47/BI XXV. GP

Eingebracht am 05.05.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

 

Formblatt für eine Parlamentarische Bürgerinitiative

Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend

die gesetzliche Verankerung des Rechts auf Lärmschutz in einem neuen Lärmschutzgesetz, das konkrete Regelungen dazu enthält.

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender Hinsicht angenommen:

Die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers für gesetzliche Lärmschutz-Regelungen steht hinsichtlich Art. 10 Abs. 8 bis 10 und 12 B-VG (u.a. Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Verkehrswesen, Bergwesen, Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Umweltbelastungen infolge Überschreitung von Immissionsgrenz­werten, Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle) außer Streit.

Die InitiatorInnen und UnterstützerInnen dieser Bürgerinitiative gehen zusätzlich davon aus, dass konsequenter Lärmschutz darüber und über das derzeitige "Bundesgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungsmaßnahmen (Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz ‑ Bundes- LärmG)" und die anderen punktuellen Lärm(schutz)regelungen in Bundesgesetzen hinaus weitergehende und wirksamere bundesgesetzliche Regelungen erfordert.

ANLIEGEN

Der Nationalrat wird ersucht,

angesichts der drastischen gesundheitlichen Auswirkungen von andauernden Lärmimmissionen, die die gesetzlichen Schwellenwerte überschreiten, dem Leid, das sie verursachen, und den wirtschaftlichen Folgen für die Gesellschaft aufgrund der hervorgerufenen gesundheitlichen Schäden, ehebaldigst zielführende Maßnahmen zur gesetzlichen Verankerung des Rechts auf Lärmschutz zu treffen.

Die Umsetzung der Umgebungslärmschutz-Verpflichtungen, für die vor allem das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie zuständig ist, hat bis jetzt versagt. Die vorgesehene BürgerInnenbeteiligung hat teilweise gar nicht, teilweise in indiskutabler Qualität stattgefunden.

Daher fordern wir ein echtes Bundeslärmschutzgesetz ‑ ähnlich dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-Luft) im Bereich Luftreinhaltung ‑, das vor allem folgende Punkte beinhalten muss:

·        Gesetzliche Verankerung des Rechts auf Lärmschutz, so dass betroffene Menschen den Staat, die Gemeinde oder den/die VerursacherIn des Lärms klagen können, wenn es versäumt wird, Maßnahmen zur Lärmminderung zu setzen oder Ersatzquartiere für die Dauer der Lärmimmission zur Verfügung zu stellen. Dieses Recht muss neben dem Recht auf Schutz vor Verkehrs-, Schienen-, Flug- und Industrielärm in Ballungsräumen auch das Recht auf Schutz vor Bau- und sonstigen Maschinenlärm beinhalten.

·       Zum Schutz der Gesundheit geeignete verbindlich festgelegte Lärm­Immissionsgrenzwerte.

·       Beachtung dieser Immissionsgrenzwerte bei der Genehmigung von

Verkehrs-, Betriebs- und anderen Anlagen, deren Errichtung und der Errichtung anderer Bauwerke sowie bei Abbruchsgenehmigungen für Bauwerke.

·       Verweigerung einer solchen Genehmigung, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden können, oder Festsetzen von Auflagen, die eine Gesundheitsgefährdung von Menschen, die in der Umgebung wohnen oder arbeiten, verhindern wie z.B. Lärmschutzwände, Verwendung von lärmarmen Geräten, zur Verfügung Stellen von Ersatzquartieren.

·       Eine überschaubare Fristsetzung zur Anpassung von Altanlagen.

·       Festschreiben entsprechender wirksamer Sanktionen bei Missachtung der Vorgaben.

·       Verbindliches Recht auf Schadenersatz.

-  für Gesundheitsbeeinträchtigungen und Schäden infolge von andauerndem Umgebungslärm,

-  für UnternehmerInnen für durch Umgebungslärmbelastung verursachte Minderung der Arbeitsleistung Ihrer Arbeitnehmerlnnen und dadurch bedingte Verluste an Einnahmen,

-  für durch Umgebungslärmbelastung verursachte Minderung der Leistungsfähigkeit von Selbstständigen, insbesondere von Einzelpersonen- Unternehmerlnnen (EPU), und dadurch bedingten Verdienstentgang,

-  für durch Umgebungslärmbelastung verursachte Wertminderung von Grundstücken und Immobilien.

·       Verbindliche transparente Haftungsregelungen, die klären, wer für Schäden durch Verkehrs-, Schienen-, Flug-, Industrie-, Bau- und sonstigen Maschinenlärm aufzukommen hat.


