Dr. Hans Jörg Schelling

Bundesminister für Finanzen

GZ. BMF- 142600/0014-III/2/2017

 

Zur Veröffentlichung bestimmt

 

Vortrag an den Ministerrat betreffend den ECOFIN-Rat

am 21. März in Brüssel

 

 

Der ECOFIN-Rat befasste sich schwerpunktmäßig mit der Mehrwertsteuer (Orientierungsdebatte zu ermäßigten Steuersätzen für elektronische Publikationen; Allgemeiner Reverse Charge Mechanismus) und dem Europäischen Semester 2017 (Meinungsaustausch zu den Länderberichten inklusive Tiefenanalysen). Außerdem berichteten Vorsitz und EK über die Ergebnisse des G20-Treffens der Finanzminister und Notenbankgouverneure am 17./ 18. März in Baden-Baden. Schließlich informierte die EK über den Ende November 2016 vorgelegten Europäischen Aktionsplan im Verteidigungsbereich bzw. bis Mitte des Jahres geplanten Vorschlag zur Errichtung eines Europäischen Verteidigungsfonds.

 

Im Rahmen des ECOFIN-Frühstücks wurde u.a. auf Grundlage eines Berichts der EK die Umsetzung des Fiskalpaktes erörtert, die zwischenzeitlich in den meisten Vertragsstaaten (darunter auch in Österreich) vollständig erfolgt ist. Nachdem einige Mitgliedstaaten bisher aber noch keine entsprechenden Maßnahmen getroffen haben, wurde die EK um einen weiteren Bericht bis Mitte des Jahres ersucht.

 

Ein weiteres Thema, das auf mein Ersuchen auf die Tagesordnung gesetzt wurde, betraf das laufende Verfahren gegen Österreich wegen falscher Datenmeldungen der Salzburg Statistik von 2008 bis 2012. Ich habe in diesem Zusammenhang nochmals unsere Sicht der Dinge dargelegt und betont, dass mehrere Vorwürfe der EK, darunter die behauptete Fahrlässigkeit der Aufsichtsbehörden bei der Datenerfassung sowie die ebenfalls behauptete verspätete Unterrichtung von EUROSTAT über die festgestellte Datenverfälschung, für uns nicht nachvollziehbar sind. Der ECOFIN-Rat hat die Erklärung zur Kenntnis genommen; in einem nächsten Schritt erfolgt nun auf technischer Ebene eine detaillierte Prüfung der EK-Empfehlung.

 

Die Euro-Gruppe hat sich im Rahmen der thematischen Diskussion zu Wachstum und Beschäftigung auf eine Liste mit Indikatoren für ein Benchmarking bei den Pensionssystemen geeinigt. Die weiteren Themen betrafen die aktuellen Entwicklungen in Griechenland, das Follow-up zu den Budgetplänen 2017, mit denen sich die Euro-Gruppe nach Vorliegen der Frühjahrsprognose beim Treffen im Mai erneut beschäftigen wird, sowie die für 2017 geplanten Emissionen von öffentlichen Schuldtiteln.

 

Im Anschluss an die Euro-Gruppe hat ein weiteres informelles Treffen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer stattgefunden. Dabei haben sich die teilnehmenden Mitgliedstaaten im Grundsatz auf eine möglichst eng definierte Ausnahme für Pensionsfonds verständigt. Diese soll nun auf technischer Ebene weiter präzisiert und beim nächsten Treffen, am Rande des ECOFIN-Rates im Mai, bestätigt werden.

 

Thematische Diskussion zu Wachstum und Beschäftigung - Pensionssysteme

 

Im Rahmen der thematischen Diskussion zu Wachstum und Beschäftigung hat sich die Euro-Gruppe darauf geeinigt, die Nachhaltigkeit der Pensionssysteme in der Euro-Zone künftig auch durch ein regelmäßiges Benchmarking zu bewerten. Breits im vergangenen Jahr hat die Euro-Gruppe gemeinsame Grundsätze („common principles“) angenommen, die seither als Leitfaden für die Implementierung von Pensionsreformen dienen. Diese werden nun durch die Schlüsselindikatoren S1 (mittelfristige fiskalische Risiken) und S2 (langfristige fiskalische Risiken) sowie „flankierende Indikatoren“ (u.a. Gegenüberstellung gesetzliches/ effektives Pensionsantrittsalter; Anzahl der Pensionisten/ Bevölkerung über 65; Durchschnittspension/ Durchschnittslohn) ergänzt. Das Benchmarking soll ab 2018 alle drei Jahre im Rahmen bereits bestehender Verfahren (Ageing Report, Bewertung der Stabilitätsprogramme) durchgeführt werden.

 

Aktuelle Entwicklungen in Griechenland

 

Unter diesem TOP haben die Institutionen über die aktuellen Entwicklungen im Zusammenhang mit der zweiten Prüfmission berichtet. Dabei hat sich (einmal mehr) bestätigt, dass zwar in vielen Bereichen erhebliche Verhandlungsfortschritte erzielt werden konnten, in einigen Schlüsselbereichen, darunter insbesondere bei den Themen „Pensionen, Steuern und Arbeitsmarktreformen“ aber nach wie vor Auffassungsunterschiede bestehen. Vor diesem Hintergrund wurden die Institutionen und griechischen Behörden aufgefordert, ihre Anstrengungen nochmals zu erhöhen, damit nach Möglichkeit bis zum nächsten Treffen der Euro-Gruppe am 7. April eine Einigung auf technischer Ebene erzielt werden kann.

