7 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 57/A(E) der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dienstrecht für PädagogInnen

Die Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. November 2013 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Zwei Jahre lang haben Regierung und LehrerInnen-Gewerkschaften intensiv über ein neues Dienstrecht verhandelt. Die geheimen Verhandlungen brachten zwar immer wieder kolportierte schrittweise Annäherungen und waren auch auf gutem Weg, allerdings herrschte zuletzt nicht einmal Einigkeit über die Zahl der abgehaltenen Verhandlungsrunden. Nach der 33. oder 34. ergebnislos verlaufenen Runde hat die Regierung Anfang September 2013 kurz vor den Nationalratswahlen den Entwurf über ein neues Dienstrecht für LehrerInnen in Begutachtung geschickt. Innerhalb von nur vier Wochen gingen fast 1.700 - praktisch nur negative - Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf ein. Nach den Wahlen trafen sich nochmals RegierungsvertreterInnen und GewerkschafterInnen, um am 18.11.2013 die Verhandlungen endgültig für gescheitert zu erklären.

 

Hauptkritikpunkt aus den Stellungnahmen ist, neben der erhöhten Lehrverpflichtung auf 24 Unterrichtsstunden pro Woche, dass der vorliegende Entwurf altmodisch und realitätsfern ist. Weitere Kritikpunkte lauten:

-       Kindergarten-PädagogInnen sind nicht erfasst.

-       Der Entwurf ist an das alte Bundeslehrerdienstrecht angelehnt, welches für Halbtagsschulen ausgelegt ist, die sich aus Klöstern und Militärakademien entwickelt haben.

-       Das unflexible Wochenarbeitszeitmodell ist für Projektarbeiten, neue Unterrichtsformen, Alternativpädagogik, Schwerpunktwochen etc. ungeeignet.

-       Die Fokussierung auf Unterrichtszeit ignoriert die Entwicklung der LehrerInnen von Vortragenden zu Lerncoaches.

-       Die Maßeinheit „Unterrichtsstunde“ verunmöglicht eine innovative Gestaltung des Tagesablaufes, der sich am Lernrhythmus von SchülerInnen orientiert.

-       Obwohl sich der Trend zu ganztägigen Schulen verstärkt, bietet das Dienstrecht keine Grundlage für längere Anwesenheitszeiten der LehrerInnen.

-       Trotz gleicher Grundeinkommen kommt es zur Schlechterstellung von PflichtschullehrerInnen gegenüber LehrerInnen an Bundesschulen.

-       Kein Leistungsanreiz für LehrerInnen sich über die Unterrichtsstunden hinaus zu engagieren.

-       Der flexible Einsatz von LehrerInnen innerhalb ihrer Arbeitszeit an den Schulen ist durch die Unterrichtsverpflichtung stark eingeschränkt.

-       An einigen Schulformen (Abendgymnasium) ist eine wöchentliche Arbeitszeit von 24 Unterrichtsstunden nicht umsetzbar.

Das damalige Bundesministerium für Wissenschaft, Kunst und Kultur hat im Jahr 2000 vom Institut SORA eine Arbeitszeitstudie über die Arbeit der LehrerInnen erstellen lassen. Darin findet sich eine Liste der Tätigkeiten, die LehrerInnen in Ausübung ihres Berufes ausführen. Unterricht in der Klasse ist darin einer von 49 genannten Punkten.

Je nach Schultyp nimmt die Unterrichtszeit zwischen 28% und 41% der Wochenarbeitszeit ein.

Quelle: LehrerIn 2000

Arbeitszeit, Zufriedenheit, Beanspruchungen und Gesundheit der LehrerInnen in Österreich.

Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst

Wien, Oktober 2000

 

In Folge der LehrerInnenarbeitsstudie wurde im Jahr 2001 das Dienstrecht der PflichtschullehrerInnen mit dem „LDG neu“ reformiert. Ihre Arbeitszeit richtet sich nun nach einer Jahresnorm, die auf drei „Töpfe“ aufgeteilt ist. Als Jahreszielwert werden rund 1.800 Arbeitsstunden veranschlagt. Das entspricht auch der durchschnittlichen Arbeitszeit von Angestellten in Vollzeit. Davon sind jährlich 720 bis 792 Stunden im Jahr für Unterricht und Aufsicht(Topf A) vorgesehen. Etwas weniger, nämlich 5/6 der Unterrichtszeit sind für Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Korrekturarbeiten etc. vorgesehen (Topf B). Die verbleibenden rund 350 Stunden (Topf C) umfassen andere lehramtliche Tätigkeiten u.a. Elternsprechtage oder die Beratung von SchülerInnen, Konferenzen, Qualitätsentwicklung etc. und können von der Schulleitung festgelegt werden.

Das Jahresarbeitszeitmodell erlaubt den flexibleren Einsatz der LehrerInnen auch außerhalb eines wöchentlichen Stundenplanes und erleichtert damit etwa die Durchführung von pädagogischen Schwerpunkten oder Projektunterricht.