·       Maßnahmen entsprechend der EU-Richtlinie 2002/49/EG:

-  Prioritätensetzung für Lärmbekämpfung nach den Kriterien der EU-Richtlinie 2002/49/EG, die sich an der Anzahl der Betroffenen und der Höhe des andauernden Lärmpegels orientiert;

-  Festlegung von rechtlich verbindlichen, konkreten Maßnahmen zur schrittweisen Lärmreduktion entsprechend dieser Prioritätensetzung in Form von rechtlich verbindlichen Aktionsplänen zur Lärmreduktion;

-  Beteiligung der betroffenen Bevölkerung an der Ausarbeitung dieser rechtlich verbindlichen Aktionspläne zur Lärmreduktion durch entsprechende BürgerInnenbeteiligungsverfahren.

 

 


Begründung

 

Lärm ist das am stärksten wahrgenommene Umweltproblem. Fast 40% der Österreichischen Bevölkerung, also rund 3,3 Millionen Menschen, leben Tag für Tag unter gesundheitsschädlicher Dauerbeschallung ‑ acht Jahre nach Inkrafttreten des „Bundes-Umgebungslärmschutzgesetzes“. 2007 wurden die Lärmwerte aufgrund einer EU-Richtlinie erstmals in Lärmkarten des Lebensministeriums1 dargestellt. Seither hat sich die allgemeine Situation trotz vermehrtem Einsatz von lärmärmeren Technologien nicht verbessert.

Laut Richtlinie des Österreichischen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung (ÖAL) zur „Beurteilung von Schallimmissionen im Nachbarschaftsbereich“2 ist die absolute Obergrenze für Planungen ein Lärmpegel am Tag von 65 dB und in der Nacht von 55 dB. Denn bei längerer Einwirkung von Schallimmissionen dieser Intensität ist mit negativen gesundheitlichen Auswirkungen zu rechnen3. Ab 65 dB können physische Störungen verursacht werden, Hörschäden ab 80 dB. Zu den physischen Störungen bzw. Erkrankungen gehören Stress, Schlafstörungen, Beeinträchtigungen von Sprache, Kommunikation, Leistungsfähigkeit in der Schule oder am Arbeitsplatz und im sozialen Verhalten (z.B. Aggressivität, Hilflosigkeit, etc.), Schwächung des Immunsystems, kreislaufbedingte Erkrankungen, Bluthochdruck und eine drastische Erhöhung des Herzinfarkt-Risikos4. Schon bei einer andauernden Verkehrslärm­belastung von 65 dB am Tag und 55 dB bei Nacht steigt laut Studie des Instituts für Umwelthygiene an der Universität Wien5 das Herzinfarkt-Risiko um bis zu 30%, bei 75 dB oder mehr natürlich entsprechend höher. Daher empfiehlt die WHO geringere Schwellenwerte, nämlich 55 dB bei Tag und 45 dB bei Nacht6.

 

 


1   http://www.laerminfo.at/

2Beurteilung von Schallimmissionen im Nachbarschaftsbereich, ÖAL-Richtlinie Nr. 3 Blatt 1, Ausgabe 2008-03- 01, gefördert durch das Lebensministerium, ICS: 13.140

3Die Wirkung des Lärms auf den MenschenBeurteilungshilfen für den Arzt, ÖAL-Richtlinie Nr. 6/18, Ausgabe 2011-02-01, ICS: 17.140.30

4   http://www.umweltbundesamt.at/umweltsituation/laerm/laerm_auswirkungen/

5http://wiev1.orf.at/magazin/magazin/gesundheit/stories/488619/index.html

6Birgitta Berglund . Thomas Lindvall, Dietrich H Schwela (Hg.), Guidelines for Community Noise, World Health Organization, Genf, 1999


 

Aber in Wien etwa wohnen laut aktuellen Lärmkarten7 Zehntausende Menschen an verkehrsreichen Straßen mit einem Lärmpegel von über 70 dB, ja sogar über 75 dB bei Tag, und über 65 dB, mitunter über 70 dB bei Nacht. Auch in anderen Ballungsräumen wie Linz, Graz oder St. Pölten herrschen ähnlichen Bedingungen. Besonders schlimm ist es, wenn Autobahnen durch dicht bewohntes Gebiet führen.

Baulärm erreicht für Anrainerlnnen mitunter Werte bis über 90 dB (1 m vom offenen Fenster entfernt gemessen). Besonders belastend ist der Baulärm, wenn die Bau­tätigkeit im Haus der BewohnerInnen stattfindet, wie etwa bei Dachbodenausbauten.

