77/BI XXV. GP

Eingebracht am 26.06.2015
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Bürgerinitiative

 

Parlamentarische Bürgerinitiative
betreffend
  Unfallopfer
(Qualitätskontrolle bei Gerichtsgut-
  achtern/Novellierung des Schadenersatzrechts)

 

Seitens der Einbringerlnnen wird das Vorliegen einer Bundeskompetenz in folgender

Hinsicht angenommen: Die Petition betrifft u. a. die Novellierung des österreichischen Schadenersatzrechts sowie die Qualitätskontrolle von Gerichtsgutachten durch ein Gutachtergesetz und fällt somit in die Zuständigkeit der Bundesgesetzgebung.

Dieses Anliegen wurde bis zur Einbringung im Nationalrat von 1086 Bürgerinnen mit ihrer Unterschrift unterstützt. (Anm.: zumindest 500 rechtsgültige Unterschriften müssen für die Einbringung im Nationalrat vorliegen.)

ANLIEGEN:

Der Nationalrat wird ersucht, durch konkrete gesetzgeberische Maßnahmen die Rechte von Unfallopfern zu stärken Unfallopfer haben Anspruch auf Schadenersatz. Der Weg zum Schadenersatz ist aber lange. Zur Durchsetzung muss vielfach gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

Dort stehen dann in der Regel Unfaltopfer einem wirtschaftlich stärkeren und gut vernetzten Prozessgegner gegenüber. Das schafft ein Machtungleichgewicht, das viele Betroffene zum Aufgeben zwingt. Unfallopfer brauchen aber eine faire Chance, um zu ihrem Recht zu kommen. Es braucht daher konkrete gesetzgeberische Maßnahmen, die die Rechte von Unfallopfern stärken.

(Die näheren Ausführungen zur Parlamentarischen Bürgerinitiative enthält das Beiblatt
Seite 1 bis 3)

(Falls der Vordruck nicht ausreicht, bitte auf Beiblatt fortsetzen)


 

Parlamentarische Bürgerinitiative betreffend

 

Unfallopfer

Erstunterzeichner/in

Name

Anschrift

Geb. Datum

Datum der Unterzeichnung

Eingetragen in die Wählerevidenz der Gemeinde

FRANZ FLUCH

 

 

 

 

 

 

………………………………………………………..  

Unterschrift                        

 


 

Parlamentarische Bürgerinitiative für Unfallopfer

Qualitätskontrolle bei Gerichtsgutachtern /Novellierung des Schadenersatzrechts aus dem fahr 1811 (!)

Proponentenkomitee

Dr. Irmgard Griss, Graz, Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission, 2007 bis 2011 Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, 2010 und 2011 Präsidentin des Netzwerks der Höchstgerichtspräsidenten der Europäischen Union;

Dr. Klaus Burtscher, Innsbruck, Gerichtsgutachten Primar Dr. Andreas Kainz, Wien, Leiter der Abteilung für Physikalische Medizin und Allgemeine Rehabilitation an der Wiener Privatklinik; Universitätsprofessor Dr. Werner Laubichler, Salzburg, Gerichtsmediziner, Gerichtsgutachter und ehemaliger Vizepräsident des Landesverbandes für Gerichtssachverständige; Universitätsprofessor Dr. Wolfgang-Ulf Wayand, Linz, Gerichtsgutachter; Dr. Herbert Pochieser, Wien, Rechtsanwalt und Unfallopfervertreter; Dr. Erwin Würrer, Jurist der Rechtsabteilung der Pensionsversicherungsanstalt (PV) i. R., Vorsitzender des Landesschiedsgerichts des Verbandes für Menschen mit Behinderungen (ÖZIV), Burgenland.

Anliegen

Unfallopfer haben Anspruch auf Schadenersatz. Der Weg zum Schadenersatz ist aber lange. Zur Durchsetzung muss vielfach gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Dort stehen dann in der Regel Unfallopfer einem wirtschaftlich stärkeren und gut vernetzten Prozessgegner gegenüber. Das schafft ein Machtungleichgewicht, das viele Betroffene zum Aufgeben zwingt. Unfallopfer brauchen aber eine faire Chance, um zu ihrem Recht zu kommen. Es braucht daher konkrete gesetzgeberische Maßnahmen, die die Rechte von Unfallopfern stärken.

Begründung

Im Jahr 2013 ereigneten sich laut Statistik Austria 38.502 Straßenverkehrsunfälle, bei denen 48.044 Personen verletzt wurden. 455 Personen kamen dabei ums Leben. Für den erlittenen Schaden gebührt Unfallopfern Ersatz der Heilungskosten oder des erlittenen Vermögensnachteils (zeitweise oder dauernde Minderung der Erwerbfähigkeit, Kostenersatz von unfallbedingten erhöhten Bedürfnissen, angemessenes Schmerzensgeld sowie Entschädigung im Fall einer Invalidität oder Verunstaltung) durch die gesetzliche Kfz- Haftpflichtversicherung beziehungsweise eine Versehrtenrente der gesetzlichen Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) im Falle eines Arbeits- oder Arbeitswegunfalls. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit, der Kostenersatz unfallbedingt erhöhter Bedürfnisse und die Dauer der Schmerzperioden werden von Gerichtsgutachtern ermittelt, die in der Regel auch als Privatgutachter für Versicherungen tätig oder bei der AUVA angestellt sind.