Nicht umsonst wurde also im Begutachtungsverfahren der Ruf nach einem Jahresarbeitszeitmodell ähnlich dem der PflichtschullehrerInnen laut. So schreibt etwa die ÖLI-UG in ihrer Stellungnahme zum Dienstrechtsentwurf: „Die Jahresarbeitszeit der LehrerInnen hat bei einem Vollzeit-Dienstverhältnis der Normalarbeitszeit einer 40-Stundenwoche zu entsprechen (vgl. Arbeitszeitstudien der letzten Jahre und die rund 1750 Stunden Jahresarbeitszeit im Dienstrecht der LandeslehrerInnen 2001).“

Am 26. Juli 2013, also noch vor Veröffentlichung des Begutachtungsentwurfes, macht Paul Kimberger die Forderung der Gewerkschaft deutlich: Bei der Arbeitszeit lehnt die Gewerkschaft auch das „Einheitsstundenmodell“ ab, das für alle Lehrer grundsätzlich eine wöchentliche Unterrichtszeit von 24 Stunden vorsieht. Nach wie vor fehle außerdem eine wissenschaftliche Arbeitszeitstudie, die die Lehrerarbeit beschreibt. „Was wäre so schlecht daran, wenn wir beginnen, das auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen“, fragte Kimberger, der statt einer wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung erneut ein derzeit für Pflichtschullehrer geltendes Jahresarbeitszeitmodell mit 1.776 Stunden samt Ausbau der Schulautonomie ins Spiel brachte.[1]

Selbst Fritz Neugebauer, GÖD-Vorsitzender, Dienstrechtsverhandler und Symbol für Stillstand in der Bildungspolitik ließ in seiner letzten Rede als Abgeordneter zum Nationalrat am 17. September aufhorchen: „Wir sollten die Chance nicht vorbeigehen lassen – bei aller Kritik am Detail –, den Schulen die Autonomie zuzugestehen, auch in Jahresarbeitszeitmodellen tätig sein zu können, selbst ihre Verteilung der jeweiligen Arbeitszeiten durchzuführen.“

Der vorliegende Entwurf lässt sich mit Abschlagstunden und Zuschlägen nicht mehr retten. Der Arbeitskampf der LehrerInnen und die Demotivation von LehramtsanwärterInnen ist vorprogrammiert. Ein kompletter Neustart der Verhandlungen mit den LehrerInnengewerkschaften mit dem Ziel eines modernen, realitätsbezogenen, leistungsfördernden und flexiblen Dienstrechtes für alle PädagogInnen ist daher notwendig.

Grüne Alternativen auf Basis der „Grünen Schule“:

-       Gleichwertige tertiäre Ausbildung und gleiche Gehaltsstruktur für alle LehrerInnen (inklusive ElementarpädagogInnen)

-       Einbeziehung der ElementarpädagogInnen und anderer pädagogischer Berufe ins LehrerInnendienstrecht

-       Rahmenjahresarbeitszeitmodell mit Unterrichts-, Vor- und Nachbereitung und sonstige Tätigkeiten (Beratung, Projektbetreuung, Nachmittagsbetreuung, Anwesenheit, Sprechstunden, Konferenzen etc.)

-       Flexible Zeitabrechnung ermöglicht einen schulautonom gestalteten schülerInnengerechten Tagesablauf

-       durchgehendes Qualitätsmanagement und verpflichtende Personalentwicklung (in Verantwortung der Schulleitung)

-       Steigerung des Einkommens mit drei Maßnahmen (a) Gehaltsstufen (zB. alle 4-5 Jahre) und (b) durch höhere Qualifikation und/oder (c) Übernahme von mehr Verantwortung

-       Schulisch autonome Personalhoheit (mit entsprechender externer Kontrolle)

-       Faire Bezahlung für PflichtschullehrerInnen

-       Zulagen schulautonom vergeben, da Anforderungen je nach Standort sehr unterschiedlich sind.“

 

 

Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag gemeinsam mit der Regierungsvorlage 1 der Beilagen in seiner Sitzung am 12. Dezember 2013 in Verhandlung genommen.

Der Ausschuss fasste einstimmig den Beschluss, den Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates für Niederösterreich, HR Hermann Helm, den Vorsitzenden der Lehrergewerkschaften, Paul Kimberger, den Vorsitzenden der Unabhängigen GewerkschafterInnen im Öffentlichen Dienst, Mag. Reinhart Sellner und Mag. Angela Weilguny vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gemäß § 40 Abs. 1 GOG als Expertin und Experten den Beratungen beizuziehen.

Nach den Ausführungen des Berichterstatters Abgeordneten Dr. Harald Walser gaben die ExpertInnen einleitende Stellungnahmen ab. Außer dem Berichterstatter beteiligten sich an der Debatte die Abgeordneten Elmar Mayer, Dr. Walter Rosenkranz, Mag. Wolfgang Gerstl, Dr. Gabriela Moser, Dr. Johannes Jarolim, Erwin Preiner und Mag. Dr. Angelika Rosa Mlinar sowie die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: F, G, T, N, dagegen: S, V).

 

Zum Berichterstatter für das Plenum wurde Abgeordneter Otto Pendl gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2013 12 12

                                      Otto Pendl                                                                   Dr. Peter Wittmann

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann



[1]http://goed.at/service/dienstrecht/artikel-einzelansicht/goed///c22e2b92f08160c1fcbbd3ad2d4681c4/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=222&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail