42/BI XXV. GP

Eingebracht am 10.03.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

Bürgerinitiative betreffend:

TTIP-Verhandlungen bezüglich des Freihandelsabkommens zwischen der EU und den USA.

ANLIEGEN: Der Nationalrat möge die Bundesregierung auffordern, im Europäischen Rat für die Offenlegung der Verhandlungsdokumente zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen TTIP und einen demokratischen Verhandlungsprozess einzutreten.

BEGRÜNDUNG: Das geplante Freihandelsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership - TTIP) zwischen der EU und den USA gilt als das größte Freihandelsabkommen in der Geschichte.

Das Abkommen wird alle Lebensbereiche betreffen - von Lebensmittelsicherheit über Landwirtschaft, Daten­schutz, öffentliche Auftragsvergabe, den Zugang zu Medikamenten bis hin zum Umweltschutz. Investorlnnen sollen die Möglichkeit erhalten, Staaten zu klagen. Damit drohen Gesetze zum Schutz von Konsumentlnnen, Arbeitnehmerlnnen und Umwelt sowie grundlegender Menschenrechte ausgehebelt zu werden.

Mit dem TTIP-Abkommen versprechen Wirtschaftsvertreterinnen in der EU und den USA Wachstum und Jobs. Die wahren Triebkräfte hinter dem Abkommen sind große Konzerne beiderseits des Atlantiks.

Die TTIP-Verhandlungen finden jedoch hinter verschlossenen Türen statt. Die Verhandlungsdokumente sind geheim. Nationale Parlamente und die Zivilgesellschaft sind nicht eingebunden und werden nur bruchstückhaft informiert. Demgegenüber haben 93% der Gespräche im Vorfeld der Verhandlungen mit Vertreterinnen von Großkonzernen und deren Lobbys stattgefunden.

Daher fordern wir die Vertreterinnen des Österreichischen Nationalrates auf, sich für die Offenlegung der Ver­handlungsdokumente und einen demokratischen Verhandlungsprozess einzusetzen, in dem neben dem Euro­päischen Parlament auch nationale Parlamente und die Zivilgesellschaft eingebunden sind

Wir fordern:

      eine Stellungnahme aller Ministerien über die Auswirkungen von TTIP.

      eine Parlamentarische Enquete über dieses Abkommen und insbesondere über Klagerechte für Konzerne und das Vorhaben der regulatorischen Kooperation

      die begleitende öffentliche Auseinandersetzung mit den Verhandlungsinhalten während der gesamte Verhandlungsdauer im österreichischen und Europäischen Parlament unter Einbeziehung zivilgesellschaftli­cher Organisationen

      die Offenlegung aller verhandlungsrelevanten Dokumente

      das Aussetzen der Verhandlungen solange die verhandlungsrelevanten Dokumente nicht offengelegt sind und es keinen demokratischen Prozess gibt.

 


DENN FÜR UNS SIEHT EINE TRANSATLANTISCHE PARTNERSCHAFT ANDERS AUS:

 


Demokratie und Transparenz

Statt Geheimverhandlungen braucht es eine breite öf­fentliche Diskussion über Ziele und Konsequenzen des Abkommens. Hierzu müssen umfassende und aktuelle Informationen und der vollständige Einblick in alle Verhandlungsdokumente für die Öffentlichkeit und Parlamente gewährleistet sein. Zudem muss die EU-Kommission eine umfassende Nachhaltigkeitsprüfung von unabhängiger Seite durchführen lassen.

Rechtsschutz für Menschen statt privilegierter Klagerechte für Konzerne

Wir lehnen es ab, dass Konzerne Klagerechte ge­gen Umwelt- und Sozialgesetze - ob in Europa oder den USA - bekommen. Die besonders von der EU geforderten Sonderklagerechte für Unternehmen im Rahmen sogenannter Investor-Staat-Schiedsge- richtsbarkeit unterlaufen grundlegende Prinzipien des Rechtsstaats. Denn in diesen Verfahren gibt es weder die Möglichkeit einer Berufung noch haben Bürgerinnen irgendeine Möglichkeit der Beteiligung. Hinter verschlossenen Türen entscheiden letztlich drei Personen über derartige Klagen - und damit über Schadenersatzansprüche von Konzernen in Millionen­oder Milliardenhöhe für entgangene Gewinne durch geänderte Gesetze.