 


 

Ermäßigte Mehrwertsteuersätze

 

Unter diesem TOP hat eine Orientierungsdebatte zum Anfang Dezember 2016 von der EK veröffentlichten Vorschlag über die Freigabe der Mindeststeuersätze bei elektronischen Publikationen (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften) stattgefunden. Dadurch soll den Mitgliedstaaten eine Angleichung der Steuersätze von elektronischen Publikationen, die derzeit dem Normalsatz des Empfängerstaates unterliegen, an die ermäßigten Steuersätze von physischen Publikationen ermöglicht werden. Außerdem sieht der EK-Vorschlag die Möglichkeit für die Anwendung von „superermäßigten“ Steuersätzen bzw. Nullsteuersätzen sowohl auf physische als auch elektronische Publikationen vor. Der ECOFIN-Rat hat den EK-Vorschlag grundsätzlich begrüßt; mehrere Mitgliedstaaten haben sich jedoch gegen „superreduzierte“ Sätze und Nullsätze ausgesprochen. Der Vorsitz hat angekündigt, dass die technische Ebene im Lichte der Orientierungsdebatte nun einen finalen Kompromisstext ausarbeiten wird.

 

Einführung eines allgemeinen Reverse Charge Mechanismus (RCM)

 

Unter diesem TOP hat ebenfalls eine Orientierungsaussprache zur Ende Dezember 2016 von der EK vorgelegten Änderung der Mehrwertsteuer-Richtlinie über die befristete Anwendung eines generellen RCM ab einem ausgewiesenen Rechnungsbetrag von 10.000 Euro stattgefunden. Gemäß dem Vorschlag soll es für die Genehmigung des RCM zwei Möglichkeiten geben, nämlich entweder das Vorliegen einer großen Mehrwertsteuerlücke oder die Anwendung des RCM in einem Nachbarstaat; außerdem soll die Anwendungsdauer auf fünf Jahr befristet werden, und die EK den RCM innerhalb von 6 Monaten aufheben können, wenn negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt festgestellt werden.  

 

Die Diskussion hat im Wesentlichen bereits bekannte Standpunkte bestätigt: Von Österreich und Tschechien wurden realistischere Bedingungen für die Einführung des RCM verlangt; insbesondere wurde dabei auch auf die aus der „Safeguard-Klausel“ entstehende Rechtsunsicherheit für die Wirtschaft sowie auf die Notwendigkeit einer angemessenen Anwendungsdauer hingewiesen. Während einige Mitgliedstaaten die Forderungen von Österreich und Tschechien unterstützt haben, sprachen sich andere Mitgliedstaaten weiterhin gegen Erleichterungen bei der Einführung des RCM aus und begründeten dies mit dem erhöhten Risiko einer Verlagerung des Mehrwertsteuerbetrugs.

 

Auch zu diesem Thema sollen die Verhandlungen zu den offenen Punkten nun auf technischer Ebene fortgeführt werden.

 

Europäisches Semester 2017 - Berichte der EK zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen

 

Unter diesem TOP hat die EK ihre Berichte über die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen sowie über die wirtschafts- und finanzpolitischen Herausforderungen in den Mitgliedstaaten präsentiert. Außerdem enthalten die Berichte die Ergebnisse der vertieften Analyse im Rahmen der makroökonomischen Überwachung. Die Ergebnisse sollen bei der Ausarbeitung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme sowie der nationalen Reformprogramme, die bis Ende April an die EK zu übermitteln sind, berücksichtigt werden.

 

Zu Österreich stellt die EK insgesamt Fortschritte bei der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen von 2016 fest, und nennt in diesem Zusammenhang u.a. Verbesserungen im Hinblick auf die finanzielle Nachhaltigkeit des Gesundheitssystems, die Reform des Finanzausgleichs sowie die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. In Bezug auf den Bankensektor rechnet die EK mit einer weiteren Erholung. Handlungsbedarf sieht sie u.a. bei der Sicherung der langfristigen Tragfähigkeit des Pensionssystems sowie bei der Abgabenbelastung der Arbeitseinkommen. Zudem sollten Maßnahmen zum Abbau von Investitionshindernissen im Dienstleistungssektor gesetzt werden.

 

Ferner haben die Finanzminister/innen auf Basis einer EK-Analyse über Möglichkeiten zur Verbesserung des Unternehmensumfeldes diskutiert. Demnach werden Reformmaßnahmen in diesem Bereich generell nur zögerlich und wenig ambitioniert umgesetzt. Verbesserungsbedarf besteht laut EK insbesondere bei der Reduktion von regulatorischen und administrativen Belastungen, dem Zugang zu Finanzierungsquellen sowie bei der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Dienstleistungssektors (u.a. auch in Österreich). Die Präsidentschaft plant im Juni den ECOFIN-Rat erneut mit diesem Thema zu befassen.

 

Bericht über das G 20-Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure am 17./ 18. März in Baden-Baden

 

Unter diesem TOP haben die Präsidentschaft und die EK schließlich über das G20-Treffen berichtet, an dem erstmals auch der neue US-Secretary of the Treasury, Steven Mnuchin, teilgenommen hat. Aufgrund des Widerstands der neuen US-Regierung enthält das verabschiedete G20-Communiqué diesmal keine ausdrückliche Ablehnung handelsprotektionistischer Maßnahmen. Ein gemeinsames Bekenntnis enthält das Communiqué hingegen zur Fortsetzung der Arbeiten gegen Gewinnverkürzung- und -verlagerung sowie an der Basel III Reformagenda.

 

Ich stelle den

 

A n t r a g,

 

die Bundesregierung wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

 

 

29. März 2017

Bundesminister für Finanzen:

Dr. Schelling