs 1 zu lauten:

„(1) Den Agrarbehörden steht auch außerhalb eines Verfahrens nach § 34 die Entscheidung zu, ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes vorhanden ist, auf welches Gebiet sie sich erstreckt, wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist, ferner die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand sowie den Umfang von Anteilsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, über die Frage, ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt, über das Substanzrecht der Ortsgemeinde sowie in Verfahren nach Art II. dieses Bundesgesetzes.“

Artikel II. Übergangsbestimmungen

§ 1. Insofern agrargemeinschaftliches Eigentum im Agrarbehördenverfahren zu Gunsten  des Bundes,  eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes mit dauernden, unablösbaren Lasten nach Art des geteilten Eigentums, insbesondere mit dem Substanzrecht zu Gunsten einer Ortsgemeinde, belastet wurde, besteht ein Anspruch der Agrargemeinschaft und jedes einzelnen Mitglieds dieser Agrargemeinschaft auf Aufhebung.  Der  Anspruch kann auch bezogen  auf  bestimmte Grundstücke oder von Teilen davon geltend gemacht werden.

§ 2. Der Anspruch auf Aufhebung besteht auch dann, wenn eine solche Last im Sinn des § 1 bereits rechtskräftig mit Bescheid als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht reguliert wurde.

 

§ 3. Gründet  das  aufzuhebende Recht im Sinn der §§ 1f in ehemaligem Eigentum des Berechtigten, so erfolgt die Aufhebung gegen angemessene Entschädigung, anderenfalls ohne eine solche.

§ 4. Ein  Tatbestand  zur entschädigungslosen Aufhebung liegt insbesondere dann vor, wenn ein Substanzrecht der Ortsgemeinde im Regulierungsverfahren ohne nachweisliche  Zustimmung  der Nutzungsberechtigten und ohne Protokollierung dieser Zustimmung im Verhandlungsprotokoll per Behördenbescheid festgestellt wurde.

§ 5. Das ehemalige Eigentum als Voraussetzung eines Entschädigungsanspruches gem  § 3,  kann nicht auf eine historische Agrarbehördenentscheidung gestützt werden. Maßgeblich sind ausschließlich die wahren Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt vor dem Einschreiten der Agrarbehörde.


§ 6. Zur Entscheidung über die Aufhebung und Festsetzung der Höhe der Entschädigung ist die Agrarbehörde zuständig. Das in Art I. § 23a festgesetzte Wertverhältnis  ist  der Bemessung der Entschädigung sinngemäß zu Grunde zu legen. Die näheren Bestimmungen trifft die Landesgesetzgebung.

§ 7. Für entgeltliche Rechtsgeschäfte über Liegenschaftsvermögen einer Agrargemeinschaft, welche vor der Veröffentlichung des Erk VfSIg 18.446/2008 abgeschlossen wurden, gilt die unwiderlegliche Vermutung, dass der Erwerber gutgläubig keine Kenntnis von Rechten im Sinn des § 1 hatte.

§ 8. Wurde im Sinn des § 1 belastetes agrargemeinschaftliches Liegenschaftsvermögen per Bescheid der Agrarbehörde auf Mitglieder der Agrargemeinschaft aufgeteilt oder einem agrarbehördlichen Zusammenlegungsverfahren unterzogen, ohne dass ein Berechtigter seine Rechtsposition in diesem Verfahren geltend gemacht hätte, so ist das Substanzrecht mit Rechtskraft des Behördenbescheides, mit dem die Eigentumsverhältnisse als Verfahrensergebnis festgestellt wurden, erloschen.

Art III.

Gemäß Art 15 Abs 6 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 wird die Frist für die Landesgesetzgebung zur Umsetzung dieser Grundsätze mit sechs Monaten ab Kundmachung dieses Gesetzes im Bundesgesetzblatt bestimmt.


 

B) Gesetz vom …, mit dem das Agrarverfahrensgesetz - AgrVG. 1950, BGBl 173/1950, in der Fassung BGBl I Nr 57/2002 geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Agrarverfahrensgesetz - AgrVG. 1950, BGBl 173/1950, in der Fassung BGBl I Nr 57/2002 wird geändert wie folgt:

1.  § 14 wird folgende Bestimmung als neuer Absatz 2 angefügt:

„(2) Feststellungsbescheide der Agrarbehörde klären und entscheiden eine bestehende Rechtslage. Die Rechtskraftwirkung der Feststellungsentscheidung bezieht sich auf den Zeitpunkt der Entscheidung. Die bloße Anknüpfung der Agrarbehördenentscheidung im Teilungs- oder Regulierungsverfahren beim Zuständigkeitstatbestand gem  § 15  Abs 2 lit d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951  (bzw der entsprechenden Norm des Landesausführungsgesetzes) entfaltet keine  Rechtskraftwirkung hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse in der Vergangenheit.

2.  Der bisherige Gesetzestext in § 14 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“

 

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                     Was ist im Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 zu ändern?

1.  Warum soll das Bundes-Grundsatzgesetz saniert werden?

„Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen“ ist gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG in Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in Ausführungsgesetzgebung Landessache (und im Vollzug Angelegenheit der Agrarbehörden).

Die Bundesverfassung 1921 hat im Wege der Kompetenzartikel entschieden, dass diese Rechtsmaterie dem Grunde nach vom Bundesgesetzgeber zu regeln ist. Die „Verwerfungen“ im Bodenreformrecht, welche heute jede zweite Tiroler Ortsgemeinde in einen „juristischen Kampfplatz“ verwandeln, sind durch die Aufhebung des Tatbestandes „Gemeindegut“ in § 15 Abs 2 lit d Grundsatzgesetz 1951 ausgelöst; die Sanierung hat durch verfassungskonforme Wiederherstellung des Systems der Flurverfassung dem Grunde nach zu erfolgen. Das Beispiel des Tiroler Landesgesetzgebers (TFLG-Novelle 2010 LGBI 7/2010) zeigt darüber hinaus, dass der Landesgesetzgeber mit dieser Materie überfordert ist. Mit Blick auf den politischen Druck, den ein Demagoge wie Fritz Dinkhauser unter Mithilfe der Tiroler Tageszeitung aufbauen konnte, wurden − trotz zweimaliger Warnung aus den Ministerien (BMLFUW-LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009 und BMLFUW-LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009) sowie zuletzt namens der gesamten Bundesregierung (BKA-654.127/001 - V/2/2010 vom 9.2.2010) − bedenkenlos Regelungen geschaffen, welche tausende Agrargemeinschaftsmitglieder enteignen.

2.  Was ist der „Kern-Regelungsgegenstand“ der Gesetzesnovelle?

a)  Wiederherstellung des Systems des Teilungs- und Regulierungsrechts dem Grunde nach: Das „Gemeindegut“ war Regelungsgegenstand nach Flurverfassungsrecht 1883 sowie nach allen Landesgesetzen, erlassen zwischen 1884 bis 1921 und gem Grundsatzgesetz 1932 und 1951 und allen Ausführungsgesetzen in den Bundesländern dazu.

b)  Berücksichtigung und Hervorhebung der erforderlichen Differenzierungen (Forderung gem VfSlg 9336/1982): Die mangelnde Differenzierung des Flurverfassungsrechts, welche 1982 zur Aufhebung des Zuständigkeitstatbestandes „Gemeindegut“ im Flurverfassungsrecht geführt hat, ist nachzuholen. Dies durch Klarstellung des Grundsatzes, dass nur Gemeinschaftseigentum der Nutzungsberechtigten nach Flurverfassungsrecht geteilt oder als Agrargemeinschaft umgegründet werden kann.

c)   Regelung des „Substanzrechts der Ortsgemeinde“: Bundesgesetzliche Regelungen für das von den Höchstgerichten VfGH und VwGH entgegen der lex lata entwickelten („erfundenen“) „Substanzrecht der Ortsgemeinden“, müssen dieses unmittelbar aus der Bundesverfassung abgeleitete „Phänomen“ in ein gesetzliches Korsett bringen. Dieses Korsett muss mit den verfassungsrechtlich zu schützenden Rechtspositionen der Agrargemeinschaftsmitglieder in Einklang stehen.

d)   Klarstellung der Rechtsposition des Mitgliedes einer Agrargemeinschaft: Die Mitglieder einer Agrargemeinschaft sind Inhaber einer Rechtsposition, welche dem Eigentumsschutz gem Art 1 1. Zusatzprotokoll zum MRK unterliegt (VfSlg 19.150/2010). Das Bundes­Grundsatzgesetz hat diesem Umstand Rechnung zu tragen.


     Warum das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 novellieren?

 

1.    Das „Bodenreformrecht“ betreffend die Agrargemeinschaften hat seit und durch das Erkenntnis VfGH Slg 9336/1982, eine Entwicklung zu Wirrnissen in Verkenntnissen und gesetzlichen Regelungen genommen, die besonders in Tirol aber auch in Vorarlberg von hoher Aktualität ja Brisanz geworden ist. Seit den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.6.2011, Leit-Erk ZI 2010/07/0091, drohen diese Wirrnisse jede Österreichische Agrargemeinschaft zu erfassen, welche nach einem Zuständigkeitstatbestand entsprechend § 15 Abs 2 lit d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 idF vor BGBl 212/1982 reguliert wurde.

2.   Mit  Erk  VfSIg  9336/1982  wurde der  Zuständigkeitstatbestand  gem  § 15 Abs 2 lit d Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 („Gemeindegut“) vom Verfassungsgericht aufgehoben. Die Begründung dafür war, dass der Gesetzgeber es verabsäumt  hätte,  die  erforderlichen  Differenzierungen im Flurverfassungsrecht vorzunehmen.  Eine  Gesetzesreparatur ist seit 1982 überfällig, weil der Bundesgrundsatz-Gesetzgeber sich mit der entstandenen Gesetzeslücke auseinandersetzen muss. Die vom Höchstgericht geforderte Differenzierung ist umzusetzen!

3.         Wegen  dieses  Versäumnisses  hat  eine rechtspolitisch und rechtsdogmatisch   unerträgliche   Verwirrung   das  Recht  der  Bodenreform erfasst.  Mit  Bundesgesetz vom 24. Juli 2006 BGBl 2006/113 (Deregulierungsgesetz   2006)   wurden   im   Allgemeinen  Bürgerlichen Gesetzbuch  die  Bestimmungen  betreffend  das geteilte Eigentum (§§ 359 und 360) wegen Gegenstandslosigkeit aufgehoben. Mit der Kategorie des Gemeindegutes,   welches   seine  Rechtsnatur  als  Substanzrecht  der Ortsgemeinde nicht geändert hätte (VfSIg 18.446/2008), soll das geteilte Eigentum „über die Hintertüre“ wieder eingeführt werden.

Die richterrechtlichen Konstruktionen des „eigentumslosen Substanzrechts“ (so die angebliche Rechtsposition der Ortsgemeinde) und des „substanzlosen Eigentums“ (so die angebliche Rechtsposition der Agrargemeinschaft) haben in der Österreichischen Rechtsordnung keinen Platz (Art 5 und Art 7 StGG 1867).

Der Bundesgesetzgeber hat der entstandenen Verwirrung entgegen zu treten.


„Richtungskampf der Judikatur“: Wie entsteht das
„Substanzrecht der Ortsgemeinde“?

Besonders bemerkenswert an der Judikatur zur „agrarischen Restitution der Ortsgemeinde“ ist ein „Richtungskampf“ in den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts selbst.

Alle Erkenntnisse der Höchstgerichte dienen angeblich einem Zweck: Wenn die Ortsgemeinde im historischen Regulierungsverfahren rechtswidrig enteignet wurde, so soll daraus heute das „Substanzrecht der Ortsgemeinde" entstanden sein. Grundlage


dieses „Substanzrechts der Ortsgemeinde“ ist das „atypische Gemeindegut“, welches angeblich bei hunderten Agrargemeinschaften in Tirol existieren soll.

Man würde nun meinen, dass bei der Prüfung der Frage, ob solches „atypisches Gemeindegut“ bei einer bestimmten Agrargemeinschaft existiert oder nicht, zuerst geprüft wird, ob tatsächlich eine rechtswidrige Enteignung einer Ortsgemeinde stattgefunden hat?

Das ist jedoch nicht der Fall! Die Tiroler Landesbehörden enteignen mit dem Segen des Verwaltungsgerichtshofes vielmehr tausende Tirolerinnen und Tiroler zu Gunsten der Ortsgemeinden, obwohl diese Tirolerinnen und Tiroler als historische Gemeinschaften immer Eigentümer dieser Liegenschaften waren.