Vorsorge- und Verursacherprinzip als Kern des Klima- und Umweltschutzes

1992 wurden auf der Konferenz der Vereinten Nati­onen zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro folgende Prinzipien aufgestellt: Wenn von Produkten oder Technologien Risiken ausgehen können, dann müssen diese Risiken vorausschauend vermieden wer­den. Im TTIP aber sollen auf Druck von Exportinteres­sen bereits bestehende wie auch geplante Regeln, die diesen Prinzipien folgen, zum Handelshemmnis erklärt werden. Ein besonderer Dorn im Auge der US-Lobby- gruppen sind vor allem die in ihren Augen zu langsame Zulassung und Kennzeichnung von Gentechnik- Lebensmitteln in Europa sowie die europäischen Nachhaltigkeitsstandards von Agrotreibstoffen. Aber auch die Weiterentwicklung der EU-Chemikalienricht- linie REACH und der EURO-Norm für Auto-Emissions­werte sowie die EU-Strategie zur Begrenzung der von Kunststoffen ausgehenden Umweltgefahren laufen den US-Exportinteressen zuwider.

Auch für neue Technologien muss das Vorsorgeprinzip gelten, etwa für die gefährliche Gewinnung von Gas mittels Fracking. Wir brauchen eine klima- und ressourcenschonendere sowie gerechtere Wirtschafts­weise auf beiden Seiten des Atlantiks. Zur Richtschnur dürfen nicht die jeweils niedrigsten Standards werden! Verbote sind dafür genauso erforderlich wie Steuern und Zölle für besonders schädliche Verfahren. Und das ist mit der TTIP-Freihandelslogik nicht zu vereinbaren.

Kleinbäuerliche und ökologischere Land­wirtschaft schützen

Den Bäuerinnen und Konsumentlnnen in Europa und den USA bringt TTIP keine Vorteile. In den USA ist der Verzehr von Klon- und Hormonfleisch, sowie mit Wachstumshormonen behandelten Kühen er­laubt. Geflügelfleisch wird mit Chlor behandelt, für gentechnisch veränderte Pflanzen gibt es weder ein stringentes Zulassungsverfahren noch eine Kennzeich­nungspflicht. Auch das Patent- und Haftungsrecht unterscheidet sich in den beiden Handelszonen an vielen Stellen. TTIP öffnet die Türen für Agrar-Export- schlachten zu Dumpingpreisen auf beiden Seiten des Atlantiks. Statt noch mehr „Wachsen oder Weichen" brauchen wir den Schutz kleinbäuerlicher und ökolo­gischer Landwirtschaft in den USA und in Europa.

Hohe Verbraucherinnen- und Gesundheits­standards

Die strengeren europäischen Standards müssen Grundlage aller Verhandlungen sein. Zudem ist eine umfassende Kennzeichnungspflicht zwingend - auch für verarbeitete Produkte.

Arbeits- und Menschenrechte durch klare und durchsetzbare Regelungen verbindlich schützen

Der Öffentlichkeit wird TTIP als Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen verkauft. Dabei haben bestehende Freihandelsabkommen wie der NAFTA-Vertrag zwischen den USA, Kanada und Mexiko genau das Gegenteil bewirkt: Gewerkschaften beklagen Ar­beitsplatzverluste in der Industrie, sinkende Löhne, das Unterlaufen von Arbeitsmindeststandards und wachsende Einkommensunterschiede als Folge des Freihandelsabkommens. Arbeitsstandards werden an das jeweils niedrigere Niveau nach unten angeglichen. Auf Basis dieser Erfahrungen wurde die gesamtameri­kanische Freihandelszone von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Umweltorganisationen, Verbraucher- schutzorganisationen etc. vehement und erfolgreich abgelehnt. In der EU sind Massenarbeitslosigkeit,

Druck auf Löhne und die Ausweitung prekärer Be­schäftigung die Folgen schwacher Sozialstandards im liberalisierten EU-Binnenmarkt. Die aktuelle EU- Krisenpolitik verschärft diese Tendenz. Die transatlan­tische Freihandelszone wird daher weder in den USA zu höheren Arbeits- und Sozialstandards führen, noch wird sie den weiteren Abbau dieser Standards in der EU verhindern. Im Gegenteil! Während Investorlnnen via TTIP Klagerechte gegen Staaten erhalten sollen, bleibt die Durchsetzung sozialer Rechte immer nur ein Lippenbekenntnis.

