Dr. Hans Jörg Schelling

Bundesminister für Finanzen

GZ. BMF- 142600/0016-III/2/2017

 

Zur Veröffentlichung bestimmt

45/4.5

 

 

Vortrag an den Ministerrat betreffend den ECOFIN-Rat

am 23. Mai in Brüssel

 

 

Der ECOFIN-Rat befasste sich schwerpunktmäßig mit der Unternehmensbesteuerung- in diesem Zusammenhang wurde einerseits die allgemeine Ausrichtung zum EK-Vorschlag für eine Richtlinie zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten angenommen, anderseits erfolgte eine Orientierungsdebatte über den EK-Vorschlag zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage.

 

Ein weiteres Thema betraf den Kapital- und Zahlungsverkehr, wo der ECOFIN-Rat eine Roadmap mit konkreten Maßnahmen zur Beseitigung nach wie vor bestehender Hindernisse für Kapitalströme verabschiedet hat. Zum Europäischen Semester wurden Schlussfolgerungen zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen sowie zu den Tiefenanalysen im Rahmen der makroökonomischen Überwachung angenommen. Schließlich berichteten Vorsitz und EK über die Ergebnisse des G20-Treffens der Finanzminister/innen sowie der IWF-Frühjahrstagung in Washington von 20. bis 23. April.

 

Im Mittelpunkt der Diskussion in der Euro-Gruppe standen (einmal mehr) die aktuellen Entwicklungen in Griechenland. Weitere Themen betrafen die wirtschaftliche Situation in der Euro-Zone vor dem Hintergrund der EK-Frühjahrprognose sowie die Ergebnisse des 7. Review im Rahmen der Post-Programm-Überwachung in Spanien.

 

Vor dem ECOFIN-Rat hat schließlich die Jahrestagung der Europäischen Investitionsbank stattgefunden. Im Mittelpunkt standen dabei - neben der Geschäftsentwicklung 2016 - die Umsetzung des EFSI, die Aktivitäten der Bank außerhalb der EU sowie Governance-Fragen. Gemäß den Ausführungen des Präsidenten der EIB, Werner Hoyer, konnte 2016 abermals eine sehr gute Geschäftsentwicklung verzeichnet, und eine Ertragssteigerung um 100 Mio. Euro auf rund 2,86 Mrd. Euro erzielt werden.

 

Aktuelle Entwicklungen in Griechenland

 

Unter diesem TOP wurde die Euro-Gruppe über die vorläufige Einigung zwischen Griechenland und den Institutionen über ein neues Paket politischer Reformen informiert, die einen wichtigen Schritt zum Abschluss der zweiten Prüfmission darstellt. Auch wurde berichtet, dass Griechenland bereits einen bedeutenden Teil der vereinbarten Vorleistungen (u.a. in den Bereichen Einkommensteuer, Arbeitsmarkt und Energiesektor) umgesetzt hat und die wenigen noch ausstehenden Maßnahmen ebenfalls noch vor der nächsten Euro-Gruppe abgeschlossen sein sollten. Ebenfalls befasst hat sich die Euro-Gruppe mit der Frage allfälliger weiterer (mittelfristiger) schuldenerleichternder Maßnahmen, falls sich diese auf Basis einer aktualisierten Schuldentragfähigkeitsanalyse als notwendig erweisen sollten. Dabei wurde (einmal mehr) betont, dass eine Konkretisierung der Maßnahmen jedenfalls im Rahmen der Vereinbarungen vom Mai 2016 erfolgen muss und die Entscheidung über deren tatsächliche Umsetzung erst nach Beendigung des Programmes 2018 getroffen werden kann.

 

Wirtschaftliche Situation in der Euro-Zone: EK-Frühjahrsprognose und Inflationsentwicklung

 

Dazu wurde von der EK berichtet, dass sich die wirtschaftliche Erholung mit Wachstumsraten in der Euro-Zone von 1,7 % bzw. 1,8%, auch in diesem und im nächsten Jahr relativ konstant fortsetzen wird (Winterprognose: 1,6% bzw. 1,8%). Das öffentliche Defizit soll sich 2017 weiter auf 1,4% und 2018 auf 1,3% des BIP verringern; bei der Schuldenquote erwartet die EK einen Rückgang auf knapp über 90% des BIP heuer auf 89% im nächsten Jahr. Die Arbeitslosenrate dürfte aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung heuer auf 9,4% und im nächsten Jahr auf unter 9% sinken. Die Inflation hat aufgrund der höheren Rohölpreise in den letzten Monaten kräftig angezogen; für 2017 geht die EK von einem Anstieg auf 1,6% aus; für 2018 wird (infolge des Nachlassens der Auswirkungen höherer Rohölpreise) wieder ein Rückgang auf 1,3% erwartet. Insgesamt schätzt die EK die Abwärtsrisiken in der aktuellen Prognose ausgewogener als zuletzt ein; gleichzeitig weist sie aber ebenso auf die weiterhin bestehenden geopolitischen und strategischen Unsicherheiten hin, darunter die künftige US-Wirtschafts- und Handelspolitik, die wirtschaftliche Anpassung Chinas, die Solidität des europäischen Bankensektors sowie die anstehenden Brexit-Verhandlungen.