Wenn diese Tirolerinnen und Tiroler in den Verfahren zur Enteignung der „Substanz“ der Gemeinschaftsliegenschaften geltend machen, dass ihre Gemeinschaft seit jeher Eigentümerin der Liegenschaften waren, werden gerade nicht − wie eigentlich zu erwarten − die Eigentumsverhältnisse geprüft. Im Gegenteil! Wie zum Hohn verkünden die Tiroler Landesbehörden:

Der Tiroler Landesagrarsenat am 15.9.2011 (Beispiel AGM Sellrain):

„Angesichts der im Regulierungsverfahren rechtskräftig getroffenen Grundstücksqualifizierung als Gemeindegut, wurde verbindlich entschieden, dass das Regulierungsgebiet Eigentum der Ortsgemeinde Sellrain war. „Insbesondere kommt es gegenständlich auf die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Tiroler Forstregulierung 1847 oder im Zeitpunkt der Grundbuchanlegung  gar nicht entscheiden an,  genauso  wenig auf die Frage, wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre."

 

 


Der Tiroler Landesagrarsenat am 12.01.2012 (Beispiel AGM Oberpinswang):

„Angesichts der im Regulierungsverfahren rechtskräftig und mit Bindungswirkung für die Zukunft getroffenen Grundstücksqualifizierung nach § 36 Abs 2 lit d TFLG 1952 erübrigte sich ein Eingehen auf die im vorliegenden Fall von Agrargemeinschaft Oberpinswang aufgeworfenen rechtshistorischen Fragestellungen. ... „insbesondere kommt es gegenständlich auf die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Tiroler Forstregulierung 1847 oder im Zeitpunkt der Grundbuchanlegung gar nicht entscheiden an, genauso wenig auf die Frage, wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre…."

Der Tiroler Landesagrarsenat am 23.02.2012 (Beispiel AGM Wenns):

Auf die Frage, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Tiroler Forstregulierung 1847 oder im Zeitpunkt der Grundbuchanlegung gestaltet haben, und wie die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kommt es nicht an, weil die Liegenschaften im agrarbehördenverfahren als Gemeindegut nach Flurverfassungs-Landesgesetz 1952 beurteilt wurden. Damit wurde bindend entschieden, dass ehemaliges Eigentum der Ortsgemeinde Wenns vorgelegen hat.

Das alles geschieht mit Wissen und Willen der Tiroler Landesregierung. Die Tiroler Landesregierung hat eine „Rückübertragung“ der „Substanz“ auf die Ortsgemeinden angeordnet, ohne jemals ernsthaft geprüft zu haben, ob die Ortsgemeinde jemals Substanz und Eigentum besessen hat. Begründet wird das mit übelster Rabulistik!

Dieser Judikatur ist folgender „Richtungskampf“ in den Höchstgerichten des öffentlichen Rechts vorausgegangen.

I. Richtungskampf im Verfassungsgerichtshof

Im Erkenntnis VfSIg 18.446/2008 wurde unter Berufung auf das Erk VfSIg 9336/1982 „Gemeindegut“ ex lege als Eigentum der Ortsgemeinde dekretiert und dieses Begriffsverständnis in den historischen Bescheid hinein interpretiert; die weitere Ausführungen machen jedoch deutlich, dass beim historischen Grundbuchstand angeknüpft wurde, der eine widerlegliche Vermutung begründe. Wenn die Ortsgemeinde im Grundbuch eingetragen war, dann sei im Zuge der Regulierung dieses Gemeindegutes durch die Agrarbehörde das Substanzrecht der Ortsgemeinde entstanden.

Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [239]: „Im Mieders-Erkenntnis (Slg 18.446) heißt es (scheinbar nur nebenbei), es wäre „in keinem Verfahrensstadium davon die Rede (gewesen), dass es sich etwa nicht um Gemeindegut gehandelt habe (war doch die Gemeinde, aber nicht die Summe von Nutzungsberechtigten als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen)“. Damit wird indirekt zugestanden, dass es sich möglicherweise − trotz der Verwendung dieses Ausdrucks in den Regulierungsakten der frühen 1960er Jahre − um etwas anderes als um Gemeindegut im Sinn der Gemeindeordnungen gehandelt haben könnte. Die Verwendung dieses Terminus ist insofern auch für den VfGH nur ein Indiz, dass tatsächlich Gemeindegut im gemeinderechtlichen Sinn Vorgelegen sei. Der Gegenbeweis erscheint aber als zulässig. Er wurde nur in diesem Verfahren von niemandem erbracht oder auch nur versucht (so schildert es jedenfalls der VfGH in seiner Sachverhaltsdarstellung)."

Im Erkenntnis VfSIg 19.262/2010 vom 10.12.2010 stellte der Verfassungsgerichtshof klar, dass die Eigentumsverhältnisse im Einzelfall zu prüfen wären.

VfSIg 19.262/2010 (Rechtssätze RIS): „Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Regulierung maßgeblich (vgl VfSIg 18446/2008). Dem trägt §33 Abs2 litc Z2 Tir FIVLG 1996 idF LGBI 7/2010 insofern Rechnung, als dort der Ausdruck "vormals" auf den Zeitpunkt vor der Regulierung bezogen wird. Daher Klärung der Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Regulierung erforderlich. Der Grundbuchsstand (vgl §431 ABGB - Intabulationsprinzip) muss nicht zwingend die wahren Eigentumsverhältnisse wiedergeben. Daher sind auch Dokumente von rechtlicher Bedeutung, die der Grundbuchseintragung zugrunde liegende oder auch andere, gegebenenfalls länger zurückliegende Erwerbsvorgänge beurkunden."

Zusätzlich wurde im Erk VfSIg 19.262/2010 - offensichtlich gegen VfSIg 18.446/2008 − klargestellt, dass „Gemeindegut“ im historischen Flurverfassungsrecht als „Eigentum einer Agrargemeinschaft“ verstanden wurde.

VfGH VfSIg 19.262, 10.12.2010 B 639/10 ua, Pkt II A 2.3.6.3: „[...] der Bescheid könnte durchaus auch dahin ausgelegt werden, dass die bescheiderlassende Behörde auf den in § 36 Abs 2 lit d des Flurverfassungslandesgesetzes vom 6. Juni 1935, LGBI. Nr. 42, angeführten Begriff "Gemeindegut" im Sinne von "Eigentum der Agrargemeinschaft" abstellte (vgl. hiezu Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Tirol [2010] 223 [250 f.]) [...]“

Die Verwendung des Begriffs „Gemeindegut“ im historischen Flurverfassungsrecht zur Bezeichnung von „Eigentum der Agrargemeinschaft“, wurde vom VfGH schon im Erkenntnis VfSIg 9336/1982 klargestellt.

VfSIg 9336/1982 Pkt III Z 2 Abs 1 der Begründung: „Der VfGH ist mit der Vbg. Landesregierung aber auch der Meinung, dass das Bild des Gemeindegutes, das den Bodenreformgesetzes zugrunde liegt, ein völlig anderes ist. Grundsatzgesetz wie Ausführungsgesetz behandeln das Gemeindegut im Ergebnis wie eine einfache agrargemeinschaftliche Liegenschaft, die im Eigentum der Nutzungsberechtigten (oder der von ihnen gebildeten Gemeinschaft) steht.“

Somit muss als Voraussetzung für eine Entscheidung über das „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ zu aller erst geprüft werden, ob die Ortsgemeinde jemals Eigentümerin war. Und bei dieser Prüfung ist zu berücksichtigen, dass der Begriff „Gemeindegut" im Tiroler Flurverfassungsrecht „Eigentum einer Agrargemeinschaft“ bedeutete.


 

·        II. Der Verwaltungsgerichtshof verfasst eine Persiflage auf die Restitutionsjudikatur des Verfassungsgerichtshofes

 

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in mehreren Erkenntnissen vom 30.6.2011 (Leit- Erkenntnis ZI 2010/07/0091) und seither in ständiger Rechtsprechung beide zentralen Aussagen des Erkenntnisses VfSlg 19.262/2010 über Bord geworfen.

Nicht die historischen Eigentumsverhältnisse seinen zu prüfen – so der Verwaltungsgerichtshof.

VwGH 2010/07/0091 vom 30.6.2011, Pkt 8 der Begründung. „Angesichts dessen erübrigte sich ein Eingehen auf sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfenen rechtshistorischen Fragestellungen. Die Rechtskraft des Regulierungsbescheides vom 18. Oktober 1966 und der dort getroffenen Feststellung, es liege Gemeindegut vor, wirkt für die Zukunft und bindet auch den Verwaltungsgerichtshof. Darauf, ob diese Feststellung zu Recht getroffen wurde, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Forsteigentumsregulierung oder im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung gestalteten, und wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kam es daher nicht an.“

Und „Gemeindegut“ bedeute – entgegen der Klarstellung des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis VfSlg 19.262/2010 vom 10.12.2010 - im Tiroler Flurverfassungsrecht nicht „Eigentum einer Agrargemeinschaft“, sondern „Eigentum einer Ortsgemeinde“ - so der Verwaltungsgerichtshof.

VwGH 2010/07/0091 vom 30.6.2011, Pkt 6.3.2

„Darauf, dass unter dem Gemeindegut im damals noch in Kraft stehenden § 15 Abs. 2 lit. d FGG und im damals geprüften § 31 Abs. 2 lit d Vorarlberger FLG (im Wesentlichen inhaltsgleich dem § 36 Abs. 2 lit d TFLG 1952) jene Erscheinung zu verstehen ist, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war (vgl. VfSlg. 384/1925 und VfSlg. 2308/1952) hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 9.336/1982 ausdrücklich hingewiesen. Dies ergebe sich - so der Verfassungsgerichtshof - nicht nur aus dem durch die Gemeindeordnungen geprägten Ausdruck "Gemeindegut", sondern auch aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der Gemeindeordnungen im Grundsatzgesetz. Einen solchen Verweis beinhaltete - wie dargestellt - auch das TFLG 1952. Nach den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im zitierten Erkenntnis habe dieser bereits in den Erkenntnissen VfSlg. 4229/1962 und 5666/1968 klargestellt, dass unter Gemeindegut im Sinne des Flurverfassungsrechts jenes zu verstehen sei, dessen Rechtsgrundlage ausschließlich die Gemeindeordnungen gewesen seien.

Das Gemeindegut im Sinne der Gemeindeordnungen sei aber nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten einiger oder aller Gemeindemitglieder belastet sei, sodass die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen der Gemeinde als solcher zugeordnet bleiben.

Der Verfassungsgerichtshof wies im damaligen Erkenntnis darauf hin, dass es zwar die Erscheinung gebe, dass "die Gemeinde" nur die Bezeichnung für die Summe der nutzungsberechtigten Eigentümer sei, dass diese Erscheinung aber nicht von den in Prüfung stehenden, sondern von anderen Bestimmungen des Flurverfassungsrechts erfasst werde, sodass sich aus der Eigenart jener Erscheinung nichts für den Inhalt der das Gemeindegut nach den Gemeindeordnungen betreffenden Gesetzesbestimmungen ergebe. Bei diesen vom Verfassungsgerichtshof genannten "anderen Bestimmungen des Flurverfassungsrechtes" handelt es sich - neben den vom Verfassungsgerichtshof genannten Grundstücken des § 15 Abs. 2 lit. c FGG (Grundstücke, die in Ausführung der Gesetze über die Regulierung und Ablösung der Servituten einer Gemeinde (Ortschaft) oder Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benutzung und gemeinsamem Besitz abgetreten worden sind), die einen Sonderfall darstellen - um die Grundstücke nach § 15 Abs. 1 lit. b FGG.“ (im Original keine Hervorhebung)

Sollte die historische Agrarbehörde „Gemeindegut“ angenommen haben, sei unwiderlegbar präjudiziert, dass der Ortsgemeinde das „Substanzrecht“ zustehe – so der Verwaltungsgerichtshof.