 

Internationale Solidarität und Kooperation statt immer mehr Wettbewerbsdruck

Mit dem TTIP wollen EU und USA ihre globale Vor­machtstellung absichern. Aufstrebende Schwellen- und Entwicklungsländer sollen durch das Abkommen Marktanteile verlieren.

Schutz und Ausbau öffentlicher Dienstleis­tungen statt weiterer Liberalisierungsof­fensive

Essentielle Dienstleistungen der Daseinsvorsorge (z. B. in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Wasser, Energie oder Verkehr) dürfen nicht privatisiert werden.

Sie müssen für alle zugänglich sein und hohen qua­litativen, sozialen und umweltpolitischen Standards genügen. Den dazu nötigen Gestaltungsspielraum auf nationaler und kommunaler Ebene drohen die TTIP Verhandlungen weiter zu beschneiden - mehr Druck in Richtung Privatisierung ist zu erwarten.

Schutz und Förderung der Vielfalt kulturel­ler Ausdrucksformen statt weiterer Kom­merzialisierung

Die UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen sichert beispielsweise Film-, Theater-, Musik-, Literatur- und weitere Kulturförderungen sowie den öffentlich- rechtlichen Rundfunk mit seinen Programmen. Auch die Förderung des Zugangs zu und der Teilhabemög- lichkeiten an Kultur gehören dazu. Dieser Gestal­tungsspielraum wird durch die TTIP-Verhandlungen zur Disposition gestellt.

 

Regulierung des Finanzsektors und Abbau ökonomischer Ungleichgewichte statt mehr Deregulierung und Freihandel

Die Liberalisierung der Finanzmärkte und ökonomische Ungleichgewichte innerhalb der EU (u. a. infolge von Lohnkonkurrenz) sind eine wesentliche Ursache der europäischen Wirtschaftskrise. Die jüngs­ten, zaghaften Ansätze der Finanzmarktregulierung könnten durch TTIP wieder vom Tisch gefegt werden. Vor allem in den USA könnte es so zu einer neuen Deregulierungswelle kommen, da das Niveau der Finanzmarktregulierung in den USA höher ist als in der EU. Die Absenkung der Regulierungen auf das niedrige Niveau der EU ist vor allem eine Hoffnung der EU-Finanzmarktakteure. Der sogenannte „Economic Needs Test" (Prüfung von Finanzprodukten auf volks­wirtschaftliche Notwendigkeit) wird in Frage gestellt. Durch die Bezeichnung solcher Economic Needs Tests als diskriminierende Praxis werden den Investorlnnen Tür und Tor für Schiedsgerichtsklagen gegen Finanz- marktregulierungsmaßnahmen geöffnet. Mit TTIP sol­len also Finanzdienstleistungen statt rereguliert noch weiter liberalisiert werden.

Innovationen, Bildung und Informations­freiheit statt die Spielregeln des Internets den kommerziellen Interessen großer Kon­zerne zu unterwerfen:

Schützbares „geistiges Eigentum" findet sich in vielen Sektoren - Technologien, Pharmaprodukte, Saatgut, Filme, Texte, Bilder und Musik. Unter dem Vorwand, die Urheberinnen zu schützen, streben multinationale Konzerne nach umfangreichen Monopolrechten und der Kontrolle des Internets. Wissenschaft und Bildung, Kultur und Innovation brauchen einen fairen Inter­essenausgleich zwischen Urheberinnen, Nutzerinnen und Vertreterinnen! Demokratische Willensbildung und Schutz von Grundrechten dürfen auch im digitalen Umfeld nicht zur Diskussion stehen.