 

EK-Vorschlag für eine Richtlinie über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der EU

 

Unter diesem TOP hat sich der ECOFIN-Rat auf eine allgemeine Ausrichtung zum EK-Vorschlag für eine Richtlinie über die Verbesserung der Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten geeinigt, den sie im vergangenen Oktober im Rahmen des Reformpakets zur Verbesserung der Unternehmensbesteuerung vorgelegt hat. Ziel der Richtlinie ist die Schaffung eines wirksamen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten in Fällen von Doppelbesteuerungen, wodurch die Rechtsicherheit für die Unternehmen gestärkt werden soll. Als wesentliches Element der Richtlinie sollen Steuerpflichtige künftig die Möglichkeit haben, innerhalb von drei Jahren eine Beschwerde gegen einen Steuerbescheid an die betroffenen Steuerverwaltungen zu richten. Sollte im Rahmen des anschließenden Verständigungsverfahrens keine Lösung gefunden werden, ist die Einleitung eines Schiedsverfahrens vorgesehen, mit einer für das steuerpflichtige Unternehmen und die betroffenen Steuerverwaltungen verbindlichen Entscheidung.

 

EK-Vorschlag für eine Richtlinie zur Einführung einer gemeinsamen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage

 

Unter diesem TOP hat beim ECOFIN-Rat eine Orientierungsdebatte zum ersten der beiden ebenfalls im Oktober letzten Jahres von der EK vorgelegten Vorschläge zur Einführung einer gemeinsamen (konsolidierten) Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage stattgefunden. Demnach soll in einer ersten Phase zunächst eine Einigung über die Definition der Bemessungsgrundlage, und erst in einer zweiten Phase eine Einigung über die grenzüberschreitende Konsolidierung (im Konzern) erzielt werden.

 

Durch die Richtlinie sollen künftig alle Unternehmen, die Teil einer konsolidierten Gruppe mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Mio. Euro sind, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage zwingend den einheitlichen Regeln unterliegen; für kleinere Unternehmen soll die Anwendung optional erfolgen. Durch die gemeinsame Bemessungsgrundlage soll einerseits der Verwaltungsaufwand für grenzüberschreitend tätige Unternehmen verringert und anderseits auch der Spielraum für aggressive Steuerplanung weiter eingeengt werden.

 

Außerdem sieht der Vorschlag Anreize für die Forschung und Entwicklung (durch erhöhte Abzugsmöglichkeiten von F&E-Ausgaben) sowie für die Finanzierung durch Eigenkapital/ Beschaffung von Beteiligungskapital (durch einen „Freibetrag für Wachstum und Investitionen“) vor. Bis zum Inkrafttreten der Konsolidierung soll es die Möglichkeit eines grenzüberschreitenden Verlustausgleichs in Bezug auf Tochtergesellschaften und Betriebsstätten in anderen Mitgliedstaaten geben.

 

Von den meisten Mitgliedstaaten wurde der EK-Ansatz grundsätzlich positiv kommentiert, in zahlreichen Wortmeldungen wurde aber ebenso betont, dass vor einer endgültigen Positionierung eine genaue Analyse der budgetären Auswirkungen erfolgen müsse. Mehrere Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, haben auch betont, dass man sich bei den Verhandlungen tatsächlich auf die Definition der Bemessungsgrundlage konzentrieren, und die Zuständigkeit für nicht-fiskalische Ziele, wie die Förderung von Forschung und Entwicklung, weiterhin bei den Mitgliedstaaten verbleiben sollte.

 

Umsetzung des freien Kapital- und Zahlungsverkehr

 

Unter diesem TOP wurden der vom EFC gemäß Art. 134 (2) AEUV jährlich zu erstellende Bericht über die Lage des Kapital- und Zahlungsverkehrs sowie der von Experten/innen der EK und den Mitgliedstaaten verfasste Bericht über „Hindernisse für Kapitalströme“ präsentiert. In beiden Berichten werden u.a. Barrieren beim grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds, nationale Beschränkungen bei grenzüberschreitenden Investitionen für Pensionskassen, Firmen- und Wohnsitzerfordernisse für das Management von Finanzinstitutionen sowie belastende Quellensteuerverfahren als wesentliche Hindernisse im Kapital- und Zahlungsverkehr bzw. bei der Errichtung der Kapitalmarktunion identifiziert. Der ECOFIN-Rat hat vor diesem Hintergrund eine von der Expertengruppe erarbeitete Roadmap zur Umsetzung konkreter Maßnahmen angenommen, darunter die Beseitigung unnötiger administrativer Belastungen bei Investmentfonds sowie von Firmen- und Wohnsitzerfordernissen und die Vereinfachung steuerlicher Bestimmungen.   

 

Umsetzung des Europäischen Semesters

 

Unter diesem TOP wurden schließlich Schlussfolgerungen verabschiedet, mit denen die Berichte und Einschätzungen der EK zur Tiefenanalyse im Rahmen der makroökonomischen Überwachung sowie zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im Wesentlichen bestätigt werden. Demnach liegen bei sechs Mitgliedstaaten (BG, FR, HR, IT, PT und CY), die in die Tiefenanalyse einbezogenen waren, tatsächlich übermäßige Ungleichgewichte vor; bei drei Mitgliedstaaten (CY, IT und PT) soll nach der Bewertung der nationalen Reformprogramme über mögliche weitere Schritte entschieden werden. Ferner werden die bisherigen Fortschritte bei der Korrektur von makroökonomischen Ungleichgewichten anerkannt; gleichzeitig wird aber ebenso auf die Notwendigkeit weiterer Anstrengungen, insbesondere bei der Reduktion der öffentlichen Schulden sowie von hohen Leistungsbilanzüberschüssen hingewiesen. In Bezug auf die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen werden größere Anstrengungen bei Strukturreformen in den Dienstleistungs-, Arbeits- und Produktmärkten, einschließlich der Förderung von Innovationen, Digitalisierung und neue Technologien, eingefordert.

 

Ich stelle den

 

A n t r a g,

 

die Bundesregierung wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

 

2. Juni 2017

Der Bundesminister für Finanzen:

Dr. Schelling