 

VwGH 2010/07/0092 Pkt 4. am Ende

„Im vorliegenden Fall bringen die rechtskräftigen Feststellungen in den Bescheiden vom 9. September 1965 und vom 9. Februar 1976, denen zufolge die agrargemeinschaftlichen Grundstücke solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952 bzw. § 32 Abs. 2 lit. c TFLG 1969 seien, die Verwaltungsbehörden und auch den Verwaltungsgerichtshof bindend zum Ausdruck, dass diese Grundstücke Gemeindegut im Sinne des § 73 Abs. 3 TGO 1949 bzw. § 76 Abs. 3 TGO 1966, also Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde, waren.“ Und weiter Pkt 6.: „Daher ist auch im hier vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die im Regulierungsverfahren getroffene rechtskräftige Feststellung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke als Gemeindegut im Sinne der TGO 1949 Rechtswirkungen für die Zukunft entfaltet. Eine der Folgen dieser Feststellung ist angesichts der Zuweisung des Eigentums an die Agrargemeinschaft aber - hier sei wiederum auf das bereits mehrfach zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSIg 18446/2008 verwiesen -, dass der Substanzwert an solchen Grundstücken der Gemeinde zukommt. Solche Agrargemeinschaften sind daher Gemeindegutsagrargemeinschaften nach § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996.“

Ob die historische Agrarbehörde allenfalls rechtsirrig „Gemeindegut“ angenommen habe, sei ohne Relevanz, weil die historischen Bescheide „objektiv“ auszulegen seien – so der Verwaltungsgerichtshof.

VwGH 2010/07/0075:

„Wie der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom heutigen Tag, 2010/07/0091, weiters zum Ausdruck gebracht hat, ist der Spruch eines Bescheides nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv auszulegen; für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist unerheblich, wie sie die Behörde verstanden wissen wollte oder wie sie der Empfänger verstand. Der Bescheid vom 1. März 1949 stellte fest, dass agrargemeinschaftliche Grundstücke nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1935, also Gemeindegut, vorlag, das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterlag. Durch die Zitierung des § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1935 (und nicht etwa des § 36 Abs. 1 lit. b leg. cit., der von dem gemeinsam genutzten Gut von agrarischen Gemeinschaften spricht) im Spruch des Bescheides vom 17. Juni 1949 ist diese Qualifikation des Regulierungsgebietes als Gemeindegut objektiv eindeutig ableitbar. Ein Zweifelsfall liegt hier nicht vor.

Ebenso sei ohne Relevanz, was die historische Agrarbehörde unter dem Begriff „Gemeindegut“ verstanden habe – so der Verwaltungsgerichtshof.

VwGH 2010/07/0091, Pkt 6.3. Abs 1:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Spruch eines Bescheides nach seinem äußeren Erscheinungsbild, also objektiv auszulegen (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 30. Juni 1998, 98/08/0129, und vom 28. Jänner 2004, 2000/12/0311). Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist weder maßgeblich, wie sie die Behörde oder der Verfasser des Bescheidtextes verstanden wissen wollte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1990, 90/07/0104 und vom 30. Juni 1998, 98/08/0129) noch wie sie der Empfänger verstand (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 21. Mai 1991, 91/07/0027, und das bereits zitierte Erkenntnis vom 28. Jänner 2004, 2000/12/0311). Dem Spruch des Bescheides ist nun ohne Zweifel zu entnehmen, es handle sich bei den agrargemeinschaftlichen Grundstücken um solche nach § 36 Abs. 2 lit. d TFLG 1952. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher - wie auch der Verfassungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen VfSIg 18.446/2008 und 18.933/2009 - davon aus, dass eine der Rechtswirkungen des genannten Regulierungsbescheides die rechtskräftige Qualifizierung dieser Grundstücke als Gemeindegut im Sinne der TGO 1949 darstellte.“

Schließlich sei ohne Relevanz, ob die Ortsgemeinde wahrer Eigentümer war oder die nicht regulierte Agrargemeinschaft – so der Verwaltungsgerichtshof.

VwGH 2010/07/0091 vom 30.6.2011, Pkt 8 der Begründung.

„Angesichts dessen erübrigte sich ein Eingehen auf sämtliche im vorliegenden Fall aufgeworfenen rechtshistorischen Fragestellungen. Die Rechtskraft des Regulierungsbescheides vom 18. Oktober 1966 und der dort getroffenen Feststellung, es liege Gemeindegut vor, wirkt für die Zukunft und bindet auch den Verwaltungsgerichtshof. Darauf, ob diese Feststellung zu Recht getroffen wurde, wie sich die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Forsteigentumsregulierung oder im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung gestalteten, und wie gegebenenfalls die Rechtsnachfolge zu beurteilen wäre, kam es daher nicht an.“

Zusammenfassung:

Die historischen Bescheide werden nicht verfassungskonform zu Gunsten des jeweiligen ehemaligen Eigentümers ausgelegt, sondern es wird willkürlich ehemaliges Gemeindeeigentum unterstellt – entgegen der historischen Wahrheit und entgegen dem historischen Verständnis des Begriffes „Gemeindegut“. Und mit solch übler Rabulistik werden im 21. Jahrhundert in Tirol tausende Bürgerinnen und Bürger enteignet, weil die Tiroler Landesregierung das feudale Obereigentum zu Gunsten des Staates wieder einführen will!


Erläuternde Bemerkungen

zum Gesetz, mit dem das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 geändert wird.

A)   Gemeindegut und Agrargemeinschaft

1.        Streitigkeiten betreffend die Eigentums- und Nutzungsverhältnisse am behaupteten Gemeindeeigentum haben das Flurverfassungsrecht, ursprünglich verabschiedet als Teilungs- und Regulierungs- Reichsgesetz 1883, RGBl 1883/94, wesentlich motiviert. Zu verweisen ist insbesondere auf den Bericht des Niederösterreichischen Landesausschuss betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums, Wien, vom 21. September 1878, XXVII der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, die Forschungsarbeiten von Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse (Wien 1877) sowie die Materialien zum Gesetz selbst (zB sten. Prot. des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrates, IX. Session, 9214 ff). Ausschließlich die neuen politischen Behörden und gerade nicht die Zivilgerichte sollten über die Eigentumsverhältnisse am „Gemeindegut“ sowie über den Kreis der Nutzungsberechtigten und deren Anteilsrechte entscheiden.

Die Einbeziehung des Gemeindeguts in agrargemeinschaftlicher Nutzung in den Vollzugsbereich des Flurverfassungsrechts war historisch insbesondere deshalb indiziert, weil der Gesetzgeber die Streitentscheidung der Zivilgerichtsbarkeit in dieser sensiblen, nach reformatorischer Gestaltung drängenden Materie, vermeiden wollte. Die Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Gemeinschaftseigentum (Miteigentum) einerseits sowie das Wesen des Zivilrechtsstreites, würden der Sach- und Rechtslage nicht gerecht. Die Rechtsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung sollten der ausschließlichen Kompetenz einer politischen Behörde unterworfen werden. Diese Behörden sollten die Entscheidung über die Nutzungsberechtigten und deren Anteilsrechte sowie über die Eigentumsverhältnisse, mit einer reformatorischen Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse verbinden („agrarische Operation“). Die reformatorische Gestaltung sollte in erster Linie im Wege von Übereinkommen erfolgen. (Auf die ausführliche Darstellung der Gesetzesmaterialien und der einschlägigen Debattenbeiträge bei Oberhofer/Pernthaler, Das Gemeindegut als Gegenstand der historischen Bodenreformgesetze, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol (2010) 211ff, wird verwiesen.)

2.         Der Kompetenztatbestand „Bodenreform, insbesondere agrarische Operation“ (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) leitet sich vom Regelungsgegenstand der drei agrarischen Reichsgesetze ab (Gesetz betreffend die Zusammenlegung landwirtschaftlicher Grundstücke, RGBl 1883/92; Gesetz betreffend die Bereinigung des Waldlandes von schädlichen Enklaven, RGBl 1883/93; Gesetz betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl 1883/94, sämtlich vom 7. Juni 1883). Das Teilungs- und Regulierungsrecht gem Rahmengesetz 1883 umfasste als Vollzugsbereich der Agrarbehörden insbesondere auch die Regelung und Entscheidung der Rechtsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung als historische Teilmaterie des Bodenreformrechts. Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 2. August 1932, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung (FIVerfGG 1932, BGBl 1932/256) wurden die Gemeindeordnungen der Länder an diese Verfassungslage angepasst: Grob gesprochen sollte das Gemeindegut im Allgemeinen weiterhin den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegen, das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung hingegen dem Vollzugsbereich des Flurverfassungsrechts. Im Einzelnen ist auf Pernthaler, Die Gesetzgebungskompetenz für Gemeindegut, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2011) 409ff, zu verweisen.

Insoweit die Gemeindeordnungen weiterhin Regelungen zum Gemeindegut enthalten, wurde seit Inkrafttreten des FIVerfGG 1932 von den Landes-Gemeindegesetzgebern klargestellt, dass die Regelungen der Gemeindegesetze zum Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung mit Inkrafttreten eines Landesgesetzes zur Flurverfassung außer Kraft treten.

Zu verweisen ist etwa auf § 117 Tiroler Gemeindeordnung 1935, LGBI 36/1935, eine Bestimmung, die über Intervention des Landwirtschaftsministeriums in das Gesetz aufgenommen wurde (Akt des Bundeskanzleramtes, GZ 156.486-6/1935): „Für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts, insoweit dieses aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes besteht, sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend“.

In Vorarlberg wurde - gleichfalls über Intervention des Landwirtschaftsministeriums - in § 102 Abs 3 Vlbg Gemeindeordnung 1935, LGBI 1935/25 folgende Regelung getroffen: „Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15 Absatz 2 Punkt d des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl Nr 256/1932 geltenden Teile des Gemeindegutes, werden durch das Ausführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz geregelt; bis dahin bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft.“

§ 67 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936 LGBI 23/1936 lautet wir folgt: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15, Absatz 2, Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahre 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insoweit Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht in Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“ § 69 Abs 5 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936: „Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinn der Grundsätze für die Flurverfassung (BGBl Nr 256/1932), entscheiden nach Inkrafttreten des Landes-Ausführungsgesetzes im Streitfalle die Agrarbehörden.“

Sinngemäß gleich regelte § 61 Abs 3 und 4 der Steirischen Gemeindeordnung idF des Gesetzes vom 6.7.1948, LGBI 52/1948: „(3) Nach den aufgrund des Artikels 12, Abs (1), Punkt 5, der Bundesverfassung 1929 erlassenen Gesetzen unterliegt das in Abs (1) bezeichnete Gemeindegut den Bestimmungen dieser Gesetze. Die Entscheidung über den Bestand des Gemeindegutes als agrarische Gemeinschaft im Sinne dieser Gesetze, über den Verkauf des Gemeindegutes oder von Teilen desselben, ferner über die Übertragung von Nutzungsrechten an andere Gemeindemitglieder und die Höhe der einzelnen Nutzungen steht den Agrarbehörden zu. (4) Die Gemeindebehörde hat darauf zu achten, dass die Nutzungen der Gemeindemitglieder nicht über den notwendigen Guts- und Hausbedarf hinaus in Anspruch genommen werden und diese Nutzungen der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundstückes, insbesondere bei Waldungen, entsprechen. Nötigenfalls ist die Entscheidung der Agrarbehörde einzuholen.“

Die Beispiele lassen sich fortsetzen.

Aufgrund der durch Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG geschaffenen Verfassungslage kann nicht (mehr) behauptet werden, dass die Rechtsverhältnisse am „Gemeindegut, insoweit dieses in agrargemeinschaftlicher Nutzung steht, durch die Gemeindeordnungen geregelt wären. Vielmehr ist nach eindeutiger Verfassungslage zu differenzieren: Gemeindegut im Allgemeinen unterliegt allfälligen Bestimmungen der Gemeindeordnung; Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse daran entscheiden die Zivilgerichte. Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung unterliegt grundsätzlich dem Flurverfassungsrecht und der Vollziehung durch die Agrarbehörden. Danach sind die Eigentumsverhältnisse an solchen Liegenschaften von Fall zu Fall durch die Agrarbehörde zu prüfen, die den wahren Eigentümer feststellt. Dies – soweit möglich – im Einvernehmensweg; erforderlichenfalls als kontradiktorische Entscheidung, die der Überprüfung im Instanzenweg unterliegt.