 

 Soweit so gut ABER: Können sich die Kfz-Haftpflichtversicherungen des/der Unfallverursacherln und das Unfallopfer nicht über die Höhe des zu leistenden Schadenersatzes einigen, ist das Unfallopfer gezwungen, gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bis es dann zur tatsächlichen Schadensregulierung kommt, stehen der verletzten Person neben den erlittenen physischen und psychischen Schmerzen eine ganze Reihe von prozessrechtlichen Hürden im Weg.

Diese Hürden sind:

-    hohes Prozesskostenrisiko
-    Beweisprobleme/mangelhafte Gutachten
-    keine Waffengleichheit
-    veraltetesSchadenersatzrecht

Qualitätskontrolle bei Gerichtsgutachtern

Eine wissenschaftliche Studie, bei der 100 Gerichtsgutachten unter die Lupe genommen wurden, hat ergeben, „dass 80 Prozent nicht einmal die Mindestanforderungen erfüllten."[1]

Wir fordern:

     Es soll daher eine unabhängige (im Gesundheitsministerium angesiedelte) Stelle zur fachlichen Überprüfung von Sachverständigengutachten geschaffen werden, die gewährleistet, dass Gerichtsgutachten nach zeitgemäßen internationalen wissenschaftlichen Standards (medizinisch und technisch differenziertes Vorgehen - Vorrang des Mediziners vor dem Techniker) erstellt werden. Diese Qualitätskontrolle soll auch das Gericht bei der Beweiswürdigung unterstützen.

     Verbesserte Ausbildung und Zertifizierung von Gerichtsgutachtern nach internationalen Qualitätsstandards

     Sachliche Überprüfung der Gerichtsgutachten auf Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit

     Klare Sanktionierung der Gutachter bei Verletzung der Unparteilichkeit

     Gesetzliche Pflicht zur Herausgabe vollständiger medizinischer Unterlagen an Patienten

     Beiziehung von Privatsachverständigen im Verfahren für prozessbegleitende Begutachtung inklusive Fragerecht an den Gerichtsgutachter und Berücksichtigung von Privatgutachten in der Beweiswürdigung der Erstgerichte

     Richterinnen müssen (unabhängig von einem Gerichtsgutachter) für die Beweiswürdigung und zur Aufklärung allfälliger Widersprüche über spezifische Sachkenntnisse verfügen

     Fachspezifische Schulungsangebote für Richterinnen zum besseren Verständnis von Gutachten

Konkretisierung der Unvereinbarkeitsbestimmungen für Gutachter im Gesetz

Gerichtsgutachter in einem wirtschaftlichen Naheverhältnis zu Sozialversicherungsträgem und privaten Haftpflichtversicherungen sollen nur in Ausnahmefällen zur Begutachtung von unfallkausalen Schäden herangezogen werden, wenn diese anspruchsbegründend für sozialversicherungsrechtliche Leistungen (Versehrtenrenten) sein können.

Reform des Schadenersatzrechts

Bereits im Juli 2005 wurde im Auftrag des Justizministeriums von einer Arbeitsgruppe der „Entwurf eines neuen österreichischen Schadenersatzrechts" vorgelegt. In dem in Fachkreisen nach dem Juristen und emeritierten Professor für Zivilrecht der Universität Wien Helmut Koziol benannten „Koziol-Entwurf" heißt es, „dass die schadenersatzrechtlichen Regelungen" des über zwei Jahrhunderte alten Gesetzes „den heutigen Anforderungen nicht mehr ganz gerecht werden können."[2] Doch diese längst überfällige Novellierung des Schadenersatzrechts wurde bis heute von der einflussreichen Versicherungslobby erfolgreich verhindert.


 

Wir fordern:

     Risikobegrenzung bei den Prozesskosten und Herstellung der Waffengleichheit Reform der Gerichtsgebühren und Verfahrenshilfe sowie der Frist für die Wiederaufnahme von Verfahren (4 Wochen)

     Das durch die Rechtsprechung zuerkannte Schmerzensgeld ist in Österreich generell niedrig. Das gilt insbesondere für den Bereich der längerfristigen „mittelschweren und schweren Verletzungen“. Hier soll es, unter Berücksichtigung der jeweiligen Ausgleichsfähigkeit im Einzelfall, zu einer angemessenen Erhöhung kommen.

     Beweislast: Der Nachweis der Unfallkausalität lässt sich in der Praxis vom Unfallopfer nur sehr schwer erbringen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Beweislastumkehr diskutiert: Nach erstem Anscheinsbeweis sollten Zweifel über die weitere Unfallkausalität von Verletzungsfolgen (Beweislastumkehr vgl. Arzthaftung) zulasten des Schädigers gehen.

     Die Haftungshöchstsummen im Eisenbahn- und Kraftfahrhaftpflichtgesetz (EKHG) sind nicht mehr zeitgemäß und können im Einzelfall zu enormen Härten führen. Sie sollten zumindest erhöht werden.

     Entgangener Unterhalt: Beim Ersatz dieses Schadenersatzpostens sollte im Sinne einer sozialen Schadenersatzpolitik nicht der gesetzlich geschuldete, sondern - sofern darüber


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Wochenmagazin Profil. 29. Juli 2013 „800 Mal Einspruch", Seite 19

[2] Helmut Koziol: Entwurf eines neuen österreichischen Schadenersatzrechts, Seite 23, 2006 Springer-Verlag Wien