Seit 2002 gibt es die Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates8 „über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“. Sie schreibt strategische Aktionspläne mit Prioritätensetzung zur Lärmreduktion bei Überschrei­tung der Schwellenwerte und die schrittweise Umsetzung dieser Aktionspläne vor. Seit 2005 gibt es daher das „Bundesgesetz über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“, das ebenfalls Aktionspläne und deren Umsetzung vorsieht.

Die EU-Richtlinie sieht vor, dass Prioritäten dort gesetzt werden, wo besonders viele Menschen von hohen Lärmimmissionen betroffen sind. Das ist in Wien an vielen Durchzugsstraßen der Fall, insbesondere an Autobahnen wie etwa im dritten Wiener Gemeindebezirk an der A23 und der A4. Trotzdem sind   keine Maßnahmen zur Lärmminderung in Sicht. Es werden sogar Straßenausbauprojekte umgesetzt — wie etwa der Ausbau der Anschlussstelle der A23 an den Landstraßer Gürtel durch die ASFINAG —, so dass noch mehr Autoverkehr in Wohngebiete fließen kann.

Das „Bundesgesetz über die Erfassung von Umgebungslärm und über die Planung von Lärmminderungsmaßnahmen (Bundes-Umgebungslärmschutzgesetz ‑ Bundes- LärmG)“ bietet den Anrainerlnnen von stark befahrenen Durchzugsstraßen und heftigen Bautätigkeiten keinerlei Schutz vor lärmbedingten Gesundheitsschäden. Denn es enthält eine Klausel, die den Menschen jegliches Recht auf Schutz abspricht, da das Gesetz „keine subjektiv-öffentlichen Rechte begründet“. Auch im Wiener Lärmschutzgesetz findet sich eine ähnlich Klausel: „Weder durch dieses Landesgesetz noch durch die strategischen Lärmkarten, Konfliktpläne und Aktionspläne werden subjektiv-öffentliche Rechte oder privatrechtliche Rechtsansprüche begründet.“

Angesichts der aktuellen WHO-Studie9 vom März 2011, die Verkehrslärm nach Luftverschmutzung als das zweitgrößte Gesundheitsrisiko — mit schwerwiegenden Folgen wie Herzinfarkten und anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Schlafstörungen und Stress — ausweist, ist das Gesetz mit der genannten Klausel völlig unzureichend und zahnlos. Zudem missachtet es das Grund- und Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit.

 

 

 

 


7   http://www.laerminfo.at/umgebungslaerm/berichte/lk_2007_zwb.html

8   Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, in Kraft getreten am 18.07.2002

9   Burden of desease from environmental noise ‑ Quanitfication of healthy life years lost in Europe. WHO Regional Office, Kopenhagen, Dänemark, 2011, http://www.euro.who.int/__data/assets/pdf_file/0008/136466/e94888.pdf

 


 


"Lärmbelastung ist nicht nur ein ärgerliches Umweltproblem, sondern eine echte Bedrohung für die öffentliche Gesundheit", sagte Zsuzsanna Jakab, die Leiterin der Europa-Abteilung der WHO. Mit dem so genannten DALY-Konzept10 werden in der WHO-Studie die durch Krankheit beeinträchtigten Lebensjahre im Vergleich zur durchschnittlichen Lebenswartung der rund 345 Millionen EU-Bürgerlnnen hochgerechnet. Demnach liegt die Gesamtsumme von "verlorenen gesunden Jahren" in der EU bei mindestens einer Million pro Jahr.

 

·        61.000 gesunde Lebensjahre gehen den EU-Bürgerlnnen im Durchschnitt pro Jahr verloren, weil sie an so genannten ischämischen oder koronaren Herzerkrankungen wie Herzinfarkt, Angina pectoris, Herzinsuffizienz oder Herz-Rhythmusstörungen leiden.

·        45.000 gesunde Lebensjahre von europäischen Kindern gehen verloren, weil sie kognitive Störungen haben.

·        903.000 Lebensjahre pro Jahr sind beeinträchtigt durch Schlafstörungen (bei StadtbewohnerInnen in Städten mit mehr als 50.000 EinwohnerInnen).

·       22.000 Lebensjahre leiden Menschen in Europa an Tinnitus statt sich gesund zu fühlen.

·        587.000 gesunde Lebensjahre gehen den EU-Bürgerlnnen im Jahr verloren, weil sie gestresst sind.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


10    Disability-Adjusted Life Years - DALY

 

 


Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend

die gesetzliche Verankerung des Rechts auf Lärmschutz in einem neuen Lärmschutzgesetz, das konkrete Regelungen dazu enthält.

Erstunterzeichner/in

Name

Anschrift

Geb. Datum

Datum der Unterzeichnung

Eingetragen in der Wählerevidenz der Gemeinde

Eva Lachkovics

 

 

25.1.2013

 

 

 

 

Unterschrift