3.        Mit Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1. März 1982 G 35/81; G 36/81; G 82/81; G 84/81 (VfSIg 9336/1982) wurde die Anwendbarkeit des Teilungs- und Regulierungsrechts für das Gemeindegut einem Gesetzesprüfungsverfahren unterzogen. Der Tatbestand des § 15 Abs 2 lit d FIVerfGG 1951, der die Anwendbarkeit des Teilungs- und Regulierungsrechts gem Flurverfassung für „das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut“ regelte, wurde wegen der gleichheitswidrigen Auswirkungen einer undifferenzierten Einbeziehung in die Flurverfassung behoben. Eigentum einer Ortsgemeinde könnte nach den Bestimmungen der Flurverfassung undifferenziert auf eine Agrargemeinschaft übertragen oder auf die Nutzungsberechtigten aufgeteilt werden (VfSIg 9336/1982 Pkt III Z 2 Abs 8 und Z 3 Abs 1 der Begründung).

Die Gesetzesreparatur ist nötig, wobei die Tatsache zu berücksichtigen ist, dass zweifelsohne bereits der Generaltatbestand gemäß § 15 Abs 1 lit b FIVerfGG 1951 das Gemeindeeigentum in agrargemeinschaftlicher Nutzung dem Vollzugsbereich des Flurverfassungsrechts unterwirft (vgl nur: Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 376f sowie die Gesetzesmaterialien zum TRRG 1883). Die Rechtsverhältnisse betreffend Liegenschaften in agrargemeinschaftlicher Nutzung sind gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG dem Vollzugsbereich des Flurverfassungsrechtes (Grundsatzgesetzgebung Bund, Ausführungsgesetzgebung Länder, Vollziehung Agrarbehörden) unterworfen, unabhängig davon, ob die gemeinschaftliche Nutzung derselben in Anwendung der Gemeindeordnung erfolgt oder nicht, weil nach dem im Versteinerungszeitpunkt maßgeblichen Rechtsverständnis gerade auch das behauptete Gemeindeeigentum in agrargemeinschaftlicher Nutzung dem Kompetenztatbestand „Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen“ zuzuordnen ist.

4.        Der Beanstandung des Höchstgerichtes im Erk VfSlg 9336/1982 betreffend die undifferenzierte Einbeziehung des „Gemeindeguts“ in die Flurverfassung wird in zweifacher Hinsicht Rechnung getragen:

a)    Die historische Formulierung des § 15 Abs 2 lit d FIVerfGG 1951 als Teil der gesetzlichen Definition des Anwendungsbereiches des Teilungs- und Regulierungsrechts („das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut [Ortschafts-, Fraktionsgut]“) ließ in der Tat die nötige Differenzierung vermissen. Dem Vollzugsbereich der Flurverfassung soll und kann nur dasjenige Gemeindegut unterliegen, welches in agrargemeinschaftlicher Nutzung steht. Nur dieses spezielle Gemeindegut unterliegt dem Kompetenztatbestand „Bodenreform“ gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG. Konsequenterweise bleibt das Gemeindegut im Allgemeinen der Gemeindeordnung unterworfen, sodass derjenige Teil des Gemeindeguts, der nicht agrargemeinschaftlich genutzt wird, klar ausdifferenziert wird. Streitigkeiten über die Eigentums- und Besitzverhältnisse daran unterliegen dementsprechend der allgemeinen Zivilgerichtsbarkeit.

Das Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung betreffend unterstellt der Gesetzgeber hingegen der Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Agrarbehörden im Vollzugsbereich des Flurverfassungsrechts. Streitigkeiten über die Eigentums- und Besitzverhältnisse daran hat die Agrarbehörde – nach Möglichkeit im Einvernehmen mit allen Beteiligten aufgrund eines Übereinkommens – und nach Möglichkeit reformatorisch zu entscheiden. Die neue Textfassung des § 15 Abs 2 lit d FIVerfGG 1951 trifft die erforderliche Differenzierung in dem Sinn und mit dem Wortlaut, wie dies als historischer Wille des Gesetzgebers des Teilungs-Regulierungs- Reichgesetzes 1883 zu unterstellen ist.

b)   Gleichheitswidrigkeit wurde vom Höchstgericht im Blick auf die Einbeziehung des Gemeindegutes in die Flurverfassung deshalb angenommen, weil die Bestimmungen des Flurverfassungsrechtes nach den Eigentumsverhältnissen nicht differenzieren würden. Deshalb könne im Zuge eines Teilungs- oder Regulierungsverfahrens Eigentum einer Ortsgemeinde auf die Nutzungsberechtigten verteilt oder auf eine Agrargemeinschaft übertragen werden.

Das historische Flurverfassungsrecht – genauso wie das geltende – kannte und kennt die Verpflichtung der Behörde, im Zuge des Teilungs- oder Regulierungsverfahrens über strittige Eigentumsverhältnisse zu entscheiden. Diese Kompetenz der Agrarbehörden war zentrales Anliegen im Gesetzwerdungsprozess des Teilungs- Regulierungs- Reichsgesetz 1883. Die heutigen Landes-Ausführungsgesetze regeln die Verpflichtung der Behörde zur Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse ausdrücklich. Der Gesetzgeber geht deshalb davon aus, dass im Vollzugsbereich der Flurverfassung auch vor dem Erkenntnis VfSlg 9336/1982 seitens der Agrarbehörden nur Gemeinschaftseigentum einer Teilung unterworfen wurde bzw nur tatsächliches Eigentum einer Agrargemeinschaft als Eigentum einer Agrargemeinschaft festgestellt worden ist. Das Grundsatzgesetz definiert in der neuen Fassung eine unbedingte Verpflichtung der Agrarbehörde, die Eigentumsverhältnisse zu klären, sei es aufgrund einer entsprechenden Parteienvereinbarung, sei es aufgrund kontradiktorischer Entscheidung.

Die Einbeziehung des „Gemeindegutes“ in den Anwendungsbereich des Teilungs- und Regulierungsrechts nach Flurverfassung wurde freilich bereits für die Vergangenheit in der Wissenschaft als eine formale verstanden; dies im Sinn einer distiktiven Kompetenz der Agrarbehörden zur Klärung und Feststellung der Eigentumsverhältnisse (s nur Pernthaler, Eigentum am Gemeindegut, ZfV 2010, 377). Um allfälligen Vollzugsfehlern vorzubeugen, sieht die neue Rechtslage zwingend vor, dass im Teilungs- oder Regulierungsverfahren über die Eigentumsverhältnisse mit eigenständigem (abgesondertem) Bescheid abzusprechen ist (§ 34 Abs 4).

Mit einer zwingend vorgeschriebenen Agrarbehördenentscheidung über die Eigentumsverhältnisse in abgesonderter Form (§ 34 Abs 4) wird den Bedenken des Höchstgerichtes, wonach agrargemeinschaftliche Liegenschaften undifferenziert nach den Eigentumsverhältnissen der agrarischen Operation unterworfen würden, sicher vorgebeugt. Dies insbesondere auch für das Regulierungsverfahren. Die aus der Summe der Nutzungsberechtigten gebildete Agrargemeinschaft kann Eigentümerin des agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaftsvermögens sein; sie muss es nicht sein. Das Flurverfassungsrecht regelt keine Eigentumsverhältnisse, das Flurverfassungsrecht setzt Eigentumsverhältnisse voraus (Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation nach TFLG, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, 268). Denkbar sind die Alternativen: Eigentum einer Agrargemeinschaft, Eigentum der Ortsgemeinde oder Eigentum eines Dritten (beispielsweise der Republik Österreich als Nachfolgerin des k.k. Ärars). Welche konkrete Erscheinungsform vorliegt, wer von den Beteiligten den stärksten Eigentumstitel besitzt und wie die Beteiligten sich gegebenenfalls einigen, ist Sache der Einzelfallentscheidung.

5.        Die Agrargemeinschaft ist eine Nutzungsgemeinschaft. Historisch gesehen lassen sich über Jahrhunderte abgegrenzte Nutzungsgebiete der verschiedenen Nutzungsgemeinschaften nachweisen (vgl etwa den Sachverhalt zum Erk des Verfassungsgerichtshofes VfSIg 19.018/2010, wonach die zur Nutzung einer Almliegenschaft Berechtigten schon in einer schriftlichen Alpordnung aus dem Jahr 1554 [!] erfasst worden sind). Diese Nutzungsgemeinschaften gehen typischer Weise schon auf die Anfänge der heutigen Besiedlungsstruktur zurück. Die Rechtsnachfolge war stets eindeutig geregelt und entweder an das Eigentum an einem historischen Stammsitz gebunden oder dem Erbrecht unterworfen (Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 347ff). Weil die Agrargemeinschaft eine Besitz- und Nutzungsgemeinschaft ist, bestimmen sich die Anteilsrechte konsequenter Weise nach den Nutzungsverhältnissen.

Dies muss auch für den sog. „Gemeindeanteil“ gelten. Die starre Mindestgrenze nach bisherigem Recht würde in die Nutzungsrechte der anderen Agrargemeinschaftsmitglieder eingreifen, was verfassungsrechtlich bedenklich ist und eine unsachliche Bevorzugung der Ortsgemeinde im Fall der Regulierung der Agrargemeinschaft bedeuten würde. Die Regulierung würde die Rechtslage der Anteilberechtigten unter Umstände verschlechtern, was die Ordnung und Strukturierung der historischen Nutzungsgemeinschaften durch das Regulierungsverfahren behindert. Die nach bisherigem Recht vorgesehene starre Mindestgrenze wurde deshalb beseitigt.

Klarzustellen ist, dass das Anteilsrecht keine Abgeltung für „eingebrachte Eigentumsrechte“ darstellen kann. Die Agrargemeinschaft ist eine Nutzungs- und Besitzgemeinschaft. Ob die Agrargemeinschaft zusätzlich Eigentumsgemeinschaft ist, muss die Agrarbehörde im Zuge der „agrarischen Operation“ von Fall zu Fall gesondert prüfen und entscheiden (Kühne, Zu Agrargemeinschaften in Vorarlberg, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 350f). Auf die Anteilsrechte ist die Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse ohne Einfluss (Kühne/Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 305ff).

Ein Verfahren, wonach die Agrarbehörde Eigentumsrechte gegen Anteilsrechte abtauscht, ist dem Regulierungsrecht nach der Flurverfassung vollkommen fremd. Dies wurde im Erk VfSIg 9336/1982 verkannt. Wer zivilrechtlicher Eigentümer vor der Regulierung der Agrargemeinschaft war, verliert das Eigentumsrecht auch nicht in der Regulierung, weil die Agrarbehörde die Eigentumsverhältnisse zu prüfen und darüber zu entscheiden hat - nach Möglichkeit im Einvernehmen, soweit erforderlich kontradiktorisch mit der Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidung im Instanzenweg. Das Eigentum begründet kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft; das Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft begründet kein Miteigentum an der agrargemeinschaftlich genutzten Liegenschaft. Über die Eigentumsverhältnisse am agrargemeinschaftlich genutzten Grundstück ist vielmehr – wie bereits klargestellt – nach sachenrechtlichen Grundsätzen (Titulus und Modus) zu entscheiden.

Dabei ist zur berücksichtigen, dass die Agrarbehörden unter Umständen mit sehr alten Eigentumstiteln konfrontiert sind (im Erk VfSIg 19.262/2010 wird ausdrücklich die Relevanz einer Verleihungsurkunde aus dem 17. Jhdt betont). Der in solchen historischen Eigentumstiteln vielfach verwendete Begriff „Gemeinde“ kann keinesfalls mit der heutigen Ortsgemeinde als Teil des modernen Staates gleichgesetzt werden (vgl dazu jüngst: Kohl, Überlegungen zur „Gemeinde“ der Tiroler Forstregulierung, in: Grundlagen der österreichischen Rechtskultur. FS für Werner Ogris, Wien-Köln- Weimar 2010).

Wurde von der Agrarbehörde nicht die Agrargemeinschaft, sondern die Ortsgemeinde oder ein Dritter als Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft festgestellt, so kann eine Auseinandersetzung nach Servitutenregulierungs- und -ablösungrecht erfolgen. Ein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft, welche ihrem Wesen nach eine Summe der Nutzungsberechtigten darstellt, resultiert aus dem Eigentumsrecht nicht.

Der Eigentümer kann selbstverständlich sein Eigentum aufgeben (vgl § 483 ABGB letzter HS); im Einvernehmen mit allen Beteiligten kann dies gegen Einräumung eines Anteiles an der Agrargemeinschaft erfolgen, dh aufgrund eines zivilrechtlich zu beurteilenden Übereinkommens (bei Genehmigung und Umsetzung durch die Agrarbehörde). Das Gesetz sieht diesen Regulierungsfall nicht vor; das Gesetz schließt diesen Regulierungsfall jedoch auch nicht aus.

Das Servitutenregulierungs- und -ablösungrecht sieht Zwangsmittel zur Ablösung der Nutzungsberechtigten vor; das Regulierungsrecht gem Flurverfassung sieht im Gegensatz dazu keine Zwangsmittel zur „Ablösung des Eigentümers“ vor. Ein solcher Vorgang ist dem Teilungs- und Regulierungsrecht vollkommen fremd. Dies wurde im Erk VfSlg 9336/1982 verkannt: Das Flurverfassungsrecht kennt kein Verfahren zur Auseinandersetzung zwischen einem Eigentümer und einer Mehrheit von Nutzungsberechtigten; insbesondere ist es eine gesetzesfremde Erfindung, dass der Eigentümer eines mit Nutzungsrechten belasteten Grundstückes im Zuge der Bildung einer Agrargemeinschaft (Regulierung) sein Eigentum an die Agrargemeinschaft verlieren würde (ausführlich Kühne/Oberhofer, aaO 311 ff). Die Agrarbehörde muss im Zuge des Regulierungsverfahrens die Eigentumsverhältnisse klären. Ist über strittige Rechtspositionen kontradiktorisch zu entscheiden und erwächst diese Entscheidung in Rechtskraft, so ist derjenige, der als Eigentümer festgestellt wird, Eigentümer im Rechtssinn. Die Behördenentscheidung darüber wirkt konstitutiv und ist selbstverständlich beachtlich (Raschauer, aaO 275ff).

6.        Wie ausgeführt wäre es verfehlt den sog. „Gemeindeanteil“ an einer Agrargemeinschaft als Rechtsfolge aus dem Eigentumsrecht am agrargemeinschaftlichen Grundstück zu erklären. Das Anteilsrecht setzt Mitnutzung voraus; das Anteilsrecht steht in keinem Zusammenhang mit dem Eigentumsrecht am agrargemeinschaftlich genutzten Grundstück. Insoweit erweist sich die historische Regelung in den seinerzeitigen Teilungs- Regulierungs- Landesgesetzen Tirols, OÖ und Steiermark aus dem Jahr 1909 als systemwidrig, wonach der Ortsgemeinde der sog. Gemeindeanteil abzusprechen war, wenn diese Ortsgemeinde zu Unrecht in den öffentlichen Büchern als Eigentümerin des agrargemeinschaftlichen Grundstückes einverleibt war (§§ 70 Abs 3 St-TRLG 1909 = 70 Abs 3 T-TRLG 1909 = 70 Abs 3 OÖ-TRLG 1909). In den Ausführungsgesetzen zum FIVerfGG 1932 wurde diese Regelung auch nicht mehr übernommen. Die Eigentumsverhältnisse waren und sind unabhängig von den Nutzungsverhältnissen zu beurteilen: Entweder erweist ein Eigentumstitel die Ortsgemeinde als Eigentümerin oder nicht; kann die körperschaftlich einzurichtenden Agrargemeinschaft auf einen stärkeren Eigentumstitel verweisen, ist der nackte Buchbesitz an die Agrargemeinschaft herauszugeben. Die im Verfahren Slg 9336/1982 insbesondere von der Vorarlberger Landesregierung relevierte Verknüpfung von Eigentum und Anteilsrecht ist systemfremd: Das Eigentum bringt kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft hervor; genauso wenig wie das Anteilsrecht per se keinen Anspruch auf (anteiliges) Eigentum hervorbringt. Nur wenn die Agrargemeinschaft als solche nach sachenrechtlichen Grundsätzen wahre Eigentümerin ist, bezieht sich das Anteilsrecht auch auf einen Anteil am Eigentum.

Die Anteilsrechte einerseits und das Eigentum am agrargemeinschaftlichen Grundstück stehen somit in keinem direkten Zusammenhang. Insbesondere verliert der Eigentümer sein Eigentum nicht im Abtausch gegen ein Anteilsrecht. Muss eine Grundbucheintragung richtig gestellt werden, weil sich ein einverleibter Eigentumsträger nicht als wahrer Eigentümer erwiesen hatte, wird dies nicht mit einem (vergrößerten) Anteilsrecht abgegolten. Die Grundbucheintragung hat sich dann eben als falsch erwiesen, weil diese nicht durch einen Eigentumstitel legitimiert war bzw weil die Agrargemeinschaft auf den stärkeren Eigentumstitel verweisen konnte. Umgekehrt führt es nicht zum Wegfall des Gemeindeanteiles, wenn die Ortsgemeinde sich als Eigentümerin der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft erweisen sollte (gerade in Tirol gibt es zahlreiche Regulierungsfälle, in denen auf Eigentumsrecht für die Ortsgemeinde entschieden wurde). Die Anteile an der Agrargemeinschaft bestimmen sich nach den Nutzungsverhältnissen; bei der Prüfung und Entscheidung der Eigentumsverhältnisse ist nach sachenrechtlichen Maßstäben (Titulus und Modus) zu entscheiden. Nur ein „nackter Tabularbesitzer“, der zu Unrecht im Grundbuch einverleibt ist/war oder sich durch eine missverständliche historische Eigentümeranschreibung auf „Commune“, „Katastralgemeinde“, „Ortschaft“ vermeintlich angesprochen sah, unterliegt im Verfahren auf Prüfung der Eigentumsverhältnisse (Petitorium) gegen die körperschaftlich einzurichtende Agrargemeinschaft, weil seinem Rechtsstandpunkt kein wahres Recht entsprochen hat.

7.        Eine auf die Anfänge der heutigen Besiedlung zurückgehende, durch den Besitz bestimmter Hofstellen definierte, geschlossene Gemeinschaft der Nutzungsberechtigten, ist im Allgemeinen nach sachenrechtlichen Grundsätzen heute als Eigentümerin anzusehen. Mit Auflösung des feudalen Obereigentums ist typischer Weise (Voll-)Eigentum der ursprünglichen „Nutzungseigentümer“ entstanden. Der geschichtlichen Betrachtung erscheint das geteilte Eigentum als ein Übergangszustand (Ehrenzweig, Sachenrecht, System II/12 157). Die in VfSIg 19.018/2010 beurteilte Agrargemeinschaft, welche auf eine schriftliche Alpordnung aus dem Jahr 1554 (!) verweisen konnte, welche die geschlossene Anzahl der nutzungsberechtigten Hofliegenschaften bereits definiert hat, kann aus heutiger Sicht nur Eigentümerin der Almliegenschaft sein. Das Flurverfassungsrecht erfasst solche Sachverhalte heute als „nicht regulierte“ Agrargemeinschaften (vgl dazu Öhlinger/Oberhofer/Kohl, Das Eigentum der Agrargemeinschaft, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 66ff).

Zu berücksichtigen ist des Weiteren, dass derartigen Gemeinschaften der Nutzungsberechtigten nach historischem Recht kein gesetzlich anerkanntes Organisationsmodell zur Verfügung stand. Mit Inkrafttreten der staatlichen Gemeindegesetze verzichteten diese Gemeinschaften typischer Weise darauf, neben den Organen der modernen Ortsgemeinde noch eigene Organisationsstrukturen zur Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften fortzuführen (jüngst zu diesem Phänomen: Kohl, Gemeinde- oder Gemeinschaftsgut, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 3ff). Die Wahrnehmung von Vertretungs- und Verwaltungsakten durch die modernen Ortsgemeinden war deshalb eine übliche Erscheinungsform. Diese Organisationsform begründete jedoch keinen Eigentumstitel zu Gunsten der jeweiligen Ortsgemeinde (§ 26 prov. GemG 1849, § 11 bzw § 12 der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862). Die Ortsgemeinde verfügte wie ein Eigentümer, ohne einen Eigentumstitel zu besitzen. Die Ortsgemeinde verfügte/verfügt wie ein rechtlich vermuteter Eigentümer (vgl § 372 ABGB), wenn und solange sich die Agrargemeinschaft nicht nach den Regeln des Flurverfassungsrecht konstituierte.

Schließlich muss bedacht werden, dass nach den Ausführungsgesetzen zum TRRG 1883 eine spezielle Regulierungsform existierte, welche die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums durch Organe der Ortsgemeinde auch aus flurverfassungsrechtlicher Sicht legitimierte. Insoweit die Ortsgemeinde als Verwaltungsstruktur einer Gemeinschaftsliegenschaft etabliert war, konnte die Agrarbehörde nur mehr ergänzende Bestimmungen zur Gemeindeordnung erlassen. Auch diese Regelungen waren auf das „erforderliche Maß“ beschränkt (vgl dazu: Kühne/Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht der Ortsgemeinde, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 263f). Die körperschaftliche Einrichtung der Agrargemeinschaft und die Behördenentscheidung über die Eigentumsverhältnisse war nach damaliger Rechtslage für „gemeindeverwaltete Gemeinschaftsliegenschaften“ gar nicht vorgesehen. Die dadurch begründete „vermutete Eigentümerstellung“ der Ortsgemeinde konnte somit nicht in einem Petitorium widerlegt werden, weil die wahre Eigentümerin, die Agrargemeinschaft, sich nach Flurverfassungsrecht nicht als juristische Person konstituieren und Eigentum einzufordern konnte. Diese einschneidende Einschränkung der gesetzlichen Möglichkeiten zur körperschaftlichen Einrichtung einer Agrargemeinschaft war nach Tiroler Landesrecht auch noch im TFLG 1935 vorgesehen (§ 81 Abs 3 TFLG 1935); in Vorarlberg galt eine solche Regelung bis zum Jahr 1951 (§ 3 Abs 2 Vorarlberger TRLG 1921).

Auch eine derartige historische Regulierungsform begründet kein Eigentumsrecht der politischen Ortsgemeinde oder einer historischen politischen Ortsfraktion. In den Augen der Beteiligten musste das von der Ortsgemeinde verwaltete Gemeinschaftsgut freilich als Eigentum der Ortsgemeinde erscheinen. Tatsächlich bestand sowohl nach Tiroler Landesrecht, als auch nach Vorarlberger Landesrecht bis Anfang der 50er Jahre gar keine rechtliche Möglichkeit, bei gemeindeverwaltetem Gemeinschaftseigentum, die Agrargemeinschaft körperschaftlich einzurichten und das rechtlich vermutete Eigentum der Ortsgemeinde streitig zu machen.

Die Agrarbehörde hat ungeachtet dieser generellen Einschätzung in jedem Einzelfall, dh von Fall zu Fall zu prüfen und über die Eigentumsverhältnisse an jedem agrarisch genutztem Grundstück zu entscheiden. Auch hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse hat die Agrarbehörde jedoch vorerst zu versuchen, eine Einigung unter den Parteien zu erreichen


B)  Anteilsrechte der Mitglieder und die „substanzberechtigte Ortsgemeinde“

1.        Die Agrarbehördenentscheidung wirkt konstitutiv und gestaltet die Rechtslage. Diese Wirkung der Agrarbehördenentscheidung (vergleichbar einem Gerichtsurteil) ist in § 14 AgrVG 1950, BGBl 173/1950, klargestellt. Aufgrund des Erk VfSIg 18.446/2008 in Verbindung mit der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes im Grundsatz-E ZI 2010/07/0091 vom 30.06.2011 gilt es Sachverhalte zu berücksichtigen, wonach die Agrarbehörde über die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung in hoch problematischer Form entschieden hat: Der Ortsgemeinde wurde im Regulierungsverfahren ein Substanzrecht zugesprochen. Dadurch ist unter Umständen die Institutionsgarantie des Eigentums verletzt und eine dauernde Last nach Art des geteilten Eigentums geschaffen worden (vgl Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der TFLG- Novelle 2010, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 512ff; Art 5 und 7 StGG 1867).

2.        Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt heute das geteilte Eigentum nicht mehr (BGBl 2006/113 „Deregulierungsgesetz 2006“ vom 24. Juli 2006: Aufhebung der Bestimmungen über das geteilte Eigentum im ABGB wegen Gegenstandslosigkeit). Zu Recht haben die Gerichtshöfe deshalb dieses agrargemeinschaftliche Eigentum, an welchem der Ortsgemeinde ein Substanzwertanspruch zustehen soll, als „ungeteilt“ beurteilt (VfSlg 18.446/2008; VwGH 2010/07/0091).

Der Ortsgemeinde soll jedoch ein bis zum Erk VfSlg 18.446/2008 unbekanntes Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft zustehen (so die Konstruktion in § 34 Abs 1 (Tiroler) TFLG 1996 idF LGBI 7/2010 mit dem der Tiroler Landesgesetzgeber eine Umsetzung des Erk VfSlg 18.446/2008 versuchte). Dieses Anteilsrecht der Ortsgemeinde als Konsequenz einer rechtskräftigen Regulierung des Substanzrechtes zu Gunsten einer Ortsgemeinde würde jedoch in Kollision mit dem historischen Regulierungsergebnis stehen. Nach dem Regulierungsergebnis wurde bescheidmäßig (und in aller Regel aufgrund von Parteienübereinkommen) über die Anteilsrechte entschieden. Die Rechtskraft dieser historischen Bescheide ist beachtlich (vgl nur 3.9.2007 1233/AB XXIII. GP). Ein Anteilsrecht der Ortsgemeinde, welches die gesamte Substanz des agrargemeinschaftlichen Vermögens umfasst, ist in keinem dieser Bescheide („Liste der Parteien und ihrer Anteilsrechte“) vorgesehen; genauso wenig in dem üblicher Weise zu Grunde gelegten Parteienübereinkommen.

3.        Die Anteilsrechte der Mitglieder stellen Eigentum gem Art 1 1. ZPrMRK dar (VfGH 21.09.2010 VfSlg 19.150/2010; Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 2010, 281 ff; VfSlg 19.150/2010). Ein Erlöschen von Anteilsrechten wegen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen einer berechtigten Stammsitzliegenschaft, wie dies in manchen Landes-Ausführungsgesetzen vorgesehen ist, ist damit unvereinbar.

Aufgrund der abschließenden Entscheidung der Behörde über den Kreis der Anteilsberechtigten im Regulierungsverfahren ist klargestellt, dass das einzelne Anteilsrecht sich auf das gesamte agrargemeinschaftliche Vermögen (einschließlich der Substanz desselben) bezieht. Die 'Bescheide betreffend die Liste der Parteien und ihrer Anteilsrechte' wurden öffentlich kundgemacht; Einwendungen dagegen unterlagen bekannt gemachten Fristen; offensichtlich hat keine Ortsgemeinde Anteilsrechte aus dem Titel des Substanzrechts angemeldet.

Die Anteilsrechte wurden von der Agrarbehörde über Jahrzehnte so behandelt, dass diesen der aliquote „Substanzanteil“ zugeordnet ist. Anteilsrechte wurden unter Berücksichtigung des „Substanzwertes“ gehandelt; auf Anteilsrechte wurden unter Berücksichtigung des Substanzwertes Ausschüttungen getätigt - dies alles unter der Aufsicht der Agrarbehörden und über viele Jahrzehnte.

4.        War die agrarbehördliche Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse materiell richtig, ist diese Konsequenz selbstverständlich; im Anteilrecht setzt sich der historische Miteigentumsanteil als Mitglied der historischen 'Wirtschaftsgenossenschaft' fort. Das anteilberechtigte Mitglied der Agrargemeinschaft ist bereits im Stadium der nicht regulierten Agrargemeinschaft als Agrargemeinschaftsmitglied anteilig Träger des Eigentums. Das rechtskräftig regulierte Anteilsrecht in Verbindung mit der rechtskräftigen, materiell richtigen Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse umfasst (selbstverständlich) einen Substanzanteil am agrargemeinschaftlichen Liegenschaftsvermögen.

Nichts anderes gilt in den Fällen, in denen aufgrund materiell falscher, jedoch rechtskräftiger und deshalb unanfechtbarer Entscheidung der Agrarbehörde eine Agrargemeinschaft als Eigentümerin einer Liegenschaft festgestellt wurde - völlig unabhängig davon, ob die materiell falsche Entscheidung eine Privatperson betroffen hat, eine kirchliche Einrichtung, die Ortsgemeinde oder den Gesamtstaat (Bundesforste) (vgl nur 3.9.2007 1233/AB XXIII. GP; BMLFUW-LE.4.1.7/0025- I/4/2009 vom 2.11.2009; BMLFUW-LE.4.1.7/0025-I/4/2009 vom 2.11.2009 sowie zuletzt BKA-654.127/001-V/2/2010 vom 9.2.2010). Speziell für eine angenommene materiell unrichtige, jedoch rechtskräftig und unanfechtbar durchgeführte Regulierung wurde im Erk VfSIg 9336/1982 klargestellt, dass „öffentliche Nutzungsrechte“ durch diesen Vorgang in Anteile an der Substanz verwandelt würden (ausführlich dazu LAS Tirol 16.10.2008 LAS -889/28-06). Dem Anteilsrecht wächst der Substanzanteil zu, sobald eine Entscheidung über die Eigentumsverhältnisse rechtskräftig und unanfechtbar ist.

Eine, wenn auch materiell falsche Entscheidung schafft Recht - Rechtskraft und Unanfechtbarkeit vorausgesetzt. (Vgl dazu: Raschauer, Rechtskraft und agrarische Operation nach TFLG, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 276: „Die Agrarbehörde hat im Sinn der Rechtssicherheit klare Verhältnisse zu schaffen, also erforderlichenfalls rechtsgestaltend "festzustellen". Wenn die Agrarbehörde das Eigentum eines Rechtsträgers 'feststellt' und wenn diese Feststellung unangefochten bleibt, dann ist dieser Rechtsträger Eigentümer im Rechtssinn.“) Ein Rechtssatz, wonach dem agrargemeinschaftlichen Anteilsrecht eine Substanzbeteiligung sozusagen wesensfremd sei, ist dem Österreichischen Recht fremd. Albert Mair, langjähriger Leiter der Tiroler Agrarbehörde hat im Gegenteil gerade die Gemeindegutsagrargemeinschaft als Eigentumsgemeinschaft verstanden („Die Agrargemeinschaft leitet sich historisch von der Wirtschaftsgemeinde ab und ist nicht eine blosse Nutzungsgemeinschaft, sondern auch eine Eigentums- und Sachgemeinschaft öffentlichen Rechts.“ (Mair, Probleme der Regulierung des Gemeindegutes, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 27).

Den Anteilsrechten der Mitglieder ist deshalb ein Anteil an der Substanz des agrargemeinschaftlichen Vermögens zuzuordnen. Dies folgt unmittelbar aus der Rechtskraftwirkung des Bescheides betreffend Feststellung der Parteien und ihrer Anteilsrechte in Verbindung mit dem Bescheid betreffend die Eigentumsfeststellung zu Gunsten der Agrargemeinschaft. (Theo Öhlinger, Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte und der Eigentumsschutz, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 296: „Die Rechtskraft des das Regulierungsverfahren abschließenden Bescheides erlaubt nur die Annahme, dass diesfalls das gesamte Eigentum (zur Gänze) auf die Agrargemeinschaft übertragen wurde. Diesen Bescheiden mag im Lichte der Judikatur des VfGH (Slg 9336/1982 und 18.446/2008) eine unrichtige Rechtsauffassung zugrunde gelegen haben, sofern die agrargemeinschaftlichen Grundstücke tatsächlich „wahres“ Eigentum der politischen Gemeinde darstellten. Das näher zu prüfen erübrigt sich aber schon wegen der Rechtskraft, die ursprünglich fehlerhafte Rechtsakte unanfechtbar macht. Die Unanfechtbarkeit eventueller formeller oder inhaltlicher Fehler, die von den Parteien nicht innerhalb der gesetzlichen Frist durch ein Rechtsmittel bekämpft wurden, macht geradezu das Wesen der materiellen Rechtskraft verwaltungsbehördlicher Bescheide aus. Ein einmal rechtskräftig gewordener Bescheid begründet eine Rechtsposition, die - wenn die dazu von der Judikatur entwickelten Kriterien erfüllt werden - zweifellos „Eigentum“ im verfassungsrechtlichen Sinn bildet.“ Die derzeitige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Grundsatz-Erk ZI 2010/07/0091) zur „atypischen Gemeindegutsagrargemeinschaft“ trägt dieser Tatsache nicht Rechnung. Würde der Bundesgesetzgeber nicht eingreifen, wäre jedenfalls eine Vielzahl von Verurteilungen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu kalkulieren.

5.        Wurde neben dem Eigentumsrecht zu Gunsten einer Agrargemeinschaft ein Substanzrecht zu Gunsten der Ortsgemeinde festgestellt und ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen, so ist diesem Substanzrecht Rechnung zu tragen.

Ein Regulierungsergebnis, wonach das Eigentum am agrargemeinschaftlichen Grundstück neben den Substanzrecht einer Ortsgemeinde gestellt wurde, war und ist im Gesetz nicht jedoch vorgesehen. Die Agrarbehörde sollte klare Rechtsverhältnisse schaffen. Dieses Ziel wurde mit der Feststellung eines dem Agrarrecht bis zum Erk VfSIg 18.446/2008 unbekannten „Substanzrechts der Ortsgemeinde“ offensichtlich verfehlt. Ein solches Recht ist auch nicht mit dem bis 2006 im Bürgerlichen Recht bekannten „Obereigentum“ vergleichbar, weil dieses nur neben dem Nutzungseigentum existieren konnte, für welches das Gesetzbuch einen abschließenden Kreis an möglichen Erscheinungsformen definierte. Auch das verfassungsrechtliche Verbot zur Neubegründung von dauernden Lasten nach der Art des gespaltenen Eigentums (Art 7 StGG 1867) wäre zu beachten gewesen, weil das „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ – jedenfalls inhaltlich – wie ein Sachenrecht absolute Rechte vermittelt (vgl VfSIg 19.320/2010).

Agrarbehördenbescheide, mit denen solche Rechtsverhältnisse geschaffen wurden, sind ungeachtet der (historischen) Rechtswidrigkeit eines solchen Regulierungsergebnisses im Hinblick auf die Rechtskraft- und Gestaltungswirkung der Bescheide gültig. Die geschaffene Rechtposition verdient den Schutz der Rechtsordnung ungeachtet allfälliger Eingriffe in das Eigentumsrecht als Institution oder ungeachtet der Verletzung von Art 7 StGG 1867. Beachtlich ist jedoch, dass ein derartiges Regulierungsergebnis als zweckverfehlt im Zweifel gerade nicht unterstellt werden darf. Ein solches offenkundig zweckverfehltes Regulierungsergebnis folgt insbesondere nicht bereits daraus, dass die Agrarbehörde ihre Zuständigkeit gem § 15 Abs 2 lit d FIVerfGG 1951 (bzw dem entsprechenden Tatbestand im Landes­Ausführungsgesetz) in Anspruch genommen hat.

Die gegenteilige Rechtsauffassung des VwGH in den Erk vom 30.6.2011 ZI 2010/07/0091 ua gründet auf Interpretationsfehlern im Erk VfSIg 9336/1982, wonach „Gemeindegut“ undifferenziert durch die Gemeindeordnungen zum Eigentum der Ortsgemeinde gestempelt sei. Tatsächlich wurde in den Gemeindeordnungen der Länder - entsprechend der klaren Verfassungslage gem Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG - ab dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Grundsätze der Flurverfassung vom 26. August 1932, BGBl 1932/256, folgende Unterscheidung gezogen: Gemeindegut im Allgemeinen sollte weiterhin den Gemeindeordnungen unterliegen. Für Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung wurde klargestellt, dass sich dessen Rechtsverhältnisse nach der Flurverfassung richten (ausführlich dazu: Kühne/Oberhofer, Gemeindegut und Anteilsrecht, aaO 318ff; Akt des Bundeskanzleramtes, GZ 156.486-6/1935).

Der in VfSlg 9336/1982 aufgestellte Rechtssatz, wonach das Gemeindegut undifferenziert in der Gemeindeordnung als Eigentum der Ortsgemeinde definiert sei, mag für das theoretische Konzept des prov. Gemeindegesetzes 1849, RGBl 170/1849 Geltung beanspruchen. Bereits in den Ausführungsgesetzen zum Reichsgemeindegesetz 1862 jedoch, wird das Gemeindeeigentum in das Stammgut und das Stammvermögen gegliedert, welchem das „Gemeindegut“ gegenüber gestellt ist. Die Gesetzesregelungen finden sich im Fünften Hauptstück, Vom Gemeindehaushalt und von den Gemeindeumlagen1 in Tirol und Vorarlberg, den Anlassfällen für das Erk Slg 9336/1982, in §§ 60 bis 82 TGO 1866 und §§ 60 bis 82 VGO 1864. Anstelle der Formulierung „Gemeindevermögen und Gemeindegut“ in § 74 prov. GemG 1849 ist in § 61 TGO 1866 (= § 61 VGO 1864) von „Stammvermögen und Stammgut" der Gemeinden die Rede. § 62 TGO 1866 (§ 62 VGO 1864) enthielt Regelungen für das „gesamte erträgnisfähige Vermögen der Gemeinden und ihrer Anstalten“. Dem „Gemeindegut“ ist hingegen eine eigenständige Regelung gewidmet (§ 63 TGO 1866 = § 63 VGO 1864). Diese Gesetzesbestimmung konstituierte die politische Ortsgemeinde in erster Linie als Behörde mit der Kompetenz zur Streitentscheidung und Regelung der Nutzungsverhältnisse (§ 63 Abs 2 leg cit). Maßgeblich für die Entscheidung sei vor allem eine „bisher gültige Übung“; die Deckung des „Haus- und Gutsbedarfes“ wurde zur Zweifelsregel, welche speziellen Rechtstiteln zu weichen hatte. Was unter „Gemeindegut“ zu verstehen sei, wurde nicht geregelt; insbesondere findet sich keine Erklärung des Begriffes „Gemeindegut“ als „Eigentum der Ortsgemeinde“. Der Umstand, dass allfällige Überschüsse aus den Erträgnissen des Gemeindegutes an die Gemeindekasse abzuführen waren, ist vor dem Hintergrund, dass ein eigener Rechtsträger für die Agrargemeinschaft nicht eingerichtet war und der Verwaltungszuständigkeit der Ortsgemeinde jedenfalls kein Eigentumsbeweis. Weil bei einer „bisher gültigen Übung“ und „speziellen Rechtstiteln“ als Grundlage einer Gemeinschaftsbenützung angeknüpft wurde, war diese Regelung ohne weiteres auch für historisches Gemeinschaftseigentum anwendbar, wenn die betreffende Nachbarschaft keine eigenständigen Verwaltungsorgane eingerichtet hatte.

Mit dem Inkrafttreten der Teilungs- Regulierungs- Landes- Gesetze wurde der Eindruck einer vermeintlichen Zuordnung des Gemeindegutes in agrargemeinschaftlicher Nutzung als Eigentum der Ortsgemeinde verstärkt. Die Ausführungsgesetze zum TRRG 1883 für Gemeinschaftsliegenschaften, bei denen die Verwaltung bereits in Anwendung der Gemeindeordnung gestaltet war, haben nämlich Regulierung der Verwaltungsrechte gravierend beschränkt: Neben der Teilung (welche nur nach ÖO TRLG ausgeschlossen wurde) war als spezielle Regelungsvariante die Erlassung einer Verordnung in Ergänzung der Gemeindeordnung vorgesehen. In diesem Rahmen sollte die Verwaltung weiterhin in den Organen der politischen Ortsgemeinde erfolgen (§ 7 Abs 2 NÖ-TRLG 1886; § 12 Abs 2 Slbg-TRLG 1892; §§ 3 Abs 2 St-TRLG 1909 = 3 Abs 2 T-TRLG 1909 = 3 Abs OÖ-TRLG 1909; § 3 Abs 2 Vlbg-TRLG 1921).

 

 

 

 

 

 


1              Das Gemeinde-Gesetz vom 5. März 1862 (MTA IX), Wien 1869, wo auch die Texte sämtlicher

Gemeindeordnungen der Länder erschlossen werden.


6.         Die formale Anknüpfung für die Zuständigkeit der Agrarbehörde („distinktive Zuständigkeit“ - Peter Pernthaler) für alle Liegenschaften in agrargemeinschaftlicher Nutzung indiziert schon deshalb keinen Rückschluss auf die Eigentumsverhältnisse, weil die Agrarbehörde mit einem gesonderten Bescheidspruch über die Eigentumsverhältnisse entschieden hat. Die Eigentumsverhältnisse waren gerade nicht durch die Zuständigkeitsentscheidung präjudiziert, sondern war über die Eigentumsverhältnisse von Fall zu Fall, dh in jedem Einzelfall nach einem Ermittlungsverfahren oder im Einvernehmen aufgrund eines Parteienübereinkommens zu entscheiden.

Der Bescheid über die Eigentumsverhältnisse am Regulierungsgebiet entscheidet als Hauptfrage darüber, in wessen Eigentum die Liegenschaft steht (Feststellungserkenntnis). Die Feststellungswirkung bezieht sich wesensgemäß auf die Gegenwart.

Es ist unzulässig, der Vorfragenbeurteilung (Zuständigkeitsbeurteilung gem § 15 FIVerfGG 1951) neben dem Abspruch über die Hauptfrage des Eigentums eine Bedeutung zu unterstellen, welche zum Bescheidspruch über die Hauptfrage in Widerspruch steht und damit insgesamt ein widersprüchliches Regulierungsergebnis entstehen lässt. Dies gerade dann, wenn keine Norm im Regulierungsrecht existiert, welche die Kompetenz zur Änderung der Eigentumsverhältnisse indizieren würde. Umso mehr gilt dies, wenn der Wortlaut des Bescheides auf „Feststellung“ lautet und die Norm der Behörde vorschreibt, festzustellen, wem die Liegenschaft gehört.

Wurde deshalb die Österreichweit übliche Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften „in Anwendung der Gemeindeordnung“ als Anknüpfung für die Zuständigkeit der Agrarbehörde herangezogen und in der Folge die Hauptfrage entschieden, wem die Liegenschaft gehört, so folgt aus der Entscheidung der Hauptfrage in Form der Feststellung, dass diese Entscheidung - nach allgemeinen Grundsätzen - eine Vorgefundene Rechtslage beurteilt und diese nicht verändert hat.

Wegen der entstandenen Irrungen zwischen den Höchstgerichten sieht sich der Gesetzgeber veranlasst, die Wirkung des Feststellungsbescheides speziell für das Agrarverfahrensgesetz noch einmal klar zu stellen (§14 Abs 2 AgrVG 1950 in der Fassung der Novelle).

Die weit verbreitete Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften in Anwendung der Gemeindeordnung (Anknüpfungstatbestand für die Wirksamkeit der Agrarbehörde gem § 15 Abs 2 lit d FlverfGG 1951 bzw des jeweiligen Landes-Ausführungsgesetzes dazu) kann und darf nicht dafür herangezogen werden, um dem Regulierungsverfahren zu unterstellen, dass dieses ein Substanzrecht zu Gunsten der Ortsgemeinde hervorgebracht hätte.

7.        Das Substanzrecht gründet originär im konstitutiven Behördenbescheid; er hat keinen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch oder in der Rechtswissenschaft vorausgesetzten Inhalt. Insbesondere sind die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches betreffend das geteilte Eigentum infolge Aufhebung im Jahr 2006 wegen Gegenstandslosigkeit nicht unmittelbar anwendbar (BGBl 2006/113 „Deregulierungsgesetz 2006“ vom 24. Juli 2006). Maßgeblich für Inhalt und Umfang ist der jeweilige Bescheid, mit welchem das betreffende Recht festgestellt wurde; dies im Zusammenhang mit den sonstigen Ergebnissen des Regulierungsverfahrens.

Im Erk VfSIg 18.446/2008 wurde mit Blick auf den beurteilten, im erstinstanzlichen Agrarbehördenbescheid festgestellten Sachverhalt, davon ausgegangen, dass sich das Substanzrecht kraft Agrarbehördenentscheidung im Anteilsrecht kraft Regulierung fortsetze. Diese Rechtsauffassung mag mit Blick auf den konkreten, im Einzelfall beurteilten Sachverhalt richtig gewesen sein. Die Agrarbehörde entscheidet jedoch auch konstitutiv über die Anteilsrechte und ist die rechtskräftige Entscheidung beachtlich (§ 14 AgrVG 1950).

Wurde über ein Anteilsrecht auf den Substanzwert im Bescheid betreffend die Parteien und ihre Anteilsrechte nicht abgesprochen und ist dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen, so existiert kein entsprechendes Anteilsrecht. Dem Wesen der Agrargemeinschaft als Besitz- und Nutzungsgesellschaft entsprechend, ist weder aus dem Eigentum am agrargemeinschaftlichen Grundstück und noch weniger aus dem Substanzrecht ein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft abzuleiten. Jede Kollision mit dem rechtskräftigen Regulierungsergebnis wird vermieden, wenn das Substanzrecht gem Regulierung als schuldrechtlicher Anspruch, der am Eigentum lastet, verstanden wird.

8.        Ausgehend vom Typenzwang im Sachenrecht wird ein im Zuge der agrarischen Operation begründetes Substanzrecht als schuldrechtlicher Anspruch ausgestaltet. Aufgrund konstitutiver Begründung dieser Rechtsposition mit Agrarbehördenbescheid definiert der jeweilige Bescheid Inhalt und Umfang des Anspruchs. Im Verlauf des Regulierungsverfahrens kann eine Umgestaltung der Rechtsverhältnisse erfolgt sein; insofern sind auch die weiteren Verfahrensergebnisse beachtlich. Die gesetzliche Definition bringt eine Zweifelsregel zum Ausdruck.

Der verfassungsrechtlich gebotene Schutz eines rechtskräftigen Regulierungsergebnisses erfordert den Schutz des Substanzrechtes genauso wie denjenigen des rechtskräftig regulierten Anteilrechts. Darüber hinaus entspricht es dem Gleichheitssatz, dass lang andauernde Sachverhalte seitens der Rechtsordnung als rechtsbegründend oder rechtsvernichtend anerkannt werden. Der Gesetzgeber unterwirft deshalb das im Regulierungsverfahren geschaffenen Substanzrecht den allgemeinen Regeln über die Verjährung von Schuldrechten. Wurde das Recht der Ortsgemeinde auf den Substanzwert innerhalb eines Zeitraums von 40 Jahren ab rechtskräftiger bescheidmäßiger Feststellung des Anspruchs aus keinem einzigen Anlass ausgeübt und auch nicht die gesonderte bescheidmäßige Feststellung desselben begehrt, ist die Rechtsposition verjährt. Aufgrund inhaltlicher Ähnlichkeit des Anspruchs mit einem auf bestimmte Grundstücke des Regulierungsgebietes bezogenen beschränkten dinglichen Recht sind zur Wahrung der Rechtseinheit darüber hinaus die Tatbestände über den originären Eigentumserwerb für das Verhältnis zwischen der Agrargemeinschaft als Eigentümerin und der Ortsgemeinde als Substanzberechtigte fruchtbar zu machen. Wenn ein Eigentümer durch redliche Bauführung auf fremdem Grund sein Eigentumsrecht verliert, muss dies umso mehr für das Substanzrecht an einer unter dem errichteten Gebäude befindlichen Grundfläche gelten. Der Rechtsgrundsatz, wonach Gebäude und Grundstück im Zweifel einem einheitlichen Recht folgen, verlangt generelle Beachtung.

Die aus dem Regulierungsverfahren entstandene Rechtsposition der Ortsgemeinde unterliegt darüber hinaus dem Untergang durch den gutgläubigen Erwerb vom Eigentümer im Vertrauen auf den Grundbuchsstand. Es dient der Klarstellung der Rechtsverhältnisse und der Wahrung des Vertrauensschutzes, dass der Gesetzgeber die Vermutung aufgestellt hat, dass für den Zeitraum bis zur Veröffentlichung des Erkenntnisses VfSlg 18.446 vom 11. Juni 2008 die unwiderlegliche Rechtsvermutung gilt, dass ein Käufer von Liegenschaftseigentum, gutgläubig auf die Lastenfreiheit vertraut hat. Für später abgeschlossene Rechtsgeschäfte verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen.


C)  Zur Verwaltung der Agrargemeinschaft

Die Aufgaben der Agrargemeinschaft liegen in der Verwaltung, zweckmäßigen Bewirtschaftung, Erhaltung und Verbesserung des Gemeinschaftsvermögens sowie in der Sicherstellung der Erfüllung der Ansprüche und Pflichten ihrer Mitglieder. Die Aufgaben der Agrargemeinschaften sind keine Funktionen einer (gemeinwohlgebundenen) öffentlichen Verwaltung, sondern „Aufgaben privatautonomer Eigentums- und Rechtsnutzung zugunsten der Agrargemeinschaft und ihrer Mitglieder“ (Pernthaler, Die Rechtsnatur der Agrargemeinschaften, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 257). Es erscheint angemessen, dass der Grundsatzgesetzgeber allgemeine Regeln für die Verwaltung der Agrargemeinschaft vorgibt. Die gewählte Formulierung orientiert sich an den Grundsätzen für die Leitung und Verwaltung von Aktiengesellschaften (§ 70 Aktiengesetz). Die Geschäftsführung soll jedenfalls in Händen eines Ausschusses liegen. Für die Vertretung gilt Gesamtvertretung als zwingende Vorgabe. Das öffentliche Interesse als Handlungsmaxime im Sinn dieser Bestimmung ist unter Berücksichtigung des lokalen Umfeldes der Agrargemeinschaft zu beurteilen.

Die neue Regelung in § 21a Abs 4 entspricht der traditionellen Verbundenheit von Agrargemeinschaft und Ortsgemeinde. Das Recht des Bürgermeisters, die Einberufung der Vollversammlung in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zu erwirken, bringt diese Verbundenheit in besonderer Weise zum Ausdruck; ebenso dessen Recht, von der Vollversammlung gehört zu werden.

Da nach der österreichischen Verwaltungsrechtslehre der Selbstverwaltungsbegriff seit jeher als ein formell-organisatorischer Begriff betrachtet wird, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die öffentlichrechtliche Organisation eines „selbständigen Wirtschaftskörpers“ nach dem Muster eines Selbstverwaltungskörpers wie dies eine Agrargemeinschaft ist, unter die Organisationsgarantie des Art 120 c B-VG fällt, auch wenn diesem „Wirtschaftskörper'' keine hoheitlichen Befugnisse übertragen werden. Denn zum Zeitpunkt der Erlassung dieser Verfassungsnorm waren sowohl der Begriff „gesellschaftliche Selbstverwaltung“ als auch die öffentlichrechtlichen Genossenschaften, die Sozialautonomie und die gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften als öffentlichrechtlich organisierte „Wirtschaftskörper“ mit Anspruch auf Autonomie bekannt, ohne dass sie Hoheitsgewalt ausübten.

D)  Übergangsrecht

1.        Gemäß Art 7 StGG 1867 unterliegen dauernde Lasten nach Art des geteilten Eigentums der Aufhebung. Die Agrarbehörde ist die zuständige Behörde zur Entscheidung über die Rechtsverhältnisse an Liegenschaften in agrargemeinschaftlicher Nutzung. Deshalb obliegt ihr die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Aufhebung von dauernden Lasten iSd Art 7 StGG. Dies umso mehr, wenn diese im Zuge der agrarischen Operation begründet wurden. Der Gesetzgeber sieht das Substanzrecht der Ortsgemeinde dem Inhalt nach als eine Last nach Art des geteilten Eigentums und unterwirft diesen Anspruch dem Aufhebungsverfahren gemäß Art II dieses Gesetzes. Dies unabhängig davon, dass das Substanzrecht im nicht regulierten Zustand als schuldrechtliche Rechtsposition zu verstehen ist und im Geltungsbereich des Tiroler FLG 1996 idF LGBI 7/2010 teilweise bereits rechtskräftig als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht reguliert wurde.

2.        Die Auffassung der Höchstgerichte, wonach das Substanzrecht der Ortsgemeinde nach rechtskräftiger Feststellung durch die Agrarbehörde als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht den Tatbestand des Art 7 StGG 1867 rein abstrakt nicht erfüllen könne (VfGH B 117/12; VwGH 2012/07/0064), wird vom Gesetzgeber nicht übernommen. Natürlich ist der Gesetzgeber des Jahres 1867 beim Verbot, Lasten nach Art des geteilten Eigentums neu zu begründen und beim Rechtsanspruch auf Aufhebung aller derartiger Belastungen, von den damals bekannten Erscheinungen des geteilten Eigentums ausgegangen. Ein agrargemeinschaftliches Anteilsrecht, welches Obereigentum und alle nicht­agrargemeinschaftlichen Nutzungsformen umfasst, war damals nicht bekannt. Dies kann jedoch keinesfalls bedeuten, dass die Begründung derartiger Lasten mit den Instrumenten des öffentlichen Rechts und in der Verkleidung eines agrargemeinschaftlichen Anteilrechts zulässig sei.

Wie Eccher nachgewiesen hat, geht das Substanzrecht der Ortsgemeinde, so wie dieses in der Judikatur entwickelt wurde (zuletzt VfSIg 19.320/2011) weit über alle Rechtspositionen hinaus, welche das historische Obereigentum dem „Grundherrn“ vermittelte (§§ 357ff alt – aufgehoben durch BGBl I 2006/113; Eccher, Das agrargemeinschaftliche Gemeindeeigentum in Tirol, in: FS für Heinz Barta, Die soziale Funktion des Privatrechts, 2009, 211 ff; vgl auch Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der TFLG-Novelle 2010, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 512ff). Konsequenter Weise muss alles das, was die Überwindung des grundherrlichen Obereigentums erforderlich machte, noch viel mehr für die Überwindung des Substanzrechts der Ortsgemeinde sprechen. Bereits jetzt wirken sich die geteilten Zuständigkeiten aus den Rechtstiteln „Eigentum der Agrargemeinschaft“ und „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ in Tirol als Wirtschaftshemmnis aus. Das „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ ist deshalb einem Aufhebungsverfahren zu unterwerfen. Art 7 StGG 1867 richtet sich speziell gegen jede Form dauernder Belastungen des landwirtschaftlich genutzten Eigentums (Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der TFLG-Novelle 2010, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich [2011] 516 mwN).

3.   Ausschließlich wahres ehemaliges Eigentum des Substanzberechtigten kann die Aufhebung des Substanzrechts gegen Entschädigung rechtfertigen. Maßgeblich sind die Rechtsverhältnisse vor dem Einschreiten der Agrarbehörde. Die bloße Rechtskraftwirkung der Agrarbehördenbescheide reicht zur Begründung einer gegen Entschädigung aufzuhebenden Belastung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaft nicht aus, weil sich in derartigen Fällen die Begründung des Substanzrechts rückblickend als entschädigungslose Enteignung zu Lasten der Agrargemeinschaftsmitglieder erweist.

Die historischen Eigentumsverhältnisse vor dem ursprünglichen Einschreiten der Agrarbehörde sind nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen über den Eigentumserwerb zu beurteilen. Auf die Ausführungen im Abschnitt A7 wird verwiesen.

4.   Jedenfalls der entschädigungslosen Aufhebung unterliegt das Substanzrecht der Ortsgemeinde dann, wenn dieses Substanzrecht festgestellt und/oder reguliert wurde, weil die Agrarbehörde ihre Zuständigkeit gem § 15 Abs 2 lit d FIVerfGG 1951 (bzw dem entsprechenden Tatbestand im Landes-Ausführungsgesetz) in Anspruch genommen hat. Der vom Verwaltungsgerichtshof im Erk ZI 2010/07/0091 entwickelte und seither ständig judizierte Rechtssatz, wonach die Inanspruchnahme der Zuständigkeit für behauptetes Gemeinde- bzw Fraktionsgut zwingend die Eigentumsverhältnisse an der betreffenden Liegenschaft präjudiziere, wird vom Gesetzgeber verworfen. Das Gemeinderecht konnte und wollte die Eigentumsverhältnisse an „Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung“ nicht regeln. Auf die Ausführungen im Abschnitt A2 wird verwiesen.

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Anton Riser

 

Obmann Agrar West                                                               am 26.02.2013

Offener Brief

An den

Landeshauptmann von Tirol

Herrn Günther Platter

Landhaus

6010 Innsbruck

 

 

Sehr geehrter Landeshauptmann!

Die neuerliche Eskalation im Tiroler Agrarstreit deckt schonungslos ein grobes Versäumnis der Tiroler Landesregierung in der letzten Legislaturperiode auf. Verabsäumt wurde, die Konstruktion des Systems Gemeinde und Agrargemeinschaft wissenschaftlich und rechtlich korrekt zu durchleuchten und aufzuarbeiten, um auf der Grundlage einer der historischen und rechtlichen Wahrheit für alle Betroffenen einsehbare, rechtlich einwandfreie Lösung in eine Novelle des TFLG zu gießen.

Zu Recht hat in später Einsicht die ÖVP wenigstens die wahrscheinlich offensichtlich verfassungswidrige Rückübertragung des mit rechtskräftigen Bescheiden der Landesregierung zuerkannten Eigentums der Agrargemeinschaften boykottiert. Leider wieder ohne verbindliches Signal an die Bevölkerung Tirols, diesen Agrarstreit fair, verständlich und verbindlich lösen zu wollen.

Aus rechtlicher Sicht ist unverständlich, dass die, von einer Behörde der Tiroler Landesregierung auf Grundlage des TFLG erstellten, rechtskräftigen Bescheide im gleichen Satz rechtlich bindend und rechtlich irrelevant sein sollen, wie zum Beispiel: „Die Gundstücke………….sind agrargemeinschaftliche Grundstücke gemäß TFLG § ... Abs.... lt...“(rechtlich bindend) „und stehen im Eigentum der Agrargemeinschaft………“( rechtsunwirksam).

Onus probandi ist die historische lateinische Bezeichnung für Beweislast. Seit der Antike gilt die Maxime des römischen Rechts: necessitas probandi incumbit ei qui agit ( die Beweispflicht liegt beim Ankläger) Wikipedia.

Unverständlich ist deshalb, dass keine Gemeinde den Beweis antreten musste, wann, wo, wie und mit welchem Dokument, welchen Gesetz diese Gemeinde unzweifelhafte wahre Eigentümerin des sogenannte ehemaligen „Agrargemeingutes“ wurde. Kein ordenlicher Richter im Zivilrecht hätte diese offensichtliche Beweislastumkehr zu Ungunsten der Bauern anerkannt. Kein ordentlicher Richter hätte die Eigentumsbeweise der Bauern als unerheblich abgetan, wie es die weisungsgebundene Agrarbehörde mehrfach in Bescheiden getan hat.

Die Unschuldsvermutung (auch Zweifelsgrundsatz: in dubio pro reo genannt) (Wp) ist festgeschrieben im österreichischen Recht. Unverständlich ist, dass die Agrargemeinschafts­mitglieder und Bauern von Tiroler Landtagsabgeordneten, ÖVP Politikern, Bürgermeistern ungestraft als Diebe am öffentlichen Eigentum bezeichnen dürfen. Tirols Politiker mißachten das Gebot der Unschuldsvermutung mit oftmals gemeiner und diffamierender Wortwahl.

Das erinnert entfernt an die umstrittenen Benes^ Dekrete, die in ihrer Wirkung, persönlich meist völlig unschuldige Menschen enteigneten und vertrieben haben. Politik die sich von einer aufgehetzten Volksmeinung leiten lässt ist damals wie heute irregeleitete Politik. Offensichtlich sind auch demokratische Systeme dagegen nicht immun -siehe Tirol.

Alle Welt erkennt:

Nicht die Ureinwohner im Regenwald haben ihren Eigentumsanspruch gestohlen !

Sondern diese Ureinwohner werden um ihr Eigentum bestohlen.

Nicht die Ureinwohner Austaliens haben die Einwander bestohlen.

Sondern die Einwander haben sie um ihr Gemeinschaftseigentum gebracht.

Nicht die Ureinwohner Tirols haben ihren Eigentumsanspruch gestohlen.

Sondern die heutige Tiroler Gesellschaft will diese um ihr rechtmäßiges Eigentum bringen.

Deshalb ist die These erlaubt!

Tiroler Bauern sind nicht Täter sondern Opfer im Agrarstreit!

Die politische Gemeinden wollen sich altes Agrareigentum einverleiben!

Zumindest seit 1848 versuchen die politischen Gemeinden sich das Eigentum welches der Landesfürst im Tausch gegen Einforstungsrechte den Bauern und der anderen Eingeforsteten zuerkannte, einzuverleiben. Herr Landeshauptmann, diese gewagte Behauptung kann ich mit Urkunden und Gesetzestexten jederzeit belegen.

Keine Kritik ohne Lösungsvorschlag:

Tiroler Bauern und die politischen Gemeinden wollen kein Unrechtes Eigentum.

Deshalb ersuche ich nochmals und immer wieder darum:

Eine national und international anerkannte, wissenschaftliche Expertengruppe einzusetzen, zusammengestellt aus Historikern und Rechtsexperten mit dem Auftrag, festzustellen, wem das wahre Eigentum an dem heutigen Agrargemeinschaftsgut zusteht.

Mit freundlichen Grüßen

Toni Riser